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Der Verfremdungseffekt V Effekt ist ein literarisches Stilmittel und Hauptbestandteil des epischen Theaters nach Bertolt Brecht Eine Handlung wird durch Kommentare oder Lieder so unterbrochen dass beim Zuschauer jegliche Illusionen zerstort werden sodass er der Theorie zufolge eine kritische Distanz zum Dargestellten einnehmen kann Der Verfremdungseffekt besteht im Kern darin dem Betrachter vertraute Dinge in einem neuen Licht erscheinen zu lassen und so Widerspruche in der Realitat sichtbar zu machen und eine kritischere und bewusstere Wahrnehmung des Gezeigten zu ermoglichen Inhaltsverzeichnis 1 Varianten 2 Brechts Idee als Gegenpart zum aristotelischen Dramenbegriff 3 Kritik an der anti aristotelischen Dramaturgie 4 Siehe auch 5 Einzelnachweise 6 WeblinksVarianten BearbeitenDie Handlung wird z B durch Kommentare oder Zeitsprunge unterbrochen Figuren treten aus der Rolle und wenden sich an das Publikum um uber das Geschehene zu diskutieren und verlassen so den Rahmen des Schauspiels Es werden alternative Handlungsmoglichkeiten aufgezeigt die den Protagonisten unter anderen Umstanden offengestanden hatten Damit ist gewonnen dass der Zuschauer die Menschen auf der Buhne nicht mehr als ganz unveranderbare unbeeinflussbare ihrem Schicksal hilflos ausgelieferte dargestellt sieht Er sieht dieser Mensch ist so und so weil die Verhaltnisse so und so sind Und die Verhaltnisse sind so und so weil der Mensch so und so ist Er ist aber nicht nur so vorstellbar wie er ist sondern auch anders so wie er sein konnte und auch die Verhaltnisse sind anders vorstellbar als sie sind Bertolt Brecht Stilisierte Sprache Es wird zum Teil in Versen gesprochen Manchmal werden den einzelnen Szenen auch Spruchbander vorangestellt z B in Leben des Galilei in denen die Handlung vorweggenommen wird Ziel dessen ist es die Aufmerksamkeit des Zuschauers nicht auf den Verlauf des Stuckes sondern auf die Art und Weise mit der die Handlung vorangetrieben wird zu lenken Die Buhnengestaltung ist oft sparsam es werden wenige Requisiten eingesetzt Haufig werden anstelle von zeitgemassen Kostumen Strassenkleider verwendet Auch die Schauspieler selbst mussen eine gewisse Distanz zu ihrer Rolle wahren damit der Zuschauer die Protagonisten nicht als Identifikationsfiguren wahrnehmen kann Damit wird eine einseitige Beeinflussung des Zuschauers vermieden der Weg bzw die Beweggrunde des Protagonisten konnen vom Zuschauer kritisch betrachtet werden Die Figuren haben oft gleichnishaften Charakter sind Niemand oder Jedermann Gestalten die beliebig austauschbar sind und exemplarischen Verhaltensweisen folgen Es werden kaum Emotionen erregt das epische Theater untersucht sie lediglich von aussen Der Zuschauer wird mit den zeitgenossischen gesellschaftspolitischen Problemen konfrontiert die meistens die Ursache fur das Handeln der einzelnen Figuren sind Dadurch soll der Zuschauer aktiviert werden d h zum Eingreifen in Politik und Gesellschaft aufgefordert werden Die Erzahlweise verlauft in Kurven ist also nicht linear oder chronologisch nbsp Modell eines Buhnenbildes fur Mutter CourageAndere Mittel sind ausserdem die Einbeziehung eines Chores als Kommentator siehe aristotelisches Drama die Verwendung von Schildern Songs bzw Liedern sowie neuen Medien Projektionen Diashows kurze Filmsequenzen etc Auch das Verwenden von Dialekten kann als V Effekt verstanden werden Brechts Idee als Gegenpart zum aristotelischen Dramenbegriff BearbeitenBrecht wandte sich gegen eine damals gelaufige Interpretation des aristotelischen Dramenbegriffs Seine Vorstellungen vom Aristotelischen waren stark von Lehrmeinungen des spaten 19 Jahrhunderts beeinflusst etwa von einer Deutung der Katharsis im Sinne der Einfuhlungstheorie oder von der Autoritat des Buhnennaturalismus gegen die er sich auflehnte Im Gegensatz zur Identifikation in einem aristotelischen Theater das auf Katharsis im Sinne einer Einfuhlung von Darstellern und Zuschauern spekuliert wird beim Epischen Theater auf die Wirkung des Verfremdungseffekts gesetzt Statt der Einfuhlung in die dargestellten Figuren soll Verfremdung zu