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Gleich als ein Wandersmann dafern die trube Nacht ist ein erstmals im Jahr 1643 im hollandischen Leiden gedrucktes Sonett von Andreas Gryphius Es tragt in der 1643er Sammlung von 50 Sonetten Gryphius nannte sie ANDREAE GRYPHII SONNETTE Das erste Buch die Nummer XLII und die Uberschrift An Eugenien gehort daher zu den Eugenien Gedichten Druck in der Auflage von 1657 Inhaltsverzeichnis 1 Entstehung und Uberlieferung 2 Text 3 Interpretation 4 Literatur 5 Einzelnachweise und AnmerkungenEntstehung und Uberlieferung BearbeitenDas erste Buch enthalt zwei weitere Sonette An Eugenien mit den Nummern XXI und XXII und den Anfangszeilen Schon ist ein schoner Leib den aller Lippen preisen und Was wundert Ihr Euch noch Ihr Rose der Jungfrauen Hinter Eugenie einem fiktiven poetischen 1 Namen verbirgt sich nach den meisten Forschern Elisabeth Schonborner die Tochter von Gryphius Forderer Georg Schonborner 1579 1637 auf dessen Gut in der Nahe des niederschlesischen Freystadt Gryphius erzog dort von 1636 bis 1638 Schonborners Sohne bevor er 1638 zum Studium an die Universitat Leiden ging 2 Schon ist ein schoner Leib den aller Lippen preisen und Was wundert Ihr Euch noch Ihr Rose der Jungfrauen zuerst 1637 im polnischen Lissa gedruckt stammen noch aus dieser Zeit nahen Beieinanders mit Elisabeth Gleich als ein Wandersmann dafern die trube Nacht dagegen entstand fern von Elisabeth und seiner schlesischen Heimat vermutlich in Leiden Das Gedicht wurde zu Gryphius Lebzeiten dreimal nachgedruckt stark uberarbeitet 1650 gegenuber 1650 wenig verandert in der ersten autorisierten Gesamtausgabe 1657 3 und 1663 Die Fassung von 1643 hat Marian Szyrocki 1963 in Band 1 einer von ihm und Hugh Powell verantworteten Gesamtausgabe der deutschsprachigen Werke neu gedruckt die 1663er Ausgabe letzter Hand unter anderen Thomas Borgstedt 2012 Aus Szyrockis und Borgstedts Ausgaben stammen die folgenden Texte Text BearbeitenAn Eugenien 1643 4 GLeich als ein wanders mann im fall die trube nacht Mit dicker funsternus lufft erdt vndt see verdecket Irt trawrig hin vnd her vnd mitt vill furcht erschrecket Weis nirgendts wo er geht siht nimmer was er macht Nicht anders ists mit mir doch wen der mond auffwacht Vndt seiner stralen kertz im wolcken haus anstecket Bald findt er weg vnd raht so wirdt mein Geist erwecket Wen jhr mich ewrer gunst vndt schreiben wurdig acht Last ja den leit stern fest wol ed le Jungfraw stehen Last ja dis schone licht mir nimmer vntergehen Das licht drin redlikeit vnd tugend sich ergetzt Wehrt bin ich nicht das jhr mir was ich wil gewehret Doch warmbt der Sonnen glantz was frost vnd schnee verheeret Wie niedrig dis auch ligt wie hoch sie wirdt geschatzt An Eugenien 1663 5 GLeich als ein Wandersmann dafern die trube NachtMit dicker Finsternuss Lufft Erd und See verdecket Betrubt irr t hin und her und mit vil Furcht erschrecket Nicht weiss wohin er geht noch was er last und macht So eben ists mit mir doch wenn der Mond erwachtVnd seiner Stralen Kertz im Wolckenhauss anstecket Bald find t er Weg und Rath so wird mein Geist erwecket Nun mich der neue Trost aus eurem Brieff anlacht Doch warumb heist ihr mich diss schone Pfand verbrennen Wolt ihr in meiner Nacht mich bey der Glut erkennen Diss meines Hertzens Feu r entdeckt ja wer ich sey Sol Schonste diss Papir nur meine Brust beruhren So wird es alsobald in Aschen sich verliren Wo von der Flamm es nicht wird durch mein Weinen frey Interpretation BearbeitenDas Gedicht ist wie Gryphius meiste Sonette in Alexandrinern verfasst Das Reimschema lautet abba abba fur die Quartette und ccd eed fur die Terzette Die Verse mit den a und d Reimen sind dreizehnsilbig die Reime weiblich die Verse mit den b c und e Reimen sind zwolfsilbig daher hier entsprechend den Ausgaben von Szyrocki und Borgstedt eingeruckt die Reime mannlich im ersten Quartett greift Gryphius das Motiv des melancholisch irrenden Wanderers auf das auf Francesco Petrarcas Canzoniere Solo et pensoso zuruckgeht 6 Solo et pensono i piu deserti campi vo mesurando a passi