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Das einfache Leben ist ein Roman von Ernst Wiechert der 1939 bei Langen amp Muller in Munchen erschien Wiechert schrieb dieses Buch unmittelbar nach seiner Haft im KZ Buchenwald im Sommer 1938 um sich die erlittenen Leiden von der Seele zu walzen Mit ihm spulte ich mir von der Seele was sie beschmutzt befleckt erniedrigt entwurdigt und zu Tode gequalt hatte Mit ihm baute ich noch einmal eine Welt auf nachdem die irdische mir zusammengebrochen oder schrecklich entstellt worden war 1 Erst nach dem Verfassen dieses Buches war Wiechert seelisch in der Lage seinen Bericht uber die Leiden im KZ Der Totenwald niederzuschreiben 2 Fur Wiechert bedeutete Das einfache Leben die psychische Genesung und zugleich ein Weg nach den gemachten Erfahrungen seinen Lesern den Ausweg in die Innere Emigration zu weisen Protagonist ist der Kapitan und Kriegsveteran Thomas von Orla der der Zivilisation den Rucken kehrt und seine Lebenskrise mit dem Trauma des Ersten Weltkriegs in einem naturnahen entsagungsreichen Leben in der masurischen Seenplatte in Ostpreussen uberwindet Inhaltsverzeichnis 1 Handlung 2 Stil 3 Themen 4 Rezeption 5 Literatur 6 Weblinks 7 EinzelnachweiseHandlung BearbeitenKorvettenkapitan Thomas von Orla gehort zu den Offizieren der kaiserlichen Marine die 1916 in der Seeschlacht vor dem Skagerrak gegen die britische Royal Navy kampfen Gut zwei Jahre spater revoltieren die Matrosen auf Thomas von Orlas Schiff doch der Korvettenkapitan schiesst im entscheidenden Moment nicht auf den Untergebenen der die Flagge niederholt sondern lasst sich von den Matrosen ins Meer werfen Thomas uberlebt den Sturz und wird von seinem Obermatrosen Friedrich Wilhelm Bildermann aus dem Wasser gezogen Funf Jahre nach Kriegsende ist Thomas immer noch mit der Verarbeitung der Kriegsereignisse beschaftigt In dieser Situation hat er ein Schlusselerlebnis als er den Psalm 90 von der Zuflucht in unserer Verganglichkeit verinnerlicht wir bringen unsre Jahre zu wie ein Geschwatz 3 Der 45 jahrige Offizier entschliesst sich daraufhin der quirligen Grossstadt und seiner Familie den Rucken zu kehren durchquert Polen und geht nach Ostpreussen Auf dem Wege der Arbeit als der einzigen Erlosung des Menschen 4 beginnt Thomas eine jahrelange Suche nach dem Sinn seines Lebens Dabei gerat er zufallig in eine scheinbar heile preussische Welt die in der Zeit der Weimarer Republik ihren alten Charakter bewahrt hat Die wichtigsten Beziehungen knupft Thomas zu dem barbeissigen General von Platen zu dessen Enkelin Marianne dem Forster Gruber sowie zu dem Nachbarn Graf Natango Pernein 5 einem jungen zuruckgezogen lebenden Schongeist und Liebhaber naturwissenschaftlicher Experimente Die Landbevolkerung bleibt dagegen weitgehend konturlos Im General einem Militarist en und Reaktionar 6 findet der Kapitan ausser Dienst einen Gonner der ihm auf der Fischerinsel jahrelang freie Hand lasst Der umsichtige fleissige Thomas enttauscht seinen brummigen aber nicht unfreundlichen Brotgeber nie Freilich hat der Offizier in dem handwerklich geschickten Bildermann eine grosse Hilfe der Thomas bald auf die Insel gefolgt war Die beiden leben gemeinsam in der Kate auf der kleinen Insel in unmittelbarer Nahe des alten Generals Die langen Winterabende nutzt Thomas zwei Bucher uber Moral auf See und im Gefecht zu schreiben Die beiden Werke Ethik des Seemannslebens sowie Der Schlachtengott werden veroffentlicht stossen aber auf Widerspruch jener Leserschaft die Deutschland nicht langer als Kriegsverlierer sehen will etwa des