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Als Agyptische Fayence wird in der Archaologie und Agyptologie ein Material bezeichnet das zu etwa 95 aus Quarzsand genauer aus zermahlenem Sand oder Sandstein besteht und mit Ton Metalloxiden Kalk und Alkalien versetzt ist Es wurde geformt getrocknet und gebrannt Beim Trocknen treten die metallischen Verbindungen an die Oberflache und bilden beim Brennen eine grun blaue Glasur Die Objekte wurden zu Dekorations und Gebrauchszwecken eingesetzt Diese Technik beschrankte sich nicht nur auf Agypten Auch in vielen Regionen Europas sowie des Alten Orients wurden Gegenstande aus diesem Material hergestellt Die Agyptische Fayence muss streng unterschieden werden von Tonen mit deckenden Blei oder Zinnoxidglasuren die heutzutage nach der italienischen Stadt Faenza als Fayence bezeichnet werden siehe Fayence Fayenceobjekte erfreuten sich zu allen Zeiten der agyptischen Geschichte grosser Beliebtheit Aus Agyptischer Fayence wurden unter anderem Kacheln Vasen Gotterfiguren und sogar Spielzeug angefertigt Agyptische Fayence in Hieroglyphen1 Schreibweise tjehenet ṯḥnt Fayence2 Schreibweise tjehenet ṯḥnt Fayence Blaues Nilpferd Hippopotamus William aus Mair 12 Dynastie Inhaltsverzeichnis 1 Terminologie 2 Zusammensetzung 3 Herstellung 3 1 Praparieren der Grundsubstanz 3 2 Formen 3 3 Verzierung 3 4 Nutzung der fertigen Ware 4 Kunsthistorisches 5 Siehe auch 6 Literatur 7 Weblinks 8 EinzelnachweiseTerminologie BearbeitenDie alten Agypter nannten ihre Fayence Tjehenet ṯḥnt oder seltener Chesbedj ḫsbḏ 1 was auch fur Lapislazuli verwendet wurde Beide Worter sind sprachlich eng verwandt mit glanzen oder schimmern was die Rolle der Fayence als kunstlichen Schmuckstein herausstellt Das heisst aber nicht dass Fayence als minderwertiger Lapis oder Turkis angesehen wurde wenn auch der Ausdruck echter Lapis 2 fur das Mineral manchmal gebraucht wurde 3 Die antiken Griechen nannten die Agyptische Fayence Kyanos kyanos was wortlich ubersetzt blaulich bedeutet und auch den Schmuckstein Lapislazuli bezeichnen konnte Die Romer umschrieben Agyptische Fayence mit Caeroleum was ebenfalls blaulich bedeutet Sie glaubten dass Agyptische Fayence in Alexandria erfunden worden sei Aus der 19 Dynastie Agyptens ist der seltene Beamtentitel Imi ra iru chesbedj zu dt Aufseher uber die Fayence Hersteller uberliefert 4 Wie bereits Alfred Lucas feststellte 5 ist Fayence eigentlich nicht der geeignetste Begriff fur das Material Im deutschen Sprachraum wird der Begriff Quarzkeramik bevorzugt 6 Um es von der tonhaltigen Fayence zu unterscheiden die ihre Bezeichnung von der italienischen Stadt Faenza erhielt und die heute teilweise auch als Majolika bezeichnet wird wird das Material auch als Agyptische Fayence bezeichnet Allerdings war das Material in der Antike weit verbreitet und taucht in Mesopotamien 7 im Mittelmeerraum und Nordeuropa bis nach Schottland auf 8 Meistens wurde das Material lokal hergestellt 9 10 Damit ware die Bezeichnung agyptische Fayence in diesen Kontexten wiederum verwirrend und das Element agyptisch wird deshalb inzwischen weggelassen 4 Zusammensetzung BearbeitenDie Grundsubstanz der gewohnlichen agyptischen Fayence besteht aus etwa 95 Quarzsand das heisst zermahlener Sand oder Sandstein der versetzt ist mit Ton Metalloxiden und Kalk die bereits alle zur Glasbildung erforderlichen