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Der Uberfall auf die Zionskirche am 17 Oktober 1987 war ein Angriff von rechtsradikalen Skinheads auf Besucher eines Element of Crime Konzertes in der Zionskirche in Ost Berlin Der Uberfall die Strafprozesse und das damit einhergehende Medienecho fuhrten erstmals zu einer offentlichen Auseinandersetzung mit Neonazis in der DDR Das Ministerium fur Staatssicherheit fuhrte danach eine geheime Untersuchung uber Skinheads in der DDR durch Im Umfeld der DDR Opposition die auch in der Zionskirche beheimatet war bildeten sich Ende 1987 die ersten Antifa Gruppen Der Uberfall wurde als Zasur wahrgenommen bereits bestehende rechtsradikale und nationalistische Stromungen im Osten Deutschlands wurden sichtbar und konnten nicht mehr unter dem Mantel des staatlich verordneten Antifaschismus verschwinden Foto des Konzerts in der ZionskircheErik Weiss 1987Link zum Bild Bitte Urheberrechte beachten Inhaltsverzeichnis 1 Geschichte 1 1 Punks und Skinheads in der DDR bis 1987 1 2 Vor dem Konzert 1 3 Geschehen am 17 Oktober 1987 1 4 Strafrechtliche Verfolgung 1 5 Zeitgenossische Wahrnehmung in den Medien 1 6 Reaktionen uber den Fall hinaus 2 Rezeption 3 Literatur und Dokumentation 4 EinzelnachweiseGeschichte BearbeitenPunks und Skinheads in der DDR bis 1987 Bearbeiten Hauptartikel Punk in der DDR und Skinheads in der DDR Es gab in der DDR in der zweiten Halfte der 1980er Jahre besonders in Ost Berlin eine aktive und vielfaltige Jugendkultur zu der auch Punks und Skinheads gehorten Nicht alle der Skinheads gehorten der rechtsextremen Szene an die Ubergange zwischen Punks und Skins waren vor allem zu Beginn der 1980er Jahre noch fliessend Dies anderte sich ab 1983 als ein grosser Teil der Skinheads die Punkbewegung verliess Einige der am Uberfall auf die Zionskirche beteiligten Skinheads waren ehemalige Punks In Ost Berlin gab es 1987 einige hundert Skinheads dazu Sympathisanten Die Ubergange der Skinhead Szene zu Hooligans im Umfeld der beiden Ost Berliner Oberliga Klubs BFC Dynamo und FC Union waren fliessend Auch wenn zwischen den Fans von BFC und Union wahrlich keine Fanfreundschaft bestand gab es zwischen den Skinheads und gewaltbereiten Fans beider Klubs auch Verbindungen Erste organisierte Gruppen von rechtsextremen Skinheads in Ost Berlin entstanden 1983 Die Lichtenberger Front wurde 1986 in Berlin Lichtenberg gegrundet und von Ingo Hasselbach sowie dessen Freund Andre R gefuhrt Mitglieder dieser Gruppe waren am Uberfall auf die Zionskirche beteiligt wobei Hasselbach aufgrund einer Haftstrafe das perfekte Alibi hatte 1 Die evangelische Kirche der DDR bot Punks einen gewissen Freiraum auch Auftrittsmoglichkeiten bis hin zu kleinen Festivals wie dem Alosa Fruhlingsfest an der Erloserkirche Dies war jedoch immer von den jeweiligen Pastoren und dem Gemeindekirchenrat abhangig es gab nur wenige Kirchen die als Punk freundlich galten 2 Dazu gehorte auch die Zionskirche die zudem in der Nahe von besetzten Hausern lag Eine gewisse Organisation dieser oppositionell gesinnten und jugendnahen Kreise uber einzelne Gemeinden hinweg bot ab 1986 1987 die Kirche von Unten Die Zionskirche mit der dort 1986 gegrundeten Umwelt Bibliothek war auch eines der Zentren der Kirche von Unten in Ost Berlin Vor dem Konzert Bearbeiten Aus lauter Langeweile handgemaltes KonzertplakatSilvio Meier 1987Link zum Bild Bitte Urheberrechte beachten Das Konzert der West Berliner Indie Rock Band Element of Crime in der Ost Berliner Zionskirche hatten Aktivisten der oppositionellen Netzwerke Kirche von Unten und Umwelt Bibliothek organisiert Letztere war in der Zionskirche ansassig Die zentrale Person in der Vorbereitung war Silvio Meier 3 Dessen Bruder hatte die DDR verlassen und lebte in West Berlin zufallig im selben Kreuzberger Mietshaus wie Paul Lukas