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Volksmehr franzosisch majorite du peuple italienisch maggioranza del popolo ratoromanisch maioritad dal pievel und Standemehr franzosisch majorite des cantons italienisch maggioranza dei Cantoni ratoromanisch maioritad dals chantuns sind Begriffe aus dem schweizerischen Bundesstaatsrecht Zur Annahme einer Abstimmungsvorlage muss in bestimmten Fallen zusatzlich zu der Mehrheit der Stimmen Volksmehr auch die Mehrheit der Stande d h der Kantone Standemehr einer Vorlage zustimmen Als Standesstimme gilt das Ergebnis der entsprechenden Volksabstimmung in einem Kanton Es gibt aber keine Abstimmungen fur deren Annahme nur das Standemehr erforderlich ist Deswegen unterscheidet man zwischen einfachem Mehr und doppeltem Mehr Inhaltsverzeichnis 1 Geschichte 2 Einfaches oder doppeltes Mehr 2 1 Volksmehr 2 2 Volks und Standemehr 3 Ermittlung des Volksmehrs und des Standemehrs 4 Auswirkungen in der Praxis 4 1 Vorlagen die trotz Volksmehr am Standemehr scheiterten 4 2 Vorlagen die trotz Standemehr am Volksmehr scheiterten 5 Siehe auch 6 Weblinks 7 EinzelnachweiseGeschichte BearbeitenDie Wurzeln des Standemehrs liegen in der historischen Autonomie der Kantone in der Alten Eidgenossenschaft Einziges eidgenossisches Organ war bis zum Franzoseneinfall 1798 die Tagsatzung in der jeder Stand ungeachtet seiner Einwohnerzahl eine Stimme hatte Eidgenossische Belange wurden in dieser Zeit ausschliesslich durch das Standemehr entschieden Nach dem Franzoseneinfall und dem Scheitern der zentralistisch organisierten Helvetischen Republik wurde mit der Mediation 1803 die Tagsatzung wieder eingefuhrt Auch hier wurde nach Standen abgestimmt allerdings hatten die Standesstimmen der sechs bevolkerungsstarksten Kantone doppeltes Gewicht Art 28 der Mediationsakte Nach der Niederlage Napoleon Bonapartes wurde die Tagsatzung im Bundesvertrag von 1815 wiederum einziges gesamteidgenossisches Organ Auch unter dem Bundesvertrag war allein das Standemehr in Abstimmungen entscheidend die Stimmen aller Stande waren erneut gleichwertig Bei der Schaffung des Bundesstaats 1848 wollten die Kantone nach den Erfahrungen mit der Helvetischen Republik sichergehen dass es nicht ein weiteres Mal uber ihren Kopf hinweg zu einer zentralistischen Verfassung kame weshalb ein zweikammriges Parlament aus Volks und Kantonsvertretung eingerichtet wurde Auf diese Weise sollte dem Prinzip des Foderalismus Rechnung getragen werden 1 Bereits in der ersten Bundesverfassung von 1848 war das Standemehr deshalb doppelt verankert Einerseits war fur die Gesetzgebung die Zustimmung beider Parlamentskammern notwendig das heisst die Mehrheit der Kantonsvertreter im Standerat musste zustimmen Art 77 Die Kantonsvertretung im Standerat war jedoch insofern abgeschwacht als die Standerate sich nicht wie in der Tagsatzung an Instruktionen ihrer Kantone zu halten hatten Art 79 Anderseits war fur den Fall einer Verfassungsrevision eine Volksabstimmung vorgesehen in der die Mehrheit der Kantone einer neuen Verfassung zustimmen muss damit diese in Kraft treten kann Art 114 Mit der Totalrevision der Bundesverfassung von 1874 wurde diese Regelung in Art 121 ubernommen 1891 wurde die Moglichkeit einer Teilrevision der Bundesverfassung auf Initiative der Stimmburger eingefuhrt Die in der Volksabstimmung vom 13 Marz 1977 angenommene Verfassungsanderung Art 89 Abs 5 erweiterte das Standemehr auch auf den Beitritt zu Organisationen kollektiver Sicherheit oder supranationalen Gemeinschaften Die Totalrevision der Bundesverfassung von 1999 brachte keine inhaltliche Anderung Art 140 und Art 141 BV legen nun fest welche Vorlagen dem Volk und den Standen oder nur dem Volk zur Abstimmung unterbreitet werden Art 142 BV definiert die Begriffe des Volksmehrs und des Standemehr Einfaches oder doppeltes Mehr BearbeitenVolksmehr Bearbeiten Nach Art 140 Abs 2 unterstehen nachfolgende Vorlagen dem obligatorischen Referendum bedurfen