in Ostpreussen aktiven Stahlhelm Zwar folgt Thomas der Einladung zu dessen Kriegsspielen doch er halt Distanz Als Graf Natango Opfer eines Aufstandes der Landbevolkerung wird erbt Thomas uberraschend den Grossteil von dessen Besitz Thomas der unter seinem Gonner dem General von Platen jahrelang als Fischer auf dem Inselchen gehaust hatte sieht sich so uber Nacht im Besitz eines graflichen Schlosses mit Gemaldegalerie einer gut sortierten Bibliothek und eines gut eingerichteten naturwissenschaftlichen Laboratoriums Von Todessehnsucht erfullt sucht er sich einige Folianten heraus stapelt diese auf dem Nachttisch forscht und liest Sein Fazit lautet das Geschaute war grosser als das Gedachte 7 Stil BearbeitenDie Sprache Wiecherts ist ausgesucht virtuos Einzelheiten aus der Lebensgeschichte Thomas von Orlas werden sehr zogerlich und indirekt erzahlt objektive Fakten weitgehend vermieden Der Text spiegelt den Charakter Thomas von Orlas Der Protagonist erscheint zuruckhaltend tolerant ernst vornehm kunstsinnig nachdenklich naturverbunden genugsam arbeitsam und keineswegs hochmutig Kunstvoll wird das Stilelement der Wiederholung eingesetzt Zweimal wird gegen die Obrigkeit aufbegehrt Einmal wird Thomas von Orla in die Ostsee geworfen und kommt mit dem Leben davon ein anderes Mal begibt sich Graf Natango in Gefahr und kommt darin um Beide Male treten Herren einsam gegen die aufgebrachte Volksmenge an und mussen unterliegen Themen BearbeitenBescheidenheit und DemutDer Korvettenkapitan verschweigt seinen Adelstitel und tritt in Ostpreussen als Steuermann Thomas Orla auf Sein Sohn Joachim verrat das Geheimnis bei einem seiner regelmassigen Ferienbesuche Dem ehrgeizigen Jungen ist die Bescheidenheit seines Vaters fremd Er will hoher hinaus als dieser und Geschwaderchef werden Die ethischen Grundpfeiler die der Vater in seinen beiden Buchern fur Seeoffiziere errichtet hat lehnt er ab Zur Beerdigung seiner Mutter Gloria kommt Joachim nicht da er sich um seine Karriere kummert Ehe und LiebeDie Jahre auf See haben jedoch auch den Korvettenkapitan seiner Gattin und seinem Sohn entfremdet Gloria will ihre Lebensfuhrung nach dem Kriege nicht andern und Thomas von Orla sind die rauschenden Feste nach seinem Schlusselerlebnis zuwider Er verlasst seine Frau und ubergibt seinen Sohn seiner Schwester Erst als Gloria todkrank zu ihm kommt pflegt er sie zwolf Tage lang bis zu ihrem Ende Joachim gilt es als verabredet dass er die gleichaltrige Marianne von Platen einmal heiraten wird Diese findet aber den Vater anziehender als den Sohn Zwar spricht Thomas von Orla die zu Beginn dreizehnjahrige Marianne durchgangig als das Kind an und behandelt sie auch im Erwachsenenalter noch wie sein Kind doch der Text lasst offen ob die beiden mehr als Kameradschaft verbindet bis Marianne Thomas am Ende der Erzahlung einen langen Kuss auf den Mund gibt Mit dem Verzicht auf die Liebe zu dem Madchen endet der Roman Das Letzte was man im Leben gewinnen kann ist nichts haben zu wollen Auch in der Liebe 8 Gott Krieg und TodDas beherrschende Thema ist das millionenfache Morden wahrend des Ersten Weltkrieges und dessen Folgen Dieses Thema wird durch mehrere Einzelschicksale ausgefuhrt etwa durch die Gattin des Forsters Gruber deren Sohn Valentin auf dem Schlachtkreuzer Seydlitz umkam Die Frau verliert uber dem schmerzlichen Verlust den Verstand Auch der Moralist und Seekriegs Ethiker Thomas von Orla hadert mit seinem Gott und kann das Schweigen des Herrn nicht begreifen Gefecht und Schlacht Tod und Zerstorung das konnte nicht alles sein Irgendwo schleiften