Bassist von Element of Crime So kam der Kontakt zur Band zustande 4 Im Juli 1987 fand der erste Auftritt von Element of Crime in der Zionskirche statt Das Ganze wurde als Andacht mit Musik deklariert entsprechend wurde das Genehmigungswesen der staatlichen Konzertagentur umgangen Bei diesem Konzert waren etwa 200 Zuschauer anwesend 4 Nach diesem Erfolg uberzeugte Silvio Meier den Gemeindekirchenrat der Zionskirche davon in der Kirche ein grosseres Konzert zu veranstalten obwohl im Kirchenschiff gebaut wurde Ab dem 17 September stand der Konzerttermin fest und wurde in der jugendlichen Subkultur Ost Berlins bekannt es gab ein von Silvio Meier handgemaltes Plakat 5 ansonsten lief die Werbung uber Mundpropaganda Vorband sollte die Ost Berliner Punkband Die Firma sein Die Mitglieder von Element of Crime kamen erst am Tag des Auftritts aus West Berlin mit Tagesschein uber die Grenze Um dabei nicht aufzufallen brachten sie kein Equipment mit sondern wollten auf den Instrumenten von Die Firma spielen Einer der Musiker hatte zumindest sein eigenes Mundstuck fur die geliehene Trompete der Firma dabei 6 Am 16 Oktober 1987 also am Vortag des geplanten Konzerts kam es vor dem Haus der jungen Talente HdjT in Mitte zu einer Auseinandersetzung zwischen Punks und Skinheads Daraus soll die Idee beteiligter Skinheads entstanden sein die Sache am nachsten Tag beim Zionskirch Konzert in grosserer Runde im Sinne einer Revanche zu klaren 7 Das HdjT gehorte 1987 1988 ebenso wie die HO Gaststatten Frankfurter Tor in der Warschauer Strasse Sputnik in der Greifswalder Strasse Rennsteig in der Schonhauser Allee und die Diskothek Cafe Nord in der Wichertstrasse Prenzlauer Berg zu den Treffpunkten der Rechtsradikalen in Ost Berlin 8 Geschehen am 17 Oktober 1987 Bearbeiten nbsp Innenraum der Zionskirche 2015 Die Bands spielten vor dem Altar direkt unter dem Kreuz Der Angriff fand durch das Portal rechterhand statt Das Konzert fand wie geplant am Abend des 17 Oktober 1987 statt Bei Element of Crime stand Sven Regener am Mikrofon Als Vorband trat die Ost Berliner Punkband Die Firma auf dabei spielte Paul Landers Gitarre Tatjana Besson den Bass und Bandgrunder Frank Trotsch Troger lieferte den Gesang Landers war spater Grundungsmitglied von Rammstein wohingegen Besson und Troger spater als Inoffizielle Mitarbeiter IM des MfS enttarnt wurden 9 Das Konzert war gut besucht die Besucherzahl wurde auf 1000 bis 2000 geschatzt Eintrittskarten gab es nicht am Ausgang konnte man spenden Die Bands spielten im Bereich des Altars Besucher standen zwischen den Kirchenbanken neben und auch hinter der Band teils auf waghalsig erkletterten Positionen an Kanzel oder Emporen 3 Zeitgleich zum Zionskirch Konzert fand in der HO Gaststatte Sputnik im Prenzlauer Berg eine geschlossene Veranstaltung statt bei der etwa 100 Skinheads feierten Anlass boten ein Geburtstag sowie die Verabschiedung eines Skinheads zum zehnjahrigen Militardienst als Berufsunteroffizier Die Kneipe in der Greifswalder Strasse 204 ist ungefahr zwei Kilometer von der Zionskirche entfernt Am Nachmittag hatte in Ost Berlin Lok Leipzig gegen Union Berlin gespielt am Rande gab es Prugeleien mit Skins und Hooligans Die auf der Party feiernden Skinheads waren teilweise der Fan Szene des BFC Dynamo zuzurechnen doch waren auch Union Fans da Auch einige Skinheads aus West Berlin feierten mit 3 Diese hatte Torsten B vom Grenzubergang Bahnhof Friedrichstrasse abgeholt und zur Party gebracht 10 Nach Ende des Konzertes leerte sich die Kirche es waren noch etwa 500 Besucher anwesend Kurz nach 22 00 Uhr sturmten rund 30 Skinheads wahllos prugelnd durch den Eingang des rechten Seitenflugels Berichtet wurde der Einsatz von Schlagwerkzeugen wie zum Beispiel Fahrradketten Dabei riefen sie Parolen wie Keine Juden in deutschen Kirchen und Kommunistenschweine Zuerst