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Was wundert Ihr Euch noch Ihr Rose der Jungfrauen ist ein Sonett von Andreas Gryphius Die erste Fassung wurde 1637 unter der Uberschrift An eben dieselbe in Gryphius erster Sonettsammlung im polnischen Lissa gedruckt das einundzwanzigste der 31 Lissaer Sonette Die Uberschrift versteht sich aus der des vorangehenden zwanzigsten Sonetts An eines hohen Standes Jungfraw Druck in der Auflage von 1657 Inhaltsverzeichnis 1 Entstehung und Uberlieferung 2 Text 3 Interpretation 3 1 Form 3 2 Das Sinnen Bild 3 3 Erstes Quartett 3 4 Zweites Quartett 3 5 Erstes Terzett 3 6 Zweites Terzett 3 7 Das Ganze 4 Literatur 5 Einzelnachweise und AnmerkungenEntstehung und Uberlieferung BearbeitenGryphius hat die Lissaer Sonette ab 1634 in Danzig wahrend des Besuchs des dortigen Akademischen Gymnasiums und anschliessend auf dem Gut seines Gonners Georg Schonborner 1579 1637 in der Nahe des niederschlesischen Freystadt geschrieben Er hat spater immer wieder an ihnen gefeilt So ist Was wundert Ihr Euch noch Ihr Rose der Jungfrauen in Gryphius Lebzeiten zu vier weiteren Auflagen gekommen deutlich verandert 1643 gegenuber 1643 wenig verandert 1650 1657 1 und 1663 Seit 1643 lautet die Uberschrift An Eugenien ebenso wie die Uberschrift von An eines hohen Standes Jungfraw Beide gehoren also zu Gryphius Eugenien Gedichten deren Adressatin nach den meisten Forschern Elisabeth Schonborner war die 1637 vierzehnjahrige Tochter Georg Schonborners Seit 1643 tragt Schon ist ein schoner Leib den aller Lippen preisen die Nummer 21 Was wundert Ihr Euch noch Ihr Rose der Jungfrauen die Nummer 22 der Sonettsammlungen 2 Die Lissaer Fassung hat zunachst Victor Manheimer 1904 dann Marian Szyrocki 1963 in Band 1 einer von ihm und Hugh Powell verantworteten Gesamtausgabe der deutschsprachigen Werke neu gedruckt die 1663er Ausgabe letzter Hand unter anderen Thomas Borgstedt 2012 Aus Szyrockis und Borgstedts Ausgaben stammen die folgenden Texte Text BearbeitenAn eben dieselbe 1637 3 Was wundert Ihr Euch noch Ihr Rose der Jungfrawen Dass diese purpur Ross die Ihr kaum auffgefast In Ewr schneeweissen Hand so vnversehns erblast So wird Ewr schoner Leib nach dem Er abgehawen Vons Todes scharffer Seens in kurtzem seyn zu schawen Diss was Ihr jtzt an Euch so lieblich funckeln last Der Halss der Mund die Brust sol werden so verhast Dass jedem der sie siht davon wird hefftig grawen Ewr Seufftzer ist vmbsonst nichts ist das auff der Welt So schon es jmmer sey Bestand vn Farbe helt Wir sind von Mutter Leib zum vntergang erkohren Mag auch an Schonheit was der Blum zu gleichen seyn Doch eh sie recht noch bluht verwelckt vnd felt sie ein So greifft der Todt nach vns so bald wir sind gebohren An Eugenien 1663 4 WAs wunderet ihr euch noch Ihr Rose der Jungfrauen Dass dises Spil der Zeit die Ros in eurer Hand Die alle Rosen trotzt so unversehns verschwand Eugenie so gehts so schwindet was wir schauen So bald des Todes Senss wird disen Leib abhauen Scharr t 5 man den Hals die Stirn die Augen dises Pfand Der Libe diese Brust in nicht zu rein sten Sand Vnd dem der euch mit Lib itzt ehrt wird fur euch grauen Der Seufftzer ist umbsonst nichts ist das auff der Welt Wie schon es immer sey Bestand und Farbe halt Wir sind von Mutterleib zum Vntergang erkohren Mag auch an Schonheit was der Rosen gleiche seyn Doch ehe sie recht bluht verwelckt und falt sie ein Nicht anders gehn wir fort so bald wir sind geboren Interpretation BearbeitenDie Interpretation geht von der 1663er Fassung aus Eine detaillierte Deutung hat Fritz Cohen 6 mittels eine Vergleichs der 1637er und der 1663er Fassung veroffentlicht 7 Form Bearbeiten Beide Fassungen sind wie Gryphius meiste Sonette in Alexandrinern