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Der Vicus von Wiesloch war eine romische Zivilsiedlung Vicus auf dem Gebiet des heutigen Wiesloch einer Stadt des Rhein Neckar Kreises in Baden Wurttemberg Der antike Name der Siedlung ist unbekannt Steinkeller aus dem Vicus von Wiesloch jetzt in den Innenstadtbereich versetzt Steinkeller aus dem Vicus von Wiesloch jetzt in den Innenstadtbereich versetzt Inhaltsverzeichnis 1 Forschungsgeschichte 2 Lage 3 Befunde und Funde 4 Geschichte 5 Befundsicherung Fundverbleib und Bodendenkmalschutz 6 Literatur 7 Weblinks 8 EinzelnachweiseForschungsgeschichte BearbeitenBereits 1851 waren im Inneren des nicht allzu weit entfernten Stollensystems eines romischen Zinkerzbergwerkes im Gewann Hessel zwischen Wiesloch Nussloch und Baiertal sechs romische Munzen aus der Zeit zwischen 69 71 Vespasian und 242 244 Gordian III sowie aufbereitete Zink und Bleierze zum Vorschein gekommen Im Jahr 1896 fand man im heute bekannten Vicus Areal zwei kleine Hauser mit Kellern sowie ein Sandsteinrelief der Gottin Epona 1 Seit 1987 wurden vom Landesdenkmalamt Baden Wurttemberg Ausgrabungen durchgefuhrt bei denen ein Mithrastempel und ein galloromischer Umgangstempel freigelegt wurden Bis 1996 wurde eine Flache von insgesamt rund sechs Hektar archaologisch untersucht 2 Lage BearbeitenTopographisch befindet sich der Vicus am Fusse eines Gebirgssporns der sich als Auslaufer des Kraichgaus fast drei Kilometer weit nach Westen in die Oberrheinische Tiefebene erstreckt An seinem sudlichen und an seinem westlichen Rand wird dieser Sporn vom Leimbach umflossen Diese exponierte und zu Siedlungszwecken gunstige Lage fuhrte zu einer fruhen und kontinuierlichen Anwesenheit des Menschen Aus der Zeit der Linearbandkeramischen Kultur konnten einige Abfallgruben nachgewiesen werden Die Schnurkeramiker und die Menschen der Hugelgraberbronzezeit hinterliessen etliche Grablegungen Von der Urnenfelderkultur zeugen die Keller und Gruben einer offenbar grosseren Siedlung und auf die Hallstattzeit schliesslich weisen wieder einige Graber hin Aus heutiger siedlungsgeographischer Sicht befindet sich das Bodendenkmal im westlichen Bereich der Wieslocher Gemarkung rund zwei Kilometer ausserhalb des Stadtkerns in einem Weinacker genannten Gewerbegebiet ungefahr an der Stelle an der die Bundesstrasse 3 von der Schwetzinger Strasse die Wiesloch mit Walldorf verbindet gekreuzt wird In antiker Zeit befand sich hier ein bedeutender Verkehrsknotenpunkt Die romische Fernstrasse die so genannte rechtsrheinische Rheintalstrasse die von Heidelberg bzw Lopodunum Ladenburg kommend uber Aquae Baden Baden bis nach Basilia Basel fuhrte kreuzte an dieser Stelle eine Trasse die von Noviomagus Speyer zum Vicus Alisinensium Bad Wimpfen und dem Kastell Wimpfen im Tal fuhrte Befunde und Funde BearbeitenWie in anderen Romersiedlungen waren die Grundstucksparzellen lang und rechteckig und die Streifenhauser wiesen mit ihren Giebelfronten zur Strasse hin In den vorderen meist mit portikusartigen Vordachern versehenen Eingangsbereichen befanden sich in der Regel die Werkstatten oder Verkaufsraume Dahinter lagen die Wohn und Lagerraume Der Keller befand sich im vorderen Hausbereich Brunnen und Abfallgruben lagen im nicht uberbauten hinteren Grundstucksareal Die Ausdehnung der Ortschaft um das Jahr 200 betrug ungefahr 300 m von Nord nach Sud und etwa 190 m von West nach Ost Ein Areal des Vicus wurde als Handwerkerviertel