die zerrissenen Zugel dieses Wagens uber die Erde und so lange musste man gehen bis sie uber einen hinwegfegten und man versuchen konnte ein Stuck zu ergreifen Den Sinn musste man zu finden suchen nicht das Ganze die Losung das Letzte aber ein Stuckchen Sinn den Schimmer eines Planes und dann wollte man in Gottes Namen noch einmal anfangen 9 Ostpreussen nbsp In MasurenDer Roman ist eine Hommage des Autors auf seine engere Heimat und die herbe Schonheit der masurischen Landschaft Rezeption BearbeitenVor 1945Im Erscheinungsjahr 1939 lag eine Inhaftierung Wiecherts im Konzentrationslager Buchenwald erst wenige Monate zuruck Die beiden zustandigen NS Dienststellen beurteilten das Buch kontrar Wahrend das Amt Rosenberg dem Werk positiv gegenuberstand wurde es vom Reichsministerium fur Volksaufklarung und Propaganda unter Joseph Goebbels abgelehnt So kam es gleichsam zur Druckgenehmigung aus Versehen 10 Nach Annette Schmollinger rezensierten 1939 vier deutsche Zeitschriften den Roman 11 Die Zeitschrift Die Frau kritisierte das Werk als egoistisch 12 In dem Roman wurde eine Absage an die Idee der Gemeinschaft und das Bekenntnis zur bewussten Vereinzelung 13 gesehen Nach 1945Schmollinger resumiert das Buch reprasentiere kein demokratisches Gesellschaftsbild als Ideal 14 Gunter Scholdt gibt jenen die Wiechert nicht der Inneren Emigration zurechnen mochten zu bedenken dass zum Veroffentlichungszeitpunkt der Ruckzug aus der Offentlichkeit eine gewichtige politische Handlung darstellte eine Reaktion namlich auf die totale Politisierung des Lebens im Dritten Reich ein Signal der Resistenz gegenuber der volligen Vereinnahmung des Autors 15 Die Literaturgeschichte wirft dem Autor Eskapismus vor 16 Das sei nach Schmollinger jedoch ungerechtfertigt denn Thomas von Orla fluchte nicht aus seinem Leben sondern er orientiere sich um 17 Mit dieser Ruckbesinnung und Konzentration auf das Individuelle starke er sein Ich und setze sich von der Masse ab 17 Heinz Stolte bemangelt das Naturkultische 18 im Roman und Frank Lothar Kroll kann dem Autor den schwerwiegenden Vorwurf nicht ersparen Probleme und Geschehen liessen sich aus dem Titel erraten 19 Weiter bemerkt Kroll Wiechert arbeite mit Gleichnissen 20 Der rotierende Globus symbolisiere die Wiederkehr Thomas von Orlas Insel die selbst gewahlte Robinson Einsamkeit und die Hutte auf der Insel die Arche Noah Thomas von Orla auf seiner Insel profiliere sich als Gottsucher Gesucht werden Perkunos Buddha und die Gotter der Osterinsel 20 Thomas begleite Marianne auf dem Weg zur Frau quasi als ihr Vater Marianne behalte die Kind Rolle und verkorpere die neue Generation 21 Fur Herbert Wehner war Das einfache Leben das Buch das ihn wahrend seiner Emigrationsjahre nachhaltig pragte 22 Helmut Schmidt und seine Frau empfanden Das einfache Leben wahrend des Terrors der letzten Kriegsjahre als Idealvorstellung und erklarten dass viele Leute damals ahnlich empfunden hatten wie sie 23 Ernst Wiechert selbst nannte Das einfache Leben sein Buch das einzige meiner Bucher vielleicht das ganz mein war 24 und hielt es fur naturlich dass sich die deutsche Kritik mit Erbitterung gegen das Buch wendete Aber keines seiner Bucher bewirkte laut Wiechert so viel Trostung wie dieses uber kein Buch habe ich so viele und so ergreifende Zeugnisse des Dankes 25 Literatur BearbeitenQuelleErnst Wiechert Das einfache Leben Roman Munchen 2002 394 Seiten ISBN 3 7844 2910 6ErstausgabeErnst Wiechert Das einfache Leben Roman Verlag Albert Langen und Georg Muller Munchen 1939 389 SeitenSekundarliteraturElisabeth