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Dieser Artikel erlautert einen biogeographischen Begriff zum Zufluchtsort fur Menschen siehe Refugium Refugialraume von lateinisch refugium Zufluchtsort engl refugia auch Erhaltungsraume sind im Allgemeinen Habitate in die sich Tier oder Pflanzenarten zuruckziehen weil in ihren ursprunglichen meist viel grosseren Lebensraumen aus verschiedenen Grunden kein Uberleben mehr moglich ist Dies konnen entweder Okoregionen sein die sich durch klimatische anthropogene oder andere massive Einflusse deutlich verkleinert haben oder die durch die veranderten Bedingungen in anderen Klimazonen in ahnlicher Zusammensetzung neu entstanden sind und die vormals dort typischen Okosysteme verdrangt haben Nunatakker eisfreie Inseln im ewigen Eis sind geographisch und klimatisch die extremsten Refugialraume fur einige LebensformenDie Bezeichnung wurde 1955 von dem Pollenkundler Calvin J Heusser als Fachbegriff in die Okologie eingefuhrt als er die geschrumpften und verschobenen Verbreitungsgebiete von Pflanzenarten in Kanada wahrend der letzten eiszeitlichen Vergletscherung beschrieb 1 Im engeren Sinne wird die Bezeichnung zumeist als Eiszeit Glazial oder pleistozanes Refugium Abschnitt Klimarefugium nach wie vor auf Gebiete angewandt in denen eine bestimmte Art wahrend eines vollstandigen glazial interglazialen Zyklus uberlebt hat 2 Diese Theorie galt zunachst nur fur Gebiete der nordlichen Hemisphare wurde spater jedoch auch auf andere Klimazonen und Okoregionen ubertragen so etwa 1961 von James Allen Keast auf die Vogelwelt Australiens 1969 von Jurgen Haffer auf die tropischen Regenwalder im Amazonasbecken 1966 von Reginald Ernest Moreau auf die Vogelwelt Afrikas und 1975 von Harry Godwin auf die Pflanzenwelt der britischen Inseln 3 Im weiteren Sinne wird die Bezeichnung heute auch auf einzelne Tiere und Pflanzen angewandt die in einem gegenwartigen Refugialraum vor schadlichen und energieverbrauchenden Umwelteinflussen relativ sicher sind 4 Beispiel Fliessgewasser Die Selbstreinigung und die damit verbundene Selbstregulation fuhren zu einer Wiederherstellung des Ausgangszustandes des Fliessgewassers nach einer starken Belastung Hochwasser viel Abwasser Danach treten die Tiere aus den Refugialraumen hervor und besiedeln das Gebiet erneut so dass das Okosystem mit den abiotischen und biotischen Faktoren wiederhergestellt ist Typische Refugialraume in Fliessgewassern sind zum Beispiel das hyporheische Interstitial und stromungsberuhigte Uferbereiche Inhaltsverzeichnis 1 Klimarefugium 1 1 Short term Refugia 1 2 Long term stable Refugia 2 Eiszeitrelikte 3 Homo sapiens 4 Refugialraume fur Unterarten 5 Siehe auch 6 EinzelnachweiseKlimarefugium Bearbeiten nbsp Standorte der tropischen Regenwalder sowie gemassigter Laubbaumarten als Beispiel fur sogenannte Short term und Long term Refugien wahrend des letzteiszeitlichen MaximumsDurch globale Klimaanderungen etwa wahrend der Eiszeiten entstanden immer wieder Refugialraume fur zahlreiche Arten Dabei wird vor allem in der englischsprachigen Literatur zwischen zwei verschiedenen Typen unterschieden 5 Short term Refugia Bearbeiten Kurzzeit Refugien sind solche Refugialraume die durch die vorubergehend weitgehende Umwandlung von Okosystemen durch die Einwanderung neuer Arten gekennzeichnet sind Sie kommen vorwiegend in der heutigen gemassigten Zone vor In solchen Ruckzugsgebieten herrschten etwa wahrend der Eiszeiten lokale Klimata die Pflanzen und Tierarten das Uberleben sicherten und so die postglaziale Ruckkehr in ihre ursprunglichen Habitate ermoglichten Im Gegensatz zu den Langzeit Refugien gingen die ursprunglichen Lebensraume hier zeitweise komplett verloren In der Biogeographie der Gebirge unterscheidet man weiterhin