verfasst Das Reimschema lautet abba abba fur die Quartette und ccd eed fur die Terzette Die Verse mit den a und d Reimen sind dreizehnsilbig die Reime weiblich die Verse mit den b c und e Reimen sind zwolfsilbig daher hier entsprechend den Ausgaben von Szyrocki und Borgstedt eingeruckt die Reime mannlich Das Sinnen Bild Bearbeiten Angelpunkt des Gedichts ist ein Sinnbild ein Emblem ohne Bild Sinnen Bild in Gryphius Schreibweise 8 die Rose Ihre metaphorische Verwendung geht bis auf das Hohe Lied zuruck nach der Lutherbibel von 1545 JCH bin ein Blumen zu Saron vnd ein Rose im tal Wie eine Rose vnter den Dornen So ist mein Freundin vnter den Tochtern nach der Revision von 2017 Hld 2 1 2 LUT Ich bin eine Blume in Scharon eine Rose im Tal Wie eine Rose unter den Dornen so ist meine Freundin unter den Madchen 9 Die Rose ist hier Metapher fur die unlosbare Verwobenheit von Lust und Schmerz 10 Die Bildlichkeit in Gryphius Werk haben Gerhard Fricke 1933 und Dietrich Walter Jons 11 1966 eindringlich untersucht Nach ihnen hat Gryphius das Rosen Bild am reichsten in seinem Trauerspiel Catharina von Georgien benutzt wo die Kammerfrau Salome der gefangenen Catharina einen Strauss Rosen bringt 12 Salo Da fand ich ohngefahr die neuen Sommers Zeichen Cath O Blumen welchen wir in Warheit zu vergleichen dd Die schleust den Knopff kaum auff die steht in voller Pracht Beperl t mit frischem Taw Die wirfft die welcke Tracht Der bleichen Blatter weg Die edlen Rosen leben So kurtze Zeit vnd sind mit Dornen doch vmbgeben Alsbald die Sonn entsteht schmuckt sie der Garte Zelt Vnd wird in nichts verkehrt so bald die Sonne felt dd dd nbsp Nascendo senescit Catharina nennt was sie sieht eine knospende eine erbluhte von Tau beperlte eine welkende Rose eine prazise durch Genauigkeit im Detail uberzeugende Schilderung von Verganglichkeit Dass die Rose nur einen Tag lebe war ein festes Motiv 13 Endet hier die Allegorie als poetisch uberhohte Sachbeschreibung so folgt nun der zweite Teil des Gleichnisses die Deutung So kussen wir den Tag benetzt mit eignen Thranen Vnd schwinden wenn wir vns erst recht zu leben sehnen Schau wie die Roth erblast so fahren wir davon So fleucht die Lust der Welt so bricht der guldne Thron dd dd Die Verganglichkeit ist das Gesetz dem alles unterworfen ist auch wir Hinter diesem Gleichnis steht ein natura loquitur die Natur spricht oder natura monet die Natur mahnt Die Funktion des von Gryphius hier gestellten Sinnbildes Catharinas Selbstverstandnis auf eine wesentliche Wahrheit des menschlichen Lebens zuruckzufuhren beruht auf der Qualitat des Dinges Spiegel der Wahrheit zu sein 14 Die Sache die zum Spiegel fur eine Bedeutung wird wie etwa eine Rose wird nach Fricke gleichsam durchsichtig und macht einen Sinnzusammenhang sichtbar 15 Als Sinnbild der Hinfalligkeit des Lebens erscheint die Rose in der Emblemliteratur in immer neuen Variationen Eine in der Hamburger Kunsthalle aufbewahrte Imprese des Kupferstechers Giacomo Sarzina von 1623 ist uberschrieben mit dem Motto nascendo senescit im Geborenwerden altert sie und wird erlautert Hinc expressam cum vitae tum venustatis humanae ideam habeto Hier magst du ein Sinnbild sowohl menschlichen Lebens als auch menschlicher Schonheit haben 16 Erstes Quartett Bearbeiten Drei Versen einer rhetorischen Frage folgt im vierten Vers unter direkter Anrede der Adressatin die Antwort Der Rose und der fiktionalen Eugenie gemeinsam ist zunachst Schonheit wobei Eugenies Hand alle Rosen trotzt Rosen an Schonheit sogar ubertrifft der Schonheit Wunder hatte Gryphius Eugenie im vorangehenden einundzwanzigsten Sonett der Sammlung von 1643 genannt Die Rose weist sodann wie im Trauerspiel die Konigin Catharina von Georgien so im Sonett