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Das Ghetto Bialystok lag in der gleichnamigen polnischen Stadt Bialystok der Woiwodschaft Podlachien Nach der Besetzung der Stadt durch die deutsche Wehrmacht 1941 errichteten die Deutschen ein Zwangsghetto das am 20 August 1943 aufgelost wurde nachdem die Gefangenen in den Tagen zuvor ermordet oder deportiert worden waren Ghetto Bialystok Polen Bialystok Treb linka WarschauKarte des heutigen Polen Inhaltsverzeichnis 1 Lage und Stadtgeschichte 2 Ghetto Bialystok 2 1 Errichtung 2 2 Leben im Ghetto 2 3 Widerstand 2 4 Aktion Reinhardt 2 5 Deportationen 2 6 Das kleine Ghetto 2 7 Ende des Ghettos 2 8 Geheimes Archiv 3 Siehe auch 4 Literatur 5 Film 6 Weblinks 7 EinzelnachweiseLage und Stadtgeschichte BearbeitenBialystok liegt rund 180 km nordostlich der polnischen Landeshauptstadt Warschau nahe an der belarussischen Grenze Die Stadt blickt wie die gesamte Region auf eine wechselvolle Vergangenheit zuruck 1795 wurde sie preussisch 1807 russisch 1921 nach dem Ersten Weltkrieg polnisch zu Beginn des Zweiten Weltkriegs aufgrund der Vereinbarungen im deutsch sowjetischen Nichtangriffspakt wurde es von der Sowjetunion besetzt und der Belarussischen Sozialistischen Sowjetrepublik angegliedert 1941 von der deutschen Wehrmacht besetzt und dem Bezirk Bialystok angegliedert Bialystok war die osteuropaische Stadt mit dem hochsten Bevolkerungsanteil judischer Burger geschatzt auf uber 60 Prozent Eine 1931 durchgefuhrte Volkszahlung ergab eine Bevolkerung von rund 91 000 Personen von denen 43 Prozent also fast 40 000 Menschen judischer Abstammung waren Bei Kriegsausbruch am 1 September 1939 war die judische Bevolkerung auf rund 50 000 Personen angewachsen Am 15 September 1939 eroberte die deutsche Wehrmacht die Stadt die aber nach der sowjetischen Besetzung Ostpolens 1939 gemass den Vereinbarungen im geheimen Zusatzprotokoll des deutsch sowjetischen Nichtangriffspaktes fur die folgenden 21 Monate Teil der sowjetischen Besatzungszone wurde Nach dem deutschen Uberfall auf die Sowjetunion wurde es vom deutschen Militar besetzt Inzwischen war der judische Bevolkerungsanteil aufgrund des Fluchtlingszustroms auf mehr als 60 000 Personen angewachsen Ghetto Bialystok BearbeitenHistoriker unterteilen die Geschichte des Ghettos in drei Perioden Die Besetzung am 27 Juni bis zum 15 August 1941 unter Militarherrschaft der anschliessenden Zeit unter der zivilen Bezirksverwaltung bis November 1942 und unter Kontrolle von Gestapo und SS bis zur Auflosung des Ghettos im August 1943 1 Errichtung Bearbeiten nbsp Der GhettobezirkDer Tag der deutschen Besetzung der 27 Juni 1941 wurde in der judischen Gemeinde als Roter Freitag bekannt Das deutsche Polizeibataillon 309 unter Oberstleutnant Ernst Weis versammelte sich an der Grossen Synagoge im judischen Viertel und trieb Einwohner in die Synagoge um sie anschliessend in Brand zu setzen Mindestens 700 Menschen verbrannten bei lebendigem Leib insgesamt kamen in den ersten zwei Wochen der deutschen Besatzung 4000 judische Einwohner 2 durch Ubergriffe oder Massenerschiessungen unter anderem auf direkten Befehl von SS Fuhrer Himmler ums Leben der die Stadt am 8 Juli 1941 besucht hatte Kurz nach der militarischen Besetzung wurde dem Rabbi Gedaliah