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Entwurfe zu einem dritten Tagebuch ist ein Werk von Max Frisch das 2010 postum erschien Es knupft inhaltlich und stilistisch vor allem an seine Erzahlung Montauk aus dem Jahr 1975 an Inhaltsverzeichnis 1 Inhalt 2 Geschichte des Typoskripts 3 Biographische Einordnung und Einflusse 4 Rezeption 5 Buchausgabe 6 EinzelnachweiseInhalt BearbeitenDie Entwurfe zu einem dritten Tagebuch enthalten mehrere Erzahlstrange die in kurzen essayistischen Abschnitten aneinandergefugt sind Ein Motiv das das ganze Buch durchzieht ist die Auseinandersetzung mit den USA insbesondere mit der Haltung in der Zeit des Kalten Krieges und des Wettrustens Immer wieder ist hier das Befremden die Besturzung auch die Wut uber die Uberzeugung vieler US Amerikaner zu verspuren ihr Land habe eine Art Richterrolle und die Aufgabe das gesamte politische Weltgeschehen nach seinen Massstaben zu dominieren sie fuhlen sich als die beste Art von Menschen die es geben kann und deswegen vertragen sie Kritik an Amerika nicht einmal innerhalb einer Allianz da sie in dieser Allianz zweifellos die Starkeren sind also wissen sie es besser 1 Diesen fehlenden Tiefgang lasst zuweilen auch Alice Locke Carey die Lynn aus Montauk mit der Max Frisch zur Zeit der Entstehung des Werkes noch zusammenlebte vermissen Haufig verbinden sich die Reflexionen uber diese mitunter schwierige Beziehung mit einem weiteren Thema des Buches der Auseinandersetzung mit dem Altern Mein Wohlgefallen an dieser Frau auch wenn sie ab und zu die Grazie verliert und ihre Geduld mit mir meine Geduld aus Verstandnis dafur dass es schwer ist fur sie zum Beispiel wenn am Strand die jungen Manner gehen meine gelassene Zuneigung auch dann wenn ich meinerseits das eine oder andere vermisse wenn ich als Europaer befremdet bin wenn sie Tolstoi nur aus einem Film kennt und Shakespeare kaum und wenn Fragen die mich bewegen ihr im Grunde gleichgultig sind so dass es nicht zum Gesprach kommt dieses fast bedingungslose Wohlgefallen Dankbarkeit fur ihre Gegenwart ist ein Zeichen fortgeschrittener Senilitat 2 Altern und Tod Letzterer insbesondere auch in der intensiven Auseinandersetzung mit dem Sterben des Freundes Peter Noll das im ersten Teil des Buches im Vordergrund steht sind zentrale Motive in den Entwurfen Sie werden hochst unterschiedlich behandelt Konstatiert Frisch einerseits immer wieder nachlassendes Interesse an der Welt die zunehmende Zahl der Toten unter seinen Freunden sowie Langeweile und Misserfolge beim Arbeiten so stellt er andererseits auch immer wieder fest dass Fahigkeiten die ihm wichtig sind noch nicht abhandengekommen sind Das Segeln auf einem Sunfish in der Karibik gelingt nach kurzer Eingewohnung wie eh und je die Renovierung des Hauses in Berzona im Valle Onsernone ist ein Beweis fur die Erwartung dort nicht allein zu sein Der Architekt Frisch der zeitlebens kaum gebaut hat vergnugt sich mit spielerischen Traumen von einem Altersruhesitz mit zahlreichen Gastezimmern und Annehmlichkeiten fur die Besucher aber auch genugend Ruckzugsmoglichkeiten fur sein kontemplatives Dasein Peter von Matt bezeichnet diese Vision als bezwingend und beklagt dass das Projekt des dritten Tagebuches gerade hier abgebrochen wurde Dies tue so von Matt weh 3 Geschichte des Typoskripts BearbeitenMax Frisch diktierte die Entwurfe zu einem dritten Tagebuch seiner Sekretarin Rosemarie Primault vermutlich zwischen dem Fruhjahr und dem November 1982 teils telefonisch teils auf Band Primault hat das erhaltene Exemplar ein Handexemplar das Max Frisch nutzte um beispielsweise die Totenrede fur Peter Noll zu halten ist nicht mehr vorhanden vermutlich im Jahr 2001 dem Max