Nunatakker zum Teil eisfreie isolierte Berggipfel innerhalb eines Gletschers Periphere Refugien Gebiete in unmittelbarer Gletschernahe und Tieflandrefugien Gebiete im Anschluss an die Gletscherregion auch periglaziale Refugien genannt 6 Long term stable Refugia Bearbeiten Langzeit stabile Refugien entstanden in den Kaltzeiten vorwiegend in den Tropen durch eine drastische Verkleinerung und Fragmentierung von grossraumigen Okosystemen Walder und Savannen zu vielen kleineren Inselhabitaten Dabei schrumpft der Lebensraum der dort beheimateten Arten ohne jedoch ganz zu verschwinden wie bei den Kurzzeit Refugien Die Gebiete die in der letzten Eiszeit Inselrefugien waren gehoren demnach zu den altesten Okosystemen der Erde Die Ubertragung der Refugien Theorie auf tropische Gebiete in den 1960er und 70er Jahren erfreute sich lange Zeit grosser Beliebtheit da man glaubte mit der Existenz dieser Langzeitrefugien die enorm grosse Artenvielfalt einiger Regenwalder zu erklaren Sicher ist dass die Entwicklungsgeschichte der tropischen Regenwalder Madagaskars Australiens und Neukaledoniens in den Refugien ununterbrochen bis in die ausgehende Kreidezeit Campanium und in Sudamerika und Afrika mindestens in das mittlere Eozan Bartonium zuruckreicht 7 Die Hypothese der Waldrefugien hat sich jedoch im Laufe der Zeit geandert Man stellte fest dass die Refugien kleiner weiter verstreut von mehr unterschiedlichen anderen Vegetationstypen benachbart und vor allem weniger homogen besetzt waren als ursprunglich angenommen da das Tropenklima wahrend der Eiszeiten kalter trockener und jahreszeitlich schwankender war als heute 8 In den letzten Jahrzehnten wurden Studien durchgefuhrt die nahezu jeden Aspekt der Waldrefugien Hypothese bestatigen und widerlegen Der grosste Streitpunkt beruht vor allem auf der noch unzureichenden Rekonstruktion der Ausmasse von Tropenwald und Savannengebieten in den Kaltzeiten Einig ist man sich nur uber die Tatsache dass die enorme Vielfalt nicht durch diesen einen Mechanismus erklart werden kann sondern durch eine ganze Reihe von Faktoren deren Wirkungen und Anteile jedoch noch weitgehend ungeklart sind etwa die Gebirgsbildung Anderungen der Flusslaufen und Wasserstanden oder die Domestikation von Arten durch den Menschen 3 Eiszeitrelikte BearbeitenHeutige Refugialraume fur einige Lebewesen der eiszeitlichen Mammutsteppe befinden sich in polaren Tundren und Kaltewusten Europas 9 Asiens und Nordamerikas Die Artenzusammensetzung der Tundra entspricht nicht der Mammutsteppe die eher den heutigen Hochlandsteppen Tibets glichen so dass sich hier die Phanomene Refugialraum und Glazialrelikt begegnen Homo sapiens BearbeitenRefugialraume wahrend des Kaltemaximums der letzten Eiszeit glaziale Refugia fanden sich fur den Menschen besonders in der franko kantabrischen Region 10 fur viele Tiere und Pflanzen der gemassigten Zone am Mittelmeer 52 Regionen wurden identifiziert 11 aber auch relativ nordlich gelegene Refugien wurden belegt so die waldreiche Region der Karpaten im Grenzbereich zum Permafrost 12 Refugialraume fur Unterarten BearbeitenDa glaziale Refugien zahlreiche Arten beherbergten wurde vermutet dass dies auch fur diverse Unterarten galt Man nahm an dass so eine hohe Biodiversitat auf engem Raum entstand Untersuchungen konnten diese Annahme jedoch nicht stutzen 13 14 Das Vorhandensein von mehreren Unterarten einer Art weist vielmehr auf ihre genetische Differenzierung durch die Trennung ihrer Habitate in unterschiedliche Refugialraume hin Deren Populationen sind meist klein und daher bilden sich dort innerhalb begrenzter Zeitraume relativ homogene genetische Zusammensetzungen aus sodass keine Unterarten entstehen konnen 15 Sofern die Trennungszeiten lang genug andauern entwickeln sich die Arten