Rosenmann und dem Vorsitzenden der Judischen Gemeinde Efraim Barasz befohlen einen Judenrat aus zwolf Personen zu bilden Am 1 August 1941 wurde das Ghetto auf zwei schmalen Gebieten beidseits des Flusses Biala errichtet mit Holz und Stacheldrahtzaunen abgeriegelt und rund 50 000 Juden dort eingewiesen Judischer Grundbesitz ausserhalb des Ghettos wurde enteignet alle Juden im Alter von 15 bis 65 Jahren wurden zur Zwangsarbeit verpflichtet Leben im Ghetto Bearbeiten nbsp Juden im Ghetto Bialystok bei Strassenarbeiten Juni 1941 Wie auch in anderen Ghettos war der Raum fur die Menge der Menschen bei weitem zu klein zwei bis drei Familien mussten sich in der Regel ein einziges Zimmer teilen Die Verpflegungszuteilung war unregelmassig und unzureichend Zur Versorgung war die Bevolkerung auf Lebensmittelschmuggel angewiesen Sie versuchte auch innerhalb des Ghettos auf engstem Raum Obst und Gemusegarten anzulegen Das so genannte Ghetto Bialystok entwickelte sich rasch zu einem industriellen Zentrum Innerhalb seiner Grenzen befanden sich ungefahr zehn dem deutschen Industriellen Oskar Steffen gehorende Fabrikanlagen Die meisten Einwohner wurden dort oder in anderen Werkstatten innerhalb des Ghettos zur Arbeit verpflichtet Nur eine geringe Zahl war in anderen Arbeitsstatten ausserhalb des Ghettos tatig Auch der Judenrat wurde zu einem wichtigen Arbeitgeber Rund 2000 Menschen arbeiteten in Schulen auf Krankenstationen in Apotheken dem Gericht und anderen Institutionen Es wurde ein Judischer Ordnungsdienst eingerichtet der aus 200 Mannern und Frauen bestand Widerstand Bearbeiten Im Verlauf des Jahres 1942 bildete sich nach vorangegangenen Einzelaktionen eine erste vereinte Widerstandsbewegung mit Namen Block Nr 1 beziehungsweise Front A die sich aus Kommunisten Sozialisten Bundisten und Zionisten zusammensetzte und spater als Block Nr 2 bezeichnet wurde Sie grundete ein geheimes Archiv das in einem Versteck ausserhalb des Ghettos eingerichtet wurde und begann damit zahlreiche Daten und Informationen uber das Ghettoleben zu sammeln Bemuhungen mit der polnischen Untergrundarmee zusammenzuarbeiten und von diesen mit Waffen ausgerustet zu werden blieben ohne Erfolg Aktion Reinhardt Bearbeiten nbsp Juden aus Bialystok wahrend der Liquidierung des Ghettos Aufnahme eines deutschen Soldaten zwischen dem 15 und 20 August 1943 nbsp Telegramm der Generaldirektion der Ostbahn in Warschau vom 18 August 1943 in dem der Start eines Zuges Symbol Pj 204 mit Juden aus dem Ghetto Bialystok nach Treblinka in 35 Guterwagen fur den folgenden Tag den 19 August 1943 angekundigt wird Zwischen dem 5 und 12 Februar 1943 wurden im Zuge der Aktion Reinhardt in dem nun noch rund 40 000 Einwohner zahlenden Ghetto 2 000 Menschen erschossen und 17 500 in die Vernichtungslager Treblinka und Auschwitz gebracht 3 Im Sommer 1943 verfugte Himmler ungeachtet der lokalen Proteste und der Forderungen das Lager aus okonomischer Sicht aufrechtzuerhalten die sofortige Liquidierung des Ghettos In der Nacht vom 15 auf den 16 August 1943 umstellten SS Einheiten deutsche Polizei und ukrainische Hilfskrafte das Ghetto die Bewohner wurden informiert dass sie nach Lublin deportiert wurden Bei der Auflosung des Ghettos rief die vereinigte Widerstandsgruppe mit Mordechai