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Intelligibel von lateinisch intelligibilis geistig erfassbar erkennbar von intelligere erkennen bezeichnet als Adjektiv der philosophischen Fachsprache diejenigen Gegenstande die nur uber den Verstand oder Intellekt erfasst werden konnen weil sie der Sinneswahrnehmung nicht zuganglich sind Die entsprechende Eigenschaft heisst Intelligibilitat Die Gesamtheit aller intelligiblen Gegenstande wird das Intelligible oder die intelligible Welt genannt In philosophischen Systemen die im Sinne der platonischen Ideenlehre solchen Gegenstanden Phanomenen eine von den sinnlich wahrnehmbaren Einzeldingen unabhangige Existenz zuschreiben wird die intelligible Welt als objektive der Sinneswelt ontologisch ubergeordnete Wirklichkeit verstanden Inhaltsverzeichnis 1 Antike und Mittelalter 2 Neuzeit 3 Literatur 4 Weblinks 5 AnmerkungenAntike und Mittelalter BearbeitenDer Begriff erscheint zuerst in der griechischen Philosophie Vom griechischen Substantiv Nous Geist Vernunft Intellekt lateinisch intellectus ist das Adjektiv noetos noetisch abgeleitet das lateinisch mit intelligibilis wiedergegeben wird Noetisch oder intelligibel bedeutet nur verstandesmassig erkennbar nur dem Intellekt zuganglich von rein geistiger Beschaffenheit unsinnlich Der Vorsokratiker Parmenides 6 5 Jahrhundert v Chr war der Uberzeugung dass zwischen Sein und Denken eine wesenhafte Beziehung bestehe Er meinte das Denken sei ein Erfassen des Seins ausserhalb dessen nichts ist Alles Denkbare musse auch sein da es sonst nicht gedacht werden konnte und alles Seiende sei von Natur aus dem Denken zuganglich denn das Denken als Antreffen des Seienden sei selbst etwas Seiendes und daher stehe ihm die gesamte Welt des Seienden offen Somit weist in der Philosophie des Parmenides das Sein als solches notwendigerweise Intelligibilitat auf Platon griff in seiner Ideenlehre die Uberlegungen des Parmenides auf und fuhrte den Begriff des Intelligiblen to noeton in die philosophische Terminologie ein Er unterschied zwischen dem unveranderlichen Sein der Ideen Urbilder und dem Bereich des Veranderlichen des Entstehenden und Vergehenden den er mit der Welt der einzelnen Sinnesobjekte gleichsetzte In den Einzelobjekten die als solche mittels der Sinne wahrgenommen werden sah er Abbilder der ewigen Ideen Demnach beruht das Sein eines Sinnesobjekts auf seiner Teilhabe am Sein der Idee die von diesem Objekt abgebildet wird Die Idee ist zwar als Urbild in dem Abbild prasent aber sie selbst ist als intelligible Entitat in ihrer eigenstandigen Existenz nur fur den denkenden Geist erfassbar Dass die intelligible Welt dem Denken zuganglich ist ergibt sich daraus dass es dieselbe Instanz ist die dem Erkennbaren das Sein und die Erkennbarkeit und dem Erkennenden die Erkenntnisfahigkeit verleiht Diese Instanz ist fur Platon die Idee des Guten Erkennendes und Erkanntes sind aufgrund ihres gemeinsamen Ursprungs von gleichartiger Beschaffenheit 1 Eine andere Auffassung vom Intelligiblen vertrat Platons Schuler Aristoteles der eine eigenstandige Existenz der Ideen verwarf und daher das Verhaltnis zwischen Erkennendem und Erkanntem anders bestimmte als sein Lehrer ohne Ruckgriff auf Transzendenz Nach seiner Lehre weist alles Seiende eine intelligible Form noeton eidos auf die ein fur das Denken erfassbares Prinzip darstellt Das Denken erfasst das in den Sinnesobjekten