angesprochen Neben den ublichen Handwerksbetrieben zeugten dort hohe Schlackekonzentrationen von Eisen und Buntmetallschmieden Die verwendeten Erze darunter Galmei und silberhaltiger Bleiglanz stammten vermutlich aus den oben erwahnten Lagerstatten des Oberen Muschelkalks an der Gemarkungsgrenze zum benachbarten Nussloch 3 Galmei wurde zur Produktion von Messing benotigt Der in Deutschland singulare Fund zweier Bleiglattezapfen spricht fur eine Verarbeitung von silberhaltigem Bleiglanz zu Silber nach einem Verfahren das schon von Plinius dem Alteren beschrieben worden war 4 Ebenfalls einzigartig fur den Raum nordlich der Alpen ist der Fund einer so genannten mensa ponderaria eines Eichtisches zur Bestimmung von Hohlmassen 5 Fundmaterial aus dem Wohn und Gewerbebereich sowie der Nekropole des Wieslocher Vicus nbsp Terra Sigillata aus dem Vicus nbsp Eichtisch mensa ponderaria aus dem Vicus nbsp Ollampchen aus dem Graberfeld nbsp Keramik aus einem Topferofen des Vicus nbsp Verschiedene Keramiktypen aus Wiesloch nbsp Mahlstein aus dem VicusAm nordostlichen Rand der Siedlung konnte ein Mithraum mit einer Grosse von 5 70 m mal 4 60 m vollstandig freigelegt werden Das Mithraum wies zwei Bausphasen auf Es war zunachst in seinem unteren in den Fels gegrabenen Bereich in Holz Erde Bauweise und im Aufgehenden in Fachwerk ausgefuhrt gewesen Eine Brandschicht wies auf die Zerstorung der ersten Bauphase durch ein Schadensfeuer In seiner zweiten Bauphase war es im unteren Bereich zum grossten Teil mit Trockenmauerwerk und nur im mittleren Abschnitt der Westmauer mit Mortel gemauert worden In diesem Bereich durfte sich das Kultbild des Mithras befunden haben dessen Grosse dem des Kastells Osterburken entsprochen haben konnte Das Aufgehende bestand vermutlich auch in der zweiten Bauphase aus Lehmfachwerk Das Mithraum von Wiesloch bot lediglich Platz fur maximal ein Dutzend Manner und befand sich vermutlich knapp ausserhalb der Ortschaft Darauf weist der Umstand hin dass in seiner unmittelbaren Nahe zwei Bestattungen vorgenommen worden waren was nach romischem Gesetz nur ausserhalb des bewohnten Siedlungsbereiches gestattet war Die Bestattungen waren in der Mitte des zweiten Jahrhunderts bzw in aurelischer Zeit vorgenommen worden und bestanden im ersten Fall aus einem Brandgrubengrab und im zweiten Fall aus einem Brandschuttungsgrab Beim Altar wurde ein wohl als Opfergabe gedachter Bleiglanzbrocken entdeckt 6 Wahrend das Mithraum von schlichter einfacher Bauweise war befand sich ein qualitativ hochwertig gestalteter galloromischen Umgangstempel im Suden des Vicus nahe dem Leimbach Dieser war vermutlich kulturell wie gesellschaftlich von grosserer Bedeutung 2 Ein auffalliges Fundstuck aus diesem Bereich ist ein Weiherelief fur den Genius des Mars Cenabetius einer gallo romischen Gottheit Gestiftet worden war es von einem gewissen Caius Amonius Quintus 7 der somit als erster namentlich bekannter Wieslocher Burger gelten durfte 5 Fundmaterial aus den Kultbereichen des Wieslocher Vicus nbsp Altarstein aus dem Mithraum nbsp Votivfigur einer sitzenden Muttergottheit nbsp Weiherelief fur den Genius des Mars Cenabetius aus dem gallo romischen Umgangstempel um 170 bis 230 AE 1992 01282 nbsp Raucherschale aus dem Mithraum nbsp Stierstatuette aus dem Mithraum nbsp Weiherelief fur Merkur um 170 bis 230 AE 1998 00991Noch nicht entdeckt worden ist das offentliche Badgebaude auch konnten von der zu erwartenden