Frisch Archiv ubergeben Obwohl verschiedenen Personen bekannt sein musste dass Frisch diese Entwurfe geschrieben hatte unter anderem hatte Frischs Biograph Volker Hage den Autor im September 1982 besucht und von ihm eine der Episoden die in den Entwurfen auftauchen erhalten ferner hatten seine Ubersetzer Evgenija Kaceva und Geoffrey Skelton auf eine Veroffentlichung des Werks gehofft galt es als eine Uberraschung als die 184 unpaginierten aber offenbar geordneten Seiten im Sommer 2009 im Archiv wiederentdeckt wurden Trotz des Einspruchs von Rosemarie Primault und Walter Obschlager der bis 2008 das Archiv geleitet hatte entschloss sich der Stiftungsrat der Max Frisch Stiftung das Werk zu veroffentlichen Da es fragmentarischen Charakter zu haben schien wurde nicht der Titel gewahlt der auf dem Deckblatt zu lesen war TAGEBUCH 3 Ab Fruhjahr 1982 Widmung Fur Alice New York November 1982 4 Peter von Matt versah die Ausgabe mit einem Nachwort einem Herausgeberbericht und einigen Anmerkungen Biographische Einordnung und Einflusse BearbeitenMax Frisch lebte zur Zeit der Entstehung der Entwurfe zusammen mit Alice Locke Carey zeitweise in einem Loft in 123 Prince Street New York das er am 30 April 1981 gekauft hatte und 1984 wieder abstiess zeitweise auch in Berzona Alice Locke Carey hatte er 1974 kennengelernt und 1980 wiedergetroffen Die Beziehung hielt von 1980 bis zum Fruhjahr 1983 am 20 April 1983 notierte Frisch in einer Agenda sie sei zu Ende 5 Im Dezember 1981 erfuhr er dass sein Freund Peter Noll an Blasenkrebs erkrankt war und eine operative Behandlung ablehnte Auf seine Bitte hin uber das Sterben eine Art Logbuch zu fuhren erklarte ihm Noll dass er damit schon begonnen hatte Frisch erhielt die einzelnen Teile des Manuskripts zu den Diktaten uber Sterben und Tod die 1984 veroffentlicht wurden jeweils zeitnah Er unternahm mit Noll eine letzte Reise nach Agypten die wegen Nolls Erkrankung vorzeitig abgebrochen werden musste Seinem Versprechen fur den Freund die Totenrede zu halten kam er am 18 Oktober 1982 im Grossmunster in Zurich nach nbsp Ronald Reagan 19831981 war Ronald Reagan als Prasident der Vereinigten Staaten vereidigt worden Die Ara Reagan war vom Verzicht auf Entspannungspolitik und von atomarer Aufrustung gepragt Reagan verhangte unter anderem auch Sanktionen gegen Polen wo Lech Walesa bis November 1982 interniert war Susan Sontag setzte unter dem Eindruck der Geschehnisse in Polen in einer Rede am 6 Februar 1982 Kommunismus mit Faschismus gleich was zu intensiven Debatten fuhrte und auch Frisch bewegte Am 2 April 1982 begann mit der Besetzung der Falkland Inseln durch Argentinien der Konflikt zwischen Argentinien und Grossbritannien der zum verlustreichen Falklandkrieg fuhrte Im Juni 1982 marschierte Israel im Libanon ein um die PLO auszuschalten Nach der Ermordung des maronitischen Prasidenten Bachir Gemayel kam es in palastinensischen Fluchtlingslagern zu Massakern 1982 erschien Jonathan Schells Buch The Fate of Earth in dem dieser eine dustere Zukunftsprognose fur die Erde erstellte Frisch las das Buch mit Interesse aber auch mit Zweifeln 1982 geriet auch der Begriff HIV in die Schlagzeilen was Frisch zu dem kurzen Statement veranlasste THANATOS UND EROSin Amerika heisst das CASUAL SEX 6 Rezeption BearbeitenEtwas unentschlossen fiel die Rezension zu den Entwurfen von Judith von Sternburg in der Frankfurter Rundschau aus Sie betonte vor allem das Hin und Herlavieren des Stiftungsrates und den Konflikt zwischen dem Herausgeber Peter von Matt und Adolf Muschg der das Erscheinen des Buches verhindern wollte sowie die Frage inwieweit dieses dritte Tagebuch Fragment geblieben war Insgesamt steht von Sternburg dem Buch