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Als Barenkult oder Barenfest bzw Barenzeremonie 1 bezeichnet man religiose Rituale in denen Baren eine besondere Verehrung zukommt Im gesamten schamanistisch gepragten Kulturareal Sibirien und Palao Sibirien sowie uber Korea bis hin zu den Ainu aber auch im nordamerikanischen Kulturareal Subarktis 2 wurde oder wird der Barenkult ausgeubt Die Abstammung des Menschen vom Baren wird in den dortigen ethnischen Religionen allgemein angenommen und der Herr der Tiere die wichtigste Gottheit animistischer Wildbeuter wohnt tief in der Taiga und hat Barengestalt Der Kult umfasst verschiedene rituelle Handlungen bei der Barenjagd dem Barenschmaus und der Behandlung seiner Uberreste sowie spezielle Lieder Darbietungen oder Spiele 3 Selbst bei den nordeuropaischen Samen insbesondere bei den Skoltsamen nordostlich des Inarisees hat sich ein Teil des fruheren Barenkultes trotz der jahrhundertelangen Zwangschristianisierung erhalten 4 Besonders bedeutend und bekannt ist das Barenfest iyomante der Ainu auf Hokkaidō Japan Baren beeindrucken Menschen seit langem Grizzly USA Der Terminus bezeichnet aber auch eine im 20 Jahrhundert populare Theorie von Religionswissenschaftlern wie Mircea Eliade und Joseph Campbell nach der bereits so genannte Fruhmenschen Angehorige heute ausgestorbener Arten der Gattung Homo Jagdmagie und einen Barenkult praktiziert hatten vgl Religion im Palaolithikum Inhaltsverzeichnis 1 Der Bar in der Mythologie 2 Der Barenkult bei den Ainu 3 Der Barenkult als religionswissenschaftliche Theorie 4 UNESCO Kulturerbe 5 Siehe auch 6 Literatur 7 EinzelnachweiseDer Bar in der Mythologie BearbeitenBaren sind nicht nur eindrucksvolle und fur jagende und Hohlen aufsuchende Menschen mitunter auch gefahrliche Saugetiere Aufgerichtet wirken sie zudem auch menschenahnlich sie bewohnen bzw besetzen Hohlen und treten sowohl einzeln wie auch in kleineren Familienverbunden auf Eine entsprechend wichtige Rolle nehmen sie in der Mythologie vor allem jagender Volker und auch in den Erzahlungen moderner Gesellschaften bis heute ein Die Diskussionen um den Abschuss des Baren Bruno in Bayern im Juni 2006 oder um das Uberleben des Eisbarjungen Knut in Berlin Anfang 2007 zeigen die emotionale Wirkung des Tieres auch in der Gegenwart auf nbsp Im Norden der kretischen Halbinsel Akrotiri ist diese Grotte nach einem barenformigen Stalagmiten benannt der Panagia Arkoudiotissa Heilige Jungfrau von der Barenhohle geweiht oder Arkoudospilios fur die Hohle der Barin Es gibt Hinweise fur eine Nutzung der Hohle in neolithischer und minoischer Zeit zu kultischen Zwecken 5 In der Antike wurde hier die Gottin Artemis verehrt 6 Links vom Hohleneingang befindet sich eine kleine Kapelle aus dem 16 Jahrhundert in der sich Elemente des antiken Kultes erhalten haben In der griechischen Mythologie ist der Bar das Attribut mehrerer Gottheiten vor allem der Artemis der Gottin der Jagd Das Artemis Heiligtum von Brauronia dem heutigen Vraona unweit von Athen ist der mythischen Uberlieferung zufolge errichtet worden um die Totung eines Baren der ein Kind gefressen hatte zu suhnen In dem Heiligtum wurden vom 6 Jahrhundert an bis in die hellenistische Epoche in einem funfjahrlichen Turnus zur Fruhlingszeit Feierlichkeiten zu Ehren der Artemis vollzogen an deren Ende die Opferung einer Barin stand 7 Junge Madchen die im Heiligtum der Artemis erzogen wurden nannte man Arktoi kleine Barinnen Der Mythos von Atalante die einigen Autoren zufolge als einzige Frau am Argonautenzug teilnahm erzahlt dass sie von einer Barin aufgezogen worden sei nachdem ihr Vater Jasos Konig von Arkadien seine Tochter auf dem Berg Parthenion hatte aussetzen lassen Auch Paris der Sohn des Priamos und der Hekabe soll von einer Barin aufgezogen worden sein Vor seiner Geburt hatte Hekabe getraumt dass sie kein Kind sondern eine Fackel zur Welt bringen werde die Troja in Brand stecken werde Priamos wollte sich daraufhin des Neugeborenen entledigen und schickte einen seiner Diener aus