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Das Siemens Studio fur elektronische Musik war das erste programmierbare Tonstudio das von 1956 bis 1968 erheblichen Einfluss auf die Entwicklung der elektronischen Musik der elektroakustischen Musik innerhalb der Neuen Musik des Synthesizers und der Aufnahmetechnik hatte In ihm arbeiteten unter anderem Josef Anton Riedl Pierre Boulez Henri Pousseur Mauricio Kagel und Dieter Schnebel Das Studio im Deutschen Museum MunchenDie Technik wurde ursprunglich in einem Labor der Siemens amp Halske AG in Gauting entwickelt und 1960 als Studio am Unternehmenssitz in Munchen eingerichtet 1966 kam es an die Hochschule fur Gestaltung Ulm und wurde dort 1968 eingelagert Seit 1993 ist es im Deutschen Museum in Munchen ausgestellt Die meisten Komponenten sind betriebsbereit Im Ruckblick wird die Einrichtung des Studios durch die Siemens AG als richtungsweisende Musikforderung 1 beschrieben Pierre Boulez betrachtete es als den eigentlichen Anstoss fur seine Hinwendung zur elektronischen Musik 2 Aus dem spezifischen Klang einiger nur im Siemens Studio verfugbarer Gerate ergibt sich eine akustische Handschrift die beim Horen von im Studio hergestellten Produktionen erkannt werden kann 3 Inhaltsverzeichnis 1 Geschichte 2 Technik 2 1 Tonerzeugung 2 2 Modulation 2 3 Mischung und Wiedergabe 2 4 Steuerung 3 Rezeption 4 Werke Auswahl 5 Literatur 6 Weblinks 7 EinzelnachweiseGeschichte Bearbeiten nbsp Das fur die Aufstellung in Ulm gebaute Mischpult mit einem Rauschgenerator links und dem Frequenzumsetzer rechts Dahinter die Wand der SinusgeneratorenAls Vorlaufer der elektronischen oder elektroakustischen Musik gilt die um 1948 entstandene Musique concrete die auf die Verfugbarkeit von Tonaufzeichnung mittels Magnetbandern zuruckgeht In ihrem Selbstverstandnis hat sie Wurzeln in Ideen des Futurismus und Verbindungen zur seriellen Musik Sie verstand sich als Avantgarde die die Klange von Musikinstrumenten uberwinden wollte In Frage kamen in der Realitat aufgenommene und weiterbearbeitete Gerausche oder die elektronische Erzeugung von abstrakten Tonen Einzelne elektronische Instrumente gab es schon fruh im 20 Jahrhundert von elektronischer Musik wird erst seit etwa 1950 gesprochen Umgesetzt wurden die Konzepte seit Stockhausens Prototyp Studie II von 1954 4 Fur einen geplanten Dokumentarfilm von Regisseur Otto Martini uber das Unternehmen Siemens amp Halske AG schlug der als Berater engagierte Carl Orff 1955 eine aus dem Rahmen fallende Musik vor 5 Er empfahl den jungen Komponisten Josef Anton Riedl Der musikalisch stark interessierte Ernst von Siemens war entscheidend dafur dass Riedl jede technische Unterstutzung erhielt und ihm das elektroakustische Forschungslabor des Unternehmens in Gauting zur Verfugung gestellt wurde Riedl schuf fur den 1959 fertiggestellten Film Impuls unserer Zeit 6 nicht nur einen als drastisch moderne elektronische Klanggestaltung 5 beschriebenen Soundtrack sondern entwickelte mit den Ingenieuren des Unternehmens vollig neue Gerate Analoge Klangerzeuger Klangfilter und Mischpulte wurden erfunden Die Vocoder Technik war im Zweiten Weltkrieg fur die Stimmverschlusselung erfunden worden In Gauting wurde sie fur die Musik umgebaut Ahnliche Entwicklungen fanden zur selben Zeit auch in anderen Studios statt Das Studio fur elektronische Musik des Westdeutschen Rundfunks in Koln spielte seit 1953 eine Rolle die Radio Corporation of America unterstutzte das Columbia