wichen die Konzertbesucher trotz ihrer grossen Uberzahl zuruck Nach einiger Zeit formierten sich kleinere Gruppen von Punks zum Widerstand und drangten die Skinheads aus der Kirche Dabei wurden Flaschen geworfen die teils die eigenen Leute trafen Von Kirchenbanken wurden Holzlatten abgerissen und als Prugel genutzt Draussen vor der Kirche gingen die Schlagereien teils weiter Die Polizei war in den umliegenden Strassen mit mehreren Streifenwagen und vollbesetzten Mannschafts LKW prasent griff aber nicht ein Die Personalien der vom Zionskirchplatz abziehenden Skinheads wurden dabei von der Polizei nicht aufgenommen 3 Diese polizeiliche Passivitat fuhrte in der folgenden Zeit zu Spekulationen die Situation sei durch die Fuhrung von Polizei und MfS vorsatzlich herbeigefuhrt zumindest jedoch bewusst geduldet worden Diese These war seinerzeit plausibel weil die Punk und Skinhead Szene bekanntermassen durch die Stasi unterwandert war Man konnte also davon ausgehen dass die Behorden sowohl die Planung des Konzerts wie auch die Planung des Uberfalls kannten wenn sie diesen nicht sogar bewusst inszeniert hatten Untersuchungen nach 1990 kamen zu dem Ergebnis dass diese These nicht zu halten ist Zwar wussten die Sicherheitsorgane vorher von dem Konzert der Uberfall war jedoch mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht gesteuert Stattdessen lag das Versagen der Polizei an einem fehlenden klaren Einsatzbefehl bei gleichzeitigem Mangel an Fuhrung und Kommunikation sowie Angst der Einsatzkrafte vor dem unerwartet gewalttatigen Geschehen 3 Nachdem die Skinheads den Tatort mit der Strassenbahn verlassen hatten verteilte sich ihre Gruppe ab der Schonhauser Allee Ecke Dimitroffstrasse Ein Teil uberfiel Manner auf dem dortigen Schwulentreff ein Teil ging in eine Kneipe und eine weitere Teilgruppe stieg in die Strassenbahn Richtung Warschauer Strasse um Zwei Konzertbesucher waren schon in der ersten Strassenbahn mitgefahren und zeigten diese Gruppe nun bei einer zu Fuss patrouillierenden Polizeistreife wegen Korperverletzung an Die Polizisten schickten der Strassenbahn per Funk einen Streifenwagen hinterher An der Kreuzung Dimitroffstrasse Greifswalder Strasse stoppte die Streifenwagenbesatzung die Strassenbahn holte die Gruppe Skinheads heraus und nahm die Personalien auf So kamen die Ermittlungen in Gang 3 Strafrechtliche Verfolgung Bearbeiten Der erste Prozess gegen vier am Uberfall beteiligte Skinheads fand vom 27 November bis zum 3 Dezember 1987 vor der Strafkammer des Stadtbezirksgerichts Berlin Mitte statt Es gab drei Hauptverhandlungstage 27 November 30 November und 1 Dezember 11 am 3 Dezember 1987 wurde das Urteil in erster Instanz verkundet 12 Angeklagt waren Ronny B 1965 13 der 22 jahrige Anfuhrer der Lichtenberger Front BFC Hooligan 195 cm gross dirigierte wahrend des Uberfalls die Skinheads 14 Ronny B war Post Angestellter mit Wohnsitz in Bernau 11 Sven E 1967 13 der damals 20 jahrige Angeklagte zahlt zu den BFC Hooligans 14 Sven E war Glas und Gebaudereiniger mit Wohnsitz in Berlin Treptow 11 Torsten B 1970 13 der damals 17 Jahrige gestand als Einziger der Angeklagten mit einem Heil Hitler Ruf selbst rechtsradikale Parolen gebrullt zu haben 14 Torsten B war Lehrling beim VEB Kuhlautomat Berlin mit Wohnsitz in Berlin Mitte 11 Frank B 1964 13 der Angeklagte war zum Tatzeitpunkt ca 23 Jahre alt Frank B war Handwerker in der Instandsetzung beim VEB Plasta Erkner mit Wohnsitz in Erkner 11 Normalerweise fanden Prozesse nach Jugendstrafrecht in der DDR nur unter eingeschrankter Offentlichkeit statt bei diesem Prozess waren hingegen Vertreter der SED und FDJ Mitarbeiter des MfS und ein Journalist der Jungen Welt anwesend Auch unabhangige Beobachter nahmen teil darunter Vertreter der Zionskirch Gemeinde Mitschnitte der Prozesse befinden sich im Audioarchiv der