Eugenie auf die Verganglichkeit hin Die Verganglichkeit das zerstorende Tun der Zeit ist das zweite Tertium Comparationis zwischen der Rose und Eugenie Die Zeitspanne zwischen Blute und Verfall wird durch das Adverb unversehens in der Lissaer Fassung ausserdem kaum zusammengedrangt Vergangenheit Gegenwart und Zukunft verschmelzen beinahe Das Spil der Zeit die Ros verschwand in Vers 3 Prateritum so schwindet was wir schauen Vers 4 Prasens Zweites Quartett Bearbeiten Gryphius reiht Korperteile die sinnliche zeitunterworfene Schonheit tragen den Hals die Stirn die Augen diese Brust eine asyndetische Folge wie Gryphius sie liebte 17 Eingeschaltet in die Reihe ist Eintonigkeit verhindernd das abstrakte dises Pfand Der Libe Hinter Sand Vers 7 vermutet Manheimer eine Auslassung Ellipse des Infinitivs fallen die er viel zu hart findet 18 Fur all diese Manifestationen von Schonheit sagt das Quartett Tod Verwesung Grauen voraus gipfelnd in der Antithese von Vers 8 Vnd dem der euch mit Lib itzt ehrt wird fur euch grauen Erstes Terzett Bearbeiten Der Seufftzer ist umbsonst beendet die Betrachtung von Eugenies individuellem Schicksal und leitet zu einer Aussage uber das Schicksal des Universums uber des mundus fraudulentus der betrugerischen Welt 19 nichts ist das auff der Welt Wie schon es immer sey Bestand und Farbe halt Zweites Terzett Bearbeiten Es wiederholt fasst zusammen und verscharft Vers 12 obwohl als Frage formuliert wiederholt die Gleichung Rose Schonheit Vers 13 die Gleichung Rose Verganglichkeit Die letztere Gleichung aber schreibt Cohen werde durch a radical manipulation of time ein radikales Spiel mit der Zeit verscharft Vers 13 Doch ehe sie recht bluht verwelckt und falt sie ein dd dd kehre die naturliche Zeitfolge Blute Verfall bewusst um Er sei so paradox wie nacht lichter als der tag aus dem Sonett Uber die Geburt Jesu Die Antithese erziele durch Sprache und Rhythmus maximale Wirksamkeit Die beiden Halbverse stunden lexikalisch und rhythmisch symmetrisch zum Hohepunkt der Opposition bluht verwelckt Im ersten Halbvers steige die Spannung bis zu diesem Hohepunkt vor und hinter der Zasur um dann zu fallen Der letzte Vers schliesslich ubertrage was von der Schonheit gesagt wurde auf unsere gesamte Existenz Nicht anders 20 gehn wir fort so bald wir sind geboren wieder mit der das Gedicht durchziehenden Kompression der Spanne zwischen Geburt und Tod bis zur Gleichzeitigkeit 21 Das Ganze Bearbeiten Schon ist ein schoner Leib den aller Lippen preisen Sonett 21 in der Zahlung seit 1643 und Was wundert Ihr Euch noch Ihr Rose der Jungfrauen Sonett 22 sind offensichtlich als Paar komponiert Sie bilden die Gruppe Schonheitslob der Lissaer Sonette Das erste preist Geistig Moralisches Weisheit Glaubenstreue Frommigkeit Demut und Freundlichkeit als Gipfel der Schonheit Das zweite zahlt Bestandteile korperlicher Schonheit auf unterstellt sie aber dem Memento mori Gebot Nach Andreas Solbach 22 diskreditiert das zweite Sonett korperliche Schonheit geradezu Sie bedeute nichts aus sich heraus sei nicht erstrebenswert sondern angesichts des Missbrauchs der sich mit ihr verbinde eher zu vermeiden oder verdecken Wie schon in seiner Besprechung von Schon ist ein schoner Leib den aller Lippen preisen sieht Solbach in Was wundert Ihr Euch noch Ihr Rose der Jungfrauen eine Botschaft an die Adressatin und den Adel allgemein Wie dort stelle sich Gryphius selbstbewusst als Fuhrer auf dem Weg zu Kalokagathie hin 23 Literatur BearbeitenThomas Borgstedt Hrsg Andreas Gryphius Gedichte Reclams Universal Bibliothek Nr 18561 Reclam Verlag Stuttgart 2012 ISBN 978 3 15 018561 2 Fritz Cohen Two early sonnets of Andreas Gryphius a study of their original and revised forms In German Life amp