Princeton Electronic Music Center und experimentierte in New York mit Klangerzeugung und beeinflussung In Mailand bestand das Studio di Fonologia Musicale der Rai Das Siemens Studio unterschied sich von den anderen weil hier erstmals nicht Tonbander zusammengeschnitten und geklebt werden mussten sondern alle elektronischen Gerate programmierbar waren Sie wurden modular durch Lochstreifen gesteuert und die Klange konnten in Echtzeit aufgenommen werden Nachdem der Film 1959 fertig wurde und 1960 den Bundesfilmpreis gewann entschloss sich Siemens die Gerate weiter zu nutzen Die fur den Film entwickelte Technik sollte als Tonstudio zusammen bleiben und bekannten Komponisten die Moglichkeit zur Entfaltung einer neuen Klangwelt geben Ausserdem wurde das Studio fur Aufnahmen an Interessierte vermietet werden und Siemens plante mittelfristig Studiotechnik zu verkaufen 7 Riedl wurde als kunstlerischer Leiter des Siemens Studios bestellt Tonmeister und Ingenieur war zunachst H J Neumann spater Hansjorg Wicha Bis Ende 1959 blieb das Studio im Labor in Gauting anschliessend wurden fur es rund 200 m im Kellergeschoss des Siemensneubaus am Oskar von Miller Ring in Munchen bereitgestellt und das Studio am 1 April 1960 offiziell eroffnet 8 Das Studio galt als Vorzeigeobjekt 9 des Unternehmens und wurde mit Vorzimmer Sprecherraum Kunstlerraum Regie und weiteren Raumen ausgestattet Fur den Umzug nach Munchen wurde ein als relativ grosszugig beschriebener Etat von 50 000 Mark bereitgestellt kurz darauf wurden weitere 31 000 Mark investiert 10 Jeweils die Halfte der Betriebszeit stand einem eingeladenen Kunstler zur Verfugung der Rest wurde an Rundfunksender vor allem den Bayerischen Rundfunk und andere Kunden vermietet 11 Das Studio war zu jeder Zeit ausgelastet fur das Geschaftsjahr 1961 62 wurden Mieteinnahmen von 30 000 Mark verbucht fur das Folgejahr waren 50 000 Mark an Erlosen geplant 12 Es entstanden neben Kompositionen anerkannter Kunstler Soundtracks fur einen Dokumentarfilm mehrere Industrie und Werbefilme Klangbeispiele fur Lehrfilme sowie zwei Aufnahmen mit Tanzmusik und verschiedene Sounds wie Sendezeichen und Zwischenmusiken fur Rundfunksender Ausserdem nahmen Sender Horspiele mit verfremdeter Sprache im Studio fur elektronische Musik auf In diesen Jahren kamen Musiker und Komponisten aus aller Welt als Gaste in das Studio einige experimentierten mit den Geraten und nahmen kleinere Werke auf Unter den prominenten Gasten waren Karlheinz Stockhausen Komponist und Leiter des Kolner Studios Otto Luening und Vladimir Ussachevski zwei der Leiter des New Yorker Studios und selbst engagierte Komponisten 13 Die kunstlerischen und technischen Leiter der grossen Studios fur elektronische Musik standen im engen Kontakt und tauschten ihre technischen Entwicklungen und musikalischen Ideen aus So legten sie gemeinsam die Grundlagen fur die elektronische Musik und insbesondere die Technik des Synthesizers John Cage und David Tudor reisten gezielt an um die Steuerung mit Lochstreifen auszuprobieren 14 Zu den jungen Komponisten die im Siemens Studio die Moglichkeit hatten elektroakustische Musik zu erproben gehorten Gyorgy Ligeti und Dieter Schnebel Der alteren Generation mussen Karl Amadeus Hartmann Werner Egk und Alois Haba zugerechnet werden 13 Da sie aber auch Bruno Maderna 5 nicht mit elektronischer Musik verbunden werden ist anzunehmen dass diese Gaste keine Aufnahmen im Studio gemacht haben 1963 wollte Siemens das Studio