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Epigramm altgriechisch ἐpigramma epigramma deutsch Aufschrift ein kurzes zugespitztes Sinngedicht war ursprunglich eine Inschrift auf einem Weihgeschenk einem Grabmal einem Kunstwerk und Ahnlichem lediglich mit dem Zweck der Bezeichnung des Gegenstandes und dessen Bedeutung Die Erstellung von Epigrammen bezeichnet man als Epigrammatik Spater erhielten diese Inschriften eine poetische Erweiterung indem sie in knappster Fassung des Sinnes meist in Distichen auch Gefuhlen und Gedanken Raum gaben die sich an die betreffende Person Handlung oder Begebenheit knupften und bildeten sich so zu einer selbstandigen im 20 Jahrhundert selten gewordenen 1 Dichtungsgattung heraus Inhaltsverzeichnis 1 Begriff 2 Geschichte 3 Musik 4 Literatur 5 Siehe auch 6 Weblinks 7 EinzelnachweiseBegriff BearbeitenGotthold Ephraim Lessing erklart das Epigramm als Gedicht in welchem nach Art der eigentlichen Aufschrift unsere Aufmerksamkeit und Neugierde auf irgend einen einzelnen Gegenstand erregt und mehr oder weniger hingehalten werden um sie mit eins zu befriedigen 2 Mit Aufschrift meint Lessing die ursprungliche enge Bedeutung des Begriffs des Epigramms als einer Inschrift auf einem Denkmal oder einer Uberschrift Die Aufschrift ist ohne das worauf sie steht nicht zu denken 3 Sie kundigt etwas an und erregt Neugierde auf etwas woruber erst das Denkmal oder ein der Uberschrift folgender Text Aufschluss gibt In ahnlicher Weise so Lessing lost das Epigramm Empfindungen aus Erwartung und Aufschluss sind nach Lessing 4 also die beiden wesentlichen Teile des Epigramms von denen erstere wie ein Ratsel durch einen scheinbaren Widerspruch gespannt macht letzterer durch eine uberraschende Deutung des Sinnes herbeigefuhrt wird daher auch der deutsche Name Sinngedicht fur Epigramm kreiert von Philipp von Zesen Charles Batteux definiert das Epigramm ahnlich als zweiteilige Kunstform der erste Teil ist der Vortrag des Subjekts der Sache die den Gedanken hervorgebracht hat oder veranlasset hat und der andere der Gedanke selbst welchen man die Spitze pointe nennt oder dasjenige was den Leser reizt was ihn interessieret 5 Geschichte BearbeitenAls Begrunder der epigrammatischen Kunst gilt Simonides von Keos 5 4 Jh v Chr dessen Epigramme zum grossen Teil als Monumente der Kampfer in den Perserkriegen gedichtet Muster poetischer Auffassung sind und sich durch Scharfe des Gedankens und grossartige Einfachheit auszeichnen In der Folge fand das Epigramm breite Pflege und der poetische Sinn der Griechen entfaltete in dergleichen kleinen Gedichten 6 noch lange eine grosse Anmut Vielseitigkeit und Gewandtheit auch nachdem ihnen die Kraft zu grosseren Produktionen entschwunden war Ein Teil des reichen Nationalschatzes griechischer Epigramme ist in der Griechischen Anthologie erhalten Von den Griechen kam die epigrammatische Poesie nach Rom und wurde hier mit Vorliebe gepflegt nahm aber bald vorwiegend satirischen Charakter an In der Periode des Augustus werden die ersten Dichter Roms sowie die angesehensten Manner des Staates unter den Epigrammdichtern genannt In diese Zeit fallt Domitius Marsus Das Bedeutendste aber was sich von dieser Art Poesie der Romer erhalten hat sind die Epigramme des Martial der in seinen Epigrammen das Leben der romischen Kaiserzeit in einer unubertrefflichen formalen Vollendung wiedergegeben hat Man kann die 1500 Gedichte wie einen Gesellschaftsroman in Aphorismen lesen ein Ensemble von Begegnungen und Reaktionen des Dichters auf seine Zeit und ihren sozialen und literarischen Verhaltnisse In der Folge entstehen anonyme Sammlungen z B diejenige von Epigrammen die unter dem Namen des Philosophen Seneca verfasst sind 7 und das Corpus der Carmina Priapea Unter den Dichtern der Spatantike trat als Epigrammatiker Ausonius hervor In der ausgehenden Antike entsteht wohl noch