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Die Mariotti Prozesse waren drei Strafprozesse vor dem Landgericht Hamburg in den Jahren von 1963 bis 1965 Angeklagt war bei jedem der Prozesse Eva Mariotti der vorgeworfen wurde 1946 an einem Raubmord beteiligt gewesen zu sein Der erste Prozess endete nachdem das Gericht einen Aussetzungsbeschluss gefasst hatte der dazu fuhrte dass der Prozess platzte Im zweiten Mariotti Prozess wurde die Angeklagte fur schuldig befunden und zu einer lebenslanglichen Zuchthausstrafe verurteilt das Urteil wurde durch den Bundesgerichtshof allerdings aufgehoben Im dritten Prozess wurde Eva Mariotti rechtskraftig freigesprochen Die Prozesse erregten erhebliche Aufmerksamkeit in der westdeutschen Offentlichkeit Das Strafjustizgebaude in Hamburg in dem dreimal zwischen 1963 und 1965 gegen Eva Mariotti verhandelt wurde Inhaltsverzeichnis 1 Die Angeklagte 2 Tat 3 Ermittlungen 4 Prozesse 4 1 Erster Prozess 1963 4 2 Zweiter Prozess 1964 4 3 Dritter Prozess 1965 5 Prozesse in den Medien 5 1 Allgemeine Offentlichkeit 5 2 Fachoffentlichkeit 6 Literatur 7 Weblinks 8 EinzelnachweiseDie Angeklagte BearbeitenEva Maria Mariotti wurde am 24 Dezember 1917 in Prag als Eva Maria Stiebeck geboren 1 Sie wuchs als Kind wohlhabender Eltern in Prag auf und heiratete mit 18 Jahren einen ansonsten unbekannten Nemecek Die Ehe wurde bereits nach zehn Monaten geschieden aus ihr ging aber eine Tochter hervor Nach der Zerschlagung der Tschechoslowakei und der Errichtung des Protektorats Bohmen und Mahren arrangierte sie sich mit den Besatzungsbehorden und handelte mit Antiquitaten In dieser Zeit war sie mit einem Dr Kunze verlobt Mit dem Naherrucken der Roten Armee half sie noch die Antiquitaten aus Tschechien nach Deutschland zu bringen und floh letztlich nach Hamburg Sie wollte nach dem Krieg Deutschland verlassen und nach Sudamerika auswandern was unmittelbar nach Kriegsende nur Familienangehorigen von Staatsburgern alliierter Staaten moglich war So heiratete sie den Franzosen Andre Mariotti der im Schwarzhandel aktiv war Eine seiner Geschaftspartnerinnen war die Witwe Moser das spatere Mordopfer 2 Kurz vor dem Auffinden der Leiche hatte Eva Mariotti zusammen mit einem Bekannten dem Tschechen Erich Sterba Hamburg in Richtung Esslingen am Neckar verlassen Von dort reiste sie weiter in die Schweiz hinter der Grenze allerdings wurden sie und Erich Sterba aufgegriffen und nach einigen Tagen wieder nach Deutschland abgeschoben Die Wege von Eva Mariotti und Erich Sterba trennten sich nun Er ging zuruck in die Tschechoslowakei sie lebte zunachst unter falschem Namen in Munchen und dann in Paris 1951 wanderte sie zusammen mit ihrer Mutter und ihrer Tochter nach Sudamerika aus Sie grundete ein Modegeschaft in La Paz verliess Bolivien 1953 aber wieder Nachdem sie eine Zeit in Buenos Aires gelebt hatte zog sie nach Brasilien dort lebte sie unter verschiedenen Namen in Rio de Janeiro und schliesslich in Sao Paulo wo sie sich Sylvia Sousa Leith nannte Im Jahr 1960 erkannte sie ein Deutsch Brasilianer auf einem Bild in der Neuen Illustrierten Sie wurde von brasilianischen Behorden aufgrund eines internationalen Haftbefehls festgenommen und 1961 an die Bundesrepublik Deutschland ausgeliefert 3 4 Nach den Prozessen erhielt Eva Mariotti 200 000 DM Entschadigung und zog nach Gran Canaria wo sie in Vecindario einen Kunstgewerbeladen eroffnete 1972 fiel sie von einer Leiter und wurde bei einer nachfolgenden Operation Opfer eines arztlichen Kunstfehlers