nicht mehr selbst betreiben als Grunde gelten die hohen Betriebskosten und die Abkehr von der Idee Studiotechnik zu vermarkten 15 Das Unternehmen schenkte es der Hochschule fur Gestaltung in Ulm wo es der Abteilung Film unter Alexander Kluge und Edgar Reitz zugeordnet wurde Noch bis 1966 blieben die Gerate aber am Munchner Standort Wegen Platzmangels in Ulm konnte das Studio dort nicht vollstandig installiert werden so dass insbesondere ein neues Mischpult konstruiert werden musste Schon kurz nach dem Umzug des Studios geriet die Hochschule fur Gestaltung in Finanzierungsprobleme die Abteilung Film konnte durch Umwandlung in einen Verein die Auflosung der HfG noch um einige Zeit uberleben Die Studiotechnik wurde 1968 eingelagert und erst 1992 aufgrund von Recherchen Riedls wiederentdeckt 1993 erhielt das Deutsche Museum die Gerate seit 1994 sind Teile davon in der Dauerausstellung der Musikabteilung ausgestellt Original Tonbander und die Dokumentation des Studios wurden 1972 in das Siemens Archiv uberstellt sie gingen 1993 ebenfalls an das Deutsche Museum 16 Das Studio ist im Deutschen Museum weitgehend funktionsfahig aufgebaut und wird seit 2001 mehrmals im Jahr mit praktischen Klangbeispielen prasentiert 17 Im Jahr 2009 wurde der Aufbau erneut uberarbeitet dabei konnten einige weitere Funktionen wiederhergestellt werden Technik Bearbeiten nbsp Blockschaltbild der Studio TechnikIm Siemens Studio wurden Gerate verschiedenster Herkunft eingesetzt Vieles wurde von den Siemens Mitarbeitern nach Ideen von Riedl und anderen Musikern entwickelt und gebaut Massgeblich beteiligt an den Entwicklungen waren die Siemens Ingenieure Helmut Klein und Alexander Schaaf 18 Das Studio als Ganzes muss nach heutigem Sprachgebrauch als Synthesizer verstanden werden Klange wurden erzeugt moduliert und ausgegeben oder aufgezeichnet Die Besonderheit des Siemens Studios war die Programmierbarkeit durch Lochstreifen So konnten die Klange und ihr zeitlicher Verlauf in Form der Lochstreifen archiviert wiederverwendet und zu grosseren Werken verbunden werden Tonerzeugung Bearbeiten nbsp Die Hohnerola und der SagezahngeneratorDas Studio bekam im Laufe der Zeit eine grosse Zahl an verschiedenen Tongeneratoren 19 Viele wurden speziell fur diesen Zweck gebaut nur wenige konnten aus der Produktion fur andere Gerate ubernommen werden Ein Zwei Kanal Tiefton Generator mit Frequenzen zwischen 0 3 und 26 Hertz erzeugte zwar weitgehend unhorbare Klange diese konnten aber als Eingabe in einen Frequenzumsetzer dienen oder steuerten Synchronmotoren 20 Rauschgeneratoren und ein Sagezahn Generator dienten dazu technische Gerausche mit Zufalls Komponenten zu erzeugen 21 Mit Schwebungssummern konnten Glissandi erzeugt werden einer davon konnte laut Dokumentation auch zur Frequenzmodulation eingesetzt werden was vermutlich eine externe Steuerung durch Anlegen einer Steuerspannung meint 22 Ab etwa 1960 stand eine Wand mit zwanzig Sinus Oszillatoren aus Wien Robinson Brucken 23 mit einem Frequenzband von 16 bis 16 000 Hertz zur Verfugung deren Schwingungen durch eine Zusatzschaltung stufenlos zu Rechteckschwingungen gleicher Frequenz ubergehen konnten 24 Bis zu zehn der Sinus Generatoren waren fur einen Ton erforderlich um neben dem Grund auch Obertone zu erzeugen und so ein dem Gehor vertrautes Klangbild zu bieten Je nach Dynamik der Obertone konnte so eine trockene schlagartige flotenspielahnliche glockenspielahnliche oder harmonikaahnliche Klangfarbe oder