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Joseph Scholmer eigentlich Joseph Scholmerich 19 August 1913 in Obercasbach Landkreis Neuwied 1 April 1995 in Bonn war ein deutscher Humanmediziner Sozialist und Sachbuchautor Er war ein Opfer des Nationalsozialismus und des Stalinismus Inhaltsverzeichnis 1 Leben 2 Schriften 3 Literatur 4 Weblinks 5 EinzelnachweiseLeben BearbeitenJoseph Scholmerichs Bruder war der deutsche Internist und Hochschullehrer Paul Scholmerich Scholmerich war Mitglied des Kommunistischen Jugendverbandes Deutschlands KJVD Er studierte Medizin an der Universitat Bonn wo er im Jahr 1933 der Sozialistischen Arbeitsgemeinschaft SAG angehorte einer KPD nahen Oppositionsgruppe gegen den Nationalsozialismus die nach der Machtubernahme Hitlers verboten wurde 1 Da die Mitgliederliste im Rektorat hinterlegt war und Scholmerich mit seiner Verhaftung rechnete emigrierte er 1933 fur ein Jahr in die Schweiz und setzte an der Universitat Basel sein Studium fort Nach dem Studium war er ab 1940 am Institut fur Rontgenologie und Radiologie der Universitat Leipzig tatig Im August 1944 verhaftete ihn die Gestapo wegen der Zugehorigkeit zur antifaschistischen Untergrundorganisation Nationalkomitee Freies Deutschland Es folgte die Verurteilung durch den Volksgerichtshof und die Haft im Gefangnis Plotzensee Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs lebte Scholmerich in der sowjetischen Besatzungszone SBZ und trat der Kommunistischen Partei Deutschlands KPD bei Nach der Zwangsvereinigung von SPD und KPD zur SED wurde er Mitglied der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands SED Er wirkte als Direktor des Krankenhauses in Dobeln und ab Oktober 1945 als Ministerialdirektor in der im sowjetischen Sektor Berlins gebildeten Deutschen Zentralverwaltung fur das Gesundheitswesen Aus Protest gegen die Stalinisierung der SBZ und die Verhaftung des Vorgesetzten Paul Konitzer trat er im Jahr 1948 aus der SED aus Im April 1949 wurde Scholmerich wegen seiner Opposition gegen den Stalinismus vom sowjetischen Ministerium fur Staatssicherheit MGB in Ost Berlin verhaftet und in dessen zentraler Untersuchungshaftanstalt dem U Boot inhaftiert Ausweglosigkeit und permanenter Schlafentzug brachten ihn so weit dass er zugab amerikanischer englischer und ehemaliger Gestapo Agent zu sein 2 Ein Fernurteil einer sicherheitsdienstlichen Sonderkonferenz OSO des MGB in Moskau verurteilte ihn gemass Artikel 58 des Strafgesetzbuches der RSFSR wegen Spionage und Sabotage zu 25 Jahren Zwangsarbeit 3 Es folgte im Juli 1950 die Deportation in das Arbeitslager Workuta zum Steinkohleabbau unter Tage 4 Mitte Dezember 1953 verliess Scholmerich mit einem Gefangenentransportzug Workuta Der Transport kam am 21 Januar 1954 im Entlassungslager Furstenwalde in der DDR an Aus der Gefangenschaft entlassen fluchtete Scholmerich umgehend nach West Berlin wo er sich als Heimkehrer anmeldete Im April 1954 heiratete er in Berlin Ursula Rumin die ebenfalls aus dem Arbeitslager Workuta entlassen worden war Im Jahr 1954 veroffentlichte Scholmerich der sich nun Joseph Scholmer nannte unter dem Titel Die Toten kehren zuruck Bericht eines Arztes aus Workuta beim Verlag Kiepenheuer amp Witsch den ersten Zeitzeugen bericht eines deutschen Nachkriegshaftlings uber das sowjetische Arbeitslager system Gulag