Sie litt danach unter standigen Schmerzen und war auf Krucken angewiesen Zur Weiterbehandlung wollte sie sich nach Deutschland begeben Da ihr Pass aber abgelaufen war wurde ihr die Einreise verweigert 1979 starb sie einsam und verarmt 5 Tat BearbeitenAm 28 Juni 1946 wurde die Zahnarztwitwe Maria Moser in ihrer Wohnung im vierten Stock im Loogestieg 8 in Hamburg Eppendorf ermordet Ihre Leiche wurde am 30 Juni 1946 in einer Blutlache in der Kuche der Wohnung gefunden Im Haar und um den Kopf fanden sich grune Glasscherben Grossere Scherben konnten nicht gefunden werden aber der Stopsel einer Flasche oder einer Karaffe Die Obduktion ergab Schadelverletzungen die auf die Einwirkung mit einem stumpfen Gegenstand hindeuteten diese waren aber nicht unmittelbar ursachlich fur den Tod Todesursache war vielmehr eine Erdrosselung mit einem roten Tuch das noch um den Hals der Toten lag 6 Maria Moser war eine wohlhabende Witwe eines ehemaligen Zahnarztes am Hofe des griechischen Konigs die ihren Wohlstand auf dem Schwarzmarkt der Nachkriegszeit noch hatte vermehren konnen Sie hatte unter anderem eine Beziehung mit der spater des Mordes beschuldigten Eva Mariotti 7 die Hamburg am Tag des Mordes verliess um ins Ausland zu reisen Ermittlungen BearbeitenDie Kriminalpolizei Hamburgs hatte zum Zeitpunkt des Mordes einen Mangel an erfahrenen Kriminalisten da zahlreiche Kriminalbeamte im Rahmen der Entnazifizierung als belastet entlassen worden waren In der Folge wurde die Spurensicherung nur unzureichend vorgenommen 7 Die Beamten waren davon ausgegangen dass die Kuche der Tatort sei in andere Raume der Wohnung wurde nur fluchtig hineingesehen Eine Aufstellung der in der Wohnung gefundenen Wertgegenstande unterblieb so dass eine Feststellung inwiefern etwas wann durch wen entwendet wurde schwer moglich war Die Blutspuren in der Kuche wurden protokolliert aber nicht fotografiert Ob ein blutiger Schuhabdruck von Beamten oder dem Tater verursacht wurde konnte so nicht geklart werden Auch ob ein blutiger Abdruck eines Damenschuhs vorhanden war konnte spater nicht rekonstruiert werden 1 Der Mann der im Jahr 1946 zusammen mit Eva Mariotti Hamburg verliess wurde beim Versuch illegal die Tschechoslowakei zu verlassen festgenommen Er gestand gegenuber den tschechoslowakischen Behorden dass er die Witwe Moser getotet habe allerdings auf Veranlassung von Mariotti die auch Haupttaterin gewesen sei 1950 wurde er hierfur vom Kreisgericht in Mahrisch Ostrau verurteilt 7 Von den ausgeurteilten 30 Jahren Freiheitsstrafe sass er dreizehn ab 8 Gemass dem Rechtsgrundsatz ne bis in idem konnte Sterba wegen der bereits erfolgten Verurteilung und Bestrafung nicht erneut angeklagt werden Er hatte daher fur die Prozesse gegen Eva Mariotti eine dem Kronzeugen vergleichbare Bedeutung 7 Prozesse BearbeitenDreimal wurde der Prozess vor dem Schwurgericht des Landgerichtes Hamburg gegen Frau Mariotti eroffnet Gerhard Mauz verglich dies mit einer Hinrichtung mit dem Handbeil bei der dem Henker die Nerven versagen 9 Das Schwurgericht war seinerzeit noch mit drei Berufsrichtern und sechs Schoffen besetzt Die Aufgabe der Schoffen war und ist auch heute nicht mit der einer amerikanischen Jury vergleichbar die nur uber Schuld und Unschuld zu entscheiden hat wahrend der Berufsrichter danach das Urteil spricht vielmehr waren und sind Schoffen im deutschen Strafprozessrecht mit den Berufsrichtern bei der Urteilsfindung gleichberechtigt und konnten am Schwurgericht durch die Zusammensetzung sechs