tardi et lenti et ogli occhi porto per fuggire intenti ove vestigio human la rena stampi Allein und gedankenvoll die wustesten Lande durchmesse ich mit langsamen und tragen Schritten und die Augen spahen in der Absicht zu fliehen wo eine menschliche Spur im Sand sich zeigte Ahnlich gestimmt ist das lyrische Ich in Gryphius erstmals 1650 gedrucktem beruhmten nicht zu den Eugenien Gedichten gehorenden Sonett Einsamkeit und in einem Eugenien Sonett das erst 1698 34 Jahre nach dem Tod des Dichters von dessen Sohn Christian aus dem Nachlass veroffentlicht wurde Einsambkeit 1650 7 In dieser Einsamkeit der mehr denn oden wusten Gestreckt auff wildes Kraut an die bemosste See Beschaw ich jenes Thal vnd dieser Felsen hoh Auff welchem Eulen nur vnd stille Vogel nisten An Eugenien 1698 8 ICh finde mich allein und leb in Einsamkeit Ob ich schon nicht versteckt in ungeheure Wusten In welchen Tygerthier und wilde Vogel nisten Ich finde mich allein vertiefft in herbes Leid In Einsamkeit wie in Gleich als ein Wandersmann dafern die trube Nacht gibt die Betrachtung der oden Natur einer geistigen Erleuchtung Raum dort der geistlichen Kontemplation Das alles ohn ein Geist den GOt selbst halt muss wancken hier im zweiten Quartett dem Trost durch einen Brief der entfernten Geliebten Wen jhr mich ewrer gunst vndt schreiben wurdig acht 1643 Nun mich der neue Trost aus eurem Brieff anlacht ab 1650 Ein Schreiben der Geliebten erwahnt auch das ebenfalls erst aus dem Nachlass bekannte Eugenien Sonett An eben Selbige 1698 9 SIe dennoch sie mein Licht sie wil bestandig seyn Ob die Zeit sich gleich verandert und die Sonne sich versteckt Und die wusten Felder trauren und das Feld mit Schnee bedeckt Sie dennoch wie sie schreibt geht kein Verandern ein Dieter Arendt 10 der die Rolle von Gryphius Lebensschicksal in seinen Werken betont denkt an reale Briefe der Eugenie also wohl Elisabeth Schonborners Thomas Borgstedt 11 weist aber darauf hin dass es sich um Fiktion ein barockes Topos handeln konne Ein Brief als Zeichen der Liebe sei zwar nicht petrarkisch niemals hat die originale petrarkische Dame sich zu einer solchen Zuwendung herabgelassen aber doch fur Gryphius Zeit gelaufig etwa bei Paul Fleming 12 Hat Gryphius die beiden Quartette von 1643 wenig verandert in die 1650er Auflage ubernommen so hat er die Terzette neu geschrieben 1643 nennt er die wol ed le Jungfraw seinen leit stern man spurt Achtung und Zuneigung wenn auch keine werbende Liebe 13 Nach Andreas Solbach 14 macht er sie das licht drin redlikeit vnd tugend sich ergetzt zur moralischen Leitinstanz behauptet sich aber gleichzeitig paradox als amator und dux Liebenden und Fuhrer in weltlichen und religiosen Fragen 15 In der 1650er Fassung hat Gryphius aus den Terzetten ein galantes Spiel gemacht wie schon Victor Manheimer in seinem grundlegenden Buch uber Gryphius Lyrik schrieb 16 Noch 1643 apostrophiert er die Geliebte Woledle Jungfrau wahrend das verliebte Concettifeuerwerk das in der Umarbeitung die etwas steifen Terzette desselben Gedichtes ersetzen muss eher beweist dass die Liebe verraucht ist Ein ahnliches Spiel mit Geschenken und Komplimenten sieht Arendt in zwei Eugenien Epigrammen von 1643 35 An Eugenien 1643 17 DEn spiegel schenck ich euch o spiegel hochster zucht In dem ihr schawen mogt was ich bis her gesucht Kan jemand euch was mehr woll edle Jungfraw geben ALs dis in dem ihr euch seht gehn vndt stehn vndt leben Doch kont ihr wen ihr wolt dis geben was ich wiell Verehren meine lust mir duppelt noch so viell 38 An Eugenien 1643 18 IHr schenckt Eugenie mir frembden Tulipan Vndt edle Lilien vndt schonen Majoran Narcissen Kayserkron vnd allerhand violen Ach mocht ich eine blum fur so viel blumen holen Die Gedichte an die woll edle Jungfraw seien unverfanglich kunstlich Ihr Ernst sei kaum mehr zu erraten unter der tandelnden Form 19 Nach Borgstedt wird der Brief der Geliebten Gegenstand einer doppelten scharfsinnig bedeutsamen Figur die die affektive Bindung des Sprechers an seine Geliebte scherzhaft galant bekraftige Die Koppelung von galantem Accessoire Sonett