unter der Herrschaft der Vandalen in Nordafrika eine Sammlung von Epigrammen die heute in der sogenannten Anthologia Latina gesammelt sind darin auch das Epigrammbuch des Luxorius Auch bei den romanischen Volkern trug das Epigramm meist den beissenden Charakter wurde aber zum Teil zum Madrigal zum Teil auch zum Sonett umgestaltet Die historische Bezeichnung fur ein satirisches Epigramm lautet im Deutschen Stachelreim Am beliebtesten war es in Frankreich wo Clement Marot 1495 1544 als der erste bekannte Dichter in dieser Gattung genannt wird Mittels des Epigramms pflegte sich besonders seit Richelieus Zeiten und kurz vor dem Ausbruch der Revolution die zum Stillschweigen verurteilte politische Opposition zu aussern In England wusste vornehmlich John Owen 1616 1683 den Ton des Martial zu treffen Den Beinamen der englische Martial trug ein anderer John Owen 1564 1622 Als die altesten deutschen epigrammatischen Produkte gelten die Priameln des 13 und 14 Jahrhunderts die jedoch ahnlich den Sinngedichten des Orients Indien Persien mehr allgemeine Sitten und Weisheitsspruche sind Im 17 Jahrhundert hielt man sich in Deutschland 8 an das Vorbild der Alten und nahm sich Martials sarkastische Scharfe zum Muster so beispielsweise Friedrich von Logau und Christian Wernicke oder spater im 19 Jh Heinrich von Kleist Goethes und Schillers Epigramme sind die scharf treffenden Xenien ausgenommen meist Sinnspruche allgemeineren Inhalts Ahnlich auch bei Lessing und Friedrich Haug Aus neuerer Zeit sind August Graf von Platen Franz Grillparzer 9 Friedrich Hebbel Erich Kastner Friedrich Theodor Vischer und Hansgeorg Stengel anzufuhren Die beliebteste Form des Epigramms ist noch heute das Distichon das als vollkommenes formales Schema angesehen werden kann in dem der Hexameter die Erwartung der Pentameter den kurz zusammenfassenden Aufschluss gibt Indessen eignet sich auch der kurze Jambus mit passenden Reimverschlingungen als Trager des Epigramms Als Beispiel hier ein Epigramm Lessings das sich auf die Gattung selbst bezieht 10 Du dem kein Epigramm gefallt Es sei denn lang und reich und schwer Wo sahst du dass man einen Speer Statt eines Pfeils vom Bogen schnellt Die Theorie des Epigramms behandelten Lessing in den Anmerkungen uber das Epigramm und Herder in der Abhandlung Uber das griechische Epigramm jener vorzugsweise in Bezug auf das satirische Epigramm der Romer dieser im Anschluss an die griechische Anthologie von einem umfassenderen Gesichtspunkt aus Musik BearbeitenSeit dem 19 Jahrhundert wird vor allem im deutschsprachigen Bereich der Begriff Epigramm auch als Titel fur Kompositionen verwendet Entweder ist es Vokalmusik die literarische Epigramme vertont zum Beispiel Hans Gal 1890 1987 Epigramme nach Gedichten von Gotthold Ephraim Lessing fur gemischten Chor A cappella Kurt Hessenberg 1908 1994 Lieder und Epigramme nach Gedichten von Goethe fur Mannerchor A cappellaAls Beispiele fur Miniaturen mit epigrammatischem Charakter fur instrumentale Besetzungen konnen genannt werden Hans Erich Apostel 1901 1972 6 Epigramme op 33 fur Streichquartett Fre Focke 1910 1989 Epigramme fur Klavier Bertold Hummel 1925 2002 Epigramme fur Streicher 5 Epigramme fur Fagott Zoltan Kodaly 1882 1967 9 Epigramme fur Orgel Andreas Kunstein 1967 10 Epigramme fur Toy piano 13 Epigramme fur Orchester Peter Ruzicka 1948 Fragment 5 Epigramme fur Streichquartett Egon Wellesz 1885 1974 Epigramme fur KlavierLiteratur BearbeitenAllgemeinesA B Coiro Epigram In Roland Greene Stephen Cushman et al Hrsg The Princeton Encyclopedia of Poetry and Poetics 4 Auflage Princeton University Press Princeton 2012 ISBN 978 0 691 13334 8 S 450 f eingeschrankte Vorschau http vorlage digitalisat test 1 3D 7B 7B 7B1 7D 7D 7D GB 3DuKiC6IeFR2UC IA 3D MDZ 3D 0A SZ 3DPA450 doppelseitig 3D LT 3Deingeschr C3 A4nkte 20Vorschau PUR 3D in der Google Buchsuche Peter Hess