Schoffen zu drei Berufsrichtern wegen der notwendigen Zweidrittelmehrheit die Berufsrichter uberstimmen 10 Verteidigt wurde Eva Mariotti in allen drei Prozessen durch den seinerzeit 31 Jahre alten Rechtsanwalt Bernhard Servatius der spater eine wichtige Position in der Axel Springer AG innehatte 10 Angeblich soll Servatius das Mandat der Verwechslung mit Robert Servatius dem Verteidiger im Eichmann Prozess verdankt haben 11 Der Erfolg in diesem Verfahren wurde Grundlage fur seine Bekanntheit als Rechtsanwalt 12 auch wenn er insgesamt in nur vier Strafprozessen auftrat 13 Nach den Prozessen sagte Eva Mariotti Dr Servatius war der einzige Mensch an den ich in all den schweren Jahren noch glaubte Er machte mir immer Mut 14 Die Prozesse und die Untersuchungshaft nahmen Eva Mariotti sehr mit Bereits zum Ende des zweiten Prozesses wurde sie als gebrochene Frau beschrieben die ihres Geistes und ihrer Glieder nicht mehr machtig sei und aussehe wie 65 15 Erster Prozess 1963 Bearbeiten Die Hauptverhandlung zum ersten Mordprozess gegen Eva Mariotti wurde am 3 Juli 1963 unter dem Vorsitz des Landgerichtsdirektors Kurt Steckel eroffnet Steckel wurde 1901 geboren und schloss mit 22 Jahren seine juristischen Studien mit dem Ersten Staatsexamen ab Anschliessend begann er das Referendariat und wurde 1927 Staatsanwalt beim Landgericht Konigsberg Er war wahrend des Zweiten Weltkrieges auch Anklager am Sondergericht in Konigsberg Von Februar 1945 bis April 1945 war er als Anklager an den Volksgerichtshof abgeordnet 10 16 Nach dem Krieg war Steckel bis 1947 im Wohnungsamt in Hamburg tatig bevor er im Oktober 1947 zunachst Hilfsrichter und im Marz 1948 Richter auf Lebenszeit und Landgerichtsdirektor wurde 10 Die Verhandlungsfuhrung Steckels im Mariotti Prozess wurde als scharf empfunden 7 Eva Mariotti sagte aus und bestritt die ihr vorgeworfene Tat Als sie bei ihren Einlassungen blieb wurde der Zeuge Erich Sterba uberraschend am Nachmittag des ersten Verhandlungstages aufgerufen Dass Sterba zur Aussage erscheinen wurde war vor dem Aufruf nur dem Vorsitzenden des Gerichtes und dem Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft bekannt 10 Sterba sagte aus dass er mit Frau Mariotti die Witwe Moser beraubt und ermordet habe 17 Der erste Prozess gegen Eva Mariotti vor dem Landgericht Hamburg endete nicht mit einem Urteil sondern mit einem Beweisbeschluss dass ein Untermieter der Ermordeten noch ermittelt und vernommen werden solle sowie dem Beschluss das Verfahren auszusetzen 17 Dieses Ende kam fur die Presse sehr uberraschend 18 Der Hintergrund dieses Beschlusses der zum Scheitern des ersten Prozesses fuhrte soll laut Mitteilung eines Schoffen gegenuber der Boulevardpresse gewesen sein dass bei den Beratungen des Schwurgerichtes die Schoffen Eva Mariotti freisprechen die drei Berufsrichter sie aber verurteilen wollten Eine Abstimmung zur Schuldfrage habe daher eine Mehrheit fur einen Freispruch ergeben worauf Steckel dies zu einer Probeabstimmung erklart habe Kurt Steckel bestritt allerdings diese Version 10 Zweiter Prozess 1964 Bearbeiten Am Montag dem 24 Februar 1964 begann der zweite Prozess gegen Mariotti Zu Beginn der Hauptverhandlung herrschte ein erheblicher Publikumsandrang Vorsitzender Richter war der damalige Landgerichtsdirektor Ehrhardt 1 Der 1913 in Munster geborene Wolf Dietrich Ehrhardt hatte 1938 sein Zweites Juristisches Staatsexamen bestanden und war 1946 in den Justizdienst eingetreten er war spater von 1972 bis 1980 Prasident des Landgerichtes