Tenenbaum und Daniel Moszkowicz dazu auf dem Evakuierungsbefehl nicht zu folgen Sie versuchte vergeblich die deutschen Linien zu durchbrechen die Kampfhandlungen dauerten bis zum 20 August 1943 4 Da die Widerstandler nicht in der Lage waren aus dem Ghetto zu fliehen zogen sie sich in Bunker und Verstecke zuruck wo die meisten von ihnen nach und nach entdeckt und erschossen wurden Deportationen Bearbeiten Im September 1941 wurden 4500 kranke unausgebildete oder nicht arbeitsfahige Juden nach Pruzhany einem Ort 100 km sudostlich von Bialystok deportiert Kaum jemand uberlebte bis zur Auflosung dieses Ghettos im Januar 1943 5 Die Deportationen begannen am 18 August 1943 und dauerten drei Tage 7 600 Juden wurden nach Treblinka transportiert weitere Tausende die genaue Zahl ist unbekannt nach Majdanek Dort fand eine Selektion statt Arbeitsfahige wurden nach Poniatowa Blizyn oder Auschwitz verbracht Am 23 August wurden mehr als 1 200 Kinder im Alter von 6 bis 15 Jahren 400 von ihnen hatten im Konzentrationslager uberlebt weiter ins KZ Theresienstadt deportiert wo viele starben Die dort uberlebenden Kinder wurden wenige Wochen spater ins Konzentrationslager Auschwitz Birkenau von dort weiter deportiert wo sie zusammen mit den 53 Betreuern die sie freiwillig begleiteten am 5 Oktober 1943 in den Gaskammern ermordet wurden 6 In Berichten uber deren Schicksal heisst daher die Uberschrift von den Bialystok Kindern 7 Das kleine Ghetto Bearbeiten In Bialystok selbst wurde zunachst ein kleines Ghetto mit 2 000 verbliebenen Juden aufrechterhalten das nach drei Wochen ebenfalls aufgelost wurde und dessen Einwohner ins KZ Majdanek geschickt wurden wo sie im Rahmen der Aktion Erntefest ermordet wurden Ende des Ghettos Bearbeiten Am Ende des Zweiten Weltkrieges hatten 300 bis 400 Bialystoker Juden entweder als Partisanen oder in den Arbeitslagern uberlebt Als sich 1998 vier Schuler im Rahmen eines Geschichtswettbewerbs entschieden in Bialystok die Geschichte des Ghettos und der Bialystoker Juden vom Juli 1941 bis August 1943 zu rekonstruieren ermittelten sie in der Stadt mit heute rund 300 000 Einwohnern nur noch zwei ansassige Juden Geheimes Archiv Bearbeiten In Bialystok initiierte Mordechai Tenenbaum nach dem Vorbild aus dem Warschauer Ghetto ein geheimes Archiv Diese Dokumente befinden sich heute in Israel und Polen Siehe auch BearbeitenListe der Ghettos in der Zeit des NationalsozialismusLiteratur BearbeitenAutobiographisch Thomas Fatzinek Der letzte Weg Eine Graphic Novel nach den Erinnerungen von Chaika Grossman und Chasia Bornstein Bielicka Wien Bahoe books 2019 Chaika Grossman Die Untergrundarmee Der judische Widerstand in Bialystok Ein autobiographischer Bericht Aus dem Amerikan und mit einem Vorwort von Ingrid Strobl Frankfurt am Main Fischer Taschenbuch Verl 1993 ISBN 3 596 11598 1 Jacob Shepetinski Michael Anderau Die Jacobsleiter Erinnerungen eines Shoah und Gulag Uberlebenden 2005 ISBN 3 907576 78 0 Enzyklopadien Sara Bender Ghettos in German Occupied Eastern Europe Enzyklopadie In United States Holocaust Memorial Museum Geoffrey P Megargee Hrsg Encyclopedia of Camps and Ghettos 1933 1945 2 A Indiana University Press Bloomington USA 2012 ISBN 978 0 253 35599 7 S 866 871 englisch 987 S ushmm org PDF 98 5 MB abgerufen