Nekropole bislang insgesamt nur vier Bestattungen nachgewiesen werden Geschichte BearbeitenBereits unter Vespasian 69 70 war das Gebiet des heutigen Wiesloch unter romische Kontrolle geraten Unter Trajan 98 117 war die Civitas Ulpia Sueborum Nicrensium Burgerschaft der Neckarsueben mit ihrem Verwaltungssitz Lopodunum Ladenburg begrundet worden Spatestens unmittelbar anschliessend erfolgte die Erschliessung und Besiedlung des Umlandes so dass man den Ursprung des Wieslocher Vicus in der Zeit zwischen 110 und 120 annehmen kann Moglicherweise entstand er zeitgleich mit der Steinbauphase der Villa rustica bei Walldorf mit der er durch einen vom Leimbach aus dorthin fuhrenden Kanal verbunden war Die Hauser waren zunachst in Holz und Fachwerkbauweise errichtet worden Ab der Mitte des zweiten Jahrhunderts wurde bei den Gebaudefundamenten den Kellern und den Brunnen zunehmend die Steinbauweise angewendet die Dacher wurden mit Schiefer und Ziegelplatten eingedeckt Seine grosste flachenmassige Ausdehnung 190 m 300 m 5 7 Hektar und seinen hochsten Wohlstand erreichte der Vicus ausweislich der Befunde und des Fundmaterials um das Jahr 200 Im zweiten Viertel des dritten Jahrhunderts wurde er moglicherweise durch einen Uberfall der Alamannen grossflachig zerstort Es erfolgt zwar ein nochmaliger Wiederaufbau mit geringwertigerem Baumaterial in qualitativ schlechterer Bauausfuhrung und geringerer Besiedlungsdichte jedoch spatestens in den Jahren 259 260 wurde die Siedlung endgultig aufgegeben Fur die Unsicherheit dieser Zeit spricht auch eine Veranderung der sakralen Gewohnheiten die Bewohner legten nur knapp zehn Jahre vor dem Untergang einen neuen Kultplatz an an dem auch Fleischopfer nachgewiesen werden konnten 5 Der Mithrastempel hingegen war bereits fruher aufgegeben und planmassig geraumt worden wofur die Verfullung seines unterirdischen Teiles mit entsprechend datierbaren Abfallen spricht 2 Nach dem Abzug der Romer scheint der Vicusbereich fur einige Zeit verwaist gewesen zu sein Gesicherte alamannische Siedlungsspuren sind erst wieder fur die Mitte des vierten Jahrhunderts bezeugt 5 8 Befundsicherung Fundverbleib und Bodendenkmalschutz Bearbeiten nbsp Ausstellungsraum im Stadtischen Museum Dorndl Im Gelande selbst ist von der ehemaligen romischen Besiedlung nichts mehr zu sehen Ein steinerner Keller aus dem Vicusbereich wurde im heutigen Stadtzentrum gegenuber dem Stadtischen Museum Dorndl originalgetreu wiederaufgebaut und kann besichtigt werden Teile des Fundmaterials werden in den Raumen des Museums prasentiert 9 5 Der Vicus von Wiesloch ist ein Bodendenkmal im Sinne des Denkmalschutzgesetzes des Landes Baden Wurttemberg DSchG Nachforschungen und gezieltes Sammeln von Funden sind genehmigungspflichtig Zufallsfunde an die Denkmalbehorden zu melden Literatur BearbeitenRalf Baumeister und Andreas Hensen Archaologie im Wieslocher Dorndl Denkmalpflege in Baden Wurttemberg 28 1 1999 S 55ff Rolf Heiner Behrends Untersuchungen in den Gewannen Dornmuhle Weinacker auf der Gemarkung Wiesloch Rhein Neckar Kreis Archaologische Ausgrabungen in Baden Wurttemberg 1989 Theiss Stuttgart 1990 S 149ff Rolf Heiner Behrends Weitere Ausgrabungen im Gewann Weinacker in Wiesloch Rhein Neckar Kreis Archaologische Ausgrabungen in Baden Wurttemberg 1996 Theiss Stuttgart 1997 S 131ff Rolf Heiner Behrends Wiesloch in vor und fruhgeschichtlicher Zeit In Fuhrer zu archaologischen Denkmalern in Deutschland Band 36 