aber eher positiv gegenuber Die Zeitreise zeigt einen Schriftsteller der kritisch und selbstkritisch alt aber auch beruhmt geworden ist Dass man das schon vorher wusste nimmt der Lekture nichts von ihrem Reiz Vieles funkelt etwa die fabelhafte Thanksgiving Szene Dass Frisch ausserdem ein scharfer zeitungslesender Politik Beobachter ist macht die Entwurfe zugleich zu einem Panorama der keineswegs theoretischen Atomkriegsangst 7 Lothar Muller schrieb in der Suddeutschen Zeitung Lesenswert ist es immer dort wo es gerade nicht die Zeitlosigkeit sucht Sondern das Zeitverfallene und zwar nicht als Begriff sondern als Anschauung Starker als die Reflexionen uber das Alterwerden bleibt daher das eigentumliche Bilderspiel in Erinnerung das diese Aufzeichnungen beschliesst In diese Villa hinein von der er traumt und deren Veranda zu streichen er zu seiner dringendsten Aufgabe macht scheint der Autor am Ende zu verschwinden Die Leserbriefe fur die er eigens einen Briefkasten hergetraumt hat konnen nun kommen 8 nbsp SS 20Wolfgang Schneider verwahrte sich in der FAZ unter anderem gegen Peter von Matts merkwurdig distanzierte Haltung zum Lebensgeist und den Angsten der 1980er Jahre die in dem Buch so lebendig zu Tage treten Kaum erstaunlich deshalb dass sich der Zeitgeist der fruhen achtziger Jahre im Tagebuch niederschlagt nukleare Panik Nichts ist allerdings so schnell vergessen wie der Weltuntergang der nicht stattgefunden hat Wahrend die apokalyptische Stimmung der Jahre vor 1914 im Nachhinein sehr angebracht erscheint wurden die kollektiven Angste der Achtziger widerlegt vom unerwartet konstruktiven Verlauf der Historie Heute ist das Thema so entruckt dass Frischs Ausfuhrungen dem Herausgeber Peter von Matt fast peinlich erscheinen Selbst wenn man die fruhen achtziger Jahre politisch wach erlebt hat ist man uberrascht von dem vehementen Empfinden eines unmittelbar drohenden Atomkriegs und der moglichen Vernichtung der ganzen Menschheit Offenbar hat von Matt nicht zu den Millionen gehort die damals in Europa auf Friedensdemonstrationen gingen Oder zu den siebenhunderttausend die Frisch mittendrin im Central Park protestierten und den womoglich durch Computerpanne ausgelosten Atomkrieg nur noch fur eine Frage der Zeit hielten Schneider spricht den Entwurfen durchaus nicht nur Massiges und Unfertiges sondern auch sorgfaltig bearbeitete und verdichtete Texte und grosse Passagen zu Insgesamt zeigt er sich sehr angetan von dem Werk und betont zu Recht dass eine Nichtveroffentlichung auf die Dauer kaum angangig gewesen ware 9 Buchausgabe BearbeitenEntwurfe zu einem dritten Tagebuch Herausgegeben und mit einem Nachwort versehen von Peter von Matt Suhrkamp Berlin 2010 ISBN 978 3 518 42130 7 Einzelnachweise Bearbeiten Max Frisch Entwurfe zu einem dritten Tagebuch S 9 Max Frisch Entwurfe zu einem dritten Tagebuch S 152f Peter von Matt Nachwort In Max Frisch Entwurfe zu einem dritten Tagebuch S 185 197 hier S 197 Peter von Matt Herausgeberbericht In Max Frisch Entwurfe zu einem dritten Tagebuch S 198 203 Max Frisch Entwurfe zu einem dritten Tagebuch S 205 f Max Frisch Entwurfe zu einem dritten Tagebuch S 53 https www fr de kultur literatur langweilt mich jeder satz 11684664 html https www buecher de shop buecher entwuerfe zu einem dritten tagebuch frisch max products products content prod id 27942384 sz Auch auf Impotenz ist kein Verlass Rezension in der FAZ vom 10 April 2010Werke von Max Frisch Liste der Schriften von Max FrischRomaneJurg Reinhart Die Schwierigen oder J adore ce qui me brule Stiller Homo faber Mein Name sei GantenbeinErzahlungenAntwort aus der Stille Bin oder Die Reise nach 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