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Identifikation von lat idem derselbe facere machen bedeutet wortlich ubersetzt gleichsetzen Der Begriff bezeichnet in der Psychologie einen Vorgang bei dem man sich in die Rolle oder Situation einer anderen Person versetzt oder einen innerseelischen Vorgang der sogar identitatsstiftend ist indem er ein Gefuhl der Zugehorigkeit erzeugt Ein solcher Vorgang kann bewusst vonstattengehen wie bei einem Schauspieler der sich mit der von ihm darzustellenden Rolle identifiziert Daneben kann Identifikation einem Menschen vorbewusst widerfahren was in der Regel der Fall ist wenn sich zum Beispiel der Zuschauer eines Filmes oder Theaterstuckes mit einem der Protagonisten identifiziert Vorbewusst meint dass es unwillkurlich also ohne Absicht geschieht aber bewusstseinsfahig ist Daruber hinaus kann Identifikation auch unbewusst geschehen wie es bei der Herausbildung der Identitat in der menschlichen Ontogenese nahezu der Regelfall ist Menschen sind in der Lage sich nicht nur mit anderen Menschen zu identifizieren sondern auch mit Gruppen mit einer Organisation oder Institution einer Religion einer Weltanschauung und anderem mehr Das muss nicht kann aber zur Ideologiebildung beitragen Inhaltsverzeichnis 1 Identifikation und Kulturwissenschaft 2 Identifikation und Theaterpraxis 3 Identifikation und Psychologie 4 Politik 5 Arbeitswelt 6 Uberidentifikation 7 Siehe auch 8 Literatur 9 EinzelnachweiseIdentifikation und Kulturwissenschaft BearbeitenIn der kulturwissenschaftlichen Forschung ist es umstritten ob der Begriff Identifikation angemessen ist Schliesslich beinhaltet der Prozess kein sich selbst an Stelle der Figuren setzen sondern ein Mitempfinden mit den fiktiven Figuren Viele Autoren benutzen daher den treffenderen Begriff Empathie Rezeptionstheoretiker gehen davon aus dass ein Theaterstuck ein Text oder ein Film nur dann als spannend empfunden wird wenn eine Identifikation des Zuschauers mit der fiktiven Figur moglich ist Die Frage unter welchen Voraussetzungen sich Rezipienten mit Figuren identifizieren konnen wird unterschiedlich beantwortet und ist abhangig von personlichem gesellschaftlichem und kulturellem Hintergrund So gingen manche Forscher davon aus dass sich Zuschauer nur mit Figuren identifizieren konnen die eine gesellschaftlich anerkannte Moral vertreten Modernere Forschungen zeigen aber dass es ausreicht wenn die Rezipienten eine Beziehung zu der jeweiligen Figur entwickeln konnen Dafur mussen sie uber Ziele Motive und oder Gefuhle der Figuren informiert sein Die Identifikation muss nicht zwingend bewusst verlaufen und wahrgenommen werden sondern unterliegt oft unbewussten Vorgangen die in der Psychoanalyse als Abwehrmechanismus eine wichtige Rolle spielen Zugleich ist die Entwicklung der Personlichkeit nicht ohne identifikatorische Prozesse moglich Identifikation und Theaterpraxis BearbeitenK S Stanislawski legte in seinen Theorien und Anleitungen zur Schauspielkunst am Anfang seiner Laufbahn grossen Wert auf Identifikation des Schauspielers mit der Rolle die dieser darstellen sollte Der Schauspieler sollte nach Stanislawski seine Rolle nicht spielen sondern selbst die Figur dieser Rolle sein In der Regel wird diese Identifikation als Einfuhlen in die Rolle bezeichnet und besonders noch in der Schauspiellehre im amerikanischen Raum nach Stanislawskis Schuler Lee Strasberg praktiziert Jedoch wandelte sich spaterhin Stanislawskis Ansatz hin zu einer Mischung aus innerlichem und ausserem Erleben des Schauspielers zur psychophysischen Handlung die eine lebensnahe Darstellung erwirken sollten Von besonderer Bedeutung ist diese Identifikation mit der Rolle bzw Einfuhlung in die Rolle im Psychodrama des Jacob Levy Moreno das dieser in der ersten Halfte des 20 Jahrhunderts entwickelte Der Prozess des Einfuhlens beinhaltet korperliche Lockerung das Imaginieren der Situation in der sich die zu verkorpernde Figur befindet und schliesslich die tatsachliche Identifikation indem der Schauspieler eigene Erlebnisse aus der Vergangenheit mit denen der Rolle verbindet Stanislawski nennt dies emotionales Gedachtnis eine Technik von der er spater jedoch Abstand nahm der Schauspieler ruft also in sich selbst Gefuhle hervor die denen der Figur entsprechen auch wenn sie andere Ursachen haben Die beabsichtigte Wirkung dessen war