der Eindruck eines Vokals in menschlicher Sprache erreicht werden 25 Von besonderer Bedeutung war eine Hohnerola eine elektronisch gesteuerte Zungenorgel von Hohner die durch die Siemens Ingenieure massiv umgebaut worden war Das elektromechanische Instrument konnte vollstandig durch Lochstreifen gesteuert werden Diese wirkten sich auf die Klangerzeugung und als Formant bezeichnete Bandpassfilter sowie ein Dampfungsglied zur Erzeugung von Dynamik aus Ferner stand dem Studio ein 1959 vom Sudwestfunk erbautes Gerat zur Verfugung das eine Bildabtastung in Tonelemente umsetzte Es wurde nur wenig benutzt der Maler Gunter Maas setzte es ein um einige seiner abstrakten Gemalde in Klange umzusetzen 26 Mittels des Tiefton Generators wurde auch mit digitaler Klangerzeugung experimentiert Allerdings lieferten die damaligen Datenquellen keine ausreichenden Frequenzen mehr als 64 Hertz konnten nicht direkt erzeugt werden Um dieses Frequenzspektrum auszuweiten wurden sehr tiefe Tone digital erzeugt und auf Tonband aufgenommen Dieses wurde mit achtfacher Geschwindigkeit abgespielt so dass die Tone um drei Oktaven nach oben transponiert wurden Wurde dieser Vorgang wiederholt konnten fur Musik ubliche Tonhohen erreicht werden Technische Beschrankungen der Tonbandgerate machten es erforderlich die anfangs sehr niedrigen Frequenzen einer hoheren Tragerfrequenz aufzumodulieren Am Ende der Transposition musste also das Signal erst demoduliert werden dann konnten die digital erzeugten Tone durch ein Tiefpassfilter separiert werden 27 Wegen des Aufwands wurde dieses Verfahren nur experimentell eingesetzt erhalten ist eine Aufzeichnung von sieben aufeinander folgenden Tonen Dabei handelte es sich im Jahr 1961 um Pionierleistungen 28 Modulation Bearbeiten nbsp Rechts im Hintergrund die drei Schaltschranke des VocodersZur Beeinflussung elektronischer Klange dienten Filter und diverse Modulatoren Eine zentrale Rolle spielte ein Satz von 14 Bandpassfiltern die in beliebigen Kombinationen geschaltet und durch Lochstreifen angesteuert werden konnten Sie waren nach der Mel Skala geteilt 29 und deckten zusammen den gesamten Frequenzbereich ab Diese Filterbank war in die Hohnerola eingebaut Fur den Umzug nach Ulm wurde ein neues Mischpult gebaut das Klangregler enthielt die die Funktionen der bisherigen Filter wesentlich komfortabler ubernehmen konnten 30 Der als Frequenzumsetzer bezeichnete Mischer wurde 1950 vom Sudwestfunk unter Beteiligung der Siemens AG erfunden 1956 besorgte Riedl fur sein Projekt ein solches Gerat in Baden Baden Es handelte sich um einen Ringmodulator Auf das Frequenzspektrum eines musikalischen Tones mit Grund und Obertonen angewendet setzt ein solcher Modulator alle Frequenzen um denselben Betrag herauf oder herab er verandert also das fur die Harmonik entscheidende Verhaltnis der Tone untereinander Dadurch wird jeder Klang im Modulator mehr oder weniger zum Gerausch Dieser Effekt war fur die fruhe elektronische Musik von besonderer Bedeutung und das Gerat daher bei nahezu allen Werken im Einsatz 31 Gerate zur Amplitudenmodulation wurden im Studio selbst entwickelt und gebaut Die erste Generation wurde in die Hohnerola eingebaut spater kamen selbstandige Gerate zum Einsatz Sie dienten zur Steuerung der Dynamik die anfangs nur in 32 Stufen spater frei programmiert werden konnte 32 Ausserdem wurde von den Ingenieuren ein Hallgitter gebaut das aufgrund seiner charakteristischen metallischen Klangfarbe in vielen