www.wikidata.de-de.nina.az
Das Kloster Jerichow mit seiner Stiftskirche St Marien und St Nikolaus ist eine romanische auf ein ehemaliges Pramonstratenser Chorherrenstift zuruckgehende Klosteranlage in der Stadt Jerichow im Osten des Bundesland Sachsen Anhalt Die Anlage ist als Baudenkmal ausgewiesen und ist eine der Stationen an der Strasse der Romanik Kloster Jerichow im Luftbild von Sudwesten Inhaltsverzeichnis 1 Baugeschichtliche Bedeutung 2 Kirchenrechtlich ordenshistorische Einordnung 3 Geschichte 4 Architektur der Kirche 5 Ausstattung 6 Glocken 7 Klausurgebaude 8 Literatur 9 Weblinks 10 EinzelnachweiseBaugeschichtliche Bedeutung BearbeitenDie Stiftskirche St Marien und St Nikolaus gehort als herausragendes Beispiel der Backsteinromanik zu den altesten dieser Bauten in Norddeutschland und besitzt durch ihre kunstlerische Vollendung eine Schlusselstellung fur die markische Backsteinarchitektur Die Basilika gehort der Spatromanik an dazu gehoren auch die leicht angespitzten Halbkuppeln der Apsiden und die Kapitell formen der Krypta Die ab 1256 errichteten Turme hingegen gehoren hinsichtlich Bauzeit und Fensterformen schon der Gotik an Kaum ein anderes romanisches Bauwerk hat nach seiner Errichtung so wenig spatere Veranderungen erfahren wie die Stiftskirche der Pramonstratenserpropstei Jerichow Fur den Technik und Stiltransfer aus Italien ist bedeutsam dass in Jerichow an der Errichtung wenigstens in der Anfangszeit Bauleute aus Italien mitgewirkt haben 1 Diese direkte Mitwirkung ist nur fur sehr wenige Bauten in Norddeutschland nachgewiesen nbsp Stiftskirche St Marien und St Nikolaus des Klosters in einer Ansicht nbsp Stiftskirche des Klosters in einer Ansicht nbsp Hofansicht des Klosters nbsp Apsiden Chor Querhaus und Schiff der Stiftskirche 1149 1172 ein Pionierwerk der Backsteinromanik nbsp Westfassade und Turme der Stiftskirche 1256 1262 ein Werk der FruhgotikKirchenrechtlich ordenshistorische Einordnung BearbeitenOrdensgeschichtlich handelte es sich in Jerichow nicht um ein Monchskloster sondern um ein Chorherrenstift des Pramonstratenserordens im Range einer selbstandigen Propstei Die Pramonstratenser folgen als Regularkanoniker der Ordensregel des Hl Augustinus von Hippo Dennoch wurde und wird Jerichow haufig allgemein als Kloster bezeichnet wahrend die baulich und kirchenrechtlich vergleichbaren Kreuzganganlagen neben dem Magdeburger Dom dem Havelberger Dom und St Peter und Paul Brandenburg an der Havel korrekter als Stift hier zum Teil als Domstifte und nicht als Kloster bezeichnet werden In allen vier Fallen handelte es sich um Niederlassungen von Pramonstratenser Chorherren Jerichow war zudem Sitz eines Archidiakonats und betreute elf Pfarreien Geschichte Bearbeiten nbsp Westliches Klostergebaude mit Kreuzgang unter ArkadenDas Kloster wurde 1144 in der Nahe des Jerichower Marktes als Pramonstratenserstift von Dompropst Hartwig von Bremen gegrundet Die ersten Pramonstratenser Chorherren kamen aus dem Magdeburger Liebfrauenstift Jerichow gehorte zur Sachsischen Zirkarie des Ordens Im Jahr 1148 wurde das Kloster nach ausserhalb des Ortes an seine heutige Stelle verlegt und dort 1149 mit dem Bau der Stiftskirche begonnen Unter Propst Isfried 1159 1179 wurden 1172 die Kirche und der Ostflugel fertiggestellt Eine Beteiligung von Chorherren aus Jerichow bei der Grundung des Klosters Gramzow 1176 77 ist wahrscheinlich Zwischen 1180 und 1200 erfolgte dann in Jerichow der Bau einer Krypta Ausserdem wurde die Kirche um die Nebenchore erweitert gefolgt von der Errichtung des Winterrefektoriums und des Amtshauses Von 1220 und 1230 erbaute man das Sommerrefektorium und den Kreuzgang Um das Jahr 1250 konnten die Bauarbeiten an den Klostergebauden schliesslich beendet werden