dass sowohl Schauspieler als auch Publikum die Handlungen und Reaktionen des Schauspielers als echt und authentisch wahrnehmen Bertolt Brecht entwickelte mit seinem Epischen Theater eine Form die vollstandig auf eine emotionale Identifikation verzichten sollte Der Schauspieler sollte nicht fuhlen sondern zeigen und das Publikum sollte dementsprechend nicht mitfuhlen sondern nachdenken und reflektieren Doch auch hier gibt es Identifikation nicht mit der emotionalen sondern mit der sozialen Situation der Protagonisten Gesellschaftliche Zustande sollen gezeigt und wiedererkannt werden dies ist nur durch Identifikation des Zuschauers mit dem Dargestellten moglich Lediglich die Identifikation des Schauspielers bleibt aus nach Brecht sollte der Darstellende bei jeder zu spielenden Situation bereits den Ausgang und die Folgen des Stuckes und der Handlungen der Figur mitbedenken und dementsprechend selbst agieren Identifikation und Psychologie BearbeitenAuch in der psychologischen Betrachtung der Identifikation ist das Einfuhlen in eine andere Person bedeutend Es bezieht sich hierbei allerdings nicht lediglich auf Rollen die im Theater oder im Film gespielt werden sondern zumeist auf real existierende Personen So identifizieren sich bereits kleine Kinder erst mit den Eltern dabei meist entweder mit der Mutter oder mit dem Vater und spater mit Gleichaltrigen Die Identifikation mit Geschlechterrollen ist weit verbreitet es identifizieren sich beispielsweise Madchen oder Jungen mit dem Frauen oder Mannerbild das ihnen von ihrer Umwelt oder in den Medien prasentiert wird und ubernehmen dementsprechend bestimmte Verhaltensweisen die sie als ihrem Geschlecht zugehorig erachten Ubermassige Identifikation im Erwachsenenalter kann zur Ausbildung bestimmter Fetische fuhren vgl Spiegelstadium Empathie Siehe auch Identifikation mit dem Aggressor Innerhalb der psychoanalytischen Entwicklungspsychologie und Neurosenlehre ist die Identifikation die reifste von drei Internalisierungsprozessen Inkorporation Introjektion und Identifikation Sie setzt reife konstante Objektbeziehungen voraus Noch vorhandene Ambivalenzen und Affekte konnen toleriert werden und mussen nicht destruktiv ausagiert werden Es kommt kaum zu projektiven Verzerrungen der Objektwahrnehmung Auf diesem Niveau spielen sich reife Liebesbeziehungen ab Aber auch reife Internalisierungsprozesse konnen als pathologische Abwehrprozesse fungieren Dies ist bei sog reifen Psychoneurosen der Fall uber die Identifikation mit der hysterischen Symptombildung Ein Beispiel dafur ist die Konversionsstorung 1 Siehe auch Inkorporation Psychoanalyse und IntrojektionPolitik BearbeitenIdentifikation mit einer Gruppe von Menschen ist ein in der Politik bedeutsames Phanomen wenn es sich um Eigengruppen handelt d h um Gruppen denen der betreffende Einzelne angehort Diese Eigengruppe wird in der Regel positiv bewertet Ubersteigerte Formen dieser Identifikation sind der Lokalpatriotismus der Regionalismus und der Nationalismus Menschen die einer anderen Ethnie oder Religion als die Mitglieder der Eigengruppe angehoren werden dabei oft zu Objekten von Fremdenfeindlichkeit Arbeitswelt BearbeitenEs gibt viele Hinweise darauf dass Arbeitnehmer sich heute seltener als fruher mit dem Unternehmen identifizieren in dem sie arbeite te n Motivation und Arbeitsmoral seien fruher besser gewesen siehe auch Loyalitat Loyalitat in der Wirtschaft Dienst nach Vorschrift Eine jahrlich in Deutschland durchgefuhrte Studie des Gallup Instituts kam 2014 zu dem Ergebnis dass nur 14 Prozent der Beschaftigten eine hohe emotionale Bindung zu ihren eigenen Arbeitsplatzen zeigen Nach der Finanzkrise waren es 2012 nur 24 Prozent Strukturwandel Wirtschaftskrisen Globalisierung und der damit verbundene permanente Wettbewerb sowie Arger mit Vorgesetzten werden dafur als Ursachen gesehen 2 Es zeigt sich dass eine hohe Identifikation positiv mit Gesundheitsindikatoren korreliert Mitarbeiter die sich starker mit ihren Teams und Unternehmen identifizieren nehmen mogliche Stressoren weniger belastend wahr und fuhlen sich von den Kollegen besser unterstutzt Sie erbringen auch bessere Leistungen Menschen die sich stark identifizieren sind allgemein zufriedener konnen aber offensichtlich auch abschalten 3 Uberidentifikation BearbeitenVerschiedene Studien zeigen dass ab einem hohen nahe