um Paris in einem Wald zu toten Der Diener hatte Mitleid mit dem Kind und liess es auf dem Berg Ida zuruck wo eine Barin sich seiner annahm Spater wurde Paris dann von Hirten aufgezogen Die griechische Mythologie kennt auch Falle geschlechtlicher Verbindungen zwischen Bar und Mensch so etwa im Mythos von Polyphonte die zu Ehren Artemis ein Keuschheitsgelubde abgelegt hatte das Aphrodites Zorn heraufbeschwor Sie fuhrte Polyphonte auf vielerlei Arten und Weisen in Versuchung und machte ihr Geschenke Doch Polyphonte blieb standhaft was Aphrodites Rachsucht provozierte so dass sie Polyphonte in Leidenschaft fur einen Baren entbrennen liess Aus der Vereinigung Polyphontes mit dem Baren gingen Agrios der Wilde und Oreios der Bergbewohner hervor zwei Wesen von gewaltiger Kraft die weder Menschen noch Gotter furchteten Zeus verlangte daher von Hermes sie zu toten Doch Ares ein Ahne Polyphontes hatte Mitleid mit der Mutter und ihren beiden Sohnen und verwandelte sie alle drei in Vogel eine Eule und zwei Geier Der mythische Jager Kephalos beruhmt wegen seiner ausserordentlichen Schonheit litt an seiner Kinderlosigkeit Er befragte daher das Orakel von Delphi welches ihm riet sich mit dem ersten weiblichen Wesen zu vereinigen dem er auf dem Ruckweg begegnen wurde Er traf eine Barin vereinte sich mit ihr und diese gebar ihm den Arkeisios zu dessen Nachfahren Odysseus zahlte In der keltischen Mythologie ist der Bar das Attribut der Gottin Artio Eine 1832 in Muri bei Bern gefundene Votivfigur aus dem 2 Jahrhundert zeigt die Gottin mit einem Baren 8 Mit dem Mythos von Juan Oso dem Sohn eines Baren und einer von ihm entfuhrten Frau sowie dem Tanz der Baren ukuku bei den Quechua in Cusco hat der Barenkult auch heute noch einen Platz in der Mythologie und Folklore indigener Volker in Lateinamerika Der Barenkult bei den Ainu Bearbeiten nbsp Iyomante um 1930 Nicht der einzige aber der mit Abstand beruhmteste Barenkult stammt von den Ainu den Ureinwohnern der heute zu Japan gehorenden Insel Hokkaidō In der Ainu Sprache wird der Bar als kamuy bezeichnet was ebenfalls der Begriff fur Gott ist Im animistischen Glaubenssystem dieses Wildbeutervolkes nehmen die Gotter kamuy vorwiegend tierische Gestalt an um die Welt und die Menschen zu besuchen Junge Baren werden gefangen und bis zum Alter von etwa zwei Jahren als Kamuy Gesandte grossgezogen bevor sie im Verlauf des Barenfestes iyomante oder iomante zuruckgeschickt d h getotet und rituell verehrt werden Im Zuge eines neu erwachenden Selbstbewusstseins und auch uber die UNO ausgetragenen Ringens um Anerkennung seit den 1970er Jahren gegen die bis dahin vorherrschende Assimilierungspolitik Japans sind Kultur und Religion der Ainu weltweit bekannt geworden Der Barenkult als religionswissenschaftliche Theorie BearbeitenDie Diskussion daruber ob Fruhmenschen entwickelte Geistesgaben besassen Schilderungen der Ethnologie etwa zum Barenfest der Ainu und Funde von scheinbar ausgerichteten Barenschadeln und knochen in mehreren Hohlen datierbar auf wahrend oder noch vor der Altsteinzeit fuhrten den Religionswissenschaftler Mircea Eliade zu der Annahme auch schon der fruhe Mensch habe als Jager einen weltweit verbreiteten Barenkult gepflegt Diese These findet sich bis heute in popularwissenschaftlicher Literatur und wurde noch in jungerer Zeit etwa von Joseph Campbell vertreten Genauere Forschungen haben jedoch ergeben dass die anscheinende Ausrichtung der keilformigen Barenschadel sehr viel besser durch Wassereinwirkung in den Hohlen als durch Menschen erklart werden kann also eher zufallig und scheinbar ist Auch ist das vergemeinschaftete Auftreten von Hohlenbarenskeletten keine Besonderheit ziehen sich diese doch zum Ruhen und damit oft auch Verenden gerne in Hohlen zuruck Daneben spricht aber auch der ethnologische Befund gegen die These von einem verbreiteten Barenkult etwa schon beim archaischen Homo sapiens Denn in den bestehenden Glaubenswelten von Wildbeutern spielen Baren zwar eine oft wichtige Rolle stehen jedoch nicht alleine