Produktionen die Herstellung im Siemens Studio erkennen lasst 33 Daneben standen Tonbandgerate zur Verfugung mit denen Echos und andere Uberlagerungen und Iterationen erzeugt werden konnten 34 Von besonderer Qualitat war der Vocoder des Siemens Studios Er beruhte auf einem Prototyp aus den 1940er Jahren der fur die militarische Verschlusselung entwickelt worden war Damit war er allen anderen Vocodern uberlegen die in Tonstudios eingesetzt wurden Er wies 20 Kanale auf und war speziell fur das Siemens Studio so umgebaut worden dass er ein Frequenzspektrum von 0 bis 10 000 Hertz verarbeiten konnte und damit weit uber Sprachanwendungen hinausging Die Schaltungen erlaubten es Eingangs und Steuersignal frei anzulegen Damit konnte aus Sprache und Windgerauschen ein verstandlich sprechender Wind erzeugt werden Bis heute bekannt ist der Vocoder aus dem Siemens Studio fur die Computer Stimme in der Science Fiction Serie Raumpatrouille die im Jahr 1965 produziert wurde 35 Der Vocoder ist nicht mehr funktionstuchtig die Verkabelung ist verloren gegangen Ein als Hullkurvengleichrichter bezeichnetes Gerat war ursprunglich vorhanden konnte aber nicht mehr gefunden werden 36 Mischung und Wiedergabe Bearbeiten Der zentrale Arbeitsplatz im Studio war das Mischpult auch als Regiepult bezeichnet Zehn Studioverstarker und weitere Gerate wurden durch 14 Schieberegler bedient Die Zuordnung der Regler zu den Geraten wurde mittels eines Steckfelds fur jede Aufgabe individuell hergestellt An den Ausgangen waren drei Aussteuerungsmesser und je eine Entzerrung fur Tiefen Mitten und Hohen vorhanden Alle Eingange waren auf Zwei und Vier Kanalton ausgelegt spater kamen Gerate hinzu um diese fest fur Stereo Aufnahmen einzurichten 37 Ein Vier Kanal Mischpult diente fur kleinere Aufgaben Zur Aufzeichnung und zur Montage durch Personen die sich nicht in die Programmierung durch Lochstreifen einarbeiten wollten dienten verschiedene Bandmaschinen Darunter waren Vier Kanal Gerate und etwa ab 1963 auch ein Sechs Kanal Gerat In Ulm wurde auch ein spezielles Gerat zur Film Vertonung angeschafft damit konnten Filmprojektor Filmabtaster und Bandmaschine synchronisiert werden 38 Steuerung Bearbeiten nbsp Kodierungsschema bei der Steuerung des Studios durch LochstreifenVon besonderer Bedeutung fur die Entwicklung der elektronischen Musik war die Programmierung der elektro akustischen Gerate durch Lochstreifen Durch den einfachen Austausch von vorgefertigten Lochstreifen oder deren Verklebung zu Schleifen wurden vorher nur theoretische Forderungen der seriellen Musik moglich 39 Das Siemens Studio war das erste vollprogrammierbare Studio Sowohl die Tonhohe die Lautstarke und alle Filter zur Veranderung der Klangfarbe konnten in ihrem Verlauf gesteuert werden Dazu wurden anfangs vier parallel laufende Lochstreifenleser eingesetzt Jeder hatte die aus dem Fernschreiber stammenden funf Lochreihen so dass pro Streifen 25 also 32 verschiedene Werte eingesetzt werden konnten Weil 32 Werte nicht fur die Tonhohen ausreichten wurden diese durch zwei Streifen programmiert der erste steuerte den Ton der zweite gab die Oktave an Der dritte Streifen gab die Dampfung an es stand ein Bereich von 0 bis 64 5 Dezibel zur Verfugung der vierte schaltete die Bandpassfilter und bestimmte so die Klangfarbe des Tons 40 Spater wurden teilweise sogar acht parallele Lochstreifen eingesetzt damit konnte die Dampfung der Lautstarke in Schritten von 0 5 dB angesteuert werden 41 Rezeption