am Skalenmaximum liegenden Niveau der Identifikation mit dem Beruf oder der Tatigkeit die Arbeitssucht deutlich ansteigt Die Betroffenen konnen dann kaum noch abschalten fuhlen sich weniger unterstutzt und sind unzufriedener Der Zusammenhang zwischen Identifikation und Zufriedenheit scheint diesen Studien zufolge U formig kurvilinear zu sein die Zufriedenheit ist bei leicht uberdurchschnittlicher Identifikation am hochsten Ausserdem fuhrt die extreme Uberidentifikation zu Arbeitssucht und diese hat negative Auswirkungen auf die Gesundheit Besonders Leistungstrager sind davon und somit auch von Burn out bedroht 4 Eine Uberidentifizierung kann auch mit Institutionen oder z B Religions Gemeinschaften erfolgen die als Uberinstanzen fur die Durchsetzung moralisch sauberer Verhaltnisse sorgen sollen was jedoch zur aggressiven Ausgrenzung anderer Gruppen fuhren kann 5 Individualpsychologisch nicht vollstandig zu klaren sind die Mechanismen die zur extremen teils generationenuberdauernden Identifikation mit den immer starker kommerzialisierten soziokulturell nicht mehr verwurzelten Fussballvereinen fuhrt bis hin zum Fanatismus 6 Siehe auch BearbeitenAbwehrmechanismus systematische Ubersicht uber intrapsychische Bewaltigungsstrategien Introjektion Aufnahme und Verinnerlichung unangepasster ausserer Realitaten fremder Anschauungen Motive Werte und Normen etc in das eigene Ich ahnlich der Identifizierung insbesondere in der fruhen Kindheit Empathie Fahigkeit und Bereitschaft Empfindungen Emotionen Gedanken Motive und Personlichkeitsmerkmale einer anderen Person zu erkennen zu verstehen nachzuempfinden zu fuhlen sich mit ihm zu identifizieren und angemessen darauf zu reagieren Ubertragungen und Gegenubertragungen in Soziale Beziehungen und in der Psychotherapie Imagination Mentalisierung und Rollenspiel als Techniken zur Identifikation z B mit einem Gegenuber einer Literarischen Figur einer Sozialen Rolle Identitat Gesamtheit der Eigentumlichkeiten die einen Menschen kennzeichnen und als Individuum von allen anderen unterscheiden Literatur BearbeitenBertolt Brecht Schriften zum Theater Uber eine nichtaristotelische Dramatik Bibliothek Suhrkamp Bd 41 ZDB ID 256061 6 Suhrkamp Frankfurt am Main 1957 Ronald Britton Michael Feldman John Steiner Identifikation als Abwehr Beitrage der Westlodge Konferenz II Hrsg Claudia Frank Heinz Weiss Perspektiven kleinianischer Psychoanalyse Band 4 Edition diskord Tubingen 1998 ISBN 978 3 89295 643 3 Stavros Mentzos Neurotische Konfliktverarbeitung Einfuhrung in die psychoanalytische Neurosenlehre unter Berucksichtigung neuer Perspektiven Fischer 42239 Original Ausgabe 10 12 Tausend Fischer Taschenbuch Verlag Frankfurt am Main 1987 ISBN 3 596 42239 6 S 42 ff Sonia Moore The Stanislavski Method The professional Training of an Actor Compass Books C118 ZDB ID 1345937 5 Digested from the Teachings of Konstantin S Stanislavski Viking Press New York 1962 John L Styan Drama Stage and Audience Cambridge University Press London 1975 ISBN 0 521 20504 2 Konstantin Stanislawski An Actor Prepares Geoffrey Bles Ltd London 1937 Konstantin S Stanislawski Moskauer Kunstlertheater Ausgewahlte Schriften Herausgegeben von Dieter Hoffmeier 2 Bande Verlag Das Europaische Buch Westberlin 1988 ISBN 3 88436 197 X Clive Swift The Job of Acting A Guide to Working in Theatre George G Harrap amp Co Ltd London 1976 ISBN 0 245 52782 6 Einzelnachweise Bearbeiten Mentzos Stavros Neurotische Konfliktverarbeitung Einfuhrung in die psychoanalytische Neurosenlehre unter Berucksichtigung neuer Perspektiven Fischer Verlag Frankfurt a M 1987 Seite 42 ff Auszug aus der Studie 2014 Michael Riketta Organizational identification A meta analysis Journal of Vocational Behavior 66 2005 2 S 358 384 Rolf van Dick Michael Gross Gesundheitsfalle Uberidentifikation Gut gemeint bedeutet nicht gut gemacht in Personal quarterly 2014 4 Marta Elliott Michael J Doane Religion Psychological Well Being and Health in Alex Michalos Encyclopedia of Quality of Life and Well Being Research Springer 2014 doi 10 1007 978 94 007 0753 5 4128 Michael Lenhard Vereinsfussball und Identifikation in Deutschland Phanomen zwischen Tradition und Postmoderne Hamburg 2002 Normdaten Sachbegriff GND 4072712 9 lobid OGND AKS Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Identifikation Psychologie amp oldid 234918073