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Biografie Ein Spiel ist ein Theaterstuck des Schweizer Schriftstellers Max Frisch das 1967 entstand und am 1 Februar 1968 im Schauspielhaus Zurich unter der Regie von Leopold Lindtberg uraufgefuhrt wurde 1 1984 legte Frisch eine uberarbeitete Neufassung vor Das von Frisch als Komodie bezeichnete Stuck greift eines seiner zentralen Themen auf die Moglichkeit oder Unmoglichkeit des Menschen seine Identitat zu verandern Mit Biografie Ein Spiel wandte sich Frisch von der Parabelform seiner Erfolgsstucke Biedermann und die Brandstifter und Andorra ab und postulierte eine Dramaturgie der Permutation Darin sollte nicht wie im klassischen Theater Sinn und Schicksal im Mittelpunkt stehen sondern die Zufalligkeit von Ereignissen und die Moglichkeit ihrer Variation Dennoch handelt Biografie Ein Spiel gerade von der Unmoglichkeit seines Protagonisten seinen Lebenslauf grundlegend zu verandern Frisch empfand die Wirkung des Stucks im Nachhinein als zu fatalistisch und die Umsetzung seiner theoretischen Absichten als nicht gegluckt Obwohl das Stuck 1968 als unpolitisch und nicht zeitgemass kritisiert wurde und auch spater eine geteilte Rezeption erfuhr gehort es an deutschsprachigen Buhnen zu den haufiger aufgefuhrten Stucken Frischs Cover der Buchausgabe von Biografie Ein Spiel des Suhrkamp VerlagesInhaltsverzeichnis 1 Inhalt 1 1 Motto 1 2 Handlung 1 3 Anmerkungen des Autors 1 4 Neue Fassung von 1984 2 Form 3 Interpretation 4 Intention und Umsetzung 5 Rezeption 6 Literatur 6 1 Textausgaben 6 2 Sekundarliteratur 7 EinzelnachweiseInhalt BearbeitenMotto Bearbeiten Frisch stellte dem Stuck ein Motto voran ein Zitat des Werschinin aus Anton Tschechows Drei Schwestern Ich denke haufig wie wenn man das Leben noch einmal beginnen konnte und zwar bei voller Erkenntnis Wie wenn das eine Leben das man schon durchlebt hat sozusagen ein erster Entwurf war zu dem das zweite die Reinschrift bilden wird Ein jeder von uns wurde dann so meine ich bemuht sein vor allem sich nicht selber zu wiederholen 2 Handlung Bearbeiten Der todkranke Verhaltensforscher Hannes Kurmann erhalt die Moglichkeit sein Leben noch einmal neu zu beginnen Ein Registrator fuhrt ihn durch vergangene Schlusselerlebnisse und lasst ihm die Wahl sich mit dem Wissen um die Zukunft zu den Ereignissen und Menschen anders zu verhalten und dadurch seine Biografie zu verandern Im Vordergrund steht Kurmanns Wunsch nach einer Biografie ohne Antoinette seine Frau deren Ehe mit ihm nach sieben Jahren zerruttet ist So wiederholt Kurmann als erstes jenen Abend an dem er zum Professor ernannt wurde und bei einer Feier Antoinette Stein kennenlernte Doch wie er die Begegnung auch zu gestalten versucht stets mundet sie in einer gemeinsamen Nacht des kunftigen Paares Der Registrator wirft Kurmann vor er verhalte sich nicht zur Gegenwart sondern zu einer Erinnerung und gerate deswegen jedes Mal in die gleiche Geschichte Kurmann weigert sich zu glauben dass sein Leben nicht auch ganz anders hatte verlaufen konnen Der Registrator fuhrt ihn weiter zuruck in seine Jugend Auch dort gelingt Kurmann keine nachtragliche Korrektur seiner Biografie ein Schulkamerad verliert durch seinen Schneeball ein Auge wahrend eines