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Tagebuch 1946 1949 ist der Titel eines literarischen Tagebuchs des Schweizer Schriftstellers Max Frisch Bereits 1947 erschien im Atlantis Verlag ein Vorlaufer unter dem Titel Tagebuch mit Marion mit Aufzeichnungen aus den Jahren 1946 und 1947 in denen mehrfach ein Puppenspieler namens Marion auftrat Auf Anregung des Verlegers Peter Suhrkamp erweiterte Frisch dieses Tagebuch mit Eintragen bis zum Jahr 1949 und veroffentlichte es im September 1950 im neugegrundeten Suhrkamp Verlag Das Tagebuch beinhaltet neben personlichen und zeitgeschichtlichen Aufzeichnungen zahlreiche fiktionale Texte die als zentrale Quellen vieler Stoffe und Motive von Frischs Hauptwerken gelten So finden sich im Tagebuch fruhe Skizzen zu Frischs Dramen Andorra Biedermann und die Brandstifter Graf Oderland und Als der Krieg zu Ende war sowie zu den Romanen Homo faber und Stiller Inhaltsverzeichnis 1 Inhalt 2 Entstehungsgeschichte 3 Ausgaben 4 Literatur 5 EinzelnachweiseInhalt BearbeitenDie Inhaltsangabe des Tagebuchs listet insgesamt 134 Eintragungen auf Meike Heinrich Korpys zahlt im Gegensatz dazu allerdings 145 Eintrage die jeweils durch Uberschrift oder Zeit bzw Ortsangaben eingeleitet werden 1 Die fur die Form eines Tagebuchs typischen Zeitangaben fehlten noch im Tagebuch mit Marion und wurden fur das Tagebuch 1946 1949 nachtraglich eingefugt 2 In einem Gesprach mit Heinz Ludwig Arnold beschrieb Frisch das Tagebuch als Konfrontation von Fiktion und Faktum mit dem Kontrapunkt des personlichen Lebens 3 Spatere Untersuchungen nehmen oft eine feinere Unterteilung der Notate vor So unterscheidet Gerhard P Knapp 4 faktische Texte bzw Dokumentation der Zeitgeschichte Reflexionen des Tagebuch Ichs auf faktische Eindrucke personliche Eintragungen des Tagebuch Ichs poetologische Fragestellungen fiktionale SkizzenKlaus Muller Salget betont allerdings dass wegen Frischs personlicher Schreibweise die einzelnen Kategorien nicht immer scharf zu trennen seien 5 Als zentrales Motiv des Tagebuchs mit Marion benennt Julian Schutt das personliche Anschauen 6 Max Frisch beschreibt seine Reisen durch die Schweiz nach Deutschland Italien die Tschechoslowakei Osterreich Frankreich und Polen 7 Die Frage Warum reisen wir beantwortet er mit den Worten damit wir Menschen begegnen die nicht meinen dass sie uns kennen und ein fur allemal kennen damit wir noch einmal erfahren was uns in diesem Leben moglich sei 8 Neben der Reise ist das Puppenspiel ein zweiter wichtiger Themenkomplex der sich durch das Tagebuch mit Marion zieht 2 Die titelgebende Figur des Puppenspielers Marion ist laut Walter Schmitz selbst eine Marion ette eine Spielfigur des Autors Angesiedelt in einem fiktiven Kleinstaat namens Andorra zeichnet sie ein imaginatives Portrat des Kunstlers in der Schweiz 9 In der Tagebuchform sieht Walburg Schwenke die ideale Ausdrucksform des Zusammenspiels von Biografie und kunstlerischem Schaffen des jungen Frischs 10 Das Tagebuch dient Frisch jedoch nicht zuletzt