BearbeitenDie Rolle des Siemens Studios wird im Ruckblick beschrieben als Zentrale der Progressiven und Hort des ingenieurgestutzten Kunstdenkens 42 Pierre Boulez wurde auf das Siemens Studio aufmerksam gemacht als er als Dirigent fur Musica Viva Konzerte nach Munchen eingeladen wurde Er wurde neugierig als er sah was eine Firma die die Mittel dazu hatte im Hinblick auf die Ausrustung schaffen konnte Er sah dort zum ersten Mal automatisierte Klangerzeuger und die schienen ihm fur die Zukunft entscheidend zu sein einige Jahre spater hielt er sie fur unentbehrlich 2 In einem Rundfunkbeitrag des Westdeutschen Rundfunks von 2004 bezeichnete Bjorn Gottstein das Siemens Studio als ein wildes und besonders fruchtbares Kapitel der elektronischen Musik 43 Edgar Reitz nannte das Studio eine der fuhrenden Brutstatten fur neue Musik und hob hervor dass es Riedls grosse Verdienste seien dass er mit endlosem Idealismus erreicht hat dass das Studio zu einem international beachteten Zentrum fur die neue Musik und vor allem fur die elektronische Musik wurde 44 Riedl selbst hob die grosse Ausstrahlung des Studios auf die dort Tatigen hervor und bezeichnete es als das sinnlichere Studio im Vergleich zum Kolner Studio das er als mehr eine intellektuelle Station erinnerte 42 Dass das Studio heute noch existiert an dieser zentralen an dieser so wichtigen Stelle im Deutschen Museum fand er noch 2014 wunderbar 42 Der Geschaftsfuhrer der Ernst von Siemens Musikstiftung fasste 2014 die Rolle Riedls und des Studios zusammen Das Siemens Studio fur elektronische Musik ist untrennbar mit dem Namen Josef Anton Riedl verbunden Dieser nutzte das ihm von Siemens zur Verfugung gestellte elektroakustische Versuchslabor so bemerkenswert und arbeitete kongenial mit den hochqualifizierten Technikern zusammen dass er die Verwendung von konkreten und elektronischen Klangen in der Musik in kurzester Zeit nahezu revolutionierte Mit seiner Offenheit fur Abwegiges und seinem starken Innovationsdrang war er genau der Richtige die Maximen eines Unternehmens wie Siemens das von technischen Innovationen lebte und immer noch lebt auf den Bereich der Musik zu ubertragen und dort richtungsweisende kompositorische Moglichkeiten zu entwickeln 42 Werke Auswahl BearbeitenEine Dissertation von 2011 ermittelte rund 150 im Siemens Studio entstandene Werke deren Verzeichnis elf Seiten umfasst 45 In der Internationalen Dokumentation elektroakustischer Musik der Deutschen Gesellschaft fur Elektroakustische Musik fanden sich Anfang 2022 174 Werke zum Suchbegriff Studio Siemens 46 Die Vielfalt der Kompositionen und Aufzeichnungen zeigt sich in den unterschiedlichen Anwendungsbereichen 47 Neben dem Soundtrack fur den Siemens Dokumentarfilm Impuls unserer Zeit entstanden bis 1959 noch in Gauting zwei Studien von Riedl mit je etwa 150 Sekunden Lange Fur den Experimentalfilm Stunde X von Bernhard Dorries mit 11 Minuten Laufzeit vom Dezember 1959 wurde ebenfalls noch in Gauting die Musik aufgenommen 1960 bis 1962 nahm Riedl Soundtracks fur mehrere Dokumentar und Industriefilme von Edgar Reitz auf Darunter ist die Dokumentation Yucatan Der Film wurde auf dem Weltkongress 1960 der Jeunesses Musicales International uraufgefuhrt lief 1961 auf den Kurzfilmtagen Oberhausen und erhielt das Pradikat Besonders wertvoll 1965 folgte eine weitere Zusammenarbeit von Riedl mit Reitz sie schufen eine Prasentation fur die Internationale Verkehrsausstellung vom 25 Juni bis 3 Oktober in Munchen 