Auslandssemesters in den Vereinigten Staaten stirbt seine Mutter mit seiner Abreise lasst er die geliebte Mulattin Helen im Stich um sie zu vergessen heiratet er seine erste Frau die nach einem Streit Suizid begeht Kurmann behauptet er habe sich an seine Schuld gewohnt Nur in einem Punkt ist er zu einer geanderten Haltung fahig Als ein Kollege an der Universitat wegen seiner Mitgliedschaft in der Kommunistischen Partei entlassen wird begnugt sich Kurmann nicht ein zweites Mal mit einer unverfanglichen Protestnote sondern tritt selbst in die KP ein Daraufhin verliert auch Kurmann seine Professur Kurmanns Leben erreicht wieder den Abend seiner Begegnung mit Antoinette Dieses Mal verlasst ihn Antoinette und scheint in der Lage ein Leben ohne ihn zu fuhren Erst dadurch begreift Kurmann dass er seine Frau uber all die Jahre unterschatzt hat Nun will er sie nicht mehr gehen lassen Der Registrator wiederholt die Begegnung bis Antoinette an Kurmanns Seite bleibt Sie heiraten erneut und erneut gerat ihre Ehe in die Krise Kurmann bemuht sich seine Eifersucht zu zugeln als Antoinette eine Affare mit dem Architekten Egon Stahel beginnt Der Registrator lobt sein tadelloses Verhalten da er sich keine Wutanfalle oder Ohrfeigen zuschulden kommen lasst Dennoch kann Kurmann Antoinette nicht zuruckgewinnen Als der Registrator ihm vorwirft dass er nichts in seinem Leben verandert habe ausser in die KP einzutreten und Antoinette nicht zu ohrfeigen greift Kurmann nach dem Revolver mit dem er sich selbst umbringen wollte und erschiesst Antoinette Der Registrator macht die Tat ruckgangig Ein Jahr lang lebt Kurmann im Schatten seiner unabhangig gewordenen Frau Dann wird er ins Krankenhaus eingeliefert und erfahrt von seiner Krebserkrankung Sein Zustand lasst Kurmann nur mehr die Wahl wie er sich dazu verhalt dass er verloren ist Der Registrator wendet sich statt seiner Antoinette zu und macht nun ihr das Angebot ihre Biografie zu verandern Noch einmal kehren beide zuruck zum Abend ihrer ersten Begegnung Im Gegensatz zu den vergeblichen Versuchen ihres Mannes verlasst Antoinette Kurmann ohne zu zogern Daraufhin verkundet ihm der Registrator er sei nun frei und habe noch sieben Jahre zu leben nbsp Buchcover der Neufassung von 1984Anmerkungen des Autors Bearbeiten Der ersten Fassung fugte Max Frisch einen Abschnitt mit Anmerkungen bei Darin formulierte er die Intention seines Stuckes das den Zuschauer nicht daruber tauschen solle dass es auf einer Buhne spiele Ein Wechsel von Arbeitslicht und Spiellicht solle anzeigen dass jetzt eine Variante probiert wird eine Variante zur Realitat die nie auf der Buhne erscheint Das Stuck bleibe Probe es wolle nichts beweisen Der Registrator vertrete keine metaphysische Instanz sondern eine Instanz des Theaters Er spricht aus was Kurmann selber weiss oder wissen konnte Nicht die banale Biografie des Herrn Kurmann sei das Thema sondern die der nachtraglichen Analyse einer Schachpartie vergleichbare Frage ob und wie die Partie wohl anders zu fuhren gewesen ware Keine Szene passe Kurmann derart dass sie nicht auch anders vorstellbar ware Nur er kann nicht anders sein Frisch schloss mit den Worten Ich habe es als Komodie gemeint 3 Neue Fassung von 1984 Bearbeiten In der uberarbeiteten