in jedem Refugium separat zu neuen Arten allopatrische Artbildung Die Entdeckung und Beschreibung von Refugien und die Zuordnung daraus hervorgegangener Unterarten ermoglicht es den zugrundeliegenden palaoklimatischen Verlauf chronologisch besser zu rekonstruieren 16 17 Siehe auch BearbeitenGenetischer FlaschenhalsEinzelnachweise Bearbeiten Calvin J Heusser Pollen Profiles from the Queen Charlotte Islands British Columbia In Canadian Journal of Botany Band 33 Nr 5 1955 S 429 449 doi 10 1139 b55 036 Godfrey M Hewitt Some genetic consequences of ice ages and their role in divergence and speciation In Biological Journal of the Linnean Society Band 58 Nr 3 1996 S 247 276 DOI 10 1111 j 1095 8312 1996 tb01434 x a b Daniel Gomes da Rocha Igor L Kafer What has become of the refugia hypothesis to explain biological diversity in Amazonia in Ecology and Evolution 27 Marz 2019 online Absatze 2 und 4 Glossar zu Unterrichtsmaterialien zum Thema Ein Bach ist mehr als Wasser S 247 Memento vom 26 November 2015 im Internet Archive Im Original publiziert vom Hessischen Umweltministerium PDF 279 kB E G Kauffman u P J Harries Autoren M B Hart Hrsg Biotic Recovery from Mass Extinction Events Geological Society Special Publication No 102 Geological Society of London 1996 ISBN 1 897799 45 4 S 22 23 Holderegger R Thiel Egenter C 2009 A discussion of different types of glacial refugia used in mountain biogeography and phytogeography Journal of Biogeography 36 476 480 pdf Version Jorg S Pfadenhauer Frank A Klotzli Vegetation der Erde Grundlagen Okologie Verbreitung Springer Spektrum Berlin Heidelberg 2014 ISBN 978 3 642 41949 2 S 87 Manfred Eggert Der Urwald als Lebens und Projektionsraum Das innere Zentralafrika in Svend Hansen Michael Meyer Hrsg Parallele Raumkonzepte Walter de Gruyter Berlin Boston 2013 ISBN 978 3 11 029094 3 S 43 44 P Schonswetter I Stehlik R Holderegger A Tribsch Molecular evidence for glacial refugia of mountain plants in the European Alps In Molecular Ecology Band 14 Nr 11 2005 S 3547 3555 doi 10 1111 j 1365 294X 2005 02683 x A Achili et al The molecular dissection of mtDNA haplogroup H confirms that the Franco Cantabrian glacial refuge was a major source for the European gene pool In The American Journal of Human Genetics Band 75 Nr 5 2004 S 910 918 doi 10 1086 425590 Volltext Frederic Medail Katia Diadema Glacial refugia influence plant diversity patterns in the Mediterranean Basin In Journal of Biogeography Band 36 Nr 7 2009 S 1333 1345 doi 10 1111 j 1365 2699 2008 02051 x Petr Kotlik et al A northern glacial refugium for bank voles Clethrionomys glareolus In PNAS Band 103 Nr 40 2006 S 14860 14864 doi 10 1073 pnas 0603237103 Remy J Petit et al Glacial refugia hotspots but not melting pots of genetic diversity In Science Band 300 Nr 5625 2003 S 1563 1565 doi 10 1126 science 1083264 Alex Widmer Christian Lexer Glacial refugia sanctuaries for allelic richness but not for gene diversity In Trends in Ecology amp Evolution Band 16 Nr 6 2001 S 267 269 doi 10 1016 S0169 5347 01 02163 2 K Holder R Montgomerie V L Friesen A test of the glacial refuguim hypothesis using patterns of mitochondrial and nuclear DNA sequences variation in rock ptarmigan Lagopus mutus In Evolution 53 Nr 6 Dezember 1999 S 1936 1950 doi 10 2307 2640452 Andrea Grill et al Molecular phylogeography of European Sciurus vulgaris refuge within refugia In Molecular Ecology Band 18 Nr 12 2009 S 2687 2699 doi 10 1111 j 1365 294X 2009 04215 x S A Byun B F Koop T E Reimchen North American black bear mtDNA phylogeography implications for morphology and the Haida Gwaii glacial refugium controversy In Evolution Band 51 Nr 5 Oktober 1997 S 1647 1653 Volltext PDF Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Refugialraum amp oldid 226787717