Ausnahmslos werden auch andere Tiere etwa bevorzugte Jagdbeute verehrt Entsprechende Ritualplatze rund um andere Tiere sind jedoch fur die fruhe und mittlere Altsteinzeit nicht belegt Auch aussern sich die rezenten Barenkulte in sehr komplexen Ritualen mit hoher Beteiligung Opfern und praparierten Statten wogegen die mutmasslichen Erectus Barenkult Fundorte keinerlei Eintrag menschlicher Artefakte verzeichnen Aus wissenschaftlicher Sicht muss daher heute die These eines verbreiteten Barenkultes vor dem Mittelpalaolithikum als widerlegt gelten Wissenschaftsgeschichtlich interessant bleibt jedoch die Ruckwirkung rezenter Trends und Entdeckungen auf die menschheitsgeschichtliche Theoriebildung und der Umstand dass zeitgenossische Wildbeuter zu vermeintlich starren Hutern von Traditionen uber Jahrhunderttausende erklart wurden um das innovative Potential fruher Menschen zu verteidigen UNESCO Kulturerbe BearbeitenBarenfeste in funf Dorfern in den Pyrenaen Frankreich und Andorra wurden 2022 von der UNESCO in die Reprasentative Liste des immateriellen Kulturerbes der Menschheit aufgenommen 9 Siehe auch BearbeitenBarenfuhrenLiteratur BearbeitenJoseph Campbell Mythologie der Urvolker Die Masken Gottes Bd 1 dtv Munchen 1996 ISBN 3 423 30571 1 Mircea Eliade Geschichte der religiosen Ideen Bd I Von der Steinzeit bis zu den Mysterien von Eleusis Basel Freiburg Wien 1978 Richard B Lee et al The Cambridge Encyclopedia of Hunters and Gatherers Cambridge University Press 2006 auch Ainu iyomante Andre Leroi Gourhan Die Religionen der Vorgeschichte Palaolithikum Suhrkamp Verlag Frankfurt am Main 1981 ISBN 3 518 11073 X Ina Wunn et al Die Religionen in vorgeschichtlicher Zeit Die Religionen der Menschheit Band 2 Kohlhammer Stuttgart 2005 ISBN 3 17 016726 X Widerlegung Michel Pastoureau Der Bar Geschichte eines gesturzten Konigs Wunderkammer Verlag Neu Isenburg 2008 ISBN 978 3 939062 09 7 Asa Liljenroth Der Barenkult auf den Spuren des Ur Weiblichen utzverlag Munchen 2021 ISBN 978 3 8316 4906 8 Einzelnachweise Bearbeiten vgl Wilhelm Koppers Der Barenkult in ethnologischer und prahistorischer Beleuchtung Palaeobiologica V 47 64 hier S 47 Christian F Feest Beseelte Welten Die Religionen der Indianer Nordamerikas In Kleine Bibliothek der Religionen Bd 9 Herder Freiburg Basel Wien 1998 ISBN 3 451 23849 7 S 147 Kathe Uray Kohalmi Sibirische Religionen erschienen in Horst Balz et al Hrsg Theologische Realenzyklopadie Band 28 Purstinger Religionsphilosophie Walter de Gruyter Berlin New York 1997 ISBN 978 3 11 019098 4 S 236 240 Ina Wunn Naturreligionen In Peter Antes Hrsg Daran glauben wir Vielfalt der Religionen Vollstandig uberarbeitete Neuauflage Lutherisches Verlagshaus Hannover 2012 ISBN 978 3 7859 1087 0 S 276 277 Marija Gimbutas The living goddesses University of California Press 2001 ISBN 978 0 520 92709 4 S 144 eingeschrankte Vorschau in der Google Buchsuche Hope B Werness The Continuum Encyclopedia of Animal Symbolism in World Art Continuum International Publishing Group 2006 ISBN 978 0 8264 1913 2 S 36 eingeschrankte Vorschau in der Google Buchsuche Michel Pastoureau Der Bar Geschichte eines gesturzten Konigs Wunderkammer Verlag Neu Isenburg 2008 S 41 44 Michel Pastoureau Der Bar Geschichte eines gesturzten Konigs Wunderkammer Verlag Neu Isenburg 2008 S 48 Bear festivities in the Pyrenees UNESCO Intangible Cultural Heritage 2022 abgerufen am 25 November 2023 englisch Immaterielles Kulturerbe Frankreichs Reprasentative Liste Prozessionen der Riesen und Drachen in Belgien und Frankreich Reuze Papa Fetes de Gayant Poulain de Pezenas Tarasque 2008 Tapisserie aus Aubusson 2009 Maloya Tanz 2009 Traditioneller Abbund bei Holzbauten 2009 Compagnonnage Netzwerk 2010 Gastronomisches Mahl 2010 Nadelspitze aus Alencon 2010 Franzosische Reitkunst 2011 Fest noz 2012 Reliquienfeiern in Limousin 2013 Gwoka Guadeloupe 2014 Feuerfeste zur Sommersonnenwende Pyrenaen 2015 Karneval Granville 2016 Trockenmauerwerk 2018 Parfumherstellung in 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