Robert Havemann Gesellschaft 22 Zeugen wurden gehort Die Angeklagten wurden wegen Rowdytums 215 StGB DDR in Tateinheit mit offentlicher Herabwurdigung 220 StGB DDR zu Haftstrafen zwischen ein und zwei Jahren verurteilt 3 Drei der vier Angeklagten legten Berufung gegen das Urteil ein auch der Staatsanwalt des Bezirks Mitte ging in Revision Wahrenddessen gab es Leserbriefe und Eingaben in denen das Urteil ob des als gering wahrgenommenen Strafmasses kritisiert wurde Das Oberste Gericht empfahl in einem offiziellen Schreiben eine Neuverhandlung vor dem Stadtgericht Berlin als zweiter Instanz Am Stadtgericht Berlin fand am 22 Dezember 1987 die Hauptverhandlung statt Dabei wurden alle vier Urteile ohne erneute Beweisaufnahme im Strafmass erhoht was vorher durch Erich Honecker personlich abgezeichnet worden war Die Berufungen der Angeklagten wurden als unbegrundet zuruckgewiesen Der als Haupttater und Anfuhrer angesehene Ronny B erhielt mit vier Jahren Haft die langste ausgesprochene Strafe 3 Der zweite Prozess gegen acht weitere Tatbeteiligte am Uberfall auf die Zionskirche begann am 26 Januar 1988 vor dem Stadtbezirksgericht Berlin Mitte 15 Das Urteil erging am 3 Februar 1988 verhangt wurden Haftstrafen zwischen anderthalb Jahren und drei Jahren und neun Monaten 16 Mitangeklagt war Andre R 1 dessen Vater als Major bei der Staatssicherheit fur Rechtsextremismus zustandig war 17 Andre R wurde zu zwei Jahren Haft verurteilt wegen guter Fuhrung vorzeitig entlassen und wirkte an der Umwandlung der von ihm mitgegrundeten Skinhead Gruppe Lichtenberger Front zur Bewegung 30 Januar mit 18 die 1990 zur Nationalen Alternative wurde 1990 wurde Andre R stellvertretender Vorsitzender dieser neonazistischen Partei Nicht angeklagt wurde Jens Uwe V der als Fuhrer der BFC Hooligans galt und bekanntermassen am Uberfall teilgenommen hatte 19 Es gab Geruchte dass dies an seiner Zusammenarbeit mit dem MfS lag 1 Der Hauptangeklagte aus dem ersten Prozess Ronny B wurde im Mai 1990 vorzeitig aus der Haft in Bautzen entlassen 20 2007 bemuhte sich B mit Verweis auf das vorher abgesprochene Strafmass um Anerkennung als Opfer des SED Regimes was ihm eine Entschadigung eingebracht hatte 21 Im Marz 1992 wurde vor dem Jugendschoffengericht in Moabit gegen drei West Berliner Tatbeteiligte verhandelt Angeklagt waren zwei Manner die zur Tatzeit 16 bzw 18 Jahre alt waren und eine Frau mit dem Tatalter von 18 Jahren Die DDR Generalstaatsanwaltschaft hatte seinerzeit ein Rechtshilfeersuchen an die West Berliner Strafverfolgungsbehorden gerichtet um tatbeteiligte Skinheads zu ermitteln Laut Anklage von 1992 gab es noch zehn weitere unbekannt gebliebene West Berliner Tater sowie 50 tatbeteiligte Skinheads aus Ost Berlin Hauptangeklagter im Moabiter Verfahren war Martin Sch genannt Bomber Der Prozess fand unter Ausschluss der Offentlichkeit statt und wurde gegen Zahlung von Geldstrafen eingestellt 22 Zeitgenossische Wahrnehmung in den Medien Bearbeiten Erste Berichte in Massenmedien uber den Uberfall erschienen in Westmedien dann auch in der Untergrundpresse der DDR Die offiziellen Ost Medien verschwiegen die Vorfalle zuerst und reagierten erst spater auf westliche Veroffentlichungen jedoch in einer Art die ohne Kenntnis der westmedialen Berichte nur schwer verstandlich war Dies wurde auch von linientreuen DDR Burgern beklagt Weiter bagatellisierten die DDR Medien die Vorfalle verschwiegen den rechtsextremistischen Kontext oder uberbetonten den Anteil der Tater aus West Berlin In der Jungen Welt stand erstmals am 30 Dezember 1987 etwas von Skinrowdys eine Verballhornung von Skinheads mit Rowdys Das Neue Deutschland nannte erstmals am 5 Februar 1988 sogenannte Punks als Beteiligte 23 Am 18 Oktober berichtete der West Berliner Radiosender RIAS schon fruhmorgens uber die Vorgange 6 am 21 Oktober erschien