in Hamburg 19 Ihm beigeordnet waren zwei weitere Landgerichtsdirektoren als Berufsrichter sowie ein Oberverwaltungsdirektor ein Maschinenschlosser eine Stenotypistin eine Lehrerin ein Klempner und ein Schlosser als Schoffe 1 Der zweite Mordprozess dauerte zwei Wochen Es wurden 65 Zeugen vernommen 20 Die Angeklagte bestritt die Tat und sagte aus verstrickte sich mit einigen Ungenauigkeiten aber in Widerspruche die ihre Glaubwurdigkeit schwer erschutterten 1 Am Tag der Urteilsverkundung gab es einen derartigen Zuschauerandrang dass nur ein Teil der Offentlichkeit eingelassen werden konnte da der Saal nicht genug Sitzplatze hatte 20 Am 12 Marz 1964 wurde Eva Mariotti durch das Schwurgericht wegen gemeinschaftlichen Mordes und schweren Raubes zu einer lebenslangen Zuchthausstrafe und Ehrverlust verurteilt 10 Im Dezember 1964 wurde das Urteil durch den 5 Strafsenat des Bundesgerichtshofs aufgehoben 21 Eva Mariottis Verteidigung hatte sieben Grunde fur die Revision angegeben Dem Bundesgerichtshof genugte ein Formfehler um die Verurteilung aufzuheben Die Berufsrichter hatten vor der Eroffnung der Hauptverhandlung eine Begehung des Tatorts vorgenommen und hieruber ein Protokoll angefertigt Dieses Protokoll war nicht in die Hauptverhandlung eingebracht worden aber dem Urteil mit zugrunde gelegt worden 22 Gerhard Mauz bezeichnete dies als plattfussigen Formfehler 7 Rudolf Augstein nannte es im Rahmen einer Besprechung des Wiederaufnahmeverfahrens von Vera Bruhne einen wohl groben formalen Mangel 22 Dritter Prozess 1965 Bearbeiten Geleitet wurde der dritte Prozess der am 31 Marz 1965 begann von dem damals 45 Jahre alten Landgerichtsdirektor Heinrich Backen Berichterstatter war der Landgerichtsrat Peter Riess der bereits an der Entscheidungsfindung im zweiten Mariotti Prozess teilgenommen hatte 10 Neben den drei Berufsrichtern waren als Geschworene eine Handelslehrerin zwei Hausfrauen ein Ortsamtsvorsteher ein Betriebsrat und ein kaufmannischer Angestellter in das Schwurgericht berufen worden 23 Die Verhandlungsfuhrung des Vorsitzenden Backen wurde als ruhig und freundlich beschrieben 23 Hatte die Angeklagte in den beiden vorherigen Prozessen ausgesagt erklarte diesmal ihr Verteidiger fur sie dass sie die Tat bestreite aber keine weiteren Aussagen tatigen wurde Das sei in dieser Form von der Verteidigung empfohlen worden 23 Erneut sagte der Zeuge Sterba aus 23 Er hatte sich selbst uber vierzigmal widersprochen hielt aber am Kern der Aussage fest dass er von Frau Mariotti angestiftet worden sei 24 Nach seiner Aussage hatte er von hinten mit einem mitgebrachten Stuhlbein auf die Witwe Moser eingeschlagen als sie auf dem Harmonium in einem Erkerzimmer das Ave Maria spielte Eva Mariotti habe die Witwe gewurgt Nach der Tat sei das Opfer durch den Flur der Wohnung in die Kuche geschleift worden 23 Das Gericht sollte noch einen Ortstermin in der ehemaligen Wohnung der Witwe Moser veranlassen 10 Die Vernehmung des ehemaligen Untermieters der Frau Moser der sich nach ihrem Tod verschiedener Wertgegenstande bemachtigt hatte geriet zu einer ungewohnlichen Episode Der Zeuge erklarte dass seine mittlerweile aufgebaute burgerliche Existenz in Gefahr geriete falls seine damaligen Handlungen erneut in die Offentlichkeit gezerrt wurden Das Gericht bat die Journalisten auf die Nennung des Namens des Zeugen zu verzichten Die Boulevardpresse titelte daraufhin Gericht liess sich unter Druck setzen Mariotti Zeuge droht mit Selbstmord 23 Aufsehen im dritten Prozess erregten