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Der Diplomatische Apparat Apparatus diplomaticus ist eine wissenschaftliche Einrichtung der Georg August Universitat Gottingen dessen Anfange bis in das 18 Jahrhundert zuruckreichen Er umfasst uber 1500 Schriftzeugnisse aus dem spatantiken mittelalterlichen und neuzeitlichen Europa sowie dem asiatischen Raum Die Dokumente sind in verschiedenen historischen Stufen des Lateinischen Deutschen Altgriechischen Hebraischen Arabischen Persischen Turkischen Koptischen Tamilischen und Singhalesischen abgefasst Der Gottinger Diplomatische Apparat ist die grosste Sammlung von Originalen die an einer deutschen Universitat fur die Lehre der Historischen Grundwissenschaften insbesondere der Diplomatik und Palaographie zur Verfugung steht und in Benutzung ist Urkunde Konig Lothars III fur Riechenberg 1129 App dipl Goett 25 Inhaltsverzeichnis 1 Name 2 Geschichte 3 Leiter des Diplomatischen Apparats seit 1759 4 Bestande 5 Benutzung 6 Literatur 7 Weblinks 8 AnmerkungenName BearbeitenDie Bezeichnung Diplomatischer Apparat leitet sich von der wissenschaftlichen Urkundenlehre Diplomatik und dem Fachausdruck Apparat fur eine Zusammenstellung von Hilfs und Lehrmitteln im akademischen Bereich her Diplomatisch beschrieb bis zu Beginn des 19 Jahrhunderts auch die praktische Anwendung von Kenntnissen der Urkundenlehre durch Staatsrechtler und Verwaltungsbeamte da viele mittelalterliche Urkunden Diplome bis in das 19 Jahrhundert hinein gultige Rechtstitel waren Geschichte Bearbeiten nbsp Johann Christoph Gatterer 1727 1799 An der 1735 gegrundeten Reformuniversitat Gottingen hielt von Beginn an Johann David Koehler 1684 1755 als Professor fur Geschichte auch Vorlesungen uber die Doctrina diplomatica Sein Nachfolger der 1759 als Professor fur Philosophie und Geschichte berufene Johann Christoph Gatterer 1727 1799 legte sein Hauptaugenmerk auf die Historischen Hilfswissenschaften dieser Begriff wird seit 1765 in Gottingen verwendet wobei die Diplomatik und die damit verbundene diplomatische Schriftkunde Palaographie im Zentrum standen Gatterer brachte sein eigenes Diplomatisches Cabinet mit an die Universitat eine Urkundensammlung die er im Laufe seiner Gottinger Lehrtatigkeit standig erweiterte Fur die Lehre wurden ihm zudem Urkunden des koniglich kurfurstlichen Archivs in Hannover uberlassen Gatterer hinterliess sein Diplomatisches Cabinet seinem Sohn Christoph Wilhelm Jacob Gatterer 1759 1838 der als Professor in Heidelberg lehrte Es bildet den Grundstock des sogenannten Gatterer Apparates der sich seit 1997 teilweise im Landesarchiv Speyer befindet Gatterers Nachfolger der Jurist Carl Traugott Gottlob Schonemann 1765 1802 legte eine neue Lehrsammlung an die die Regierung in Hannover auf Empfehlung des Universitatskuratoriums 1802 aus Schonemanns Nachlass fur die Universitat Gottingen erwarb Die Sammlung bestand aus 66 Originalurkunden aus dem 13 bis 17 Jahrhundert darunter 12 Papsturkunden die vornehmlich aus dem Gottinger Raum und dem Braunschweiger Stift St Cyriacus stammten Hinzu kamen Pergamentfragmente Papierurkunden Briefe spatmittelalterliche Handschriften Kupferstiche von Urkunden und eine Siegelsammlung Sie bildet bis heute den Grundstock des Diplomatischen Apparates der spater durch weitere Ankaufe und Schenkungen Gottinger Professoren erweitert