Fassung entfernte Frisch die Anmerkungen betonte dafur aber im Stuck selbst starker den Charakter einer Versuchsanordnung eines Spiels der Moglichkeiten Der Registrator erhielt die Rollenbezeichnung Spielleiter Zwei Assistenten des Spielleiters stellten nun die ursprunglich uber 30 Nebenrollen dar und verstarkten damit den Verfremdungseffekt der Buhnenhandlung Frisch strich die zeitliche Einbettung in die 1960er Jahre mit der Benennung tagespolitischer Ereignisse von Adenauer bis Chruschtschow Eine ebenfalls zeittypische Auseinandersetzung zwischen Kurmann und seinem Sohn als Vertreter der Pilzkopf Generation entfiel wie die Gefangnisszene nach Kurmanns Schuss Stattdessen fugte Frisch eine am Ende von Kurmann abgelehnte Aussprache mit dessen Nebenbuhler Stahel ins Stuck ein Form BearbeitenMax Frisch selbst bezeichnete Biografie Ein Spiel als Komodie Das Stuck weicht allerdings von der klassischen Komodienstruktur ab und entspricht eher dem Entwurf einer tragischen Komodie Friedrich Durrenmatts bei der die Handlung nicht auf einen positiven Ausgang zusteuert sondern das Komodienhafte des Ablaufs betont die Groteske und Paradoxie der Situation Das Stuck wird dadurch zu einer Komodie der Handlung 4 Es wird als Spiel im Spiel prasentiert als mise en abyme bei der das Publikum dem Entstehungsprozess des Spiels beiwohnt 5 Unterstrichen wird dies durch den Wechsel der Beleuchtung fur die unterschiedlichen Realitatsebenen des Registrators und der gespielten Biografie Kurmanns Frisch verwendet hier eine Form des epischen Theaters Bertolt Brechts 6 Die Figuren treten immer wieder aus ihrer Rolle Der Registrator mischt sich in Kurmanns Biografie ein gibt Anweisungen oder weist ihn zurecht Sie benehmen sich unmoglich das wissen Sie wie ein Rohling 7 Kurmann seinerseits verweigert das Spiel das er bereits kenne oder unterbricht es um den Registrator anzurufen Halt Wer hat hier das Licht geloscht 8 9 Ulrike Landfester sieht in Biografie Ein Spiel einen virtuos modulierten Text ein Sprach Spiel das in seiner Poetologie alle Register des Spielens zieht Worte und Wortstamme aus dem Italienischen Griechischen oder Latein werden zu durchgangigen Motiven etwa wenn die italienische Sprache in der Tradition Goethes zum Symbol der Sehnsucht einer poetischen Existenz wird die Kurmann in seinem Leben missgluckt Auch Musik dient als motivische Begleitung vom wiederholten Klaviergeklimper einer Ballettschule dem Orgelspiel zu Kurmanns erster Hochzeit einem Harmonium mit Halleluja 10 einer nahen Sekte bis zu Antoinettes und Stahels Spinettspiel das Kurmanns zweite Ehe begleitet 11 Interpretation Bearbeiten nbsp Max Frisch 1967 Bereits der Titel Biografie Ein Spiel legt das Programm des Stucks offen Er zieht den Bogen von bios Kurmanns Leben zu graphein der Registration und dem einen Spiel das auf andere mogliche Spielarten verweist Das vorgefuhrte Leben Kurmanns wird zum Spiel auf mehrere Arten Es gleicht der Spieluhr von der sich Antoinette in der Eingangsszene fasziniert zeigt Figuren die immer die gleichen Gesten machen sobald es klimpert und immer ist es dieselbe Walze trotzdem ist man gespannt jedesmal 12 Gleichzeitig wird es nach den festen Regeln eines Schachspiels gespielt bei dem die Bauern nicht zuruckkonnen