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Methexis griechisch me8e3is Teilhabe selten mit Teilnahme ubersetzt ist ein Begriff der antiken Philosophie Er wird in der Metaphysik zur Beschreibung des Verhaltnisses zwischen Dingen und ihren Bestimmungen oder allgemein zwischen ontologischen Entitaten die Gemeinsamkeiten aufweisen verwendet Das zugehorige Verb heisst metechein Anteil haben teilnehmen wortlich mit haben Das Wort Methexis stammt aus der Alltagssprache seine philosophische Bedeutung hat es von Platon erhalten Lateinisch wird es mit participatio wiedergegeben englisch mit participation Daher spricht man auch von Partizipation doch hat dieses Wort auch andere Bedeutungen die nichts mit Methexis im philosophischen Sinn zu tun haben Inhaltsverzeichnis 1 Ontologische Voraussetzungen 2 Das Teilhabe Konzept in Platons Ideenlehre 3 Die Auffassung des Aristoteles 4 Neuplatonismus 5 Literatur 6 AnmerkungenOntologische Voraussetzungen BearbeitenIn den hierarchisch geordneten ontologischen Systemen Platons und der Platoniker ist das Allgemeine generell hoherrangig als das Besondere und Individuelle Eine Beziehung zwischen einem Allgemeineren und einem Spezielleren beruht darauf dass das Allgemeinere Urbild und erzeugende Instanz ist das Speziellere dessen Abbild und Erzeugnis und als solches relativ unvollkommen Zwischen ihnen besteht ein Teilhabeverhaltnis Das Teilhabeverhaltnis zwischen dem teilhabenden Spezielleren und dem Allgemeineren an dem es Anteil hat ist dadurch charakterisiert dass das Speziellere mit bestimmten Einschrankungen die Natur des Allgemeineren aufweist und dadurch gewissermassen an seiner Natur beteiligt ist Weil es diese Natur aber nicht in ihrer Gesamtheit besitzt sondern nur auf relativ unvollstandige unvollkommene Weise und weil es ausserdem auch noch weitere Bestimmungen hat ist es mit dem an dem es teilhat nicht wesensgleich oder identisch Das jeweils Hoherrangige bringt das Niedrigere hervor indem es ihm bestimmte Aspekte seines eigenen Wesens zukommen lasst soweit die von Natur aus begrenzte Aufnahme und Verwirklichungsfahigkeit des Niedrigeren dies gestattet Das bedeutet dass das Niedrigere am Hoheren teilhat Die Teilhabe bezieht sich auch darauf dass das ontologisch Niedrigere dem Hoheren seine Existenz verdankt Das Teilhabe Konzept in Platons Ideenlehre BearbeitenPlaton benotigt zur Darstellung seiner Ideenlehre die Begriffe methexis und metechein wobei er das Verb bevorzugt Er bezeichnet damit das Verhaltnis der einzelnen Dinge der Sinneswelt zu den platonischen Ideen Dinge in diesem Sinn sind nicht nur materielle Objekte sondern auch Ereignisse und Handlungen Die Ideen sind nach der Ideenlehre nicht blosse Vorstellungen im menschlichen Geist sondern bilden eine eigenstandige objektiv existierende metaphysische Wirklichkeit Sie sind die Urbilder nach denen die einzelnen Dinge in der sinnlich wahrnehmbaren Welt gestaltet sind Ihnen verdanken die Dinge die Gesamtheit ihrer Eigenschaften Beispielsweise ist ein grosses Ding nicht aufgrund seiner eigenen Beschaffenheit gross sondern durch seine Teilhabe an der Idee der Grosse Als Abbilder haben die Dinge an ihren Urbildern teil und zwar jedes Ding an mehreren Ideen und an jeder Idee eine Vielzahl von Dingen Jedes Ding ist durch seine verschiedenen Teilhabebeziehungen konstituiert Es hat an so vielen Ideen teil wie es Eigenschaften aufweist Das Ausmass der Teilhabe ist unterschiedlich es hangt von der Beschaffenheit des Teilhabenden ab Ausserdem ist die Teilhabe eines Dings an einer bestimmten Idee in manchen Fallen nicht konstant sie kann durch Veranderungen des Teilhabenden wachsen und abnehmen beginnen und enden Es gibt eine Art der Teilhabe die vom Wesen eines Dings untrennbar ist beispielsweise die Teilhabe der unsterblichen Seele am Leben und eine nur zeitweilige Teilhabe die entsteht oder wegfallt beispielsweise Teilhabe eines Korpers an Ruhe oder Bewegung 1 Die Vorstellung der Teilhabe soll den