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Die Neue Politische Okonomie NPO auch Public Choice oder Okonomische Theorie der Politik umfasst jene Theorien und Forschungsgebiete die politisches Verhalten Entscheidungsprozesse und Strukturen mittels der Methodik der Wirtschaftswissenschaft erklaren Sie analysiert das individuelle und kollektive Handeln politischer Akteure wie Wahler Verwaltungen Parteien und Interessenverbande Inhaltsverzeichnis 1 Allgemeines 2 Geschichte und Entstehung 3 Annahmen 4 Teilgebiete 4 1 Entscheidungsfindung 4 1 1 Individuelle Entscheidungsfindung 4 1 2 Kollektive Entscheidungsfindung 4 2 Staatsversagen 4 3 Rent Seeking 4 3 1 Konkurrenz bei Rent Seeking 4 3 2 Probleme durch Rent Seeking 5 Siehe auch 6 Literatur 6 1 Einfuhrungen und Ubersichtsarbeiten 6 2 Grundlegende Werke 6 3 Fachzeitschriften 7 EinzelnachweiseAllgemeines BearbeitenDie Bezeichnung Neue Politische Okonomie grenzt dieses Teilgebiet von der klassischen Politischen Okonomie ab einem Begriff der dasselbe bedeutet wie Volkswirtschaftslehre Der englischsprachige Begriff Public Choice bringt zum Ausdruck dass sich die Neue Politische Okonomie als positive Okonomie versteht die tatsachliches Verhalten beschreibt Im Gegensatz dazu erortert die normative Okonomie einen Idealzustand In der Public Choice Theorie wird unter anderem zwischen privaten und offentlichen Gutern nach den Kriterien Rivalitat Massstab Rivalitatsgrad und Ausschliessbarkeit Exklusionsgrad unterschieden 1 Geschichte und Entstehung BearbeitenErste mathematische Uberlegungen zu Wahlverfahren anhand von Wahlerpraferenzen reichen in das 18 und 19 Jahrhundert zuruck So untersuchte der Marquis de Condorcet Wahlverfahren gemass der nach ihm benannten Condorcet Methode und entdeckte das Condorcet Paradoxon Weitere Mathematiker die sich mit dem Thema beschaftigten waren Jean Charles Borda Lewis Carroll und Pierre Simon Laplace Ihre Uberlegungen wurden in den 1950er Jahren von Duncan Black aufgegriffen Gordon Tullock sieht Black deshalb als Vater der modernen Public Choice Theorie 2 In dieser Zeit zwischen 1957 und 1965 wurde mit der Veroffentlichung von funf Buchern in den Vereinigten Staaten der Grundstein fur die Public Choice Theorie gelegt Zusammen wie auch einzeln haben jene wissenschaftlichen Arbeiten bedeutsame Auswirkungen auf die Politikwissenschaften und Volkswirtschaftslehre gehabt und wurden grosstenteils mit Nobelpreisen ausgezeichnet Die Bucher sind auch bekannt unter dem Namen Public Choice Pentateuch 3 Kenneth Arrow Social Choice and Individual Values 1951 2 Auflage 1962 Duncan Black The Theory of Committees and Elections 1958 James M Buchanan und Gordon Tullock The Calculus of Consent The Logical Foundations of Constitutional Democracy 1962 Anthony Downs An Economic Theory of Democracy 1957 Mancur Olson The Logic of Collective Action 1965 Arrow legte 1951 mit seinem Theorem dass es keine ideale Abstimmungsregel gibt bekannt unter dem Namen Arrow Paradoxon den Grundstein fur die neoklassische Analyse von politischen Verfahren Anthony Downs und Duncan Black erweiterten die Forschung Arrows in der Sozialwahltheorie in Bezug auf Untersuchung von Wahlerverhalten und Wahlverfahren James Buchanan und Gordon Tullock fugten der Public Choice Theorie noch weitere theoretische Konzepte beispielsweise die Spieltheorie und Klubtheorie hinzu und stellten die Theorie der Interessengruppen auf Olson griff in seinem Werk die Problematik von rein rational handelnden Gruppen auf und verband die interdisziplinare Public Choice nun noch mit der Soziologie Annahmen BearbeitenEinordnung der Neuen Politischen Okonomie 4 GegenstandMethoden marktlich aussermarktlichokonomisch traditionelle Wirtschaftswissenschaft Neue Politische Okonomie Familienokonomie Okonomische Analyse des Rechts nicht okonomisch Wirtschaftssoziologie Wirtschaftspsychologie Soziologie Rechts und PolitikwissenschaftenGrundannahme der Neuen Politischen Okonomie ist der methodologische Individualismus