die Dame aber alles darf wie Kurmann im Vorgriff auf seine und Antoinettes unterschiedliche Fahigkeiten aus ihrer gemeinsamen Biografie auszubrechen erklart 13 Eine weitere Form des Spiels ist die des Theaters Kurmanns Leben wird auf der Buhne einer theatralischen Uberprufung ausgesetzt Die spielerische Darstellung der Moglichkeiten mit den Mitteln des Theaters gibt dem Leben das zuruck was es in der Festlegung durch die Wirklichkeit verloren hat die Freiheit Das Buhnenspiel wird fur den Zuschauer zum glaubhafteren gemasseren Leben Doch wahrend Kurmanns Name nahelegt dass er die Freiheit der Wahl habe wird er in der Schlusspointe selbst zum nicht mehr Gewahlten Mit der gleichen Ironie gerat Kurmann durch seinen Eintritt in die KP in den Verdacht die Welt verandern zu wollen obwohl es ihm in Wahrheit nur darum geht seine Biografie zu verandern 14 Kurmanns Korrekturen scheitern weil jede Veranderung seines Lebenslaufs Konsequenzen nach sich zieht die er nicht tragen will Er will nicht nochmals Volksschule nochmals Pubertat nochmals Militar durchleben 15 Somit bestimmt nicht eine Verkettung von veranderbaren Zufallen Kurmanns Biografie sondern sein Verhalten zu ihnen seine Personlichkeit Diese neu zu wahlen bleibt ihm versagt Das ist das einzige was ich wunsche wenn ich nochmals anfangen kann eine andere Intelligenz 16 Die Spielregeln des Registrators lassen lediglich Varianten seines Verhaltens zu keine Varianten seiner Personlichkeit Kurmanns Ich bleibt eine unveranderbare Konstante 17 Die Einschrankungen des Spiels beschranken Kurmanns kreative Moglichkeiten sich eine von Grund auf neue Biografie zu erschaffen Denn das Spiel beruht auf bereits Erlebtem von dem sich Kurmann nicht zu losen vermag Das Spiel bleibt so ein Erinnerungsspiel Kurmanns Fixierung auf Antoinette ist dabei beliebig Sie wird zu seinem Schicksal weil er sie selbst dazu macht Als Antoinette Kurmann verlassen will halt er sie zuruck Er konnte es nicht ertragen ohne sie und damit ohne Schicksal zu sein Er gleicht Sisyphos der sich ebenfalls vergeblich mit seinem geliebten Stein der Nachname Antoinettes abmuht Ihre Wahl verurteilt Kurmann am Ende zur Freiheit und zum Tod Die auf den Tod zuruckgeworfene Wirklichkeit wird zur Antwort auf die zuvor bloss gespielte Ermordung Antoinettes 18 Intention und Umsetzung Bearbeiten nbsp Max Frisch bei Proben zu Andorra 1961Trotz des grossen Publikumserfolgs seiner zuvor entstandenen Stucke Biedermann und die Brandstifter und Andorra zeigte sich Frisch unzufrieden mit den Missverstandnissen die deren Aufnahme begleitet hatten In einem Gesprach mit Heinz Ludwig Arnold wandte er sich explizit gegen die gleichnishafte Parabelform der vorigen Stucke Ich habe einfach festgestellt dass ich durch die Form der Parabel mich notigen lasse eine Botschaft zu verabreichen die ich eigentlich nicht habe 19 In Anlehnung an seinen 1964 erschienenen Roman Mein Name sei Gantenbein wandte sich Frisch auch auf der Buhne dem Spiel mit den Moglichkeiten zu der Erkundung wie sich eine Ausgangssituation durch unterschiedliche Handlungen verandern liesse In seiner Rede zum Schiller Gedachtnispreis 1965 kreierte er dafur den Begriff Dramaturgie des Zufalls oder Dramaturgie der Permutation und setzte ihn in