einer Auseinandersetzung des Darstellers und des Zuschauers mit den Figuren fuhren Durch Verfremdung wird eine Distanz zwischen den Zuschauern Darstellern und gespielten Figuren geschaffen Buhnenbild und Ausstattung dienen ebenso wie die Spielweise diesem Ziel Die Aufmerksamkeit des Betrachters soll auf den Sinn des Spiels gelenkt werden zum Zweck einer kritischen Auseinandersetzung mit dem Stuck Interpretation statt Identifikation Einen Vorgang oder einen Charakter verfremden heisst zunachst einfach dem Vorgang oder dem Charakter das Selbstverstandliche Einleuchtende zu nehmen und uber ihn Staunen und Neugier zu erzeugen Verfremden heisst also Historisieren heisst Vorgange und Personen als verganglich darzustellen 1 Brecht erhoffte sich durch das Aufzeigen von alternativen Losungen politische und kulturelle Veranderungen hervorrufen zu konnen Er verwendete in seinen Werken selten klassische Helden als Hauptfiguren sondern meistens Figuren die dem Zuschauer zwiespaltig erscheinen z B Shen Te eine gutmutige Prostituierte die in die Rolle eines gewissenlosen Mannes schlupft oder Mutter Courage eine besorgte Mutter und zugleich opportunistische Geschaftsfrau mit denen man sich nicht naher identifizieren und mit denen man daher auch nicht von vornherein mitfiebern kann Diese Distanz soll die Objektivitat des Zuschauers wahren Das Gewohnte soll im Verfremdeten erkannt werden dazu ist eine aktive aber distanzierte rationale statt emotionale Mitwirkung des Zuschauers erforderlich Er soll sich als betroffen erkennen um Schlussfolgerungen fur sein eigenes Leben zu ziehen bzw in die politischen und gesellschaftlichen Verhaltnisse seiner Zeit einzugreifen nbsp Dieser Abschnitt bedarf einer grundsatzlichen Uberarbeitung Das epische Theater ist kein Aufsatz von Brecht sondern eine Textsammlung in der Werkausgabe Bitte hilf mit ihn zu verbessern und entferne anschliessend diese Markierung Bertolt Brecht formuliert seine Uberlegungen zur Verfremdung als politische Theorie 2 die das Ziel verfolgt das theatrale Kontinuum vorubergehend still zu stellen Brecht vertritt die These dass das klassische Schema des Dramas wie z B von Sophokles uberholt sei da die Art des Zuschauens nicht zum Nachdenken sondern lediglich zum Mitfuhlen und Miterleben anrege Die eigentliche Aufgabe des Theaters sieht er jedoch in der Belehrung des Zuschauers der Aufforderung zum Mitdenken und infolgedessen auch zum aktiven Handeln Dabei sollte die kritisch rationale Komponente in Brechts Konzeption nicht uberbewertet werden indem diese schlicht mit Gefuhllosigkeit identifiziert wird Brecht verstand sein Konzept weniger als Lehrmethode des Theaters sondern wollte in erster Linie das Vergnugen und den karnevalesken ambivalenten Spass der Zustande in der realen Welt zuganglich machen In Brechts Werken werden hauptsachlich der Mensch seine Beweggrunde zum Handeln und sein Denken untersucht ausgehend von der These dass das gesellschaftliche Sein das Bewusstsein bestimme Vorwort zur Kritik der politischen Okonomie von Karl Marx Kritik an der anti aristotelischen Dramaturgie BearbeitenDem Frankfurter Theaterwissenschaftler Hans Thies Lehmann zufolge hat Brecht keinesfalls fur eine Revolution des Theaters gesorgt insofern als auch bei ihm die Fabel das zentrale Element aller Dramen und Inszenierungen geblieben ist und er wie die ubrigen Avantgardisten seiner Zeit lediglich nach neuen Inszenierungsstrategien gesucht hat Fur Lehmann markiert erst die Aufgabe der Fabel wie ein postdramatisches Theater sie vollzieht die entscheidende Wende im Theater Siehe auch BearbeitenMetafiktionEinzelnachweise Bearbeiten Bert Brecht Schriften zum Theater In Gesammelte Werke Band 15 Frankfurt Main 1967 S 301 Bert Brecht Politische Theorie der Verfremdung um 1940 In Schriften zum Theater Werke Bd 15 Suhrkamp Frankfurt Main 1990 S 124 f Weblinks BearbeitenEpisches Theater amp Verfremdungseffekt Erklarungen und Material Memento vom 2 Februar 2009 im Internet Archive Verfremdungseffekt im wissenschaftlichen Fachlexikon auf KinderundJugendmedien de Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Verfremdungseffekt amp oldid 239200879