Boa Rachel Palfreyman Heimat A German Dream Regional Loyalties and National Identity in German Culture 1890 1990 Oxford OUP 1998 S 58 86 ISBN 978 0198159223 eng Frank Lothar Kroll Hrsg Wort und Dichtung als Zufluchtsstatte in schwerer Zeit Berlin 1996 S 107 109 ISBN 3 7861 1816 7 Annette Schmollinger Intra muros et extra Deutsche Literatur im Exil und in der inneren Emigration Ein exemplarischer Vergleich Diss Heidelberg 1998 erschienen Heidelberg 1999 Beitrage zur neueren Literaturgeschichte Folge 3 Bd 161 S 187 193 ISBN 3 8253 0954 1 Deutsche Literaturgeschichte Band 10 Paul Riegel und Wolfgang van Rinsum Drittes Reich und Exil 1933 1945 Munchen 2004 S 166 170 ISBN 3 423 03350 9 Gero von Wilpert Lexikon der Weltliteratur Deutsche Autoren A Z Stuttgart 2004 S 669 ISBN 3 520 83704 8Weblinks BearbeitenReichsstelle zur Forderung des deutschen Schrifttums Berlin am 7 Juni 1939 Gutachten fur Verleger PDF 31 kB verfasst von B Payr Klaus Weigelt Ernst Wiechert Das einfache Leben Roman 1939 Rundbrief Mitteilungen der Internationalen Ernst Wiechert Gesellschaft 1 1990 Wiederabdruck aus Der Greif Bundeszeitschrift des osterreichischen Wandervogels 3 Jg 1989 Heft 4 S 177 178 Helmut Neuwinger Ernst Wiecherts Roman Das einfache Leben eine landliche Idylle Beitrag der Internationalen Ernst Wiechert Gesellschaft Das einfache Leben im Projekt Gutenberg DEEinzelnachweise Bearbeiten Ernst Wiechert Jahre und Zeiten Erinnerungen Eugen Rentsch Verlag Erlenbach Zurich 1951 S 345 f Ernst Wiechert Jahre und Zeiten Erinnerungen Eugen Rentsch Verlag Erlenbach Zurich 1951 S 354 Die Bibel AT Der Psalter Psalm 90 9 Memento des Originals vom 15 Juli 2010 im Internet Archive nbsp Info Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht gepruft Bitte prufe Original und Archivlink gemass Anleitung und entferne dann diesen Hinweis 1 2 Vorlage Webachiv IABot www bibel online net Ernst Wiechert Das einfache Leben Munchen 2002 S 332 Einer altpreussisch baltischen Sage nach war Natango der Sohn des Konigs Widowuto aus Prussenland Ernst Wiechert Das einfache Leben Munchen 2002 S 160 Ernst Wiechert Das einfache Leben Munchen 2002 S 333 Ernst Wiechert Das einfache Leben Albert Langen Georg Muller Munchen 1939 S 115 Ernst Wiechert Das einfache Leben Verlag Kurt Desch Munchen 1945 S 18 Riegel und van Rinsum S 169 Schmollinger S 191 Zitiert bei Schmollinger S 191 sowie bei Hildegard Chatellier Ernst Wiechert im Urteil der deutschen Zeitschriftenpresse 1933 1945 Ein Beitrag zur nationalsozialistischen Literatur und Pressepolitik in Recherches Germaniques 3 1973 S 182 Zitiert bei Schmollinger S 191 und Chatellier S 183 Schmollinger S 192 Gunter Scholdt Den Emigranten nach aussen entsprechen die Emigranten im Innern Kasacks Diktum und die Kritik an einem Begriff in Helmut John und Lonny Neumann Hrsg Hermann Kasack Leben und Werk Symposium 1993 in Potsdam Frankfurt am Main 1994 S 107 zitiert bei Schmollinger S 192 Riegel und van Rinsum S 166 170 a b Schmollinger S 190 Zitiert bei Riegel und van Rinsum S 170 Kroll S 107 a b Kroll S 108 Kroll S 109 Der Onkel Herbert Wehner in Gesprachen und Interviews Hoffmann amp Campe 1986 Ein Mindestmass an Ehrgeiz ist notwendig Gunter Gaus im Gesprach mit Helmut Schmidt Sendung vom 8 Februar 1966 Ernst Wiechert Jahre und Zeiten Erinnerungen Eugen Rentsch Verlag Erlenbach Zurich 1951 S 346 Ernst Wiechert Jahre und Zeiten Erinnerungen Eugen Rentsch Verlag Erlenbach Zurich 1951 S 347Normdaten Werk GND 4435976 7 lobid OGND AKS Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Das einfache Leben amp oldid 237219468