wurde Thomas Christian Tychsen 1758 1834 nutzte die Chance um nach der 1810 verfugten Auflosung der Stifte und Kloster im Konigreich Westphalen aus deren Urkundenbestanden mehrere hundert Urkunden fur den Diplomatischen Apparat zu requirieren die jedoch nach 1815 bis auf wenige Exemplare restituiert werden mussten Aus dem Nachlass Tychsens wurden in den Diplomatischen Apparat 72 mittelalterliche Urkunden darunter solche aus dem Abdinghofkloster in Paderborn und das Psalterium App dipl Goett 2 E ubernommen nbsp Mittelalterliches Psalterium App dipl Goett 2 E fol 7v 8r Von 1835 bis zu seiner Relegation von der Universitat 1837 lehrte Jacob Grimm 1785 1863 die Diplomatik und vermachte der Sammlung einzelne Handschriftenfragmente aus seinem Privatbesitz Adolph Friedrich Heinrich Schaumann 1809 1882 schuf die lithographischen Gottinger Schrifttafeln die als palaographisches Hilfsmittel im Lehrbetrieb der deutschen Universitaten weit verbreitet waren Er akzessionierte uber 150 Urkunden des 12 bis 16 Jahrhunderts aus dem ehemaligen Augustinerchorherrenstift Riechenberg bei Goslar die bis dahin unverzeichnet in der Universitatsbibliothek gelagert hatten Ebenfalls in den Diplomatischen Apparat aufgenommen wurden Urkunden aus dem Nachlass des Gottinger Justizrats Friedrich Christian Bergmann 1785 1845 Unter Wilhelm Konrad Hermann Muller 1812 1890 erfolgten weitere Zukaufe allerdings mussten 1851 unter anderem zwei Urkunden Heinrichs des Lowen aus dem Riechenberger Bestand an das Konigliche Archiv in Hannover abgetreten werden Ernst Steindorff 1839 1895 erwarb 1884 zwolf venezianische Urkunden fur den Diplomatischen Apparat und richtete eine umfangreiche Handbibliothek mit den wichtigsten palaographischen und diplomatischen Tafelwerken ein Paul Fridolin Kehr 1860 1944 erweiterte diese um seltene Tafelwerke fruher Papsturkunden da sein Projekt der Regesta Pontificum Romanorum zeitweilig eng mit dem Diplomatischen Apparat verbunden war 1906 kamen aus der Sammlung des Berliner Bankiers Alexander Meyer Cohn 1853 1904 uber die Preussische Regierung zehn Papsturkunden und sieben Notariatsinstrumente des ehemaligen Zisterzienserklosters Brondolo in Venetien aus dem 13 Jahrhundert hinzu 1923 schenkte schliesslich der Gottinger Mittellateiner Wilhelm Meyer 1845 1917 273 vornehmlich neuzeitliche Urkunden italienischer und deutscher Provenienzen darunter 35 Papsturkunden des 16 bis 19 Jahrhunderts Seither kamen nur noch wenige Einzelstucke in die Sammlung unter anderem eine der altesten im Original uberlieferten Weiheurkunden von 1275 fur das Kloster Werden an der Ruhr App dipl Goett Urk 496 nbsp Siegel Bischof Adelogs von Hildesheim 1178 App dipl Goett 64 1926 erhielt der Gottinger Bibliotheksrat Alfred Hessel 1877 1939 eine Honorarprofessor fur die Lehre der Historischen Hilfswissenschaften Er wurde 1935 wegen seiner judischen Abstammung seines Amtes enthoben und zwangsweise in den Ruhestand versetzt 1 Die Bibliothek des Diplomatischen Apparates wurde wahrend des Zweiten Weltkrieges ausgelagert wobei es im September 1945 zu erheblichen Verlusten kam 2007 wurde der Diplomatische Apparat der seit 1967 die Zusatzbezeichnung Institut fur Historische Hilfswissenschaften fuhrte als Betriebseinheit der Philosophischen Fakultat aufgelost Er wird seither durch das Seminar fur Mittlere und Neuere Geschichte