Im Jahr 1963 erschien das Buch erneut unter dem Titel Arzt in Workuta Bericht aus einem sowjetischen Straflager Beide Bucher erreichten mehrere Auflagen und wurden in verschiedene Sprachen ubersetzt Scholmer zog 1955 in seinen Geburtsort Kasbach am Rhein arbeitete fortan als freier Autor sowie Publizist und engagierte sich beim Kongress fur kulturelle Freiheit CCF Nach der Scheidung von Ursula Rumin im Jahr 1959 heiratete Scholmer 1963 zum dritten Mal und grundete eine Familie In Kasbach und Linz am Rhein lebten mehrere DDR Fluchtlinge die zum Bekanntenkreis von Jo Scholmer gehorten wie Wanda Bronska Pampuch Peter Jokostra Wolfgang Leonhard Herbert Kasten Carola Stern Hermann Weber sowie Ingrid und Gerhard Zwerenz Auf Scholmers Anregung begann damals die junge Ute Erb den Roman Die Kette an deinem Hals zu schreiben der wahrend sie im Kibbuz Gal ed arbeitete im Jahr 1960 in der Bundesrepublik erschien 5 Scholmer trat in die Sozialdemokratische Partei Deutschlands SPD ein und publizierte als Joseph Scholmer und Jo Scholmer fur den Vorwarts das Deutsche Arzteblatt sowie in der Zeitschrift Der dritte Weg die von 1959 bis 1964 erschien Die Zeitschrift trat fur ein demokratisch sozialistisches Deutschland ein und setzte sich kritisch mit der Adenauer schen Restaurationspolitik in der Bundesrepublik und der unter Walter Ulbricht im Dogma des Marxismus Leninismus erstarrten DDR auseinander Im Jahr 1970 schrieb er einige Texte fur den Deutschlandfunk in Koln In den Jahren von 1971 bis 1984 verfasste er drei kritische Bucher uber die zunehmende Kommerzialisierung des Gesundheitswesens in der Bundesrepublik Deutschland und nahm als Delegierter des SPD Bezirks Rheinland Hessen Nassau am Bundesparteitag der SPD 1973 in Hannover teil Ein langjahriger guter Bekannter Scholmers war der Historiker Hermann Weber der ihn nach dem Schlaganfall mehrmals besuchte die Grabrede am 6 April 1995 hielt und in dem Buch Leben nach dem Prinzip links erwahnte Der Internist und Hochschullehrer Jurgen Scholmerich und der Psychologe und Hochschullehrer Axel Scholmerich sind seine Neffen Schriften BearbeitenDie Toten kehren zuruck Bericht eines Arztes aus Workuta Kiepenheuer amp Witsch Koln 1954 Arzt in Workuta Bericht aus einem sowjetischen Straflager Deutscher Taschenbuch Verlag Munchen 1963 mit Winfried Ridder Die DKP Programm und Politik Herausgegeben von der Friedrich Ebert Stiftung Verlag Neue Gesellschaft Bonn Bad Godesberg 1970 Die Krankheit der Medizin Luchterhand Neuwied 1971 Patient und Profitmedizin Das Gesundheitswesen in der Bundesrepublik zwischen Krise und Reform Westdeutscher Verlag Opladen 1973 ISBN 3 531 11237 6 Das Geschaft mit der Krankheit Eine Bilanz unseres Gesundheitssystems seit 1970 Kiepenheuer und Witsch Koln 1984 ISBN 3 462 01651 2 Einer der leichteren Falle Der Arzt Joseph Scholmer berichtet aus seiner Arbeit im Widerstand In Demokratisches Gesundheitswesen Band 3 1986 S 14 f Texte fur den DeutschlandfunkNach der Befreiung Deutsche Genossen und sowjetische Besatzungsmacht Deutschlandfunk Koln 1970 Das zweite Ich von Karl Marx Vor 75 Jahren starb Friedrich Engels Deutschlandfunk Koln 1970 Die Besitzer einer Datscha Notizen uber die Sowjetgesellschaft Deutschlandfunk Koln 1970 postum mit Ursula Rumin Freche Jungs und bose Buben Jugendjahre am Rhein Triga der Verlag Grundau Rothenbergen 