mit dem Modell des rational handelnden von Eigeninteressen geleiteten Homo oeconomicus dessen Ziel die Nutzenmaximierung ist und der dementsprechende Entscheidungen trifft Den Individuen wird ein situationsadaquates und rationales Handeln vorausgesetzt wobei die individuellen Praferenzen als gegeben und nicht veranderbar angesehen werden Die Ergebnisse einer Entscheidung werden also nicht aus Veranderung der Praferenzen sondern aus den veranderlichen Restriktionen bestimmt die das Handeln einschranken Neben dem methodologischen Individualismus ist auch der normative Individualismus eine Grundannahme der Public Choice Theorie Im politischen Umfeld geht die Theorie davon aus dass es im politischen Kraftefeld einen Kampf um Amter gibt Das Ziel der Politiker sei damit ihre Wiederwahl zu sichern und ihren Eigennutz zu maximieren Hierbei wird ihnen ein Hang zur Macht unterstellt Politische Entscheidungen wurden hierbei als Nebenprodukt angesehen Schumpeter Mit dem Public Choice Ansatz versuchen die Vertreter dieser Theorie Staatengrundungen und die Bildung von staatlichen Institutionen oder auch Wahlverhalten zu erklaren Teilgebiete BearbeitenZu den Teilgebieten der Neuen Politischen Okonomie gehoren die von Joseph Schumpeter Anthony Downs An Economic Theory of Democracy 1957 und James M Buchanan begrundete okonomische Theorie der Demokratie William A Niskanens Okonomische Theorie der Burokratie die auf Mancur Olson und Gary S Becker zuruckgehende Theorie der Interessengruppen die okonomische Theorie der Regulierung von George Stigler und Sam Peltzman sowie die Theorie des rent seeking von Gordon Tullock und James M Buchanan 5 In einem weiteren Sinn zahlen auch die Theorie politischer Konjunkturzyklen von William D Nordhaus und die politische Okonomie des Wachstums von Mancur Olson zu den Teilgebieten Entscheidungsfindung Bearbeiten Individuelle Entscheidungsfindung Bearbeiten Aufbauend auf der Annahme des Homo Oeconomicus erstrebt jeder Mensch die Erfullung seiner Praferenzen mit moglichst hoher Prioritat da dies rational ist Dabei spielt auch die Abwagung von Opportunitatskosten eine bedeutende Rolle Es wird versucht die relativen Kosten die durch eine Entscheidung gegen die zweitbeste Alternative anfallen zu minimieren Auch die Spieltheorie beeinflusst die individuelle Entscheidungsfindung Ein Beispiel hierfur ist das Gefangenendilemma Bei diesem nicht kooperativen Spiel wird versucht das Verhalten von Parteien die das Ergebnis einer Entscheidung verandern konnen vorherzusagen um einen maximalen Gewinn zu erzielen Finden alle beteiligten Parteien eine Entscheidung bei der sie keine bessere Moglichkeit wahlen konnen solange das Gegenuber in seiner Wahl bestandig bleibt so tritt ein Nash Gleichgewicht ein Weitere Theorien zu individuellem Handeln wurden von Niccolo Machiavelli und Ronald Coase aufgestellt Nach Machiavelli ergreift ein Individuum jede Moglichkeit bei der es seine eigene Position in Relation zu weiteren Individuen verbessern kann Im Gegensatz dazu war Coase der Meinung dass Menschen stets nach Kooperation streben um einen beidseitigen Vorteil zu erlangen und eine Pareto Optimierung vorzunehmen Kollektive Entscheidungsfindung Bearbeiten Kollektive Entscheidungsfindungen werden durch verschiedene Aspekte wie das Machtverhaltnis zwischen den an der Entscheidung beteiligten Parteien und der Informiertheit der Wahlenden uber die moglichen Alternativen beeinflusst Bei der Betrachtung von Wahlverfahren der Sozialwahltheorie wird angenommen dass alle Wahler rational handeln und zudem volle Information Vollstandigkeit Einstufbarkeit aller Alternativen und Reflexivitat vorliegen Es ist moglich dass trotz gleicher Rahmenbedingungen Wahlbeteiligten und Praferenzordnungen lediglich durch die Anwendung verschiedener Wahlverfahren unterschiedliche Ergebnisse zustande kommen Dieser Konflikt kann unter anderem bei einer Uberprufung der Borda Wahl mit der Mehrheitswahl auftreten Ein weiteres Problem das Condorcet