Epigramm Sammlung Metzler Bd 248 Metzler Stuttgart 1989 ISBN 3 476 10248 3 Otto Knorrich Lexikon lyrischer Formen Kroners Taschenausgabe Band 479 2 uberarbeitete Auflage Kroner Stuttgart 2005 ISBN 3 520 47902 8 S 60 63 Ralf Raiser Uber das Epigramm Stuttgart 1950 Theodor Verweyen G Witting Epigramm In Gert Ueding Hrsg Historisches Worterbuch der Rhetorik Bd 2 De Gruyter Berlin 1994 ISBN 3 484 68102 0 Sp 1273 1283 Gero von Wilpert Sachworterbuch der Literatur 8 Auflage Kroner Stuttgart 2013 ISBN 978 3 520 84601 3 S 218 220 Deutsches EpigrammKlemens Altmann Deutsche Epigramme aus funf Jahrhunderten Munchen 1966 Walter Dietze Abriss einer Geschichte des deutschen Epigramms In Walter Dietze Hrsg Erbe und Gegenwart Aufbau Berlin 1972 S 247 391 Gerhard Neumann Deutsche Epigramme Stuttgart 1969 1971 Reclam UB Band 8340 43 Antikes EpigrammGotthold Ephraim Lessing Zerstreute Anmerkungen uber das Epigramm und einige der vornehmsten Epigrammatisten 1771 In Werke Funfter Band Munchen 1973 S 420 529 Marion Lausberg Das Einzeldistichon Studien zum antiken Epigramm Munchen 1982 Gerhard Pfohl Das Epigramm Zur Geschichte einer inschriftlichen und literarischen Gattung Darmstadt 1969 Gerhard Pfohl Epigrammphilologie In Fachprosaforschung Grenzuberschreitungen Band 8 9 2012 2013 S 177 188 Celine Urlacher Becht Hrsg Dictionnaire de l epigramme litteraire dans l Antiquite grecque et romaine Brepols Turnhout 2022 Lateinisches EpigrammPaul Barie Martial Gespiegelte Wirklichkeit im romischen Epigramm Exemplarische Reihe Literatur und Philosophie Bd 17 Sonnenberg Annweiler 2004 ISBN 978 3 933264 34 3 Walter Berger Distichen Lateinische Epigramme als ein humanistisches Vermachtnis Wien 1994 Griechisches EpigrammHildebrecht Hommel Der Ursprung des Epigramms In Rheinisches Museum Band 66 1939 S 193 206 Gunther Kapeller Grabinschriftliche Motive Eine Studie von Epigrammen des 7 bis 5 Jh v Chr Philosophische Dissertation Innsbruck 1987 Werner Peek Griechische Vers Inschriften Band 1 Grab Epigramme Berlin 1955 Zweiter Band nicht erschienen Gerhard Pfohl Elemente der griechischen Epigraphik Darmstadt 1968 Olivier Reverdin Hrsg L epigramme grecque Entretiens sur l antiquite classique Band 14 Vandoeuvres Genf 1968 ISBN 978 2 600 04407 3 Spanisches EpigrammJurgen Nowicki Die Epigrammatiktheorie in Spanien vom 16 bis 18 Jahrhundert Eine Vorarbeit zur Geschichte der Epigrammatik Wiesbaden 1974 Siehe auch BearbeitenInschrift Griechische Anthologie Epigraph Epigraphik Liste bekannter Epigrammatiker Sinnspruch Haiku eine Art japanisches Epigramm Ode Gedicht 11 Weblinks Bearbeiten nbsp Wiktionary Epigramm Bedeutungserklarungen Wortherkunft Synonyme Ubersetzungen nbsp Wikisource Kategorie Epigramme Quellen und VolltexteEinzelnachweise Bearbeiten Wilhelm Hammond Norden Warum werden keine Epigramme mehr geschrieben In Die Literatur Band 41 Heft 12 1939 S 725 728 G E Lessing 1973 S 424 G E Lessing 1973 S 423 G E Lessing 1973 S 427 Nach Lessing 1973 S 425 Helmut Hausle Einfache und fruhe Formen des griechischen Epigramms Innsbruck 1979 Commentationes Aenipontanae XXV Philologie und Epigraphik Band 3 Alfred Breitenbach Die Pseudo Seneca Epigramme der Anthologia Vossiana Ein Gedichtbuch aus der mittleren Kaiserzeit Spudasmata 132 Olms Hildesheim 2010 ISBN 978 3 487 14344 6 Vgl auch Jutta Weisz Das deutsche Epigramm des 17 Jahrhunderts Stuttgart 1979 Helmut Hasenkox Die Epigrammatik Franz Grillparzers als Ausdruck literarischer Reflexion im politischen und sozialen Umfeld des 19 Jahrhunderts Frankfurt am Main 1989 Gotthold Ephraim Lessing An den Leser bei Zeno org Kurt Schluter Die englische Ode Studien zu ihrer Entwicklung unter dem Einfluss der antiken Hymne Bonn 1964 S 264 f uber den Grenzfall von Ode und Epigramm Normdaten Sachbegriff GND 4152507 3 lobid OGND AKS Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Epigramm amp oldid 235427675