vorhandene intelligible Allgemeine indem die denkende Geistseele psychḗ noetikḗ sich dem Objekt dem sie sich zuwendet angleicht Der Geist Nous bzw die Geistseele ist der Moglichkeit nach alle Dinge indem diese Moglichkeit Potenz in Bezug auf ein bestimmtes Ding in Wirklichkeit Akt uberfuhrt wird vollzieht sich die Erkenntnis dieses Dings Darauf beruht die Intelligibilitat der Dinge In der Ontologie des Neuplatonismus wurde die platonische Lehre von der hierarchischen Struktur der Gesamtwirklichkeit betont und ausgebaut Der Hauptaspekt war dabei die scharfe Trennung zwischen dem intelligiblen und dem sinnlich wahrnehmbaren Bereich Plotin der Begrunder des Neuplatonismus fasste den Nous als absolute transzendente uberindividuelle Instanz auf Fur ihn war der Nous eine objektive Realitat eine unabhangig von den denkenden Einzelwesen existierende Denkwelt zu der die einzelnen denkenden Individuen Zugang haben Das dieser objektiven Realitat zugewandte Individuum produziert nicht eigene Gedanken sondern es denkt indem es durch seine Teilhabe am Reich des Geistes dessen Inhalte ergreift Das Denken als Erkennen noetischer Inhalte besteht darin dass die Denkinhalte in ihrem Dasein an und fur sich als platonische Ideen erfasst werden Damit ist nicht ein diskursives Folgern gemeint sondern ein unmittelbares geistiges Ergreifen des Gedachten Das Gedachte ist weder ein Erzeugnis des denkenden Subjekts noch etwas vom objektiven universalen Nous Produziertes und diesem somit Untergeordnetes Vielmehr ist es nirgendwo anders zu finden als im Nous selbst in der Denkwelt die der Denkende betritt Die Objekte des Denkens sind die Inhalte des Nous der aus nichts anderem als der Gesamtheit des Intelligiblen besteht 2 Neben der sinnlich wahrnehmbaren Materie nahm Plotin wie schon Aristoteles auch eine intelligible Materie an denn er ging davon aus dass auch die rein geistigen Dinge die mit keiner physischen Materie verbunden sind ein materielles Substrat benotigen Die unterschiedlichen Formen der Inhalte des Nous setzen fur Plotin voraus dass es ausser einer formenden Instanz auch etwas Geformtes gibt Das Geformte ist eine allen Formen gemeinsame intelligible Materie Sie kommt ebenso wie die physische nicht in ungeformtem Zustand vor ist aber im Unterschied zu ihr wie alles Geistige keinen Veranderungen unterworfen Siehe auch materia prima Der spatantike Kirchenvater Augustinus teilte die Uberzeugung der Platoniker dass das Intelligible grundsatzlich vor dem sinnlich Wahrnehmbaren zu bevorzugen sei Er griff das neuplatonische Konzept der intelligiblen Welt auf Zu dieser Welt zahlte er neben Gott und dessen Aspekten darunter intelligible Schonheit den geistigen Teil der Schopfung Unter den intelligiblen Dingen hob er die in Gottes Weisheit enthaltenen Formprinzipien rationes der sichtbaren Objekte hervor Wie schon Plotin nahm Augustinus an dass die intelligible Welt aus intelligibler Materie geformt ist 3 Im fruhen 6 Jahrhundert unterschied der Philosoph Boethius zwischen dem Intelligiblen intelligibile und dem Intellektiblen intellectibile Zum Letzteren zahlte er die gottliche sowie alle immaterielle Natur womit sich die Theologie befasst zum Intelligiblen die vom Denken geleisteten Abstraktionen die Gegenstand der Mathematik sind In der mittelalterlichen Metaphysik die zunachst vor allem von neuplatonischem und spater zunehmend von aristotelischem Gedankengut