als eine literarische Werkstatt und Ideenreservoir fur seine Werke Hans Mayer spricht von einer Brutstatte kunftiger Romane und Stucke 11 So nimmt etwa das Drama Andorra 1961 Bezug auf die Skizze Der andorranische Jude 12 Biedermann und die Brandstifter 1958 auf einen Burleske 13 betitelten Text uber politische Brandstiftung und Opportunismus Das Drama Graf Oderland 1951 ist eine Weiterentwicklung des Fragments Der Graf von Oderland 14 und Als der Krieg zu Ende war 1949 eine Dramatisierung der Erzahlung Nachtrag 15 um eine Liebe ohne sprachlichen Ausdruck Der Roman Homo faber 1957 hat einen thematischen Vorlaufer in einer so genannten Kalendergeschichte uber die Bewaltigung von Schuld am Tod der eigenen Tochter 16 wahrend das Marchen Rip van Winkle in Stiller 1954 auf die Skizze 17 um den versuchten Ausbruch des Rechtsanwalts Schinz verweist 18 Ein programmatischer Text der laut Hans Jorg Luthi fur Frischs Werk und seine Gedankenwelt von zentraler Bedeutung ist steht unter dem Titel Du sollst dir kein Bildnis machen und wird in der anschliessenden Skizze Der andorranische Jude weiter ausgefuhrt Du sollst dir kein Bildnis machen heisst es von Gott Es durfte auch in diesem Sinne gelten Gott als das Lebendige in jedem Menschen das was nicht erfassbar ist Es ist eine Versundigung die wir so wie sie an uns begangen wird fast ohne Unterlass wieder begehen Ausgenommen wenn wir lieben 19 Nur in der Liebe sei der Mensch bereit seinen Mitmenschen offen wahrzunehmen und in seiner Lebendigkeit anzunehmen Ohne Liebe tritt an die Stelle der Offenheit ein fertiges Bild das man sich macht und in das man sein Gegenuber bannt Diese Bildnisproblematik blieb bestimmend fur Frischs Hauptwerke Stiller Andorra und Mein Name sei Gantenbein 20 Entstehungsgeschichte BearbeitenDie Tagebuchform gilt als charakteristische literarische Form des Autors Max Frisch Sowohl stofflich als auch von der Form her ist sie laut Rolf Kieser die Keimzelle seines gesamten spateren Werks 21 In einem Gesprach mit Horst Bienek gestand Frisch Man kann wohl sagen die Tagebuchform ist eigentumlich fur den Verfasser meines Namens Zur Frage nach der Vorliebe fur diese Form zog er den Vergleich Ich habe keine Vorliebe fur meine Nase ich habe keine Wahl ich habe meine Nase 22 Die Entdeckung der ihm gemassen Form war allerdings ausseren Umstanden geschuldet Als Kanonier in der Schweizer Armee konnte Frisch der seine fruhen literarischen Versuche als ungenugend verworfen hatte in den freien Stunden nur kurze Notizen verfassen und schrieb auf diese Art im Herbst 1939 eine Folge lose zusammenhangender Betrachtungen unter dem Titel Blatter aus dem Brotsack 23 Auch das 1946 begonnene Tagebuch bezeichnete Frisch als eine Notform die vor nach und wahrend seiner Berufstatigkeit als Architekt im eigenen Architekturburo entstand Er hatte das Bedurfnis zu schreiben aber einfach nicht die Zeit fur eine grosse Form So schrieb er die Ideen fur grossere Stoffe nur in Skizzenform nieder Ein Sonntagsschreiber wenn Sie so wollen 3 