Paradoxon auch als Problem der zyklischen Mehrheiten bekannt ergibt sich durch die alleinige Variierung der Anzahl und Anordnung von Wahlmoglichkeiten bei der Condorcet Wahl Aufgrund dieser Schwierigkeiten wurde das Arrow Theorem formuliert Es lasst sich kein Wahlsystem finden welches funf Grundvoraussetzungen erfullt die Arrow fur die optimale Aufstellung einer gesellschaftlichen Praferenzordnung formuliert hat Thomas Gruter stellt die These auf dass es im Kontext der Okonomischen Theorie der Demokratie fur den Einzelnen ein irrationales Verhalten sei an Wahlen teilzunehmen Wirtschaftlich gesehen ist es sinnlos zur Wahl zu gehen Man muss sich die Zeit nehmen Wahlprogramme zu studieren und das Wahllokal aufzusuchen Dafur erhalt man einen winzige n Anteil Mitbestimmung bei der Zusammensetzung des Parlaments Der Ertrag geht also gegen Null und rechtfertigt rational betrachtet keinerlei Aufwand Erklart werden musse warum angesichts dessen Burger trotzdem an Wahlen teilnehmen 6 Staatsversagen Bearbeiten Die Public Choice geht davon aus dass der Staat genauso wie der Markt unvollkommene Entscheidungen trifft und daher Marktversagen nicht immer ausgleichen kann Dies liegt daran dass Amtstrager weiter private uber offentliche Interessen stellen Erstere sind vor allem Machtgewinn bzw erhalt Daher werden regelmassig Interessen der eigenen Wahlerschaft verfolgt auch wenn sie dem Gemeinwohl schaden Zudem sind die Wahler nicht im gleichen Masse informiert wie die Akteure des Marktes und haben auch weniger Wahlmoglichkeiten da sie sich nur fur ein bestimmtes Partei Programm entscheiden konnen Eine wichtige Rolle in der Forschung spielen dazu Interessensgruppen die die Politik zugunsten ihrer eigenen Ziele beeinflussen wollen Auch diese Gruppen stellen ihre privaten vor die offentlichen Interessen Oft tauschen sie daher Vorteile mit Politikern aus zum Beispiel ihre Unterstutzung im Gegenzug fur eine Gesetzgebung die die Gruppe nach eigener Ansicht besser stellt Trotz dieser Staatskritik sprechen sich viele Vertreter der Public Choice fur einen Fortbestand zentraler Institutionen allerdings gegen eine Idealisierung der Rolle von Staaten aus So war zum Beispiel Mancur Olson ein Verfechter eines starken Staates kritisierte jedoch den Einfluss durch Interessensgruppen Rent Seeking Bearbeiten Ein weiteres Teilgebiet der Public Choice stellt das sogenannte Rent Seeking dar Rent Seeking bezeichnet das Streben nach einer sogenannten politischen Rente Diese ist ein gegenleistungsloser Gewinn den man durch die Ausnutzung einer strukturell bedingten Knappheitslage erzielen kann Auf einem funktionierenden Markt wird eine solche Situation durch das Auftreten zusatzlicher Anbieter die das Gut zu einem geringeren Preis bereitstellen beendet Bei Rent Seeking versuchen Marktakteure jedoch staatliche Institutionen so zu beeinflussen dass sie selbst eine dominante Marktposition erreichen und ihre Konkurrenz eingeschrankt oder unterbunden wird sodass sie keinem Konkurrenzdruck unterliegen Ist dies erreicht besteht ein Monopol oder Oligopol dessen Stellung nicht gefahrdet ist und somit die Moglichkeit fur die Anbieter durch uberhohte Preise zusatzliches Einkommen zu erwirtschaften Rent Seeking ist einer der wesentlichen Grunde fur Lobbyismus durch Unternehmen Denn jegliche Lobbyarbeit richtet sich entweder fur eigene Vorteile gegen eigene Nachteile oder aber gegen Vorteile der Konkurrenz Die fur den Rentengewinn verwendeten Ressourcen werden von der Public Choice als verschwendet betrachtet da sie nur dafur aufgewendet werden bestehenden Wohlstand umzuverteilen anstatt neue Wohlfahrt zu schaffen Konkurrenz bei Rent Seeking Bearbeiten Wenn mehrere Rent Seekers getrennt voneinander Ressourcen darauf verwenden eine privilegierte Marktstellung zu erreichen kann es zu einem Konkurrenzverhaltnis kommen bei dem die Akteure mehr Ressourcen aufwenden als in der Zukunft an Profiten durch diese Marktstellung zu erreichen ist Dieses scheinbar unwirtschaftliche