vor allem Ereignisse wahrend des Pladoyers der Staatsanwaltschaft Das Pladoyer war auf zwei Tage angelegt Am ersten Tag pladierte Oberstaatsanwalt Heinrich Hellge der sich unter anderem mit dem Schweigen der Angeklagten befasste Er legte es zuungunsten der Angeklagten aus da dies darauf hindeute dass Frau Mariotti etwas zu verbergen habe 21 Am 21 Verhandlungstag sprach zunachst der Staatsanwalt Zoller und befasste sich mit den Aussagen Sterbas Als nach ihm noch einmal Oberstaatsanwalt Hellge pladieren sollte meldete sich ein Herr aus dem Publikum zu Wort Das Wort wurde ihm vom Vorsitzenden erteilt Es war Ernst Buchholz der damalige Generalstaatsanwalt Hamburgs Entgegen dem Vortrag des Oberstaatsanwaltes vom Vortag erklarte er Der Angeklagte muss von seinem Recht auf Schweigen ohne Risiko und ohne Furcht Gebrauch machen konnen Falls die Angeklagte Mariotti wie sie behauptet die Tat nicht begangen haben sollte ware ihr Schweigen auch psychologisch verstandlich 10 25 Nach eigenen Angaben hatte er durch diese offentliche Erklarung den liberalen Ruf seiner Behorde bewahren wollen 25 Der Oberstaatsanwalt beantragte nach einer kurzen Unterbrechung gleichwohl eine lebenslangliche Zuchthausstrafe 21 Dieses offentliche Eingreifen eines Generalstaatsanwaltes wahrend der offentlichen Verhandlung stellt einen in der Rechtsgeschichte der Bundesrepublik einmaligen Vorgang dar 26 Das Pladoyer der Verteidigung dauerte sechs Stunden Der Verteidiger Bernhard Servatius sprach frei nur unterstutzt durch ein Blatt mit Stichworten 27 Am 14 Juli 1965 wurde das Urteil verkundet es lautete auf Freispruch 21 Begrundet wurde das Urteil mit gravierenden Widerspruchen in den Aussagen Sterbas Der Ortstermin habe auch ergeben dass die Leiche durch einen langen und schmalen Flur hatte gezogen werden mussen wenn man der Aussage Sterbas glauben wollte Das passe aber nicht zu der Spurenlage Ob das Schweigen gegen die Angeklagte verwendet werden durfte liess das Landgericht offen jedenfalls durfe ein ihr von der Verteidigung empfohlenes Vorgehen nicht gegen sie verwendet werden 10 28 Prozesse in den Medien BearbeitenAllgemeine Offentlichkeit Bearbeiten Gerhard Mauz schrieb 1965 anlasslich des dritten Mariotti Prozesses 1963 und 1964 machten die Mariotti Prozesse jeweils fur Wochen Schlagzeilen Das Stuck ist zum Uberdruss gelaufen Die Geschworenen drei Manner drei Frauen kennen es wie die drei Richter es kennen obwohl sie alle 1963 und 1964 nicht direkt beteiligt waren und zweifellos so frisch wie ein weisses Blatt Papier in die Sache eintreten wollten Die Mariotti das klingt wie die Callas wie die Tebaldi da schaltet jeder auf Empfang 29 In der Zeit wurde bereits anlasslich des ersten Prozesses darauf hingewiesen dass eine Verhandlung 17 Jahre nach einem Raubmord eher ungewohnlich sei Als ebenso sensationell wie der Fall selbst wurde hierbei auch das Schwanken der Abneigungen in Presse und Offentlichkeit beschrieben Waren beide zunachst gegen Eva Mariotti eingestellt schwenkte die Abneigung zuungunsten des Vorsitzenden des Gerichtes um 17 Bereits vor der Eroffnung der Hauptverhandlung hatte der Stern eine Darstellung des Tatablaufs veroffentlicht die sich einseitig auf Aussagen Erich Sterbas stutzte 30 Die Bild Zeitung veroffentlichte wahrend des ersten Prozesses am 9 Juli 1963 ein Bild des Zeugen Sterba und eines der Angeklagten je aus dem Jahr 1946 Wahrend er als bereit beschrieben wurde alles fur die Frau die er liebte zu tun wurde uber sie geschrieben sie sei blond kuhl