gepragt war spielte der Begriff des Intelligiblen eine wichtige Rolle vor allem in der Epoche der Scholastik Dabei ging es insbesondere um die species intelligibilis intelligible Form die durch Abstraktion gewonnene mentale Darstellung des allgemeinen Wesens eines wahrgenommenen Dings gemass dem intelligiblen Sein im Gegensatz zur individuellen Besonderheit des einzelnen Sinnesobjekts und deren mentalem Korrelat dem Phantasma Die species intelligibilis war noch im 16 Jahrhundert ein Thema erkenntnistheoretischer Untersuchungen 4 Neuzeit BearbeitenImmanuel Kant verwendet den Ausdruck intelligible Welt Die Inhalte dieser Welt die intelligiblen Gegenstande grenzt er vom intellektuell Erkennbaren ab Denn intellektuell sind die Erkenntnisse durch den Verstand und dergleichen gehen auch auf unsere Sinnenwelt intelligibel aber heissen Gegenstande so fern sie bloss durch den Verstand vorgestellt werden konnen und auf die keine unserer sinnlichen Anschauungen gehen kann 5 Intelligible Gegenstande Noumena sind demnach fur Kant solche die keinerlei Bezug zur sinnlichen Anschauung haben Sie waren wenn uberhaupt nur einer nichtsinnlichen intellektuellen Anschauung zuganglich Eine solche bleibt dem Menschen jedoch nach Kants Meinung versagt da er fur Erkenntnis notwendigerweise sinnliche Anschauung benotigt Die an sich unerkennbaren fur die theoretische Vernunft unerreichbaren intelligiblen Gegenstande sind fur den Menschen nur insoweit relevant als die praktische Vernunft sie als gedankliche Hilfsmittel fur ihre Tatigkeit benotigt Damit verkehrt Kant den ursprunglichen Sinn von intelligibel erkennbar ins Gegenteil bei ihm ist das Intelligible das Unerkennbare Literatur BearbeitenWerner Beierwaltes Intelligibel das Intelligible Intelligibilitat In Historisches Worterbuch der Philosophie Band 4 Schwabe Basel 1976 Sp 463 465 Angelica Nuzzo Intelligibel Intelligible das In Hans Jorg Sandkuhler Hrsg Enzyklopadie Philosophie Band 2 Felix Meiner Hamburg 2010 ISBN 978 3 7873 1999 2 S 1126 1129 enthalt eine Reihe von Ubersetzungsfehlern Joachim Ritter Mundus intelligibilis Eine Untersuchung zur Aufnahme und Umwandlung der neuplatonischen Ontologie bei Augustinus 2 Auflage Klostermann Frankfurt a M 2002 ISBN 3 465 03180 6 unveranderter Nachdruck der ersten Auflage von 1937 Leen Spruit Species intelligibilis From Perception to Knowledge 2 Bande Brill Leiden 1994 5 Wilhelm Teichner Die intelligible Welt Ein Problem der theoretischen und praktischen Philosophie I Kants Anton Hain Meisenheim am Glan 1967 Weblinks Bearbeiten nbsp Wiktionary intelligibel Bedeutungserklarungen Wortherkunft Synonyme Ubersetzungen Eintrag im Worterbuch der Philosophischen Begriffe von Rudolf Eisler 1904 Eintrag im Kant Lexikon von Rudolf Eisler 1930 Anmerkungen Bearbeiten Platon Politeia 508d 509b siehe dazu Werner Beierwaltes Intelligibel das Intelligible Intelligibilitat In Historisches Worterbuch der Philosophie Band 4 Basel 1976 Sp 463 465 hier 464 Zu Plotins Geistmetaphysik siehe die zusammenfassende Darstellung von Jens Halfwassen Plotin und der Neuplatonismus Munchen 2004 S 59 97 Siehe dazu Christian Pietsch Intellegibilis intellegibilia In Cornelius Mayer Hrsg Augustinus Lexikon Band 3 Basel 2010 Sp 659 661 Sascha Salatowsky De Anima Amsterdam 2006 S 222 232 Immanuel Kant Prolegomena 34 Anm Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Intelligibel amp oldid 238977828