Letters Band 25 Nr 2 1972 ISSN 0016 8777 S 115 126 doi 10 1111 j 1468 0483 1972 tb00788 x Gerhard Fricke Die Bildlichkeit in der Dichtung des Andreas Gryphius Materialien und Studien zum Formproblem des deutschen Literaturbarock Neue Forschung Band 17 Wissenschaftliche Buchgesellschaft Darmstadt 1967 DNB 456664645 Unveranderter Nachdruck der Ausgabe von 1933 Dietrich Walter Jons Das Sinnen Bild Studien zur allegorischen Bildlichkeit bei Andreas Gryphius Germanistische Abhandlungen Band 13 J B Metzler sche Verlagsbuchhandlung Stuttgart 1966 DNB 457100915 Habil Schrift Kiel Victor Manheimer Die Lyrik des Andreas Gryphius Studien und Materialien Weidmann Berlin 1904 OCLC 457998751 archive org Hugh Powell Hrsg Andreas Gryphius Trauerspiele III Andreas Gryphius Gesamtausgabe der deutschsprachigen Werke Band 6 Neudrucke deutscher Literaturwerke N F Band 15 Max Niemeyer Verlag Tubingen 1966 DNB 456834958 Andreas Solbach Gryphius und die Liebe Der poeta als amator und dux in den Eugenien Sonetten In Marie Therese Mourey Hrsg La Poesie d Andreas Gryphius 1616 1664 Actes de la journee tenue a la Maison Heine de Paris le 4 fevrier 2012 Le texte et l idee Centre d etudes germaniques interculturelles de Lorraine CEGIL Nancy 2012 OCLC 931023067 S 35 46 Marian Szyrocki Hrsg Andreas Gryphius Sonette Andreas Gryphius Gesamtausgabe der deutschsprachigen Werke Band 1 Neudrucke deutscher Literaturwerke N F Band 9 Max Niemeyer Verlag Tubingen 1963 DNB 456834893 Scan verbesserter Nachdruck der Ausg 1643 in der Google Buchsuche Einzelnachweise und Anmerkungen Bearbeiten Das Bild stammt aus einer 1658er Titelauflage der Auflage von 1657 Siehe das Bild Szyrocki 1963 S 16 17 Scan verbesserter Nachdruck der Ausg 1643 in der Google Buchsuche Borgstedt 2012 S 20 Manheimer 1904 S 284 Textarchiv Internet Archive und Szyrocki 1963 S 44 Scan verbesserter Nachdruck der Ausg 1643 in der Google Buchsuche haben in ihren Variantenlisten Schau t Von der Purdue University Nachricht der Universitat zu Uberlebenden des Holocaust Cohen 1972 Jons 1966 S 59 Die Rose von Scharon ist botanisch unbestimmt Die romisch katholische Einheitsubersetzung lautet Ich bin eine Blume auf den Wiesen des Scharon eine Lilie der Taler Eine Lilie unter Disteln ist meine Freundin unter den Madchen Hld 2 1 2 EU Fricke 1933 1967 S 69 Jons 1924 2011 war von 1966 bis 1992 als Germanist Professor an der Universitat Mannheim Internet Quelle Powell 1966 S 148 Jons 1966 S 110 Jons 1966 S 107 108 Fricke 1933 1967 S 226 Jons 1966 S 115 Manheimer 1904 S 87 Textarchiv Internet Archive Manheimer 1904 S 78 Textarchiv Internet Archive Der Satz wurde etwa lauten Sobald die Sense des Todes diesen Leib niedergemaht hat sieht man Hals Stirn Augen und Brust in nicht zu reinen Sand fallen Cohen 1972 S 124 Scil als die Schonheit Cohen 1972 S 124 Andreas Solbach ist seit 1999 Professor fur Neuere Deutsche Literatur an der Johannes Gutenberg Universitat Mainz Internet Quelle Solbach 2012 S 42 43 Werke von Andreas Gryphius TheaterstuckeAbsurda Comica oder Herr Peter Squenz Catharina von Georgien Horribilicribrifax Teutsch Leo ArmeniusGedichteAbend An den gecreutzigten Jesum An Gott den Heiligen Geist An die Sternen Einsamkeit Es ist alles eitel Gleich als ein Wandersmann dafern die trube Nacht Lissaer Sonette Menschliches Elende Mittag Mitternacht Morgen Sonett Schon ist ein schoner Leib den aller Lippen preisen Tageszeitenzyklus Tranen des Vaterlandes Uber des Herrn Gefangnis Uber die Geburt Jesu Vanitas Vanitatum Vanitas Was wundert Ihr Euch noch Ihr Rose der Jungfrauen Wenn meine Seel in Euch mein Licht wie kann ich leben Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Was wundert Ihr Euch noch Ihr Rose der Jungfrauen amp oldid 229659773