Gegensatz zur Dramaturgie der Fugung oder Dramaturgie der Peripetie des klassischen Theaters mit ihrer Unterstellung eines Sinns die eine Fabel bediene wenn sie den Eindruck erwecke sie hatte nicht anders verlaufen konnen Tatsachlich sehen wir wo immer Leben sich abspielt etwas viel Aufregenderes es summiert sich aus Handlungen die oft zufallig sind und es hatte immer auch anders sein konnen es gibt keine Handlung und keine Unterlassung die fur die Zukunft nicht Varianten zuliesse 20 In seinem veroffentlichten Tagebuch 1966 1971 fuhrte Frisch die Gedanken in Skizzen Zum Stuck weiter aus Spiel gestattet was das Leben nicht gestattet dass wir die Kontinuitat der Zeit aufheben dass sich eine Handlung unterbrechen lasst und erst weiterlauft wenn wir ihre Ursache und ihre moglichen Folgen begriffen haben Leben ist geschichtlich in jedem Augenblick definitiv es duldet keine Variante Das Spiel gestattet sie Er wandte sich gegen das von Martin Walser so bezeichnete Imitier Theater Theater das bloss die Realitat abzubilden vorgebe und ergriff Partei fur ein Bewusstseins Theater Darstellung nicht der Welt sondern unseres Bewusstseins von ihr 21 nbsp Im Schauspielhaus Zurich wurde Biografie Ein Spiel am 1 Februar 1968 uraufgefuhrtFrisch begann im Fruhjahr 1966 mit der Arbeit an Biografie Ein Spiel und legte im Marz 1967 eine erste Fassung vor Fur den 7 Oktober 1967 wurde die Urauffuhrung am Zurcher Schauspielhaus angesetzt Doch die Zusammenarbeit zwischen Frisch und Regisseur Rudolf Noelte endete zehn Tage vor der Premiere in einem Eklat und der Absetzung Noeltes Dieser hatte umfangreiche Textanderungen verlangt die Frisch zuletzt nicht mehr akzeptieren wollte Insbesondere Kurmanns Eintritt in die KP sorgte fur Differenzen 22 In einer Notiz im Briefwechsel mit Uwe Johnson dem damaligen Lektor des Suhrkamp Verlages schrieb Frisch Krach mit Regisseur Rudolf Noelte der alle politischen Aspekte eliminiert und jedes Mal mit Abreise droht wenn der Autor sich nicht fugt Ich ziehe das Stuck zuruck 23 Der Streit fand ein gerichtliches Nachspiel bei dem Noelte aufgrund seiner Bearbeitungen eine Mitautorenschaft einzuklagen versuchte allerdings unterlag 24 Die Premiere musste verschoben werden Als Regisseur sprang der scheidende Direktor der Zurcher Schauspielhauses Leopold Lindtberg ein Am 1 Februar 1968 gelangte die Zurcher Inszenierung unter der Mitwirkung von Ullrich Haupt Ellen Schwiers und Peter Frankenfeld als Registrator zur Urauffuhrung Zwei Tage spater folgten Premieren von Auffuhrungen in Munchen Frankfurt und Dusseldorf Weitere 15 Buhnen nahmen das Stuck in der folgenden Spielzeit ins Programm 25 Max Frisch zeigte sich mit den Auffuhrungen nicht zufrieden In seinem Tagebuch vermerkte er in einem Eintrag vom 8 Februar 1968 Stuck aufgefuhrt BIOGRAFIE EIN SPIEL mit vierfachem Sieg der Buhne Zurich Munchen Frankfurt Dusseldorf uber den Autor er bestreitet die Fatalitat die Buhne bestatigt sie spielend 26 In einem Brief an Walter Hollerer fuhrte er weiter aus ich war bei der Arbeit konsterniert Das wird ja genau was ich nicht haben will ein Schicksalslauf Die Reaktion des Publikums schien seine Befurchtungen zu bestatigen Die Zuschauer applaudierten der biederen Einsicht wir konnen ja doch an unserer