Zusammenhang zwischen den Ideen und den Dingen der Sinneswelt verstandlich machen Allerdings fuhrt dieses Konzept zu einer Reihe von Problemen die in Platons Dialog Parmenides erortert aber nicht gelost werden Es gelingt dort vorerst nicht die Frage nach der Art der Teilhabe des phanomenal Gegebenen an den Ideen widerspruchsfrei zu beantworten 2 In spaten Dialogen verwendet Platon fur das Verhaltnis der Dinge zu den Ideen nicht mehr die Bezeichnung Teilhabe sondern charakterisiert es als Nachahmung mimesis Wahrend bei Sachen die Teilhabe seitens des Teilhabenden ein rein passives Aufnehmen von Eigenschaften ist kommt beim Menschen wenn er an den Ideen einzelner Tugenden teilhat eine aktive Rolle des Teilhabenden ins Spiel insoweit er sich um die Erlangung der Tugend bemuht Eine andere Art von Teilhabe betrifft Ubereinstimmungen zwischen Entitaten bei denen es nicht darum geht dass etwas ontologisch Niedrigeres am Hoheren teilhat Von solcher Art sind Gemeinsamkeiten zwischen den Ideen selbst Solche Beziehungen betrachtet Platon ebenfalls als Teilhabeverhaltnisse wobei er auch wechselseitiges Teilhaben annimmt In diesen Fallen ist auch von Gemeinschaft koinōnia die Rede Dabei stellt sich die spezielle Frage der Teilhabe einer Idee an sich selbst Selbstpradikation Die Selbstpradikation beispielsweise die Aussage Die Idee der Schonheit ist selbst schon fuhrt zu Schwierigkeiten der Ideenlehre die als Argumentation des Dritten Menschen bekannt sind 3 Die Auffassung des Aristoteles BearbeitenAristoteles der die Ideenlehre seines Lehrers Platon verwirft verzichtet auch auf die zugehorige Vorstellung der Teilhabe Er meint es handle sich beim Teilhaben nicht um einen philosophischen Begriff da es keine saubere Definition dafur gebe Der Ausdruck sei fur eine philosophische Argumentation unbrauchbar es handle sich nur um ein leeres Wort und eine poetische Metapher deren Bedeutung Platon nicht untersucht habe 4 Dennoch verwendet Aristoteles gelegentlich das Verb metechein Anteil haben In seiner Topik definiert er es als die Begriffsbestimmung dessen woran teilgenommen wird an sich nehmen 5 Gemeint ist dass alle Merkmale die den Begriff dessen woran teilgenommen wird ausmachen auch Merkmale des Teilhabenden sind Beispielsweise hat die Art Mensch an der Gattung Lebewesen Anteil weil alle Merkmale die den Begriff Lebewesen ausmachen auch Merkmale des Menschen sind Umgekehrt hat jedoch die Gattung Lebewesen nicht an der Art Mensch Anteil weil nicht alle Merkmale des Menschen auch ihre Merkmale sind Nach der Lehre des Aristoteles kann immer nur etwas Niederes mit mehr Merkmalen Ausgestattetes am Hoheren durch weniger Merkmale Bestimmten teilhaben beispielsweise ein Individuum an seiner Art oder eine Art an einer Gattung 6 Nach der Auffassung des Aristoteles pflanzen die Lebewesen sich fort damit sie soweit sie es vermogen am Ewigen und Gottlichen teilhaben Zu solcher Teilhabe sind die einzelnen Individuen als solche zwar nicht in der Lage da sie verganglich sind doch konnen sie wenigstens ihrer jeweiligen Art Fortdauer ermoglichen 7 Neuplatonismus BearbeitenIm Neuplatonismus wird Platons Konzept der Teilhabe aufgegriffen Plotin fuhrt alle Gemeinsamkeiten zwischen verschiedenen Dingen darauf zuruck dass sie jeweils an der gleichen Idee teilhaben Die Teilhabe vervielfaltigt das Merkmal das ihnen gemeinsam zukommt und ermoglicht so dessen verbreitetes Auftreten So hat alles Seiende Anteil am Sein das Plotin mit dem kosmischen Nous der Weltvernunft gleichsetzt und alle schonen Dinge sind durch ihre Teilhabe an der Idee des Schonen schon diese Teilhabe bewirkt dass sie untereinander in dieser Hinsicht ubereinstimmen Im Teilhabenden ist das woran es teilhat gegenwartig Der Grundsatz dass das Teilhabende das Wesen desjenigen an dem es teilhat und das insofern in ihm anwesend ist aufweisen muss ist fur Plotins Theodizee von Bedeutung Er weist darauf hin dass der ganze sinnlich wahrnehmbare Kosmos an der Gottheit die