Bestandteile darstellen ausgenommen Alkalien die sich aus ahnlichen Ausgangsstoffen wie Calcium Silikaten und Soda oder Pottasche zusammensetzen Je nach Gehalt an Eisenoxiden konnten die Kerne braun graue sehr dunkle gelbliche rotliche mattblaue und grunliche Tone aufweisen Je grober der Sand war desto weniger fest waren die Kerne Feinst zerkleinerte durchsichtige Flusskiesel ergaben harte weisse Kerne die insbesondere fur die kleinen Fayencen verwendet wurden 11 Ab der 22 Dynastie finden sich auch glasige Fayencen die nach Mischverhaltnis der Grundsubstanzen und Verarbeitungsmethode zwischen Fayence und Glas einzuordnen sind Gleichzeitig tauchen erstmals bleihaltige Glasuren auf mit denen sich nicht nur Fayenceobjekte sondern auch Topferwaren glasieren liessen 12 Herstellung Bearbeiten nbsp Darstellung aus dem Grab des Ibi TT36 in Theben Der Arbeiter rechts verknetet vermutlich die Grundsubstanz zu einer formbaren Masse und jener links formt ein Objekt Praparieren der Grundsubstanz Bearbeiten Ahnlich der Herstellung von Topferwaren wurde die Grundsubstanz mit Wasser zu einer formbaren Masse verknetet und nach dem Trocknen mehrere Stunden bei etwa 800 Celsius im Ofen gebrannt Partiell entstanden dabei verglasende Sinterkorper Die Glasur die ebenfalls gebrannt wurde stellte man aus einer Mischung aus fein pulverisiertem Sand Kalk Soda und Kupferoxid her Diese Mixtur wurde nach dem Brand zerstossen und mit Wasser vermischt Darin wurde der Grundkern getaucht oder damit ubergossen Abschliessend wurde das Objekt nochmals bei etwa 650 700 C gebrannt um eine feste Glasur zu erhalten 11 Formen Bearbeiten Der Grundkern konnte wie Topferton geformt und nach dem Trocknen oder Brennen uberarbeitet werden Gefasse formte man frei auf der Topferscheibe oder in Halbschalenformen Kacheln und Bauschmuck formte man mit der Hand Durchbohrungen und Osen fur figurliche Arbeiten Einlagen Anhanger usw erzielte man indem man Drahte oder halmartiges Material durchstiess und nach dem Brand herausnahm beziehungsweise es im Ofen verbrennen liess Fayencen konnten auch in Formen gebrannt werden wenn vorher eine separierende Zwischenschicht aufgebracht worden war Von Hand wurden auch die grossten erhaltenen Fayencen geformt namlich das ca 2 m hohe Was Zepter Amenophis II 13 und die ca 0 60 m grossen Lowen aus Qantir 14 die in mehreren Teilen gearbeitet und auf Holzpflocken zusammengesetzt und glasiert wurden 15 Bildliche Darstellungen der Fayence Herstellung sind selten 16 Archaologische Hinweise auf Fayence Werkstatten sind dagegen vielerorts erhalten geblieben meist in der Nahe von Konigsresidenzen und Tempeln beispielsweise in Malqata Amarna Gurob Qantir Tell el Yahudiya Naukratis Memphis und Abydos Meistens handelte es sich um Funde wie Rohmaterialien Instrumente Tonformen und Abfalle Feuerstellen und Ofenreste konnten hingegen seltener beobachtet werden 17 Verzierung Bearbeiten nbsp Dekorierte Fayence Schale aus dem Mittleren ReichDie Glasuren waren vorwiegend blau grunlich in der Farbsymbolik die ubelabwehrende Farbe der Talismane Vereinzelt waren sie im Mittleren Reich und zu Beginn des Neuen Reiches auch leuchtend blau Spater kamen viele Farben hinzu In der Spatzeit waren sie meist mattgrunlich und in der ptolemaisch romischen Zeit grunlich Vor dem Brand konnten Ornamente und Schriftzuge auf die getrocknete Glasursubstanz aufgetragen