Das Turmjoch mit den beiden markanten Turmen wurde erst 1256 1262 vor die Kirche gesetzt 2 Dementsprechend weisen sie abgesehen vom Westportal und stilistisch neutralen Friesen vor allem gotische Formen auf Nach der Reformation wurde das Kloster Jerichow im 16 Jahrhundert aufgehoben Die letzten Chorherren mussten das Kloster verlassen Im Dreissigjahrigen Krieg kehrten die Pramonstratenser 1628 zuruck bis 1631 kaiserliche und schwedische Truppen die Stiftsgebaude und anlagen verwusteten Im Jahr 1680 wurde Jerichow schliesslich kurbrandenburgische Staatsdomane Auf Anweisung von Kurfurst Friedrich Wilhelm von Brandenburg erfolgte 1685 die Instandsetzung der Kirche Erst fast 200 Jahre spater erfolgten erneute Reparaturarbeiten Von 1853 bis 1856 wurde die Klosterkirche durch Ferdinand von Quast saniert Zum Ende des Zweiten Weltkriegs wurde wahrend der Kampfe zwischen der Wehrmacht und den US Truppen die Westfassade der Klosterkirche durch amerikanische Artillerie beschadigt Nach dem Krieg kam es 1946 zu einem Dachstuhlbrand des Ost und des Sudflugels Wahrend der DDR Zeit erfolgte zwischen 1955 und 1960 die Instandsetzung der Klosterkirche und die Wiederherstellung des stilreinen romanischen Innenraums Das Museum im Ostflugel wurde 1977 eroffnet Zwar wurde von 1985 bis 1986 das Sommerrefektorium restauriert aber die Schaden an den verbliebenen Klostergebauden waren gravierend So musste 1998 die gesamte Klosteranlage wegen schwerer Bauschaden baupolizeilich gesperrt werden Die dann durchgefuhrten Sicherungs und Restaurierungsmassnahmen fuhrten 1999 zur Aufhebung der Sperrung die Arbeiten zum Erhalt der Klosteranlage wurden jedoch mehrere Jahre fortgesetzt Am 13 Dezember 2004 wurde die Stiftung Kloster Jerichow gegrundet Die Stifter sind das Land Sachsen Anhalt die Evangelische Kirche in Mitteldeutschland EKM der Landkreis Jerichower Land die Stadt Jerichow die evangelische Kirchengemeinde Jerichow und der Forderverein Erhaltet Kloster Jerichow e V Mit dieser Grundung sind die ehemaligen seit der Auflosung des Klosters verstreuten Besitztumer wie Kirchengebaude Klausurgebaude und ehemalige Staatsdomane wieder zusammengefasst worden Die Stiftung ist eine Stiftung nach privatem Recht Mit Wirkung vom 1 Januar 2022 wurde die Stiftung Kloster Jerichow in die Kulturstiftung Sachsen Anhalt uberfuhrt Das Kloster Jerichow gehort damit zum Vermogensbestand der offentlich rechtlichen Kulturstiftung Sachsen Anhalt 3 Architektur der Kirche Bearbeiten nbsp Draufsicht auf Klosterkirche Klosterhof mit Kreuzgang und NebengebaudenDie Stiftskirche ist eine funfjochige flachgedeckte Saulenbasilika und zeigt das vollstandige Bauprogramm einer romanischen Kirche mit Krypta Querhaus und dreiteiligem Chor Sie war nach einer Urkunde aus dem Jahr 1172 zu diesem Zeitpunkt im Wesentlichen vollendet doch gibt es nur wenige Unterlagen zur Baugeschichte Trotz der fur Mitteldeutschland fruhen Bauzeit weist das Bauwerk bereits eine perfekte Backsteinbautechnik auf Es wird angenommen dass diese Technik durch oberitalienische Fachkrafte welche nach Fertigstellung der Stiftskirche an kleineren Kirchenbauten weiterarbeiteten vermittelt wurde 4 Doch stehen Teile der Kirche und die Pfeiler auf einem Sockel aus Grauwacke was fur eine Veranderungen des Bauplans bzw des verwendeten Materials oder sogar fur die Existenz eine Vorlauferbaus aus Holz und Lehm spricht 5 Die Architektur der Stiftskirche hatte Einfluss auf umliegende Dorfkirchen wie in Schonhausen Konigsmark Giesenslage Redekin Melkow Grosswulkow und Wust in denen das Bauprogramm in reduzierter Form ubernommen wurde die jedoch in der Bautechnik teilweise fast an das Vorbild heranreichen Der ursprunglich einschiffige Chor wurde in Abanderung des Plans wohl noch wahrend