1947 erschien das Tagebuch mit Marion im Atlantis Verlag Frisch setzte die Aufzeichnungen im August 1947 fort doch sein Verleger Martin Hurlimann zeigte kein Interesse an weiteren veroffentlichten Tagebuchern Stattdessen traf Frisch im November 1947 bei der Premiere von Carl Zuckmayers Des Teufels General in Frankfurt mit Peter Suhrkamp zusammen der eine Fortsetzung des Tagebuchs anregte Frisch uberarbeitete den ersten Teil des Tagebuchs geringfugig und liess einige Texte entfallen 24 Im Januar 1950 reichte Frisch das Manuskript des bis 1949 fortgesetzten Tagebuchs beim Suhrkamp Verlag vorm S Fischer ein Als es im April des Jahres zur Trennung zwischen Suhrkamp und Bermann Fischer kam uberliessen die Verleger den Autoren die Entscheidung fur ihren zukunftigen Verlag Frisch entschied sich fur den neugegrundeten Suhrkamp Verlag der zu seinem Hausverlag wurde Als sein erstes Werk erschien dort im September 1950 das Tagebuch 1946 1949 25 Ausgaben BearbeitenMax Frisch Tagebuch mit Marion Atlantis Zurich 1947 Max Frisch Tagebuch 1946 1949 Suhrkamp Frankfurt am Main 1950 Max Frisch Tagebuch 1946 1949 In Gesammelte Werke in zeitlicher Folge Zweiter Band Suhrkamp Frankfurt am Main 1998 ISBN 3 518 06533 5 S 347 755 Anmerkungen S 770 776 Literatur BearbeitenMeike Heinrich Korpys Tagebuch und Fiktionalitat Signalstrukturen des literarischen Tagebuchs am Beispiel der Tagebucher von Max Frisch Rohrig St Ingbert 2003 ISBN 3 86110 335 4 Rolf Kieser Max Frisch Das literarische Tagebuch Huber Frauenfeld 1975 ISBN 3 7193 0491 4 Daniel de Vin Max Frischs Tagebucher Bohlau Koln 1977 ISBN 3 412 00977 6 Einzelnachweise Bearbeiten Meike Heinrich Korpys Tagebuch und Fiktionalitat Signalstrukturen des literarischen Tagebuchs am Beispiel der Tagebucher von Max Frisch Rohrig St Ingbert 2003 ISBN 3 86110 335 4 S 105 a b Daniel de Vin Max Frischs Tagebucher Bohlau Koln 1977 ISBN 3 412 00977 6 S 138 a b Heinz Ludwig Arnold Gesprache mit Schriftstellern Beck Munchen 1975 ISBN 3 406 04934 6 S 41 Gerhard P Knapp Das Weisse zwischen den Worten Studien zur Entwicklung und zur Asthetik des literarischen Tagebuchs der Moderne In Sprachkunst 28 1997 S 291 319 Nach Meike Heinrich Korpys Tagebuch und Fiktionalitat Signalstrukturen des literarischen Tagebuchs am Beispiel der Tagebucher von Max Frisch Rohrig St Ingbert 2003 ISBN 3 86110 335 4 S 117 Klaus Muller Salget Max Frisch Literaturwissen Reclam Stuttgart 1996 ISBN 978 3 15 015210 2 S 109 Julian Schutt Max Frisch Biographie eines Aufstiegs Suhrkamp Berlin 2011 ISBN 978 3 518 42172 7 S 357 Meike Heinrich Korpys Tagebuch und Fiktionalitat Signalstrukturen des literarischen Tagebuchs am Beispiel der Tagebucher von Max Frisch Rohrig St Ingbert 2003 ISBN 3 86110 335 4 S 117 Max Frisch Tagebuch 1946 1949 In Gesammelte Werke in zeitlicher Folge Zweiter Band Suhrkamp Frankfurt am Main 1998 ISBN 3 518 06533 5 S 369 Walter Schmitz Max Frisch Das Werk 1931 1961 Studien zu Tradition und Traditionsverarbeitung Peter Lang Bern 1985 ISBN 3 261 05049 7 S 172 173 