Biografie eigentlich nichts andern 27 Frischs Unzufriedenheit mit dem eigenen Stuck fuhrte dazu dass er sich elf Jahre lang von der Buhne zuruckzog ehe er 1978 mit Triptychon ein neues Theaterstuck vorlegte 1984 schuf er eine Neufassung von Biografie Ein Spiel die trotz Anderungen im Detail das Grundkonzept des Stuckes dass Kurmann nicht in der Lage ist die gelebte Biografie zu verandern beibehielt Die Erstauffuhrung dieser Fassung fand am 15 September 1984 im Ludwigshafener Pfalzbau statt 1970 wurde Biografie Ein Spiel vom Hessischen Rundfunk in einer Fernsehfassung verfilmt Auch bei dieser Fassung gab es inhaltliche Differenzen in der Zusammenarbeit Frischs mit dem Regisseur Rolf Hadrich Wahrend Frisch das Modellhafte seines Stuckes zu betonen versuchte legte der Regisseur seinen Fokus auf die Authentizitat der handelnden Figuren So wurde etwa sein Registrator zu einem menschlich fuhlenden Mitwisser 28 Rezeption Bearbeiten1968 im Jahr seiner Urauffuhrung wurde Biografie Ein Spiel nach den zuvor politisch interpretierten Parabeln als Max Frischs Ruckzug ins Privatleben 25 verstanden Insbesondere in der bundesdeutschen Kritik wurde das Stuck als unzeitgemass und radikale Verinnerlichung etikettiert und der Autor fur seinen Ruckzug aus dem politischen Engagement und einer Hinwendung zur Asthetik des reinen Spiels kritisiert und teilweise diskreditiert 29 Hellmuth Karasek sah das Stuck als ein burgerliches Drama in dem politische Schritte lediglich wegen ihrer privaten Wirkung erfolgen und eine allgemeine Ohnmacht gegenuber der Politik zum Ausdruck gebracht werde 30 Es gab allerdings auch politische Deutungsversuche des Stuckes Marianne Biedermann erkannte keinen Bruch zu Biedermann und die Brandstifter oder Andorra und zog das Fazit Es bleibt wie in den Parabeln die Anklage gegen bedenkliche Zustande in unserer Gesellschaft und bei den Einzelnen mit dem Ziel vielleicht langfristig auf dem Weg uber die Reflexion des Zuschauers den Boden fur mogliche Veranderungen zu schaffen 31 Im Mittelpunkt vieler spaterer Bewertungen lag Frischs selbst eingestandenes Scheitern an seinen Intentionen Jurgen H Petersen sah den Fundamentalmangel des Stucks darin dass fur den Zuschauer das Mogliche durch die Darstellung einer vergangenen Wirklichkeit uberlagert werde Dies unterscheide das Stuck vom Gelingen des Romans Mein Name sei Gantenbein bei dem die Varianten durch die Erzahlsituation stets als Fiktion als Gedachtes erkennbar blieben 32 Hans Heinz Holz stellte die Relevanz der Ausgangssituation fur ein Spiel der Moglichkeiten in Frage Kann man nicht Schicksale imaginieren die wichtiger sind als die Lebensluge eines ichbezogenen Professors und in denen mehr Wahl Moglichkeit auch Zufall auftauchen mogen 33 Fur Hans Mayer schien Biografie Ein Spiel den Vergleich nicht auszuhalten mit dem Oderland dem Biedermann und mit Andorra 34 Beda Allemann sah in dem Stuck eine verborgene Form des Fatalismus zu Tage treten die sich auch in Frischs Prosa Stiller oder Homo faber wiederfinden lasse 35 Andere Stimmen werteten das Misslingen von Frischs Absicht nicht als Misslingen des Stuckes So urteilte Klaus Muller Salget Wenn man Frischs ursprungliche Absicht beiseite lasst dann kann Biografie Ein Spiel als gelungene