aber lediglich des Volksmehrs a die Volksinitiativen auf Totalrevision der Bundesverfassung b die Volksinitiativen auf Teilrevision der Bundesverfassung in der Form der allgemeinen Anregung die von der Bundesversammlung abgelehnt worden sind c die Frage ob eine Totalrevision der Bundesverfassung durchzufuhren ist bei Uneinigkeit der beiden Rate Die meisten Vorlagen fur deren Annahme nur das Volksmehr notwendig ist unterstehen dem fakultativen Referendum Das sind nach Art 141 folgende Vorlagen a Bundesgesetze b dringlich erklarte Bundesgesetze deren Geltungsdauer ein Jahr ubersteigt c Bundesbeschlusse soweit Verfassung oder Gesetz dies vorsehen d volkerrechtliche Vertrage die 1 unbefristet und unkundbar sind 2 den Beitritt zu einer internationalen Organisation vorsehen 3 wichtige rechtsetzende Bestimmungen enthalten oder deren Umsetzung den Erlass von Bundesgesetzen erfordert Volks und Standemehr Bearbeiten Das Standemehr ist gemass Art 140 Abs 1 Bundesverfassung BV fur folgende Vorlagen zusatzlich zum Volksmehr notig a die Anderungen der Bundesverfassung b der Beitritt zu Organisationen fur kollektive Sicherheit oder zu supranationalen Gemeinschaften c die dringlich erklarten Bundesgesetze die keine Verfassungsgrundlage haben und deren Geltungsdauer ein Jahr ubersteigt diese Bundesgesetze mussen innerhalb eines Jahres nach Annahme durch die Bundesversammlung zur Abstimmung unterbreitet werden Bei Buchstabe a spielt es keine Rolle ob die Anderung der Bundesverfassung auf dem Weg des obligatorischen Referendums oder der Volksinitiative zur Abstimmung gelangen in beiden Fallen ist das doppelte Mehr erforderlich Ermittlung des Volksmehrs und des Standemehrs BearbeitenFur die Erreichung des Volksmehrs ist die Mehrheit der Stimmenden erforderlich Art 142 Abs 1 BV leere und ungultige Stimmen fallen ausser Betracht Art 13 Bundesgesetz uber die politischen Rechte Ein bestimmtes Quorum der Stimmbeteiligung wie es viele andere Staaten kennen ist dem schweizerischen Bundesstaatsrecht fremd Das Erfordernis der Mehrheit der Stimmenden hat zur Folge dass bei Stimmengleichheit wenngleich diese sehr unwahrscheinlich ist die Vorlage gescheitert ist 2 Die sechs ehemaligen Halbkantone Obwalden Nidwalden Basel Stadt Basel Landschaft Appenzell Ausserrhoden und Appenzell Innerrhoden haben aus historischen Grunden je eine halbe Standesstimme Art 142 Abs 4 BV die ubrigen 20 Kantone eine ganze Somit ergeben sich 23 Standesstimmen Das Standemehr bei einer Vorlage ist erreicht wenn eine Mehrheit der Standesstimmen erreicht ist Ein Gleichstand also 11 zu 11 11 zu 11 vor Grundung des Kantons Jura 1979 zahlt als Ablehnung Am Anfang des modernen Bundesstaates 1848 konnte jeder Kanton selbst entscheiden wie seine Standesstimme ermittelt wird So galt etwa im Kanton Tessin die Regel dass das Kantonsparlament der Grosse Rat ein eigenes Votum abgab das nicht unbedingt mit der Volksmehrheit ubereinstimmen musste Mittlerweile gilt die bundesrechtliche Regelung dass die Standesstimme mit der Mehrheit des Volksvotums im betreffenden Kanton identisch ist Stimmt eine Mehrheit der abstimmenden Burger einer Vorlage zu so gilt dies als zustimmende Standesstimme und entsprechend umgekehrt Art 142 Abs 3 BV 3 Auswirkungen in der Praxis BearbeitenDa fur Verfassungsanderungen eine Mehrheit von Volk und Standen erforderlich ist kann das Standemehr ein zustimmendes Volksmehr aufheben Umgekehrt kann eine Vorlage auch abgelehnt werden wenn sie in der Mehrheit der Kantone befurwortet wird sie jedoch kein Volksmehr erreicht In der Praxis stimmen Volks und Standemehr nur selten nicht uberein Ist dies jedoch der Fall so bevorteilt ein Stande Nein die kleinen landlichen und eher konservativ gepragten Kantone der deutschsprachigen Zentral und Ostschweiz gegenuber den grossen stadtischen Agglomerationen und gegenuber der franzosischsprachigen Schweiz Im Gegensatz dazu bevorzugt ein Volks Nein die grossen Agglomerationen und Kantone gegenuber