Walburg Schwenke Leben und Schreiben Max Frisch Eine produktionsasthetische Auseinandersetzung mit seinem Werk Lang Frankfurt am Main 1983 S 202 204 Hans Mayer Die Schuld der Schuldlosen Tagebuch 1966 1971 In Hans Mayer Frisch und Durrenmatt Suhrkamp Frankfurt am Main 1992 ISBN 3 518 22098 5 S 132 Max Frisch Gesammelte Werke in zeitlicher Folge Zweiter Band Suhrkamp Frankfurt am Main 1998 ISBN 3 518 06533 5 S 372 374 Max Frisch Gesammelte Werke in zeitlicher Folge Zweiter Band Suhrkamp Frankfurt am Main 1998 ISBN 3 518 06533 5 S 556 561 Max Frisch Gesammelte Werke in zeitlicher Folge Zweiter Band Suhrkamp Frankfurt am Main 1998 ISBN 3 518 06533 5 S 406 443 Max Frisch Gesammelte Werke in zeitlicher Folge Zweiter Band Suhrkamp Frankfurt am Main 1998 ISBN 3 518 06533 5 S 536 537 Max Frisch Gesammelte Werke in zeitlicher Folge Zweiter Band Suhrkamp Frankfurt am Main 1998 ISBN 3 518 06533 5 S 453 467 Max Frisch Gesammelte Werke in zeitlicher Folge Zweiter Band Suhrkamp Frankfurt am Main 1998 ISBN 3 518 06533 5 S 723 749 Meike Heinrich Korpys Tagebuch und Fiktionalitat Signalstrukturen des literarischen Tagebuchs am Beispiel der Tagebucher von Max Frisch Rohrig St Ingbert 2003 ISBN 3 86110 335 4 S 20 21 Max Frisch Gesammelte Werke in zeitlicher Folge Zweiter Band Suhrkamp Frankfurt am Main 1998 ISBN 3 518 06533 5 S 374 Hans Jurg Luthi Max Frisch Du sollst dir kein Bildnis machen Francke Munchen 1981 ISBN 3 7720 1700 2 S 7 8 Rolf Kieser Max Frisch Das literarische Tagebuch Huber Frauenfeld 1975 ISBN 3 7193 0491 4 S 12 Horst Bienek Werkstattgesprache mit Schriftstellern dtv Munchen 1969 S 26 27 Rolf Kieser Max Frisch Das literarische Tagebuch Huber Frauenfeld 1975 ISBN 3 7193 0491 4 S 18 Die entfallenen Texte sind aufgelistet in Max Frisch Gesammelte Werke in zeitlicher Folge Zweiter Band Suhrkamp Frankfurt am Main 1998 ISBN 3 518 06533 5 S 770 776 Max Frisch Gesammelte Werke in zeitlicher Folge Zweiter Band Suhrkamp Frankfurt am Main 1998 ISBN 3 518 06533 5 S 770 776 Werke von Max Frisch Liste der Schriften von Max FrischRomaneJurg Reinhart Die Schwierigen oder J adore ce qui me brule Stiller Homo faber Mein Name sei GantenbeinErzahlungenAntwort aus der Stille Bin oder Die Reise nach Peking Montauk Der Mensch erscheint im Holozan BlaubartTheaterstuckeSanta Cruz Nun singen sie wieder Die Chinesische Mauer Als der Krieg zu Ende war Graf Oderland Don Juan oder Die Liebe zur Geometrie Biedermann und die Brandstifter Die grosse Wut des Philipp Hotz Andorra Biografie Ein Spiel TriptychonHorspiele und FilmvorlagenDer Laie und die Architektur Rip van Winkle Herr Biedermann und die Brandstifter Zurich TransitSonstige ProsaBlatter aus dem Brotsack Tagebuch 1946 1949 Achtung Die Schweiz Offentlichkeit als Partner Wilhelm Tell fur die Schule Tagebuch 1966 1971 Dienstbuchlein Schweiz ohne Armee Ein Palaver Schweiz als Heimat Versuche uber 50 Jahre Entwurfe zu einem dritten Tagebuch Aus dem Berliner Journal Ignoranz als Staatsschutz 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