berechnend Sie missbraucht ihn fur ihre Ziele 30 Bild titelte am 10 Juli 1963 Freispruch fur Eva Mariotti und zeigte zusatzlich auf Seite 2 ein Bild von der Feier zum vierzigsten Dienstjubilaum des Vorsitzenden Richters mit der Anmerkung Mariotti Richter feierte gestern sein Jubilaum Am Tag vor dem Urteil Auf Seite 3 war dem ein Bild der nach dem Schlusswort in den Armen einer Warterin zusammengesunkenen Angeklagten gegenubergestellt 18 Die Hamburger Morgenpost vermutete nach dem Beschluss zur Aussetzung des Verfahrens dass der noch zu befragende ehemalige Untermieter der Tat dringend verdachtig sei 18 die Bild Zeitung hatte sogar eine Belohnung zur Ergreifung des angeblich fluchtigen Untermieters ausgelobt 17 Der Mann musste in der Folge kurzzeitig Polizeischutz in Anspruch nehmen 17 Helmut Schmidt kritisierte 1964 die Berichterstattung zum Mariotti Prozess Sowohl die Darstellung der Beschuldigten in der Presse zu Beginn des Verfahrens die wie eine Uberfuhrte behandelt wurde als auch das spatere Umschwenken auf die Darstellung als Unschuldige bevor das Urteil gesprochen war hatten die richterliche Unabhangigkeit beeintrachtigt 31 Die Vorverurteilung wurde in der Zeit auch anderweitig kritisiert 30 Der zweite Mariotti Prozess wurde 1964 in der Zeit mit Hexenprozessen verglichen und als Hexenprozess 1964 bezeichnet 15 Noch 40 Jahre nach den Mariotti Prozessen bezeichnete Die Welt den dritten Mariotti Prozess als absoluten Sensationsprozess 21 In der Fernsehreihe Recht oder Unrecht wurde 1970 in zwei Folgen der Prozess Marrotti dargestellt Das Drehbuch stammte von Robert Adolf Stemmle der auch Regie fuhrte die Rolle der Mariotti wurde von Maria Becker gespielt 32 Die Sendung uber den Fall Mariotti war ausserst authentisch angelegt Aussagen waren wortlich aus Prozessprotokollen entnommen Szenen Originalaufnahmen nachempfunden die Hauptdarstellerin wurde wie die Angeklagte eingekleidet Die Sendung des SWR sollte wie die gesamte Reihe die sich mit Justizirrtumern befasste Anregungen fur Strafrechtsreformen geben 33 In der Anfang 2005 erstmals ausgestrahlten und vom NDR und Radio Bremen co produzierten Reihe Justizirrtum wurde unter dem Titel Mord beim Ave Maria von Raymond Ley auch der Fall Mariotti behandelt 34 Diese Reihe war laut Berliner Zeitung sehenswert wenn auch die Beitrage weniger auf eigenen Recherchen beruhten sondern als Inszenierung angelegt waren 35 In der Welt wurde geschrieben dass die Reihe nur geringfugig niveauvoller sei als Dokumentationen uber sogenannte wahre Verbrechen auf Privatsendern insbesondere bei der Folge Mord beim Ave Maria seien die Spielszenen peinlich naiv inszeniert 36 Der Tagesspiegel urteilte dass man angesichts der in verschiedenen Variationen nachgestellten Mordszene froh uber den spaten Sendetermin sei 37 Der Dokumentarfilmer Jorg Kunkel und der Historiker Thomas Schuhbauer gaben zur Reihe von 2005 ein Begleitbuch heraus 38 Fachoffentlichkeit Bearbeiten In der Folge des Auftretens des Generalstaatsanwaltes wahrend des Pladoyers im letzten Mariotti Prozess entstand eine Fachdiskussion um die Frage der Verwertbarkeit des Schweigens eines Angeklagten in der Hauptverhandlung 39 Eroffnet wurde die Debatte durch einen Aufsatz des Bundesanwalts Max Kohlhaas in der Deutschen Richterzeitung 40 In diesem Aufsatz kritisierte Kohlhaas zum einen das Auftreten des Generalstaatsanwaltes und widersprach Buchholz Auffassung zum anderen auch rechtlich Nach Kohlhaas Auffassung sollte es sich beim Bestreiten der Tat um eine