sarkastische Komodie der Wiederholung gelten 36 Fur Hellmuth Karasek sprach es fur Frischs Unvoreingenommenheit gegenuber seinen eigenen Ansichten dass das Stuck nicht zum gleichen eindeutigen Ergebnis komme wie der Autor in seinen Ausserungen Biografie zeige wie wenig Reinschriften zu gelingen vermogen selbst dann wenn sie das Theater ermoglicht 37 Walter Schmitz sah die Frage ob die Praxis nun Frischs theoretische Voruberlegungen bestatige oder widerlege falsch gestellt Die Poetologie sei nicht eine Voraussetzung sondern ein Teil des Werkes als Untersuchung wie ein Stuck das den vorgelegten Thesen entsprache verfasst werden konne Dass sich die Dramaturgie der Permutation nicht wahrmachen lasse sei kein uberraschendes Nebenprodukt sondern die Antwort auf die theoretische Frage des Spiels Biografie 38 Fur Elisabeth Brock Sulzer machte die Tatsache dass Frisch als Autor das Gegenteil von dem beweisen muss was er beweisen will das Stuck zur selbstironischen Komodie 39 Frisch selbst zog in einem Gesprach mit Dieter E Zimmer die Parallele seiner eigenen Rolle zu der Kurmanns Auch dem Stuckschreiber konnte dieser Registrator sagen Warum wahlen Sie denn jedes Mal dasselbe Thema Worauf ich wie Kurmann sagen mochte Fangen wir noch einmal an 40 Biografie Ein Spiel hatte nicht den Publikumserfolg von Biedermann und die Brandstifter oder Andorra aber das Stuck avancierte an den deutschsprachigen Buhnen nach Don Juan oder Die Liebe zur Geometrie zum viertmeistgespielten Theaterstuck Max Frischs 41 Dennoch ist die literaturwissenschaftliche Forschung zum Stuck bislang nicht sehr umfangreich 42 Literatur BearbeitenTextausgaben Bearbeiten Max Frisch Biografie Ein Spiel Suhrkamp Frankfurt am Main 1969 ISBN 3 518 01225 8 Max Frisch Biografie Ein Spiel Neue Fassung 1984 Suhrkamp Frankfurt am Main 1985 ISBN 3 518 01873 6Sekundarliteratur Bearbeiten Hellmuth Karasek Max Frisch Friedrichs Dramatiker des Welttheaters Band 17 Friedrich Verlag Velber 1974 S 90 97 124 127 Jurgen H Petersen Max Frisch Metzler Stuttgart 2002 ISBN 3 476 13173 4 S 137 150 Walter Schmitz Max Frisch Das Spatwerk 1962 1982 Eine Einfuhrung Francke Tubingen 1985 ISBN 3 7720 1721 5 S 67 75 Ulrike Landfester Ein Pult das nicht zum Zimmer gehort In Davide Giuriato Martin Stinglin Sandro Zanetti Hrsg System ohne General Schreibszenen im digitalen Zeitalter Wilhelm Fink Munchen 2006 ISBN 3 7705 4350 5 S 65 85 Online Version Cegienas de Groot Zeitgestaltung im Drama Max Frischs Die Vergegenwartigungstechnik in Santa Cruz Die Chinesische Mauer und Biografie Rodopi Amsterdam 1977 ISBN 90 6203 150 1Einzelnachweise Bearbeiten Christian Jauslin Leopold Lindtberg In Andreas Kotte Hrsg Theaterlexikon der Schweiz Band 2 Chronos Zurich 2005 ISBN 3 0340 0715 9 S 1115 f Frisch Biografie Ein Spiel 1969 S 5 Frisch Biografie Ein Spiel 1969 S 119 Beda Allemann Die Struktur der Komodie bei Max Frisch In Walter Schmitz Hrsg Max Frisch Suhrkamp Frankfurt am Main 1987 ISBN 3 518 38559 3 S 333 Landfester Ein Pult das nicht zum Zimmer gehort S 65 67 Allemann Die Struktur der Komodie bei Max Frisch S 328 Frisch Biografie Ein Spiel 1969 S 26 Frisch Biografie Ein Spiel 1969 S 28 Vgl de Groot Zeitgestaltung im Drama Max Frischs S 185 192 Frisch Biografie Ein Spiel 1969 S 76 