werden Dazu verwendete man mangan und carbonathaltige Farben in linearer Pinselmalerei Diese erreichte ihren Hohepunkt in Darstellungen von Uferlandschaften mit Pflanzen Fischen Vogeln Madchen und Anderem ab dem Mittleren Reich auf Nilpferdkorpern und Vasen insbesondere auf Trinkschalen des Neuen Reiches Es konnten auch verschiedenfarbige Glasurschichten ubereinander auf den Grundkorper aufgetragen werden Zuunterst die wiederholtem Brand standhaltenden dunklen Farben die hellen im Feuer leicht umschlagenden Farben zuletzt Muster konnten auch aus der Grundfarbe gekratzt und mit andersfarbigen Glasurpasten aufgefullt werden Daneben finden sich auch Fayence Einlagen wie Rosetten Hieroglyphen und Imitationen von Halbedelsteinen 18 Nutzung der fertigen Ware Bearbeiten Wie bereits eingangs erwahnt wurden aus Agyptischer Fayence die unterschiedlichsten Zier und Nutzobjekte hergestellt Kacheln Schalen Vasen Becher Gotterfiguren und Figurinen aber auch Skarabaen Ohrringe Armreife Uschebtis und sogar Spielzeuge wurden aus Fayence angefertigt Die meisten waren als Grabbeigaben gedacht manche Schmuckobjekte allerdings scheinen tatsachlich zu Lebzeiten der Besitzer getragen worden zu sein Objekte aus Fayence wurden aber auch als Tauschware exportiert Handelspartner waren unter anderem Syrien Byblos und die Levante 4 Kunsthistorisches Bearbeiten nbsp nbsp nbsp Gefassfragment mit dem Namen des Hor Aha 1 Dynastie Fayencekacheln aus dem Grab des Djoser 3 Dynastie Skarabaus mit losen Flugeln Griechisch romische Epoche Agyptische Fayence ist seit der ausgehenden Pradynastik belegt Archaologische Funde stammen aus Grabern von Naqada und Tarchan Die meisten Fundstucke sind Perlen und Amulette in Gestalt koniglicher Serechs mit Horusfalken aber auch Rollsiegel sind belegt Wahrend der Fruhdynastischen Epoche scheint die Fayenceproduktion ihre erste Blutezeit erfahren zu haben Aus dem Grab des Konigs Pharao Aha 1 Dynastie in Abydos beispielsweise stammt ein Gefassbruchstuck aus Fayence mit dem Namen des Konigs darauf Von der Nilinsel Elephantine stammen ovale Fayenceplaketten mit den stilisierten Kopfen von Igeln auf ihren Vorderseiten Im Alten Reich wurden Figurinen und Vasen produziert zu den bekanntesten Fayence Objekten aber gehoren zweifellos die beruhmten Blauen Kammern im Grablabyrinth unter der Stufenpyramide des Konigs Djoser 3 Dynastie in Sakkara Ebenfalls beruhmt sind die goldverzierten Fayencekacheln des Konigs Neferefre 5 Dynastie gefunden in dessen Pyramidentempel Aus dem Mittleren Reich stammen mehrere kunstvoll verzierte Zier und Spielfiguren beruhmt ist das Blaue Nilpferd 12 Dynastie aus Mair Ab dem Neuen Reich wurden auch sogenannte Uschebtis und Skarabaen aus Fayence als Grabbeigaben hergestellt bekannt sind die Uschebtis von Ramses II 19 Dynastie und die Uschebti des Taharqa 25 Dynastie Aus der griechisch romischen Zeit stammen kleine bis mittelgrosse paddelformige Figuren aus Fayence mit echtem Menschenhaar bei denen unklar ist ob es sich um Kinderspielzeug oder um rituelle Votivfigurchen handelt Aufgrund der eindeutig sexuellen Symbolverzierung wird aber mehrheitlich von Letzterem ausgegangen 4 19 Siehe auch BearbeitenGlas im Alten AgyptenLiteratur BearbeitenFlorence Dunn Friedman Autor Georgina Borromeo Mimi Leveque Herausg Gifts of the Nile ancient Egyptian faience Thames and Hudson London 1998 ISBN 0 500 23754 