Teileinlassung handeln das Schweigen sei luckenhaft und damit der richterlichen Beweiswurdigung zuganglich Buchholz habe mit seinem Eingriff ohne Robe sich selbst der Gefahr ausgesetzt sich in eine peinliche Lage zu bringen er habe ausserdem eine moralische Abwertung des Sitzungsvertreters herbeigefuhrt und so einen allgemeinen Schaden in der Offentlichkeit verursacht In der Juristischen Rundschau griff der Staatsanwalt Hans Fuhrmann die Kritik von Kohlhaas an Buchholz auf Fuhrmanns Ansicht nach sei das Zeugnisverweigerungsrecht eines Angeklagten auf die vollstandige Verweigerung aller Einlassungen beschrankt In allen ubrigen Fallen wie auch dem der Mariotti musse der Grundsatz der freien Beweiswurdigung erhalten bleiben alles andere sei lebensfremd Buchholz hatte sich vor seinen Ausserungen uber die Rechtslage versichern mussen das sei ein derartig hoher Reprasentant der Justiz seinem Amte schuldig 41 Die Auffassung von Buchholz wurde geteilt von Gerhard F Kramer einem seiner Vorganger im Amt des Generalstaatsanwalts der Kohlhaas vorwarf sich auf eine veraltete Gesetzesfassung und die hierzu ergangene hochstrichterliche Rechtsprechung zu berufen 39 Es war 1964 zur sogenannten Kleinen Strafprozessrechtsreform gekommen die Teil eines langer andauernden Reformprozesses des Straf und Strafprozessrechts war 42 Mit Beschluss vom 29 August 1974 entschied der 4 Strafsenat des Bundesgerichtshofes die rechtliche Streitfrage dahingehend dass das Schweigen eines Angeklagten nicht gegen ihn verwendet werden durfe wenn er ansonsten die Tat nur bestreite 43 Der 5 Strafsenat des Bundesgerichtshofes schloss sich dem 1992 an und entschied Allerdings darf bei Teileinlassung des Angeklagten sein Schweigen zu einzelnen Fragen gegen ihn verwertet werden BGHSt 20 298 32 140 145 BGH bei Dallinger MDR 1968 203 Eine Teileinlassung in diesem Sinne ist jedoch dann nicht gegeben wenn der Beschuldigte seine Schuld lediglich grundsatzlich bestreitet 44 Literatur BearbeitenRaymond Ley Mord beim Ave Maria Der Fall Eva Maria Mariotti In Jorg Kunkel Thomas Schuhbauer Justizirrtum Deutschland im Spiegel spektakularer Fehlurteile Campus Frankfurt am Main 2004 ISBN 3 593 37542 7 S 53 93 Gerhard Strate Der einundzwanzigste Tag des Mariotti Prozesses zum Gedenken an Generalstaatsanwalt Ernst Buchholz in Albers u a Hrsg Recht und Juristen in Hamburg 1995 S 153 ff Online Fassung mit Erganzungen Gerhard Mauz Hinrichtung mit dem Handbeil in Gerhard Mauz Die grossen Prozesse der Bundesrepublik Deutschland herausgegeben von Gisela Friedrichsen zu Klampen Springe 2005 ISBN 3 934920 36 5 S 129 135 erstmals veroffentlicht unter dem Titel Gerhard Mauz Stock Stab Stuhlbein oder was auch immer In Der Spiegel Nr 24 1965 online 9 Juni 1965 Weblinks BearbeitenMARIOTTI PROZESS Schoner Kampf PRESSE In Der Spiegel Nr 29 1963 online 17 Juli 1963 Zitat Die Berufsrichter des Schwurgerichts wollten die Angeklagte verurteilen die Geschworenen wollten Eva Mariotti freisprechen Einzelnachweise Bearbeiten a b c d e Ruth Herrmarm Frau Knorr weiss alles Die Zeit Ausgabe Nr 9 1964 vom 28 Februar 1964 Dierk Strothmann Eva Maria Mariotti Ein fluchtiges Leben Hamburger Abendblatt vom 14 Juli 2007 Raymond Ley Mord beim Ave Maria Der Fall Eva Maria Mariotti In Jorg Kunkel Thomas Schuhbauer Justizirrtum Deutschland im Spiegel spektakularer Fehlurteile S 72 75 Anne K Strickstrock Auf den Spuren der Serienmorder Bergedorfer Zeitung 12 September 2009 Bettina Mittelacher Eva Mariotti ein Lebensdrama vor Gericht