Heidelberg Mannheim und der Rhein Neckar Raum Theiss Stuttgart 1999 ISBN 3 8062 1407 7 S 248f Andreas Hensen Das Mithraum von Wiesloch In Forderkreis Archaologie in Baden Hrsg Archaologische Nachrichten aus Baden 51 52 Heidelberg 1994 S 30ff Andreas Hensen Der romische Vicus von Wiesloch In Kulturgeschichten Archaologie am unteren Neckar Begleitheft zur Ausstellung im Kurpfalzischen Museum der Stadt Heidelberg Landesdenkmalamt Baden Wurttemberg Stuttgart 1997 ISBN 3 927714 30 5 Archaologische Informationen aus Baden Wurttemberg Heft 34 S 27ff Andreas Hensen Der Vicus von Wiesloch und die romische Besiedlung im Mundungsgebiet von Rhein und Neckar Dissertation an der Ludwig Maximilians Universitat Munchen 1997 Andreas Hensen Eine romische Spardose aus Wiesloch In Forderkreis Archaologie in Baden Hrsg Archaologische Nachrichten aus Baden 59 Heidelberg 1998 3ff Andreas Hensen Der romische Vicus von Wiesloch Rhein Neckar Kreis British Archeological Reports International Series 783 Oxford 1999 S 83ff Andreas Hensen Der Wieslocher Vicus Eine romische Landstadt In Stadtverwaltung Wiesloch Hrsg Wiesloch Beitrage zur Geschichte 2 Bande Verlag Regionalkultur Ubstadt Weiher 2000 2001 S 11ff Andreas Hensen Wiesloch Strassensiedlung Erzbergwerk In Dieter Planck Hrsg Die Romer in Baden Wurttemberg Theiss Stuttgart 2005 ISBN 3 8062 1555 3 S 371f Ludwig H Hildebrandt und Egon Schallmayer Romische Siedlungsstrukturen ostlich der Dornmuhle bei Wiesloch Archaologische Ausgrabungen in Baden Wurttemberg 1987 Theiss Stuttgart 1988 S 142ff Ludwig H Hildebrandt Ferrum plumbum und argentum Spuren des romischen Bergbaus In Dieter Planck u a Imperium Romanum Roms Provinzen an Neckar Rhein und Donau Theiss Stuttgart 2005 ISBN 978 3 8062 2140 4 S 399ff Manfred Kurz Das Stadtische Museum Wiesloch im Dorndl In Fuhrer zu archaologischen Denkmalern in Deutschland Band 36 Heidelberg Mannheim und der Rhein Neckar Raum Theiss Stuttgart 1999 ISBN 3 8062 1407 7 S 252f Weblinks BearbeitenVicus Wiesloch auf schule bw deEinzelnachweise Bearbeiten Wagner Ernst Haug Ferdinand Hrsg Fundstatten und Funde aus vorgeschichtlicher romischer und alamannisch frankischer Zeit im Grossherzogtum Baden Band 2 Das Badische Unterland Kreise Baden Karlsruhe Mannheim Heidelberg Mosbach Tubingen 1911 S 321f a b c Andreas Hensen Wiesloch Strassensiedlung Erzbergwerk In Dieter Planck Hrsg Die Romer in Baden Wurttemberg Theiss Stuttgart 2005 ISBN 3 8062 1555 3 S 371f Ludwig Hildebrandt Ferrum plumbum und argentum Spuren des romischen Bergbaus In Dieter Planck u a Imperium Romanum Roms Provinzen an Neckar Rhein und Donau Theiss Stuttgart 2005 ISBN 978 3 8062 2140 4 S 399ff Plinius der Altere Naturalis historia 33 107 a b c d e Ralf Baumeister und Andreas Hensen Archaologie im Wieslocher Dorndl Denkmalpflege in Baden Wurttemberg 28 1 1999 S 55ff Andreas Hensen Das Mithraum im Vicus von Wiesloch In Archaologische Nachrichten aus Baden 51 52 1994 S 30 37 AE 1992 01282 Manfred Kurz Das Stadtische Museum Wiesloch im Dorndl In Fuhrer zu archaologischen Denkmalern in Deutschland Band 36 Heidelberg Mannheim und der Rhein Neckar Raum Theiss Stuttgart 1999 ISBN 3 8062 1407 7 S 254 Das Stadtische Museum Dorndl und der rekonstruierte romische Steinkeller auf der offiziellen Webprasenz der Stadt Wiesloch 49 292222222222 8 6666666666667 Koordinaten 49 17 32 N 8 40 0 O Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Vicus von Wiesloch amp oldid 225995011