9 S 101 194 Rainer Hannig Die Sprache der Pharaonen Grosses Handworterbuch Agyptisch Deutsch 2800 950 v Chr Kulturgeschichte der Antiken Welt Bd 86 von Zabern Mainz 2001 ISBN 3 8053 2609 2 Alexander Kaczmarczyk Robert E M Hedges Ancient Egyptian Faience Aris amp Phillips Warminster UK 1983 ISBN 0 85668 221 7 Christine Lilyquist Robert H Brill M T Wypyski Studies in Early Egyptian Glass Metropolitan Museum of Art New York 1993 ISBN 0 87099 683 5 Alfred Lucas Ancient Egyptian Materials and Industries London 1948 3 Auflage Paul T Nicholson Edgar Peltenburg Egyptian faience In Paul T Nicholson Ian Shaw Hrsg Ancient Egyptian Materials and Technology Cambridge University Press Cambridge UK 2000 ISBN 0 521 45257 0 S 177 194 Paul T Nicholson Egyptian Faience and Glass Shire Egyptology Band 18 Osprey Publishing Oxford UK 1993 ISBN 0 7478 0195 9 Edgar Peltenburg Early faience recent studies origins and relations with glass In Michael Bimson Ian Freestone Hrsg Early Vitreous Materials British Museum Occasional Paper Bd 56 British Museum Press London 1987 ISBN 978 0 86159 056 8 S 5 29 Birgit Schlick Nolte Fayence In Wolfgang Helck Wolfhart Westendorf Hrsg Lexikon der Agyptologie Band 2 Harrassowitz Wiesbaden 1977 ISBN 3 447 01876 3 S 138 142 Toby A H Wilkinson Early Dynastic Egypt Strategies Society and Security Routledge London 2001 ISBN 0 415 26011 6 S 70 308 Weblinks Bearbeiten nbsp Commons Agyptische Fayence Sammlung von Bildern Videos und Audiodateien Agyptische Fayence und Glaswaren auf Digitalegypt englisch Einzelnachweise Bearbeiten Rainer Hannig Die Sprache der Pharaonen S 619 amp 960 S Aufrere L univers mineral dans la pensee egyptienne S 465 Paul T Nicholson Edgar Peltenburg Egyptian faience In Paul T Nicholson Ian Shaw Hrsg Ancient Egyptian Materials and Technology S 178 a b c d Paul T Nicholson Edgar Peltenburg Egyptian faience In Paul T Nicholson Ian Shaw Hrsg Ancient Egyptian Materials and Technology S 177 186 Alfred Lucas Ancient Egyptian Materials and Industries 4 Auflage London 1962 S 156 Ralf Bernhard Wartke Quarzkeramik in Vorderasien In Ralf Busz Peter Gercke Turkis und Azur Quarzkeramik im Orient und Okzident Wolfratshausen 1999 S 52 R S Moorey Ancient Mesopotamian Materials and Industries Oxford 1994 J Stone C Thomas The use and distribution of faience in the Ancient East and Prehistoric Europe In Proceedings of the Prehistoric Society PPS 22 Ausgabe 1956 S 37 84 R G Newton Recent views on ancient glasses In Glass Technology 21 4 1980 S 173 183 R G Newton C Renfrew British faience beads reconsidered In Antiquity 44 Ausgabe 1976 S 199 206 a b Birgit Schlick Nolte Fayence S 138 142 Birgit Schlick Nolte Fayence S 141 W M F Petrie J E Quibell Naqada and Ballas London 1896 S 68 Tf 78 online William C Hayes Glazed Tiles from a Palace of Ramesses II at Kantir S 8 Anm 37 Tf 5 Birgit Schlick Nolte Fayence S 140 Norman de Garis Davies The Rock Tombs of Deir el Gebrawi Part I Tomb of Aba and smaller Tombs of the Southern Group Archaeological Survey of Egypt Eleventh Memoir London 1902 online Hans Kayser Agyptisches Kunsthandwerk Ein Handbuch fur Sammler und Liebhaber S 113 Abb 104 Schlick Nolte Fayence S 180 ff Schlick Nolte Fayence In Lexikon der Agyptologie 2 Sp 140 f Toby A H Wilkinson Early Dynastic Egypt S 70 308 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Agyptische Fayence amp oldid 236907998