irrationale Handeln ist in der Gefahr begrundet den Wettkampf um Einfluss zu verlieren Ausserdem kann die Motivation das bisher bereits eingesetzte Geld nicht als Verlust werten zu wollen eine bedeutende Rolle spielen Beispiel Zwei miteinander konkurrierende Firmen versuchen ein Monopol zu erlangen und begeben sich in eine sich im Ressourcenvolumen steigernde Spirale an Geld fur Einfluss mehr als ihnen die Monopolstellung wirtschaftlich wert ist Probleme durch Rent Seeking Bearbeiten Verstarkte Einflussnahme durch Unternehmen Lobbyarbeit setzt Politiker und Burokraten einer grossen Belastung bzw der Versuchung aus zum eigenen Vorteil gegen das Gemeinwohl zu handeln Dieses Problem tritt auch in autokratischen Systemen auf und verursacht besonders in Entwicklungslandern grosse Wohlfahrtsverluste vor allem als Kosten fur die armeren Einwohner dieser Staaten Siehe auch BearbeitenPolitische Theorie Neue Institutionenokonomik SozialwahltheorieLiteratur BearbeitenEinfuhrungen und Ubersichtsarbeiten Bearbeiten Jochen Dehling und Klaus Schubert Okonomische Theorien der Politik Lehrbuch Elemente der Politik VS Verlag fur Sozialwissenschaften 2011 ISBN 978 3 531 17113 5 Johannes Marx Andreas Frings Hrsg New Political Economy in History Sonderausgabe von Historical Social Research Vol 32 Nr 4 Zentrum fur Historische Sozialforschung Koln 2007 kostenloser Lesezugang Registrierung erforderlich Guy Kirsch Neue Politische Okonomie 5 Auflage Lucius und Lucius Stuttgart 2004 ISBN 3 8282 0270 5 Stefan A Schirm Internationale Politische Okonomie Eine Einfuhrung Nomos Baden Baden 2004 ISBN 3 8329 0735 1 Dennis C Mueller Public Choice III Cambridge University Press Cambridge 2003 ISBN 0 521 89475 1 Sylke Behrends Neue Politische Okonomie Systematische Darstellung und kritische Beurteilung ihrer Entwicklungslinien Vahlen Munchen 2001 ISBN 3 8006 2505 9 Peter Bernholz Friedrich Breyer Grundlagen der Politischen Okonomie Mohr Tubingen 1984 ISBN 3 16 344854 2 Grundlegende Werke Bearbeiten Anthony Downs Okonomische Theorie der Demokratie Originaltitel An Economic Theory of Democracy New York 1957 Mancur Olson Die Logik des kollektiven Handelns Kollektivguter und die Theorie der Gruppen Die Einheit der Gesellschaftswissenschaften Band 10 5 Auflage Mohr Siebeck Tubingen 2004 Originaltitel The Logic of Collective Action Public Goods and the Theory of Groups New York 1965 Gary S Becker Familie Gesellschaft und Politik die okonomische Perspektive Hrsg Ingo Pies Die Einheit der Gesellschaftswissenschaften Band 96 Mohr Siebeck Tubingen 1996 Kenneth Arrow Social Choice and Individual Values Wiley New York 1951 Duncan Black The Theory of Committees and Elections Cambridge University Press London und New York 1958 James Buchanan Gordon Tullock The Calculus of Consent The Logical Foundations of Constitutional Democracy University of Michigan Press 1962 Fachzeitschriften Bearbeiten William F Shughart II Hrsg Public Choice Springer Verlag ISSN 0048 5829 Seit 1966 Davor Papers on Non market Decision Making ISSN 0048 5829Einzelnachweise Bearbeiten Jochen Hundsdoerfer Die einkommensteuerliche Abgrenzung von Einkommenserzielung und Konsum 2002 S 93 Gordon Tullock public choice In Steven N Durlauf Lawrence E Blume Hrsg The New Palgrave Dictionary of Economics Second Edition Auflage 2008 doi 10 1057 9780230226203 1361 Bernard Grofman Reflections of Public Choice In Public Choice Springer Januar 2004 JSTOR 30025920 In Anlehnung an Dehling und Schubert Okonomische Theorien der Politik 2011 S 11 Mathias Erlei Martin Leschke Dirk Sauerland Neue Institutionenokonomik 2 Auflage Schaffer Poeschel Verlag Stuttgart 2007 S 381 404 Thomas Gruter Warum Wahlen keinen Gewinn bringt und warum die Demokratie trotzdem funktioniert BLOG Gedankenwerkstatt die Psychologie irrationalen Denkens Spektrum der Wissenschaft 12 September 2013 Normdaten Sachbegriff GND 4043214 2 lobid OGND AKS Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Neue Politische Okonomie amp oldid 236473924