die erste Zeitungsmeldung in der taz ebenfalls in West Berlin Darin wurden die beteiligten Gruppen Punks und Tater Skinheads ebenso genannt wie die faschistischen Parolen und das Nichteingreifen der Volkspolizei 24 In der Berliner Zeitung erschien am 19 November eine kurze Nachricht in der die Festnahme einiger Tater vermeldet wurde 25 Im Neuen Deutschland wurde der Uberfall auf die Zionskirche erstmals am 28 November 1987 erwahnt anlasslich der Eroffnung des ersten Gerichtsverfahrens Die Tater wurden in der kurzen Notiz als Rowdys bezeichnet der Fokus lag auf der Ausubung von Gewalt nicht auf der Ideologie der Tater 26 Am 12 Dezember 1987 forderte der Chefredakteur der Jungen Welt Hans Dieter Schutt in einem Kommentar eine hartere Bestrafung Er setzte dabei Teilnehmer einer Mahnwache an der Zionskirche mit Neonazis gleich und betonte den westlichen Einfluss 27 Der Feind ob er nun mit missionarischem Eifer junge Literaten gegen uns losschickt ob er nun in der Pose des Mahnwachters stets punktlich auf Bestellung mit Fernsehkameras vor Kirchentore zieht oder ob er Rowdys mit faschistischem Vokabular und Schlagwaffen ausrustet er hat bei uns keine Chance Hans Dieter Schutt Junge Welt vom 12 13 Dezember 1987 Auch das Urteil in zweiter Instanz wurde weithin wahrgenommen und kommentiert Vera Wollenberger nahm in Ost Berlin einen Beitrag uber die Vorfalle auf der in der Sendung Radio Glasnost in West Berlin ausgestrahlt wurde Der Kommentar wies darauf hin dass die zur Anwendung gebrachten Paragraphen trotz Strafverscharfung im Grunde unpolitisch waren Die gegen Oppositionelle sonst benutzten politischen Paragraphen wie Staatsfeindliche Gruppenbildung 107 StGB DDR Staatsfeindliche Hetze 106 StGB DDR und Ungesetzliche Verbindungsaufnahme 219 StGB DDR wurden nicht angewandt Damit stelle sich die DDR Fuhrung und Justiz in die Tradition Harte gegen links Nachsicht gegen rechts 28 Reaktionen uber den Fall hinaus Bearbeiten Als Reaktion auf den Uberfall auf die Zionskirche und insbesondere das breite Presseecho im Westen beschloss die Partei und Staatsfuhrung der DDR eine hartere Gangart gegenuber Skinheads Zahlreiche Skinheads wurden praventiv zugefuhrt also ohne konkreten Anlass festgenommen und verhort 29 Ab dem Beginn des Jahres 1988 versuchten die Sicherheitsorgane Skinheads in der DDR nicht mehr sichtbar werden zu lassen Typische Treffs der Jugendlichen wie Diskotheken Jugendclubs und Kneipen erhielten die Anweisung Personen mit Skinhead Aussehen nicht mehr einzulassen und auch nicht zu bedienen Bei Widerstand sollte die Volkspolizei gerufen werden 14 Manche Skinheads insbesondere Fuhrungspersonen reagierten darauf mit dem Tragen von eher unauffalliger sportlicher Kleidung Ab 1987 1988 bildete sich so die Fascho Stromung heraus die nach aussen unauffallig und angepasst agierte nach innen aber in konspirativer Arbeit die Ideologie der NSDAP vertrat 30 Es wurden kleinere Zellen gebildet die uberregional vernetzt waren 31 Das Innenministerium der DDR bildete eine Forschungsgruppe aus Kriminologen und Soziologen die intern AG Skinhead genannt wurde Dies geschah in Abstimmung mit der Abteilung Sicherheit des ZK der SED Der Forschungsgruppe gehorten Angehorige der Kriminalpolizei und Wissenschaftler der Humboldt Universitat an leitend waren der Kripo Oberstleutnant Bernd Wagner und die Soziologin Loni Niederlander Die Forschungsgruppe untersuchte das rechtsextreme Milieu unter Jugendlichen der DDR insbesondere in Leipzig Weimar und Berlin Hauptmittel der Untersuchung waren die Auswertung von Ermittlungsunterlagen und Strafakten sowie Gesprache mit Rechtsradikalen und der Jugendstaatsanwaltschaft Im Ergebnis wurde die Zahl von Neonazis DDR weit auf 6000 Personen geschatzt Die meisten Neonazis kamen aus der jungen Arbeiterklasse Monatlich gab es 1988 bis zu 500 Taten aus