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Die Urgesellschaft ist ein Begriff der laut Friedrich Engels 1 das ursprungliche Zusammenleben der Menschen in vorgeschichtlicher Zeit bezeichnet bevor die ersten schriftlichen Uberlieferungen entstanden Dabei kann unterschieden werden zwischen der Art des Homo sapiens als Menschen und anderen Vertretern der Gattung Homo wie dem Homo erectus oder dem Neandertaler Engels behauptete dass Tierfamilie und menschliche Urgesellschaft unvertragliche Dinge sind weil die sich aus der Tierheit emporarbeitenden Urmenschen entweder gar keine Familie kannten oder hochstens eine die bei den Tieren nicht vorkommt 1 Der US amerikanische Anthropologe Lewis Henry Morgan und die Ubersetzungen seiner Bucher verwenden ebenfalls den Begriff Urgesellschaft 2 Im Einzelnen ist diese lange Zeitperiode quellenmassig nicht direkt erschliessbar Dennoch gibt es in der Archaologie durch die Untersuchung materieller Kulturen verschiedene Moglichkeiten Erkenntnisse uber diesen Zeitraum zu erlangen ebenso in der Soziobiologie in den Religionswissenschaften durch die Analyse der vielen Mythen oder in der Sozialanthropologie Inhaltsverzeichnis 1 Dauer 2 Theoretische Annahmen 3 Siehe auch 4 Literatur 5 Weblinks 6 EinzelnachweiseDauer BearbeitenDie sogenannte Urgesellschaft oder angemessener die Urgesellschaften umspannen in der bisherigen Geschichte der Menschheit wahrscheinlich den bei weitem langsten Zeitraum mehr als drei Millionen Jahre wahrend andere Gesellschaftsformen im Vergleich dazu nur eine relativ kurze Zeitspanne bestanden und bestehen weniger als 1 Prozent des Zeitraums Aus der Archaologie stammt der Begriff Steinzeit fur die Zeit in der Steinwerkzeuge Faustkeile die altesten zeitlich einordbaren und grob datierbaren Funde sind 3 Andere gar altere Werkzeuge und Gegenstande aus Natur oder Tiermaterialien Holz Knochen Fellen zerfielen und blieben nicht erhalten In diese Steinzeit fallt auch die Entwicklung neuer Sozialstrukturen vor rund 20 000 bis 6 000 Jahren Allgemein wird das Aufkommen von Ackerbau und Viehhaltung als Ubergang zur Jungsteinzeit und als Ende dieser Phase betrachtet An die Neolithische Revolution schloss sich in manchen Gebieten die Bronzezeit an rund 2200 bis 800 v Chr lief aber teilweise auch parallel Theoretische Annahmen BearbeitenEine Gesellschaft bildet sich durch gemeinschaftlich handelnde soziale Gruppen unterschiedlicher Grosse Zu erdgeschichtlich verschiedenen Zeiten sowie in unterschiedlichen Klima und Okozonen waren die Gesellschaften des Menschen durchaus unterschiedlich ausgepragt Die nur allmahlichen Ausbreitungen der fruhen Menschengruppen geschatzte 1 bis 10 Kilometer pro Jahr stellten zunachst geringe Anforderungen an sie und ihre Generationenfolge sie nahmen keine Veranderungen wahr besonders in aquatorialen Gegenden Allerdings bewirkten einschneidende Umweltveranderungen wie Eis und Warmzeiten denen die Wanderer im Zielgebiet ausgesetzt wurden neue Formen der Anpassung mit entsprechenden sozialen Strukturen Nahrungsgewinnung und Witterungsschutz sowie die Anwendung des Feuers waren sozial erfolgreich Eine hohe soziale Differenzierung urgesellschaftlicher Organisationsformen ist aber nicht vorauszusetzen Die ersten fassbaren Gesellschaften sowie ahnliche gegenwartige Gruppen erscheinen relativ gleichgestellt egalitar Die Isoliertheit einzelner Gruppen z B wahrend der Eiszeiten oder in insularen Siedlungsgebieten fuhrte zu kulturell unterschiedlichen Traditionen sowie zu phanotypischen auch rassentheoretischen Differenzierungen 4 Die vergleichsweise seltenen Kontakte wurden von einer fusslaufigen insgesamt stationaren Gesellschaft im nachsten Umkreis gefunden Ob die Exogamie Aussenheirat darauf hindeutet dass den Menschen die Fortpflanzungsbiologie bewusst wurde Zeugung wird bezweifelt Exogamie wird soziologisch eher als sich bewahrende Sicherung der Re Integration auseinanderstrebender Gruppierungen angesehen beispielsweise bei Lineage oder Clan Allianzen mit gegenseitigen Eheschliessungen Einige religiose Uberlieferungen sprechen ebenfalls von einer Urgesellschaft und meinen damit die uber alle Jagergruppierungen verbreiteten Vorformen spaterer Religionen die