verwaltet und von Hedwig Rockelein von 1999 bis 2022 Professorin fur Mittlere und Neuere Geschichte in Gottingen geleitet 2012 zog der Diplomatische Apparat in das neu errichtete Kulturwissenschaftliche Zentrum KWZ der Georg August Universitat im Heinrich Duker Weg 14 Die folgenden Jahre standen unter dem Zeichen der Konservierung und Digitalisierung der Bestande des Diplomatischen Apparates 2013 wurden die Urkunden Handschriften und Fragmente vollstandig digitalisiert und online uber Monasterium net bereitgestellt 2016 die Originalsiegel digitalisiert Leiter des Diplomatischen Apparats seit 1759 Bearbeiten nbsp Weiheurkunde fur das Kloster Werden an der Ruhr 1275 App dipl Goett 496 1759 1799 Johann Christoph Gatterer1799 1802 Carl Traugott Gottlob Schonemann1802 1834 Thomas Christian Tychsen1835 1837 Jacob Grimm1840 1847 Adolph Friedrich Heinrich Schaumann1847 1874 Wilhelm Konrad Hermann Muller1874 1895 Ernst Steindorff1891 1913 Wilhelm Meyer Mitdirektor 1895 1903 Paul Fridolin Kehr1908 1936 45 Karl Brandi1924 1935 Alfred Hessel Mitdirektor 1939 1940 Hans Walter Klewitz1945 1949 Leonid Arbusov1949 1963 Percy Ernst Schramm1964 Hermann Heimpel1964 1976 Hans Goetting1977 1997 Matthias Thiel1997 2007 Wolfgang PetkeSeit 2007 Hedwig RockeleinBestande Bearbeiten nbsp Schenkungsurkunde Bischof Konrads fur den Halberstadter Dom 1208 App dipl Goett 78 Im September 2017 umfasste der Diplomatische Apparat 960 Urkunden die altesten aus dem 11 Jahrhundert 548 Pergament und Papierfragmente die altesten aus dem 9 Jahrhundert sowie vier Codices Ausserdem besitzt er eine Wachstafel zwei Palmblatthandschriften und mehrere Papyri Die Siegelsammlung umfasst 67 lose Originalsiegel 144 Siegelabgusse und eine Kollektion fruhneuzeitlicher Briefsiegel Letztere wird erganzt durch eine Leihgabe des Stadtischen Museums Gottingen bestehend aus einer umfangreichen Sammlung von Briefsiegeln des 18 und 19 Jahrhunderts Neben den Originalen stehen ein grosser Bestand an urkundlichen und palaographischen Tafelwerken sowie eine Spezialbibliothek von ca 5700 Banden und sechs laufenden Fachzeitschriften zur Verfugung nbsp Papyrus Fragment eines Worterbuchs aus dem 6 Jahrhundert App Dipl Goett 8 C Zum Urkundenbestand gehoren 13 mittelalterliche Konigsurkunden und 32 mittelalterliche Papsturkunden Die alteste echte Urkunde ist ein Diplom von 1129 ausgestellt von Konig Lothar III fur das Augustiner Chorherrenstift Riechenberg App dipl Goett Urk 25 Besondere Aufmerksamkeit findet App dipl Goett Urk 78 eine Schenkungsurkunde Bischof Konrads von Krosigk fur den Halberstadter Dom aus dem Jahr 1208 Sie wird dort gewissermassen als Grundungsurkunde des Halberstadter Domschatzes seit 2008 in einer Video Schau gezeigt Zur Geschichte der Stadt Gottingen besitzt der Apparat 125 Urkunden die aus dem 14 bis 18 Jahrhundert stammen nbsp Fragment von Predigten Meister Eckharts aus dem ersten Viertel des 14 Jahrhunderts App Dipl Goett 10 E IX 18 Die Fragmentensammlung entstand wohl grosstenteils durch Funde bei Umbindearbeiten alterer Bucher in der Gottinger Universitatsbibliothek 2 Die Fragmente sind zum grossen Teil noch unerschlossen Unter ihnen befinden sich einige Zimelien Aus dem Bestand der Universitat Helmstedt die 1810 aufgelost wurde gelangten zwei Papyrus Fragmente App dipl Goett 8 C in den Diplomatischen Apparat die im 6 