Hamburger Abendblatt vom 20 Februar 2006 Raymond Ley Mord beim Ave Maria Der Fall Eva Maria Mariotti In Jorg Kunkel Thomas Schuhbauer Justizirrtum Deutschland im Spiegel spektakularer Fehlurteile S 54 55 a b c d e f Gerhard Mauz Hinrichtung mit dem Handbeil in Gerhard Mauz Die grossen Prozesse der Bundesrepublik Deutschland herausgegeben von Gisela Friedrichsen zu Klampen Verlag Springe 2005 ISBN 3934920365 S 130 131 erstmals veroffentlicht unter dem Titel Gerhard Mauz Stock Stab Stuhlbein oder was auch immer In Der Spiegel Nr 24 1965 online 9 Juni 1965 Martin Morlock Kelch der Bitternis Der Spiegel 12 1964 vom 17 Marz 1964 Gerhard Mauz Hinrichtung mit dem Handbeil In Gerhard Mauz Die grossen Prozesse der Bundesrepublik Deutschland herausgegeben von Gisela Friedrichsen zu Klampen Verlag Springe 2005 ISBN 3934920365 S 129 erstmals veroffentlicht unter dem Titel Gerhard Mauz Stock Stab Stuhlbein oder was auch immer In Der Spiegel Nr 24 1965 online 9 Juni 1965 a b c d e f g h i j k Gerhard Strate Der einundzwanzigste Tag des Mariotti Prozesses zum Gedenken an Generalstaatsanwalt Ernst Buchholz Raymond Ley Mord beim Ave Maria Der Fall Eva Maria Mariotti In Jorg Kunkel Thomas Schuhbauer Justizirrtum Deutschland im Spiegel spektakularer Fehlurteile S 76 Lenker und Diener des Hauses Die Welt vom 14 April 2007 Der Medienstratege hinter den Kulissen Die Welt vom 13 April 2007 Gerhard Mauz Zehn Pfund Rhabarber Der Tagesspiegel vom 14 April 2002 a b Im Zweifelsfall gegen die Frau Die Zeit Ausgabe Nr 14 1964 vom 3 April 1964 Gerhard Mauz Gedenkt unsrer mit Nachsicht In Der Spiegel Nr 20 1992 online 11 Mai 1992 a b c d e Prozess ohne Urteil Die Zeit Ausgabe Nr 29 1963 vom 19 Juli 1963 a b c Mariotti Prozess Schoner Kampf In Der Spiegel Nr 29 1963 online 17 Juli 1963 Jurgen Franke In honore robur Nachruf auf Wolf Dietrich Ehrhardt auf der Homepage des Hamburgischen Richtervereins a b Wahrscheinlichkeit und Wahrheit Die Zeit Ausgabe Nr 12 1964 vom 20 Marz 1964 a b c d e Duell der Staatsanwalte im Gerichtssaal Die Welt vom 3 Juli 2005 a b Rudolf Augstein Die vielen Saulen des Richters Seibert In Der Spiegel Nr 18 1970 online 27 April 1970 a b c d e f Ruth Herrmann Des Morddramas dritter Akt Die Zeit vom 18 Juni 1965 Mariotti Prozess In Der Spiegel Nr 27 1965 online 30 Juni 1965 a b Freude und Holz In Der Spiegel Nr 29 1965 online 14 Juli 1965 Hans Dieter Otto Das Lexikon der Justizirrtumer Ullstein Verlag 2003 ISBN 3548364535 S 135 Gernot Facius Servatius wird 80 Jahre Welt Online vom 14 April 2012 Mogliches Mosaik Die Zeit Ausgabe 30 1965 vom 23 Juli 1965 Gerhard Mauz Hinrichtung mit dem Handbeil in Gerhard Mauz Die grossen Prozesse der Bundesrepublik Deutschland herausgegeben von Gisela Friedrichsen zu Klampen Verlag Springe 2005 ISBN 3934920365 S 129 f erstmals veroffentlicht unter dem Titel Gerhard Mauz Stock Stab Stuhlbein oder was auch immer In Der Spiegel Nr 24 1965 online 9 Juni 1965 a b c Welche Frauen sind unsympathisch Die Zeit Ausgabe Nr 14 1964 vom 3 April 1964 Helmut Schmidt Privilegien und Pflichten der Presse Die Zeit Ausgabe Nr 5 1964 vom 31 Januar 1964 Prozess Marrotti Teil 1 in der Internet Movie Database englisch Prozess Marrotti Teil 2 in der Internet Movie Database englisch Nach Vorlagen In Der Spiegel Nr 42 1970 online 12 Oktober 1970 Justizirrtum 2 Mord beim Ave Maria Informationen bei Nordmedia Memento des Originals vom 9 Marz 2014 im Internet Archive nbsp Info Der Archivlink wurde 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