Vgl zum Abschnitt Landfester Ein Pult das nicht zum Zimmer gehort S 73 75 Frisch Biografie Ein Spiel 1969 S 8 9 Vgl zum Abschnitt Landfester Ein Pult das nicht zum Zimmer gehort S 68 70 Vgl zum Abschnitt Karasek Max Frisch S 90 97 Frisch Biografie Ein Spiel 1969 S 32 Frisch Biografie Ein Spiel 1969 S 30 Vgl zum Abschnitt Petersen Max Frisch S 140 142 Vgl zum Abschnitt Schmitz Max Frisch Das Spatwerk 1962 1982 S 69 75 Zitiert nach Lioba Waleczek Max Frisch Deutscher Taschenbuch Verlag Munchen 2001 ISBN 3 423 31045 6 S 127 Max Frisch Gesammelte Werke in zeitlicher Folge Suhrkamp Frankfurt am Main 1976 Band 5 ISBN 3 518 37905 4 S 366 369 Max Frisch Tagebuch 1966 1971 Suhrkamp Frankfurt am Main 1979 ISBN 3 518 36756 0 S 89 90 Das zweifache Leben In Der Spiegel Nr 43 1967 S 182 online Zitiert nach Landfester Ein Pult das nicht zum Zimmer gehort S 83 84 Noelte verliert gegen Frisch In Die Zeit Nr 14 1968 a b Abend mit Antoinette In Der Spiegel Nr 5 1968 S 136 online Frisch Tagebuch 1966 1971 S 111 Max Frisch Dramaturgisches Ein Briefwechsel mit Walter Hollerer Literarisches Colloquium Berlin 1969 ISBN 3 920392 17 5 S 28 Luis Bolliger Hrsg jetzt max frisch Suhrkamp Frankfurt am Main 2001 ISBN 3 518 39734 6 S 193 Marianne Biedermann Politisches Theater oder radikale Verinnerlichung In text kritik 47 48 ISBN 3 921402 10 7 S 44 Karasek Max Frisch S 96 Biedermann Politisches Theater oder radikale Verinnerlichung S 55 56 Vgl Petersen Max Frisch S 144 150 Zitiert nach Lioba Waleczek Max Frisch S 128 Hans Mayer Uber Friedrich Durrenmatt und Max Frisch Neske Pfullingen 1977 ISBN 3 7885 0081 6 S 123 Allemann Die Struktur der Komodie bei Max Frisch S 328 329 Klaus Muller Salget Max Frisch Reclam Stuttgart 1996 ISBN 3 15 015210 0 S 34 Karasek Max Frisch S 96 97 Walter Schmitz Max Frisch Das Spatwerk 1962 1982 S 69 73 Bolliger Hrsg jetzt max frisch S 196 197 Bolliger Hrsg jetzt max frisch S 199 Volker Hage Max Frisch Rowohlt Hamburg 1997 ISBN 3 499 50616 5 S 82 Landfester Ein Pult das nicht zum Zimmer gehort S 67 Werke von Max Frisch Liste der Schriften von Max FrischRomaneJurg Reinhart Die Schwierigen oder J adore ce qui me brule Stiller Homo faber Mein Name sei GantenbeinErzahlungenAntwort aus der Stille Bin oder Die Reise nach Peking Montauk Der Mensch erscheint im Holozan BlaubartTheaterstuckeSanta Cruz Nun singen sie wieder Die Chinesische Mauer Als der Krieg zu Ende war Graf Oderland Don Juan oder Die Liebe zur Geometrie Biedermann und die Brandstifter Die grosse Wut des Philipp Hotz Andorra Biografie Ein Spiel TriptychonHorspiele und FilmvorlagenDer Laie und die Architektur Rip van Winkle Herr Biedermann und die Brandstifter Zurich TransitSonstige ProsaBlatter aus dem Brotsack Tagebuch 1946 1949 Achtung Die Schweiz Offentlichkeit als Partner Wilhelm Tell fur die Schule Tagebuch 1966 1971 Dienstbuchlein Schweiz ohne Armee Ein Palaver Schweiz als Heimat Versuche uber 50 Jahre Entwurfe zu einem dritten Tagebuch Aus dem Berliner Journal Ignoranz als Staatsschutz BauwerkeFreibad Letzigraben Max Frisch Bad nbsp Dieser Artikel wurde am 4 Januar 2009 in dieser Version in die Liste der lesenswerten Artikel aufgenommen Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Biografie Ein Spiel amp oldid 231602297