diesem Milieu unter anderem Angriffe auf Gastarbeiter aus Mosambik Der Einfluss aus dem Westen schien gering die Entwicklung war also hausgemacht Die AG Neonazis wurde im Herbst 1988 wieder aufgelost die November 1988 abgeschlossene Studie erhielt einen Sperrvermerk wurde also geheim gehalten 29 Eine Studie des Leipziger Zentralinstituts fur Jugendforschung unter Leitung von Walter Friedrich kam zu dem Ergebnis dass 2 der DDR Jugendlichen sich als Mitglieder der Skinheadszene betrachteten wahrend 4 mit ihnen sympathisierten Knapp ein Drittel der Jugendlichen hiessen rechte Aktivitaten gut Auch diese Studie erhielt einen Sperrvermerk 32 In direkter Reaktion auf den Uberfall auf die Zionskirche bildeten sich in der DDR die ersten unabhangigen Antifa Gruppen Unter den Teilnehmern des Konzertes war der Eindruck verbreitet dass der Widerstand im Kirchenraum gegen die rein zahlenmassig stark unterlegene Gruppe der Skinheads zu schwach war und sich nicht schnell genug formierte beides eine Folge der fehlenden Organisation Zudem schien die Staatsmacht die rechtsextremen Schlager zu tolerieren griff jedenfalls nicht ein Zwar war die Erfahrung von Gewalt durch Skinheads unter Punks und deren Sympathisanten 1987 keinesfalls neu aber in ihrem massiven Auftreten und dem In Stich gelassen Werden durch die Staatsmacht lag eine neue Qualitat In Potsdam und Dresden wurden noch 1987 unabhangige Antifa Gruppen gebildet in Halle 1988 und in Berlin nach einem gescheiterten Versuch von 1987 dann im April 1989 in den Raumen der Kirche von Unten 33 Rezeption BearbeitenDer Burgerrechtler Konrad Weiss verfasste im November 1988 den Text Die neue alte Gefahr Junge Faschisten in der DDR und veroffentlichte ihn im Marz 1989 in der Untergrundzeitschrift KONTEXT 34 In dieser fruhen Analyse des Rechtsradikalismus in der DDR nahm Weiss direkten Bezug auf den Uberfall auf die Zionskirche insbesondere die Verehrung der am Uberfall beteiligten und verurteilten Gewalttater als Martyrer der Bewegung durch die rechte Szene 35 Hauptthese des Textes von Weiss war die Kontinuitat nationalsozialistischen Denkens auf dem Gebiet der DDR vor und nach 1945 Dieses Denken konnte in den 1980er Jahren unter den begunstigenden Bedingungen von wirtschaftlicher Stagnation krampfhafter Vermeidung des Nationalen und der Bejahung von staatlicher Gewalt sowie Mangel an demokratischen Traditionen aufbluhen 36 Silvio Meier der Initiator des Konzerts in der Zionskirche wurde im November 1992 in Berlin auf dem U Bahnhof Samariterstrasse von Neonazis erstochen Diese Tat wurde seitdem haufig in eine Ereigniskette mit dem Uberfall auf die Zionskirche gestellt 37 Die Kontinuitat von rechtsextremer Gewalt vor und nach 1989 anhand dieser beiden Ereignisse wurde insbesondere anlasslich der Umbenennung der Friedrichshainer Gabelsbergerstrasse zur Silvio Meier Strasse 2012 2013 betont 38 39 Im September 2006 wurde der Dokumentarfilm Die Nationale Front Neonazis in der DDR in der Zionskirche uraufgefuhrt im November 2006 folgte die Erstausstrahlung im Fernsehen 40 Die Produktion entstand im Auftrag des rbb die Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED Diktatur forderte das Projekt Im Mittelpunkt des Films steht der Uberfall auf die Zionskirche samt Kontext und Folgen Zu Wort kommen verschiedene Protagonisten des Geschehens darunter auch Hans Dieter Schutt wie auch zwei damalige Angeklagte Ronny B und Frank H Der Film betrachtet das Geschehen um den Uberfall weniger als Geschichte sondern mehr als Beispiel fur die Unfahigkeit des SED Staates zur offentlichen Auseinandersetzung mit Problemen wie dem erstarkenden Rechtsextremismus 41 2012 strahlte der MDR in der Serie Nah dran einen Fernsehbeitrag zum Uberfall auf die Zionskirche aus 42 Im ZDF Dreiteiler Preis der Freiheit Premiere 2019 wurde der Uberfall auf die