der ersten Bauzeit mit tonnengewolbten Nebenchoren versehen Die drei Chorteile sind jeweils mit einer Apsis ausgestattet Das Aussere ist schlank proportioniert und reich mit Lisenen Kreuzbogen und Zahnschnittfriesen verziert Die feierliche Strenge des Innenraums wurde durch die Restaurierungen von 1856 und 1955 1960 noch betont Die Brustung des Chores und die Aufgange zum Chor wurden erst bei der Restaurierung 1856 eingebaut ebenso die Westempore Die zweischiffige Krypta zeigt an den Saulen Kapitelle in hellgrauem Sandstein mit aufwandigen feingearbeiteten Palmetten und Diamantbandverzierungen teils auch figurliche Darstellungen aus der Zeit um 1180 Die Kirche besitzt einen Westbau der erst in der zweiten Halfte des 15 Jahrhunderts mit den oberen Geschossen und den Spitzhelmen versehen wurde In gotischer Zeit erfolgte auch der zweigeschossige Ausbau des sudlichen Nebenchores nbsp Blick aus dem Mittelschiff nach Osten in Vierung Chor und Apsis nbsp Chorquadrum und Apsis nbsp Blick aus dem Mittelschiff nach Westen nbsp Krypta nbsp Kapitell in der KryptaAusstattung Bearbeiten nbsp OsterleuchterDer Fuss eines Osterleuchters mit einer vermutlich ursprunglich nicht zugehorigen gedrehten Saule aus Sandstein ist wohl um 1170 entstanden Er zeigt in niedrigen Rundbogenarkaden sechs Halbfiguren von hochromanischer Strenge Zu erwahnen ist weiterhin ein Taufstein aus Sandstein aus der ersten Halfte des 13 Jahrhunderts der an der sechzehnseitigen kannelierten Kuppa mit Halbkreisschilden mit Blattwerk verziert ist Ein zweiter achtseitiger Taufstein entstammt spatgotischer Zeit Am westlichen Pfeiler der Krypta ist ein feingearbeitetes Sandsteinrelief der Marienkronung zu sehen das aus dem vierten Viertel des 14 Jahrhunderts stammt Die Verglasung aus den Jahren 2006 2009 insgesamt 54 Fenster stammt von Jochem Poensgen Einige Grabdenkmaler und Epitaphien aus dem Mittelalter und aus der fruhen Neuzeit sind in der Turmhalle und in der Krypta aufgestellt Davon sind die zwei Epitaphien in Hochrelief fur die zwei Ritter H von Griben und H H Grope beide 1370 und die Figurengrabsteine fur J von Meyendorf 1303 und einen Geistlichen 1342 sowie der Grabstein in Flachrelief fur H von Krusemark 1566 zu erwahnen Glocken BearbeitenZwei historisch bedeutsame Kirchenglocken bilden das Gelaut Die kleinere Glocke stammt aus der Zeit um 1300 und ist in sogenannter Zuckerhutrippe gegossen worden Ihre Inschrift nennt den Namen des Giessers Die Glocken hangen im Holzglockenstuhl an neuen geraden Holzjochen 6 Nr Name Gussjahr Giesser Durchmesser mm Gewicht kg Nominal 16tel 1 Osanna 1354 unbekannt 1473 1476 2000 d1 92 Zuckerhutglocke nach 1300 Meister Tamo 675 250 g2 2Klausurgebaude Bearbeiten nbsp Ostflugel des Kreuzgangs Blick nach Norden nbsp Kapitell im Sommerrefektorium nbsp Der als Monch verkleidete predigende FuchsDie Klausurgebaude sind zu grossen Teilen wenn auch vielfach verandert erhalten Sie werden durch ein Saulenportal das Chorherrenportal am sudlichen Seitenschiff der Kirche erschlossen das eine moralisierende Darstellung von einem predigenden Fuchs in der Monchskutte zeigt die sog Gansepredigt Der Ostflugel der Klausur ist gemeinsam mit der Kirche im dritten Viertel des 12 Jahrhunderts entstanden Er enthielt einst neben der Kirche den Kapitelsaal die Kuche eine Treppe zum Dormitorium und zwei jeweils dazwischen befindliche Rechteckraume Im zweischiffigen dreijochigen Kapitelsaal werden die sechs Kreuzgratgewolbe von zwei Saulen getragen die vermutlich alter als diejenigen der Krypta sind Vom Kreuzgang her wird der Kapitelsaal durch ein doppeltes Rundbogenportal erschlossen Die Kuche wird von vier Kreuzgratgewolben uber einer Mittelsaule mit Wurfelkapitell abgeschlossen Der gegen 1240 hinzugefugte