mit der Innerlichkeit des Einsamkeitsmotivs generiert ein durchaus ungewohnliches innerpetrarkistisches Spiel Selbst auf dem fur Gryphius untypischen Feld der galant erotischen Liebesdichtung vollzieht er mithin eine melancholische Akzentuierung die das scherzhafte Hauptmotiv herauszufordern wenn nicht zu uberlagern scheint 20 Literatur BearbeitenDieter Arendt Andreas Gryphius Eugenien Gedichte In Zeitschrift fur deutsche Philologie Band 87 Nr 2 1968 S 161 179 1 Online in lizenzierten Bibliotheken Ralf Georg Bogner Leben In Nicola Kaminski Robert Schutze Hrsg Gryphius Handbuch Walter de Gruyter Berlin 2016 ISBN 978 3 11 022943 1 S 1 18 Thomas Borgstedt Topik des Sonetts Gattungstheorie und Gattungsgeschichte Max Niemeyer Verlag Tubingen 2009 ISBN 978 3 484 36638 1 Vorschau in der Google Buchsuche Thomas Borgstedt Hrsg Andreas Gryphius Gedichte Reclams Universal Bibliothek Nr 18561 Reclam Verlag Stuttgart 2012 ISBN 978 3 15 018561 2 Thomas Borgstedt Sonette In Nicola Kaminski Robert Schutze Hrsg Gryphius Handbuch Verlag Walter de Gruyter Berlin 2016 ISBN 978 3 11 022943 1 S 90 112 Victor Manheimer Die Lyrik des Andreas Gryphius Studien und Materialien Weidmann Berlin 1904 OCLC 457998751 archive org Andreas Solbach Gryphius und die Liebe Der poeta als amator und dux in den Eugenien Sonetten In Marie Therese Mourey Hrsg La Poesie d Andreas Gryphius Actes de la journee tenue a la Maison Heine de Paris le 4 fevrier 2012 Centre d etudes germaniques interculturelles de Lorraine CEGIL Nancy 2012 OCLC 931023067 S 35 46 Marian Szyrocki Hrsg Andreas Gryphius Sonette Andreas Gryphius Gesamtausgabe der deutschsprachigen Werke Bd 1 Neudrucke deutscher Literaturwerke N F Bd 9 Max Niemeyer Verlag Tubingen 1963 DNB 456834893 Marian Szyrocki Hrsg Andreas Gryphius Oden und Epigramme Andreas Gryphius Gesamtausgabe der deutschsprachigen Werke Bd 1 Neudrucke deutscher Literaturwerke N F Bd 10 Max Niemeyer Verlag Tubingen 1964 DNB 456834907 eingeschrankte Vorschau in der Google Buchsuche Einzelnachweise und Anmerkungen Bearbeiten Arendt 1968 S 166 Bogner 2016 S 10 11 Das Bild stammt aus einer 1658er Titelauflage der Auflage von 1657 Szyrocki 1963 S 57 Scan verbesserter Nachdruck der Ausg 1643 in der Google Buchsuche Borgstedt 2012 S 31 Zitiert bei Borgstedt 2009 S 345 Szyrocki 1963 S 68 Scan verbesserter Nachdruck der Ausg 1643 in der Google Buchsuche Szyrocki 1963 S 128 Scan verbesserter Nachdruck der Ausg 1643 in der Google Buchsuche Szyrocki 1963 S 129 Scan verbesserter Nachdruck der Ausg 1643 in der Google Buchsuche Dieter Arendt 1922 2015 war Professor fur Deutsche Literatur an der Justus Liebig Universitat Giessen Gedenkseite fur Dieter Arendt In faz de abgerufen am 26 Februar 2022 Thomas Borgstedt ist Germanist und seit 2002 Prasident der Internationalen Andreas Gryphius Gesellschaft Vita und Kurzprofil In uni frankfurt de abgerufen am 26 Februar 2022 Borgstedt 2016 S 111 Arendt 1968 S 172 Andreas Solbach ist seit 1999 Professor fur Neuere Deutsche Literatur an der Johannes Gutenberg Universitat Mainz Univ Prof Andreas Solbach emeritiert In uni mainz de abgerufen am 26 Februar 2022 Solbach 2012 S 42 und 44 Victor Manheimer Die Lyrik des Andreas Gryphius 1904 S 181 Textarchiv Internet Archive Szyrocki 1964 S 156 Szyrocki 1964 S 157 Arendt 1968 S 173 Borgstedt 2016 S 111 Werke von Andreas Gryphius TheaterstuckeAbsurda Comica oder Herr Peter Squenz Catharina von Georgien Horribilicribrifax Teutsch Leo ArmeniusGedichteAbend An den gecreutzigten Jesum An Gott den Heiligen Geist An die Sternen Einsamkeit Es ist alles eitel Gleich als ein Wandersmann dafern die trube Nacht Lissaer Sonette Menschliches Elende Mittag Mitternacht Morgen Sonett Schon ist ein schoner Leib den aller Lippen preisen Tageszeitenzyklus Tranen des Vaterlandes Uber des Herrn Gefangnis Uber die Geburt Jesu Vanitas Vanitatum Vanitas Was wundert Ihr Euch noch Ihr Rose der Jungfrauen Wenn meine Seel in Euch mein Licht wie kann ich leben Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Gleich als ein Wandersmann dafern die trube Nacht amp oldid 222152547