den kleinen landlichen Kantonen wobei in den grossen Stadten und in der franzosischsprachigen Schweiz oft ahnlich abgestimmt wird Ein demokratiepolitisches Problem kann darin gesehen werden dass beim Standemehr eine Stimme aus dem Kanton Appenzell Innerrhoden 31 12 2021 16 360 Einwohner eine halbe Standesstimme 48 mal mehr Gewicht hat als eine Stimme aus dem Kanton Zurich 31 12 2021 1 564 662 Einwohner eine Standesstimme Obwohl diese Tatsache immer wieder kritisiert wird besteht weitgehend Konsens dass am Standemehr als einem Grundpfeiler des schweizerischen Foderalismus nicht geruttelt werden soll Da ausserdem jede Anderung des gegenwartigen Zustandes bei der abschliessenden Abstimmung auf das Erreichen des Standemehrs angewiesen ware ist eine Abschaffung dieser Regelung unrealistisch 2 Vorlagen die trotz Volksmehr am Standemehr scheiterten Bearbeiten 1866 obligatorisches Referendum zu Mass und Gewicht 50 4 ja aber Standemehr 9 12 4 1955 Volksinitiative Mieter und Konsumentenschutz 50 2 ja aber Standemehr 7 15 5 1970 obligatorisches Referendum zur Finanzordnung 55 4 ja aber Standemehr 9 13 6 1973 obligatorisches Referendum zum Bildungswesen 52 8 ja aber Standemehr 10 11 7 1975 obligatorisches Referendum zum Konjunkturartikel 52 8 ja aber Standemehr 11 11 8 1983 obligatorisches Referendum zum Energieartikel 50 9 ja aber Standemehr 11 12 9 1994 obligatorisches Referendum zum Kulturartikel 51 0 ja aber Standemehr 11 12 10 1994 obligatorisches Referendum erleichterte Einburgerung 52 8 ja aber Standemehr 10 13 11 2013 obligatorisches Referendum zum Familienartikel 54 3 ja aber Standemehr 10 13 12 2020 Volksinitiative Fur verantwortungsvolle Unternehmen zum Schutz von Mensch und Umwelt 50 7 ja aber Standemehr 8 14 13 Vorlagen die trotz Standemehr am Volksmehr scheiterten Bearbeiten 1910 Volksinitiative Proporzwahl des Nationalrats 47 5 ja aber Standemehr 12 10 14 1957 obligatorisches Referendum zum Zivilschutzartikel 48 1 ja aber Standemehr 14 8 15 2002 Volksinitiative Gegen Asylrechtsmissbrauch 49 9 ja aber Standemehr 12 10 16 2016 Volksinitiative Fur Ehe und Familie gegen die Heiratsstrafe 49 2 ja aber Standemehr 16 6 17 Siehe auch BearbeitenDoppelte Mehrheit Direkte Demokratie in der Schweiz Politisches System der Schweiz Popular VoteWeblinks BearbeitenListe der am Standemehr gescheiterten Verfassungsvorlagen auf der Website der Bundeskanzlei der Schweizerischen Eidgenossenschaft Liste der am Volksmehr gescheiterten Verfassungsvorlagen auf der Website der Bundeskanzlei der Schweizerischen EidgenossenschaftEinzelnachweise Bearbeiten Christophe Gross Thomas Notz Schweizer Geschichtsbuch Versch Auflage Sauerlander Cornelsen Berlin 2022 ISBN 978 3 06 064518 3 S 116 135 a b Giovanni Biaggini BV Kommentar Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft 2 Auflage Orell Fussli Zurich 2017 ISBN 978 3 280 07320 9 S 1143 Giovanni Biaggini BV Kommentar Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft Orell Fussli Zurich 2017 ISBN 978 3 280 07320 9 S 1144 Mass und Gewicht Abgerufen am 11 November 2022 Mieter und Konsumentenschutzinitiative Abgerufen am 11 November 2022 Weiterfuhrung der Finanzordnung Abgerufen am 11 November 2022 Bildungsartikel Abgerufen am 11 November 2022 Konjunkturartikel Abgerufen am 11 November 2022 Energieartikel Abgerufen am 11 November 2022 Kulturforderungsartikel Abgerufen am 11 November 2022 Erleichterte Einburgerung fur junge Auslander Abgerufen am 11 November 2022 Bundesbeschluss uber die Familienpolitik Abgerufen am 11 November 2022 Konzernverantwortungsinitiative Abgerufen am 11 November 2022 Initiative fur die Proporzwahl des Nationalrates Abgerufen am 11 November 2022 Zivilschutzartikel Abgerufen am 11 November 2022 Initiative gegen Asylrechtsmissbrauch Abgerufen am 11 November 2022 Initiative gegen die Heiratsstrafe Abgerufen am 11 November 2022 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Volksmehr und Standemehr amp oldid 236177517