sich aus der gesellschaftlichen Praxis ihrer Mitglieder ableiten In den Schriftkulturen wird die bis heute bestehende Unterscheidung zwischen Hirten und Ackerbauern erkennbar beispielsweise in der biblischen Geschichte von Kain und Abel 5 Noch in neuzeitlichen makrosoziologischen Theorien bestehen ausgefeilte Annahmen zu gemeinsamen Zugen einer Urgesellschaft etwa bei Thomas Hobbes Jean Jacques Rousseau oder Friedrich Engels Ob die fruhen Menschen herrschaftsfrei oder anarchisch lebten oder schon gefestigte Fuhrungspositionen ausbildeten Hauptlinge ist jeweils nur eine begrundbare Annahme Ebenfalls ob sie sich als soziale Horden organisierten religiose Kulte pflegten mit Ahnenkult oder Totemismus und kulturell schon Erzahler oder familiar schon die Kernfamilie kannten Wirtschaftlich wird dieser Gesellschaft eine auf je nach erdgeschichtlicher Zeit oder Vegetationszone unterschiedliche aneignende Wirtschaft zugeschrieben ein Leben als Jager Fischer und Sammler Wildbeuter Wahrend der Eiszeit lag deren Schwerpunkt beispielsweise in Mitteleuropa und Nordamerika auf der Jagd wahrend anderswo auch Sammeln und Fischfang grosse Bedeutung erlangten so in Mitteleuropa nach dem Abwandern der Grosstierfauna in der Mittelsteinzeit vergleiche skandinavische Kokkenmoddinger In der marxistischen Theorie uber die gesellschaftliche Entwicklung der Menschheit insbesondere im historischen Materialismus wird die Urgesellschaft auch als klassenloser Urkommunismus 6 bezeichnet weil es ebenso wie in dem auf den Kapitalismus folgenden Kommunismus kein Privateigentum an Produktionsmitteln gab Siehe auch BearbeitenLewis Henry Morgan Die Urgesellschaft Ancient Society USA 1877 Literatur BearbeitenDieter Claessens Das Konkrete und das Abstrakte Soziologische Skizzen zur Anthropologie Suhrkamp Frankfurt 1993 ISBN 3 518 28708 7 Friedrich Engels Anteil der Arbeit an der Menschwerdung des Affen SAV Berlin 2009 original 1876 Lewis Henry Morgan Die Urgesellschaft oder Untersuchung uber den Fortschritt der Menschheit aus der Wildheit durch die Barbarei zur Zivilisation 1891 Nachdruck Achenbach Lahn 1979 US Original 1877 Ancient Society Or Researches in the lines of human progress from savagery through barbarism to civilisation Hansjurgen Muller Beck Die Steinzeit Der Weg der Menschen in die Geschichte 4 durchgesehene und aktualisierte Ausgabe Beck Munchen 2004 ISBN 978 3 406 47719 5 Joachim Herrmann Irmgard Sellnow Hrsg Produktivkrafte und Gesellschaftsformationen in vorkapitalistischer Zeit Akademie Berlin 1982 Veroffentlichungen des Zentralinstituts fur Alte Geschichte und Archaologie der Akademie der Wissenschaften der DDR Band 12 David Graeber David Wengrow Anfange Eine neue Geschichte der Menschheit Ubersetzung aus dem amerikanischen Englisch von Henning Dedekind Helmut Dierlamm Andreas Thomsen Klett Cotta Stuttgart 2022 ISBN 978 3 608 98508 5 Weblinks BearbeitenWolfgang Currlin Steinzeit In Geschichtszentrum Lernumgebung fur webbasierten Prasenzunterricht Friedrichshafen 13 Februar 2013 abgerufen am 21 April 2014 mehrteiliges Tutorial Einzelnachweise Bearbeiten a b Friedrich Engels Der Ursprung der Familie des Privateigentums und des Staats 1884 in MEW 21 Seite 36 84 Lewis Henry Morgan Die Urgesellschaft erste deutsche Ubersetzung von 1908 Vgl Sileshi Semaw The World s Oldest Stone Artefacts from Gona Ethiopia Their Implications for Understanding Stone Technology and Patterns of Human Evolution Between 2 6 1 5 Million Years Ago In Journal of Archaeological Science Band 27 2000 S 1197 1214 doi 10 1006 jasc 1999 0592 Volltext PDF 1 MB Werner Conze Antje Sommer Rasse In Otto Brunner Werner Conze Reinhart Koselleck Hrsg Geschichtliche Grundbegriffe Historisches Lexikon zur politisch sozialen Sprache in Deutschland Band 5 Klett Cotta Stuttgart 2004 ISBN 3 608 91500 1 S 135 178 hier S 137 Vgl Carel van Schaik Kai Michel Das Tagebuch der Menschheit Was die Bibel uber unsere Evolution verrat Rowohlt Verlag Reinbek bei Hamburg 2016 ISBN 978 3 498 06216 3 Dieter Reinisch Hrsg Der Urkommunismus Auf den Spuren der egalitaren Gesellschaft Promedia Wien 2012 ISBN 978 3 85371 350 1 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Urgesellschaft amp oldid 236532403