Sudflugel der Klausur enthalt das Sommer und das Winterrefektorium die jeweils aus zwei Schiffen und vier Jochen bestehen die ursprunglich mit dem Kreuzgang verbunden waren In der sehr fruh erfolgten Vermauerung wurden Freipfeiler wechselnder Form entdeckt Die drei Saulen in der Raummitte des ostlich gelegenen Sommerrefektoriums haben feingearbeitete Kapitelle mit Rankenwerk und Akanthusschmuck Das westliche Winterrefektorium ist schlichter das westliche Joch ist durch eine Mauer abgetrennt Die Mittelstutzen zeigen an den Kapitellen Palmettenschmuck und Vogel Der Westflugel der Klausur wurde mehrfach eingreifend verandert Der mit grossen breiten Spitzbogenarkaden zum Hof geoffnete Kreuzgang stammt in den westlichen Teilen aus dem 13 Jahrhundert der nordliche Kreuzgangflugel ist nicht erhalten Der Kreuzgang ist mit Kreuzgratgewolben geschlossen Aus unbenutzten Konsolen mit Palmettenschmuck im Nordjoch des Westflugels lasst sich schliessen dass der Kreuzgang und beide Refektorien bei Erneuerungsarbeiten im 15 Jahrhundert neu gewolbt wurden Literatur BearbeitenGottfried Wentz Die staatsrechtliche Stellung des Stiftes Jerichow Sachsen und Anhalt Band 5 1929 S 291 299 Die Urkunden des Jerichower Stiftsarchivs uni halle de Georg Dehio Handbuch der Deutschen Kunstdenkmaler Der Bezirk Magdeburg Akademie Verlag Berlin 1975 S 213 217 Reinhard Schmitt Baugeschichtliche Untersuchungen in der Klausur des Klosters Jerichow In Magdeburger Blatter 1989 S 75 82 1990 S 30 38 Reinhard Schmitt Bauarchaologische Forschungen in der Klausur des Pramonstratenserstiftes Jerichow In Die mittelalterliche Plastik in der Mark Brandenburg Berlin 1990 S 40 46 Rolf Naumann Das Klostermuseum Jerichow 4 Auflage Deutscher Kunstverlag Munchen Berlin 1996 Weblinks Bearbeiten nbsp Commons Kloster Jerichow Sammlung von Bildern Website der Stiftung Kloster Jerichow Abgerufen am 9 Dezember 2018 Kloster Jerichow Sachsen Anhalt In Denkmalschutz de Abgerufen am 9 Dezember 2018 Klosterkirche Jerichow In Denkmalschutz de Abgerufen am 9 Dezember 2018 Stiftung Kloster Jerichow Objektsammlung des Klosters Jerichow In museum digital Abgerufen am 9 Dezember 2018 Raymond Faure Kloster und Klosterkirche St Marien und Nikolaus in 335 Bildern In raymond faure com Abgerufen am 9 Dezember 2018 Kloster Jerichow In Routen der Romanik in Berlin und Brandenburg Abgerufen am 27 Oktober 2023 Ein mittelalterlicher Bratspiesshalter aus dem Pramonstratenserstift Jerichow In Bodendenkmalpflege Fund des Monats Januar 2013 Landesmuseum fur Vorgeschichte Halle Saale Januar 2013 abgerufen am 14 Februar 2023 Klosteranlage Jericho Wiege des norddeutschen Backsteinbaus Baugeschichte In kloster jerichow de Kulturstiftung Sachsen Anhalt abgerufen am 14 Februar 2023 Einzelnachweise Bearbeiten Academia edu Einleitung des Artikels von Yves Hoffmann Backsteinturme des 12 und 13 Jahrhunderts auf Burgen in Obersachsen und Ostthuringen 2008 1256 und 1262 sind dendrochronologische Datierungen siehe Dehio Handbuch Sachsen Anhalt Bd I 2002 ISBN 978 3 422 03069 5 Pressestelle der Staatskanzlei Sachsen Anhalt Kulturarbeit und Arbeitsplatze im Kloster Jerichow langfristig gesichert Stiftung Kloster Jerichow wird 2022 in die Kulturstiftung Sachsen Anhalt uberfuhrt Abgerufen am 3 Januar 2022 Damian Kaufmann Die romanischen Backsteindorfkirchen in der Altmark und im Jerichower Land Verlag Ludwig Kiel 2010 ISBN 978 3 86935 018 9 S 154 Baugeschichte auf geschichtstouren de Constanze Treuber Gegossene Vielfalt Hinstorff Rostock 2007 S 77 78 Normdaten Geografikum GND 1083295403 lobid OGND AKS VIAF 40145602494001361977 52 502266666667 12 015827777778 Koordinaten 52 30 8 2 N 12 0 57 O Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Kloster Jerichow amp oldid 238549229