Jahrhundert mit einem griechisch lateinischen Worterbuch beschriftet wurden Ein weiteres Papyrus Fragment App dipl Goett 8 B konnte mit Hilfe der Kollegen aus dem Seminar fur Agyptologie und Koptologie 2013 als ein Fund aus einem Mumiengrab bei Theben identifiziert werden es entstand um 1000 v Chr und enthalt einen Auszug aus einem agyptischen Totenbuch Das Fragment App dipl Goett 10 E IX 18 wurde vor wenigen Jahren durch germanistische Fachkollegen als Uberbleibsel einer Handschrift von Predigten Meister Eckharts um 1260 1328 erkannt Predigt 5b nach Quint die im ersten Viertel des 14 Jahrhunderts noch zu Lebzeiten des beruhmten Mystikers geschrieben wurde Benutzung BearbeitenDie Bestande des Diplomatischen Apparates konnen auf Anfrage fur die Lehre genutzt und fur die Forschung eingesehen werden Die Bibliothek ist uber den Gottinger Universitatskatalog GUK 3 vollstandig katalogisiert und kann in der Bereichsbibliothek des Kulturwissenschaftlichen Zentrums BBK als Prasenzbestand benutzt werden Die Tafelwerke sind sekretiert und konnen auf Anfrage fur die Lehre ausgeliehen werden Literatur BearbeitenHans Goetting Geschichte des Diplomatischen Apparats der Universitat Gottingen In Archivalische Zeitschrift 65 1969 S 11 46 Mark Mersiowsky Barocker Sammelstolz Raritatenkabinette Strandgut der Sakularisation oder Multimedia der Aufklarung Diplomatisch palaographische Apparate im 18 und fruhen 19 Jahrhundert In Erika Eisenlohr Peter Worm Hrsg Arbeiten aus dem Marburger hilfswissenschaftlichen Institut elementa diplomatica Bd 8 Universitatsbibliothek Marburg 2000 S 229 241 Wolfgang Petke Aus der Geschichte des Diplomatischen Apparats In Gottinger Jahrbuch 50 2002 S 123 148 Hedwig Rockelein Jorg Bolling Diplomatischer Apparat In Georg August Universitat Gottingen Hrsg Die Sammlungen Museen und Garten der Universitat Gottingen Universitatsverlag Gottingen 2013 S 24 25 englische Ausgabe Hedwig Rockelein Jorg Bolling Apparatus Diplomaticus In Georg August University Goettingen Hrsg The Collections Museums and Gardens of Gottingen University University Press Gottingen 2015 S 24 25 Hedwig Rockelein Zur Digitalisierung universitarer Lehrsammlungen In Blatter fur deutsche Landesgeschichte 149 2013 S 171 184 Weblinks BearbeitenHomepage des Diplomatischen Apparats der Georg August Universitat Gottingen Archiv Gottingen Diplomatischer Apparat der Georg August Universitat DE GAUnivGoet In Monasterium net ICARUS International Centre for Archival Research abgerufen am 1 Januar 1900 Handschriften und Fragmente Psalterium Dipl App 2 E mit Beschreibung der Handschrift von Dr Patrizia Carmassi Digitalisierte Fotosammlung des Diplomatischen Apparates Originalsiegel des Diplomatischen ApparatesAnmerkungen Bearbeiten Wolfgang Petke Alfred Hessel 1877 1939 Mediavist und Bibliothekar in Gottingen In Armin Kohnle Frank Engelhausen Hrsg Zwischen Wissenschaft und Politik Studien zur deutschen Universitatsgeschichte Festschrift fur Eike Wolgast Steiner Stuttgart 2001 S 387 414 Wolfgang Petke Aus der Geschichte des Diplomatischen Apparats In Gottinger Jahrbuch 50 2002 S 132 140 Gottinger Universitatskatalog GUK Normdaten Korperschaft GND 110879159X lobid OGND AKS VIAF 11146998386618941259 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Diplomatischer Apparat der Georg August Universitat Gottingen amp oldid 233705871