Zionskirche in die Handlung eingeflochten ebenso wie die Durchsuchung der Umweltbibliothek und die Proteste bei der Liebknecht Luxemburg Demonstration von 1988 alles vermengt mit privaten Handlungsstrangen 43 Erzahlt wird vom Uberfall in Jenny Erpenbecks Roman Kairos 2021 44 Literatur und Dokumentation BearbeitenBecker Peter von Staatsluge und rechte Offenbarung In Tagesspiegel 17 Oktober 2017 Reportageseite Kowalczuk Ilko Sascha Endspiel Die Revolution von 1989 in der DDR Beck Munchen 2009 ISBN 978 3 406 58357 5 S 168 175 Abschnitt Gefahr von rechts Online Maier Anja Die Nacht der Nazis in der Zionskirche In taz Sonderausgabe 30 Jahre taz 27 September 2008 Moldt Dirk Keine Konfrontation Die Rolle des MfS im Zusammenhang mit dem Uberfall von Skinheads auf ein Konzert in der Berliner Zionskirche am 10 Oktober 1987 In Horch und Guck Heft 40 April 2002 S 14 25 Online Teil 1 und Teil 2 Richter Andreas K Autor und Franke Tom Kamera Die Nationale Front Neonazis in der DDR Dokumentarfilm Armada Film Berlin 2006 Erstausstrahlung am 27 November 2006 im rbb Suss Walter Zu Wahrnehmung und Interpretation des Rechtsextremismus in der DDR durch das MfS 3 Auflage BStU Abteilung Bildung und Forschung Berlin 2000 ISBN 978 3 942130 42 4 Online Wagner Bernd Rechtsradikalismus in der Spat DDR Edition Widerschein Berlin 2014 ISBN 978 3 945529 02 7 S 123 133 Kapitel III 4 Das Signal Uberfall auf die Zionskirche Online Wittrock Philipp Faschismus made in DDR In Spiegel Online 17 Oktober 2007 Wolf D Neofaschistische Tendenzen und antifaschistische Selbstorganisierung in der DDR In telegraph Heft Nr 93 Ausgabe 1 1997 vom 15 Februar 1997 der dort angekundigte zweite Teil ist offenbar nicht erschienen Marc Stasi Skins und Schlagereien In Moloko Plus Nr 42 Dezember 2010 Beitrag eines pseudonymen Autors in einem Fanzine liefert durch Zeitungsausschnitte dennoch interessante Details Einzelnachweise Bearbeiten a b c Paul Hockenos Free to Hate The Rise of the Right in Post Communist Eastern Europe Routledge London 2013 ISBN 978 1 136 65567 8 S 78 85 Ehrhart Neubert Geschichte der Opposition in der DDR 1949 1989 Ch Links Berlin 1998 ISBN 978 3 86153 163 0 S 612f a b c d e f g h Dirk Moldt Keine Konfrontation In Horch und Guck Heft 40 April 2002 S 14 25 a b Wir wollen nicht dass der gewahlt wird der am schonsten singt Interview mit Sven Regener gefuhrt von Lena Zade und Johannes Gernert In Melodie amp Rhythmus Nr 4 2010 September 2010 DDR Gesellschaft amp Nazis in der DDR Interview Ausserung von Chrischi Christiane Schidek Lebensgefahrtin von Silvio Meier In Und die die sterben die werden weiter leben Broschure im Gedenken an Silvio Meier Antifa Berlin o J S 7 Online a b Anja Maier Die Nacht der Nazis in der Zionskirche In taz Sonderausgabe 30 Jahre taz 27 September 2008 Michael Rauhut Rock in der DDR 1964 bis 1989 Bundeszentrale fur Politische Bildung Bonn 2002 ISBN 978 3 89331 459 1 S 118 f Bernd Wagner Rechtsradikalismus in der Spat DDR Berlin 2014 S 403 Ilko Sascha Kowalczuk Arno Polzin Fasse Dich kurz Der grenzuberschreitende Telefonverkehr der Opposition in den 1980er Jahren und das Ministerium fur Staatssicherheit Vandenhoeck amp Ruprecht 2014 S 889 Ost Berliner Skins verurteilt In taz 5 Dezember 1987 Ausgabe 2379 Inland S 6 Online a b c d e Bernd Wagner Rechtsradikalismus in der Spat DDR Berlin 2014 S 125 ADN Geringe Freiheitsstrafen fur Rowdys In Neues Deutschland 4 Dezember 1987 a b c d Manfred Stock Philipp Muhlberg Die Szene von innen Skinheads Grufties Heavy Metals Punks LinksDruck Verlag Berlin 1990 ISBN 978 3 86153 007 7 S 14 a b c d Der Naziuberfall auf die Zionskirche In Faschisten in der DDR und antifaschistischer Widerstand Haus der Demokratie und Menschenrechte Berlin 14 Februar 2005 Weiterer Prozess gegen Rowdys In Neues Deutschland 27 Januar 1988 Kein Raum fur Menschenverachtung