am 23 September 2020 Encyclopedia Vol II Part A Eintrag Bialystok Bialystok in Guy Miron Hrsg The Yad Vashem encyclopedia of the ghettos during the Holocaust Jerusalem Yad Vashem 2009 ISBN 978 965 308 345 5 S 47 52 Sarah Bender Teresa Prekerowa Bialystok in Israel Gutman Hrsg Encyclopedia of the Holocaust Macmillan Publishing Company New York 1990 Band 1 S 210 214 Yitzhak Arad Belzec Sobibor Treblinka The Operation Reinhard Death Camps Indiana University Press Bloomington and Indianapolis 1987 Bialystok in Encyclopaedia Judaica 1972 Sp 805 811Bialystok Einzelaspekte Freia Anders Katrin Stoll Karsten Wilke Hrsg Der Judenrat von Bialystok Dokumente aus dem Archiv des Bialystoker Ghettos 1941 1943 Schoeningh Verlag Paderborn 2010 ISBN 978 3 506 76850 6 Freia Anders Hauke Hendrik Kutscher Katrin Stoll HrSGV Bialystok in Bielefeld Nationalsozialistische Verbrechen vor dem Landgericht Bielefeld 1958 bis 1967 2003 ISBN 3 89534 458 3 Michael Okroy Ulrike Schrader Hrsg Der 30 Januar 1933 Ein Datum und seine Folgen 2004 ISBN 3 9807118 6 2 Alexander B Rossino Polish Neighbors and German Invaders Contextualizing Anti Jewish Violence in the Bialystok District during the Opening Weeks of Operation Barbarossa in Studies in Polish Jewry Volume 16 2003 Katrin Stoll Die Herstellung der Wahrheit Strafverfahren gegen ehemalige Angehorige der Sicherheitspolizei fur den Bezirk Bialystok Diss an der Uni Bielefeld 2011 Reihe Juristische Zeitgeschichte Abteilung 1 Band 22 De Gruyter Berlin Boston 2012Film BearbeitenIngrid Strobl Mir zeynen do Der Ghettoaufstand und die Partisan inn en von Bialystok Dokumentarfilm 90 Minuten Koln KAOS Film 1992 produziert im Auftrag des WDR 8 Weblinks BearbeitenBialystok Ghetto Last Update 6 August 2006 online auf deathcamps org englisch einordnende Rezension dazu auf H Soz Kult On the Fifty Seventh Anniversary of the Bialystok Ghetto Rebellion April 16th 2000 Memento vom 1 April 2012 im Internet Archive Private Webseite des Sohnes eines Uberlebenden mit viel Originalmaterial englisch Bialystoker Synagogue Geschichte Bialystoks englisch 60 Jahrestag des Aufstands im Getto von BialystokEinzelnachweise Bearbeiten Israel Gutman u a Hrsg Enzyklopadie des Holocaust Munchen und Zurich 1995 ISBN 3 492 22700 7 Bd 1 S 212 Israel Gutman u a Hrsg Enzyklopadie des Holocaust Munchen und Zurich 1995 ISBN 3 492 22700 7 Bd 1 S 212 Ewa Rogalewska Bezirk Bialystok In Jurgen Hensel Stephan Lehnstaedt Hrsg Arbeit in den nationalsozialistischen Ghettos Osnabruck 2013 ISBN 978 3 938400 92 0 S 192 Israel Gutman u a Hrsg Enzyklopadie des Holocaust Munchen und Zurich 1995 ISBN 3 492 22700 7 Bd 1 S 215 Israel Gutman u a Hrsg Enzyklopadie des Holocaust Munchen und Zurich 1995 ISBN 3 492 22700 7 Bd 1 S 214 Nach ghetto theresienstadt de Claude Lanzmann spricht um 1985 spater in dem Interview Film mit Benjamin Murmelstein als einem Zeitzeugen im damaligen Terezin gezeigt Der letzte der Ungerechten 2015 onlineGhettos in der Zeit des NationalsozialismusDeutsch besetzte Gebiete Heutiges Polen Bialystok Debica Izbica Kielce Krakau Leslau Litzmannstadt Lomscha Lublin Meseritz Neu Sandez Otwock Piotrkow Trybunalski Przemysl Plohnen Radom Radomsko Reichshof Rejowiec Siedlce Sosnowiec 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