48 Grossere offentlich aufgefuhrte Musikstucke die im Siemens Studio entstanden umfassen mehrere Studien und Kompositionen von Riedl aus den Jahren 1960 bis 1965 Herbert Brun schuf 1961 die Wayfaring Sounds und eine Produktion Klange unterwegs fur den Bayerischen Rundfunk und ein neues Sendezeichen des BR aus demselben Jahr Eine Komposition unter dem Titel Antithese von 1962 stammte von Mauricio Kagel sowie ebenfalls von Kagel die Umsetzung des elektronischen Teils der Imaginary Landscape No 3 von John Cage aus dem Jahr 1965 Cage selbst nahm im Siemens Studio eine Studie namens experiments in sound auf Unter demselben Titel entstanden vermutlich 1963 Klangexperimente von Pierre Boulez Fur Henri Pousseurs Schallplattenreihe Einfuhrung in die elektronische Musik entstanden die ersten auf Tontragern veroffentlichten Aufnahmen aus dem Studio 49 Ausserdem schuf Klaus Hashagen im Siemens Studio 1961 ein Elektronisches Glockenspiel fur das Rathaus von Salzgitter Lebenstedt Moglicherweise dadurch beeinflusst wurde Bengt Hambraeus fur sein Werk Rota II Komposition fur elektronische Orgel und Glockenklange von 1963 50 1962 schuf Heinz von Cramer die Musik fur ein Horspiel unter dem Titel Das grosse Ebenbild und verschiedene Rundfunkmusiken Gunter Bialas nahm 1964 die Musik fur das Horspiel Es regnet in mein Haus unter Regie von Hans Dieter Schwarze auf 45 Ferdinand Kriwet schuf 1965 und 1966 zwei Hortexte unter den Titeln JAJA und Reaktion fur die er Sprache elektronisch verfremdete 51 Fur Theaterauffuhrungen mit experimentellem Charakter entstanden in den 1960er Jahren verschiedene Schauspielmusiken und Klange im Siemens Studio Wilhelm Killmayer schrieb 1960 eine Musik fur Wilhelm Tell am Bayerischen Staatsschauspiel Sie gehort mit 150 Minuten auch zu den langsten Werken die im Studio aufgenommen wurden Carl Feilitzsch nahm ebenfalls 1960 Musiken fur Mittagswende von Paul Claudel in den Munchner Kammerspielen und zu Hugo von Hofmannsthals Jedermann am Munchner Deutschen Theater auf Riedl schrieb Musik fur eine Inszenierung von Georg Buchners Leonce und Lena 1963 an den Kammerspielen unter Regie von Fritz Kortner sowie fur zwei weitere Inszenierungen von Kortner 1968 Der Sturm und 1969 Antonius und Cleopatra beide von William Shakespeare am Schillertheater Berlin 45 Milko Kelemen verband 1966 in der Musik zu Judith von Friedrich Hebbel Orchesterklange elektronisch verfremdete Orchesterklange und rein elektronische Klange und spielte sie mit dem Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks ein 52 Der Filmmusik Komponist Hansom Milde Meissner 27 schuf im Studio Musik fur die Dokumentation Schaffende Hande und eine Aufnahmen mit experimenteller elektronischer Tanzmusik unter dem Titel Serenade fur 20 Sologeneratoren 1964 53 Literatur BearbeitenStefan Schenk Das Siemens Studio fur elektronische Musik Munchner Veroffentlichungen zur Musikgeschichte Band 72 Hans Schneider Verlag Tutzing 2014 ISBN 978 3 86296 064 4 zugleich Dissertation an der Ludwig Maximilians Universitat Munchen 2011 ub uni muenchen de PDF 3 8 MB Wolf Loeckle Was gibt s Neues Josef Anton Riedl das Elektronische Siemens Studio die Natur In Neue Zeitschrift fur Musik Nr 2 2014 S 24 27 Helmut Klein Klangsynthese und Klanganalyse im elektronischen Studio In Frequenz Journal of RF Engineering and Telecommunications Band 16 Nr 3 1962 S 109 114 Siemens Kulturprogramm Hrsg Siemens Studio fur elektronische Musik Munchen 1994 Siemens Kulturprogramm Siemens