in ihm gegenwartig sei teilhabe Daher konne sein Wesen nicht dem Wesen der Gottheit fundamental entgegengesetzt sein Somit konne der Kosmos nicht schlecht sein In ihm konne kein widergottliches Prinzip herrschen wie die Gnostiker meinten deren Lehre von einem von Natur aus schlechten Kosmos Plotin bekampft 8 Plotins Schuler Porphyrios der die aristotelische Logik in die neuplatonische Lehre einbaut deutet in seiner Isagoge einem Lehrbuch der Logik die Zugehorigkeit von Individuen an einer Art als Teilhabe an ihr 9 Der einflussreiche spatantike Neuplatoniker Proklos stellt den Grundsatz auf dass die Art und das Ausmass einer Teilhabe vom jeweils Teilhabenden abhange Dieses Prinzip wird spater von Boethius aufgegriffen und dadurch in der mittelalterlichen Philosophie gelaufig Proklos nimmt neben dem Teilhabenden und dem an dem es teilhat noch ein drittes hoherrangiges Element an das Unpartizipierte to amethekton Es steht ontologisch uber dem Partizipierbaren an dem das Teilhabende teilhat Mit diesem Modell begegnet Proklos Einwanden gegen die Methexis Lehre Die platonische Idee selbst halt er fur unpartizipierbar das Partizipierbare dient als Bindeglied zwischen ihr und den teilhabenden Dingen 10 In der christlichen Theologie knupft insbesondere der einflussreiche spatantike Schriftsteller Pseudo Dionysius Areopagita an das neuplatonische Konzept der Teilhabe an Bei ihm handelt es sich um Teilhabe der Geschopfe am Schopfer Literatur BearbeitenFrancesco Fronterotta ME8EXIS La teoria platonica delle idee e la partecipazione delle cose empiriche Dai dialoghi giovanili al Parmenide Scuola Normale Superiore Pisa 2001 ISBN 88 7642 099 1 Andreas Graeser Platons Ideenlehre Sprache Logik und Metaphysik Eine Einfuhrung Haupt Bern 1975 ISBN 3 258 01168 0 S 79 100 Darstellung aus der Perspektive moderner Logik Helmut Meinhardt Teilhabe bei Platon Ein Beitrag zum Verstandnis platonischen Prinzipiendenkens unter besonderer Berucksichtigung des Sophistes Karl Alber Freiburg 1968 Veronika Roth Christian Schafer Teilhabe Partizipation metoche methexis In Christian Schafer Hrsg Platon Lexikon Begriffsworterbuch zu Platon und der platonischen Tradition Wissenschaftliche Buchgesellschaft Darmstadt 2007 ISBN 978 3 534 17434 8 S 277 282 Rolf Schonberger Teilhabe In Historisches Worterbuch der Philosophie Band 10 Schwabe Basel 1998 Sp 961 969Anmerkungen Bearbeiten Zum Ansatz und zur Zielrichtung von Platons Teilhabe Konzept siehe Winfried Weier Sinn und Teilhabe Munchen 1970 S 70 88 Knut Eming Die Flucht ins Denken Hamburg 1993 S 111 116 Zur Auseinandersetzung mit dem Methexis Konzept im Parmenides siehe Christoph Ziermann Platons negative Dialektik Wurzburg 2004 S 37 66 386 418 Franz von Kutschera Platons Parmenides New York 1995 S 24 29 37 44 58 64 137 140 Francesco Fronterotta ME8EXIS Pisa 2001 S 183 314 Siehe dazu die Untersuchung von Beatrice Lienemann Die Argumente des Dritten Menschen in Platons Dialog Parmenides Gottingen 2010 Aristoteles Metaphysik 987b7 14 991a20 22 1079b24 26 Vgl Francesco Fronterotta ME8EXIS Pisa 2001 S 397 412 Rolf Schonberger Teilhabe In Historisches Worterbuch der Philosophie Band 10 Basel 1998 Sp 961 969 hier 961 Aristoteles Topik 121a11 12 Aristoteles Topik 121a12 19 122a8 9 Metaphysik 1037b18 19 Vgl Michael Thomas Liske methexis Teilhabe In Otfried Hoffe Hrsg Aristoteles Lexikon Kroners Taschenausgabe Band 459 Stuttgart 2005 S 354 356 Aristoteles De anima 415a25 415b7 Rolf Schonberger Teilhabe In Historisches Worterbuch der Philosophie Band 10 Basel 1998 Sp 961 969 hier 962 Porphyrios Isagoge 6 21 22 Busse Proklos Elemente der Theologie Propositionen 23 und 24 Vgl Dirk Cursgen Henologie und Ontologie Wurzburg 2007 S 59 74 sowie zu weiteren Aspekten von Proklos Teilhabemodell S 175 188 193 196 Rolf Schonberger Teilhabe In Historisches Worterbuch der Philosophie Band 10 Basel 1998 Sp 961 969 hier 962 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Methexis amp oldid 223802143