2010 ISBN 978 3 89774 764 7 Literatur BearbeitenJoseph Scholmerich In Hermann Weber Gerda Weber Leben nach dem Prinzip links Christoph Links Verlag Berlin 2006 ISBN 3 86153 405 3 S 341 342 und 441 442 online Ralf Forsbach Die Medizinische Fakultat der Universitat Bonn im Dritten Reich R Oldenbourg Munchen 2006 ISBN 978 3 486 57989 5 S 599 Wladislaw Hedeler Horst Hennig Hrsg Schwarze Pyramiden rote Sklaven Der Streik in Workuta im Sommer 1953 Eine dokumentierte Chronik Leipziger Universitats Verlag Leipzig 2007 ISBN 978 3 86583 177 4 S 49 68 73 96 138 140 205 227 276 Gudrun Hentges Staat und Politische Bildung Von der Zentrale fur Heimatdienst zur Bundeszentrale fur Politische Bildung Mit einem Vorwort von Christoph Butterwegge Springer VS Wiesbaden 2013 ISBN 978 3 531 18670 2 S 364 369 388 393 399 Gerhard Naser Hausarzte in der DDR Relikte des Kapitalismus oder Konkurrenz fur die Polikliniken Eppe Bergatreute 2000 ISBN 3 89089 603 0 S 64 Andreas Petersen Deine Schnauze wird dir in Sibirien zufrieren Ein Jahrhundertdiktat Erwin Joris Marixverlag Wiesbaden 2012 ISBN 978 3 86539 284 8 S 454 Gerd Laudert Der rote Doktor Arzt Kommunist Antistalinist Autor Joseph Scholmerich 1913 1995 Metropol Verlag Berlin 2019 ISBN 978 3 86331 494 1 Weblinks BearbeitenLiteratur von und uber Joseph Scholmer im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek Joseph Scholmer Lebenslauf In Website Workuta de Abgerufen am 13 Juni 2015 Biographie Joseph Scholmer In Website von Memorial Deutschland Abgerufen am 13 Juni 2015 Scholmer Joseph In Bibliographieportal zur Geschichte Ostmitteleuropas des Herder Instituts Abgerufen am 13 Juni 2015 Nachlass Bundesarchiv NY 4520Einzelnachweise Bearbeiten Ralf Forsbach Die medizinische Fakultat der Universitat Bonn im Dritten Reich Oldenbourg Munchen 2006 ISBN 978 3 486 57989 5 S 598 f Von der Gedenkstatte Berlin Hohenschonhausen Memento vom 17 Juni 2015 im Internet Archive veroffentlichter Textausschnitt aus Joseph Scholmer Arzt in Workuta Bericht aus einem sowjetischen Straflager Munchen 1963 S 15 24 Eine OSO war ein quasigerichtliches Verwaltungsinstrument unter Federfuhrung des MGB das nach geheimpolizeilicher Aktenlage ohne Anhorung des Betroffenen Urteile fallte wenn das Untersuchungsorgan keine Beweise nutzen konnte obwohl die Schuld des Verhafteten unzweifelhaft ist Siehe dazu Andreas Hilger Mike Schmeitzner und Ute Schmidt Hrsg Sowjetische Militartribunale Band 2 Die Verurteilung deutscher Zivilisten 1945 1955 Schriften des Hannah Arendt Instituts 17 Bohlau Koln Weimar Wien 2003 ISBN 3 412 06801 2 zur OSO S 61 f 111 ff zu Scholmer S 280 653 Joseph Scholmer Arzt in Workuta Deutsche Zeitgeschichte 8 Juli 2012 archiviert vom Original nicht mehr online verfugbar am 10 Juni 2015 abgerufen am 10 Juni 2015 Ute Erb Biographie Grazer Autorinnen Autorenversammlung GAV 2006 abgerufen am 11 Juni 2015 Normdaten Person GND 118610333 lobid OGND AKS LCCN n85048505 VIAF 84991851 Wikipedia Personensuche PersonendatenNAME Scholmer JosephALTERNATIVNAMEN Scholmerich Joseph Geburtsname Scholmer JoKURZBESCHREIBUNG deutscher Mediziner Kommunist Antifaschist und SachbuchautorGEBURTSDATUM 19 August 1913GEBURTSORT Obercasbach Landkreis NeuwiedSTERBEDATUM 1 April 1995STERBEORT Bonn Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Joseph Scholmer amp oldid 242295761