Studio fur elektronische Musik audiocom multimedia 1998 CD mit Kompositionen aus dem Studio Weblinks Bearbeiten nbsp Commons Siemens Studio fur elektronische Musik Sammlung von Bildern Videos und Audiodateien Siemens Studio Deutsches Museum Das Siemens Studio fur elektronische Musik Memento vom 29 Dezember 2014 im Webarchiv archive today Auszug aus Meisterwerke aus dem Deutschen Museum 2004 ISBN 3 924183 96 1 Simon Crab The Siemens Synthesiser H Klein amp W Schaaf Germany 1959 Website 120 Years Of Electronic Music Einzelnachweise Bearbeiten So Karlheinz Kaske in Siemens Kulturprogramm 1994 S 7 a b Siemens Kulturprogramm 1994 S 9 Schenk 2014 S 198 Schenk 2014 S 30 a b c Das Siemens Studio fur elektronische Musik Memento vom 29 Dezember 2014 im Webarchiv archive today In Meisterwerke aus dem Deutschen Museum 2004 ISBN 3 924183 96 1 Alexandra Kinter Impuls unserer Zeit Memento vom 21 Februar 2014 im Webarchiv archive today Website der Siemens AG 16 Oktober 2009 Schenk 2014 S 49 Schenk 2014 S 49 Schenk 2014 S 51 Schenk 2014 S 50 f Schenk 2014 S 56 Schenk 2014 S 61 a b Schenk 2014 S 242 246 Bjorn Gottstein Neue Musik Ruckblick Forschung und Fortschritt Website des Goethe Instituts Juli 2006 Schenk 2014 S 60 67 Schenk 2014 S 76 Programm Siemens Studio Deutsches Museum abgerufen am 8 Marz 2022 Crab 2014 Schenk 2014 S 80 ff Schenk 2014 S 83 f Schenk 2014 S 84 f Schenk 2014 S 86 Klein 1962 S 110 Schenk 2014 S 82 Klein 1962 S 111 Schenk 2014 S 91 93 a b Klein 1963 S 114 Schenk 2014 S 133 f Klein 1962 S 112 Schenk 2014 S 94 ff 211 f Schenk 2014 S 96 100 Schenk 2014 S 100 102 Schenk 2014 S 199 Schenk 2014 S 103 109 f Schenk 2014 S 104 109 Schenk 2014 S 110 f Schenk 2014 S 112 115 Schenk 2014 S 119 f Pascal Decroupet Komponieren im analogen Studio eine historisch systematische Betrachtung In Elena Ungeheuer Hrsg Handbuch der Musik im 20 Jahrhundert Band 5 Elektroakustische Musik Laaber 2002 ISBN 3 89007 425 1 S 36 66 53 Schenk 2014 S 124 Schenk 2014 S 128 a b c d Loeckle 2014 WDR 3 open Studio Elektronische Musik Studioportrat Siemens Studio Munchen Sendung vom 28 April 2004 zitiert nach Schenk 2014 S 78 Heike Lies befragt Edgar Reitz Unermudlicher Prophet der neuen Musik In Andreas Kolb Dieter Schnebel Klang in Aktion Josef Anton Riedl ConBrio 2012 ISBN 978 3 940768 36 0 Seiten 46 57 50 a b c Schenk 2014 S 204 214 Eintrage mit Suchbegriff Studio Siemens Internationale Dokumentation elektroakustischer Musik Deutsche Gesellschaft fur Elektroakustische Musik abgerufen am 8 Marz 2022 Die Auswahl folgt im Wesentlichen Siemens Kulturprogramm 1994 S 34 f erganzt um einzelne Werke aus der Ubersicht bei Schenk 2014 S 204 214 um alle Anwendungsbereiche abzudecken Siemens Kulturprogramm 1994 S 34 f Siemens Kulturprogramm 1994 S 14 Siemens Kulturprogramm 1994 S 35 f Siemens Kulturprogramm 1994 S 36 Siemens Kulturprogramm Siemens Studio fur elektronische Musik audiocom multimedia 1998 Track 16 Hansom Milde Meissner Serenade fur 20 Sologeneratoren Internationale Dokumentation Elektroakustischer Musik EMDoku abgerufen am 8 Marz 2022 nbsp Dieser Artikel wurde am 26 April 2014 in dieser Version in die Liste der lesenswerten Artikel aufgenommen nbsp Dieser Artikel ist als Audiodatei verfugbar source source Speichern 34 51 Minuten 15 2 MB Text der gesprochenen Version 26 Marz 2015 Mehr Informationen zur gesprochenen Wikipedia Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Siemens Studio fur elektronische Musik amp oldid 236255398