In Neues Deutschland 4 Februar 1988 Gerichtsbericht Peter Schwarz Ist die Auslanderfeindlichkeit im Osten ein Erbe der DDR 9 September 2000 Online Paul Hockenos Free to Hate The Rise of the Right in Post Communist Eastern Europe Routledge London 2013 ISBN 978 1 136 65567 8 S 86 87 Klaus Blume Tatort Fankurve Fussball Gewalt und Rechtsextremismus Rotbuch Berlin 2013 Kapitel 6 Die Neonazis und die DDR Matthias Lohre Das Opfer ist der neue Held Gutersloher Verlagshaus Gutersloh 2019 ISBN 978 3 641 25006 5 S 168 Lasse Ole Hempel Rechts gegen Rock In Tagesspiegel 16 Oktober 2007 PLU Spate Suhne fur Skinhead Uberfall In die tageszeitung 5 Marz 1992 Ausgabe 3648 Inland S 21 Online Michael Meyen Offentlichkeit in der DDR In SCM Studies in Communication and Media Nr 1 2011 doi 10 5771 2192 4007 2011 1 3 S 41f Skins sturmten Punk Konzert in Ostberliner Kirche In taz 21 Oktober 1987 Ausgabe 2341 Teil Inland S 6 online Rowdys ermittelt In Berliner Zeitung 19 November 1987 S 12 In Berlin Mitte begann Prozess gegen Rowdys In Neues Deutschland Berlin Teil 28 November 1987 Ehrhart Neubert Geschichte der Opposition in der DDR 1949 1989 Ch Links Verlag Berlin 1998 ISBN 3 86153 163 1 S 780 781 Radio Glasnost Bericht von Vera Wollenberger uber den Skinhead Prozess 1987 auf jugendopposition de Kooperationsprojekt von Robert Havemann Gesellschaft und Bundeszentrale fur politische Bildung a b Bernd Wagner Vertuschte Gefahr Die Stasi amp Neonazis In Deutschlandarchiv bpb 2 Januar 2018 Jochen Hippler Die rechtsradikale Szene in der DDR Nach ders Rechtsradikale im deutschen Osten Rache ist gerecht In Monatszeitung Wien ZDB ID 1022776 3 November 1990 S 27 31 Ralph Gabriel u a Futur Exakt Jugendkultur in Oranienburg zwischen rechtsextremer Gewalt und demokratischem Engagement Verlag Hans Schiler Berlin 2004 ISBN 978 3 89930 074 1 S 70 71 Oliver Reinhard Wotansbruder und Weimarer Front In Die ZEIT Nr 8 2012 16 Februar 2012 Fur viele waren Nazis eine Nebenerscheinung Interview mit Dietmar Wolf Mitbegrunder der Ost Antifa durch Peter Nowak 9 Oktober 2017 Erstveroffentlichung in der taz Konrad Weiss Die neue alte Gefahr Junge Faschisten in der DDR In KONTEXT Beitrage aus Politik Gesellschaft Kultur hrsg von der Informationsgruppe bei der Evangelischen Bekenntnisgemeinde Berlin Treptow Heft 5 Marz 1989 ZDB ID 1137645 4 Konrad Weiss Die neue alte Gefahr Junge Faschisten in der DDR Abschnitt Die Werte der neuen Rechte In KONTEXT Beitrage aus Politik Gesellschaft Kultur hrsg von der Informationsgruppe bei der Evangelischen Bekenntnisgemeinde Berlin Treptow Heft 5 Marz 1989 ZDB ID 1137645 4 Jan Pauer DDR Tschechoslowakei In Wolfgang Eichwede Ders Hrsg Ringen um Autonomie Dissidentendiskurse in Mittel und Osteuropa Lit Verlag Munster 2017 ISBN 978 3 643 11218 7 S 590f Martin Klesmann 25 Todestag von Silvio Meier Ein freiheitsliebender Vater getotet von einem Neonazi In Berliner Zeitung 21 November 2017 Nicolas Sustr Er wurde uns den Vogel zeigen In Neues Deutschland 23 November 2012 Konrad Litschko und Sebastian Puschner Wenn wir etwas verandern wollen mussen wir bleiben Interview mit der damaligen Lebensgefahrtin von Meier In taz 27 April 2013 Ausgabe 10092 S 46 Andreas K Richter Autor und Tom Franke Kamera Die Nationale Front Neonazis in der DDR Armada Film Berlin 2006 Erstausstrahlung am 27 November 2006 im rbb Christoph Dieckmann Bluhende Landschaften der NPD In Die ZEIT Nr 42 2006 12 Oktober 2006 Tom Fugmann DDR sprach von Rowdys statt von Neonazis nah dran Erstausstrahlung am 25 Oktober 2012 Matthias Dell Eintopf aus Gefuhlchen In Die ZEIT 28 Oktober 2019 Munchen 2021 S 190 nbsp Dieser Artikel wurde am 20 Februar 2020 in dieser Version in die Liste der lesenswerten Artikel aufgenommen Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Uberfall auf die Zionskirche amp oldid 235549857