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Als Vertragsarbeiter wurden auslandische Arbeitskrafte und Auszubildende bezeichnet welche in der DDR ab den 1960ern zeitlich befristet und ohne Integrationsabsicht als Arbeitnehmer vertraglich angeworben wurden Keine Vertragsarbeiter waren in Betrieben der DDR beschaftigte auslandische Erntehelfer zeitweilige Saisonkrafte Studierende mit Werks oder Forschungsauftrag und Auszubildende sowie Angehorige von auslandischen Unternehmen oder der Gruppe der Sowjetischen Streitkrafte in Deutschland Ein Vertragsarbeiter aus Mosambik 1984 im Braunkohlewerk WelzowVertragsarbeiter wurden fur die Verstarkung fur unterbesetzte Arbeitsbereiche den Aufbau bestimmter Technologie und Branchenspezialisierung hergeholt wie z B in der Leichtindustrie oder auch in der Konsumguterindustrie Die jeweiligen Bedingungen Aufenthaltsdauer Rechte und Anzahl der Vertragsarbeiter wurden vertraglich mit der jeweiligen Regierung individuell ausgehandelt durch einen sog Staatsvertrag Die Dauer der Aufenthaltsgenehmigung variierte zwischen ein und sechs Jahren je nach Herkunft und Einsatzprofil Ein standiger Aufenthalt jedoch war vertraglich und gesetzlich nicht vorgesehen Aber wurde im Einzelfall mit den Landern neu verhandelt Der Nachzug von Familienangehorigen war ausgeschlossen Nach Ablauf der vertraglichen Frist mussten die Vertragsarbeiter in der Regel die Lander verlassen und in ihr Heimatland zuruckkehren In der DDR wohnten die Vertragsarbeiter wahrend ihres Aufenthalts in Internaten aber auch in normalen Wohngebieten Wohnheimen meist von DDR Betrieben eingerichtet und manchmal durch die Lage oder da auf Betriebsgelande errichtet abgetrennt von der sonstigen Bevolkerung Vertragsarbeiter in Erfurt 1985Inhaltsverzeichnis 1 Geschichte 2 Statistik 3 Ausstellungen zur Geschichte der Vertragsarbeiter in der DDR 4 Horfunk 5 Siehe auch 6 Literatur 7 Weblinks 8 EinzelnachweiseGeschichte Bearbeiten nbsp In der DDR ausgebildete vietnamesische Elektriker im Tagebau Janschwalde 1982 nbsp Schuhmacherlehrling aus Namibia im Schuhkombinat Weissenfels 1985 nbsp Kubaner in der Haushaltsnahmaschinenproduktion in Wittenberge 1985Nach Grundung der DDR 1949 waren bis zum Bau der Berliner Mauer im Jahre 1961 rund vier Millionen ihrer Burger in die Bundesrepublik gefluchtet bzw ubergesiedelt Die Abwanderung bewirkte in der DDR einen akuten Arbeitskraftemangel 1 Ab 1965 warb die DDR Vertragsarbeiter aus den Bruderstaaten an Derartige Abkommen gab es mit anderen sozialistischen Staaten des Rates fur gegenseitige Wirtschaftshilfe RGW wie etwa Volksrepublik Polen 1965 Ungarische Volksrepublik 1967 Mosambik 1979 2 siehe auch Madgermanes 3 SR Vietnam 1980 Im Rahmen der sozialistischen Bruderhilfe kamen ebenfalls Arbeiter aus Angola China Kuba Nicaragua Demokratische Volksrepublik JemenAus der Volksrepublik Laos und der Volksrepublik Kampuchea gab es jedoch keine Vertragsarbeiter Die Auszubildenden sollten einen Facharbeiterabschluss erlangen und die an Arbeitskraftemangel leidende DDR Wirtschaft unterstutzen bis sie nach Ende ihrer Delegierung wieder in ihren Entsendelandern hoher qualifiziert arbeiten konnten Etwa Mitte der 1970er Jahre fuhrte die Botschaft der DDR in Algier Verhandlungen mit der Regierung von Algerien zur zeitweiligen Uberlassung von Arbeitskraften und moglichen Qualifizierungsanpassungen wegen des unterschiedlichen Bildungsniveaus zwischen beiden Staaten Auch mit Tunesien waren ahnliche Wege geplant Zu einem ersten Austausch im Bereich von Absolventen von Universitaten kam es zwischen 1978 1979 Motivation waren zunachst die Aus und Weiterbildung von Arbeitskraften und spater auch die Deckung des Mangels an billigen Arbeitskraften fur schlecht bezahlte und oder gefahrliche Arbeitsplatze Die Aufenthaltsdauer war limitiert auf zunachst zwei und spater funf Jahre Das strenge Rotationssystem erlaubte keinen Familiennachzug Im Falle einer Schwangerschaft drohte umgehende Ausweisung Die Vertragsarbeiter lebten in Wohnheimen Internaten Betriebswohnungen hergerichteten Massenunterkunften oder Wohnblocks in normalen Wohngebieten Siedlungszentren waren die industriellen Ballungsgebiete Chemnitz Dresden Stadte wie Schwerin Gustrow Rostock und Erfurt Zwar galten die Anwerbevereinbarungen als Zeichen der internationalen Volkerfreundschaft doch war Integration aufgrund des vorubergehenden Charakters der Arbeit nicht vorgesehen Den Arbeitern wurden Schritt fur Schritt immer unqualifiziertere Arbeiten zugewiesen 4 Die Vertragsarbeiter kamen bevorzugt bei schwerer oder monotoner Arbeit zum Einsatz die von DDR Burgern abgelehnt wurde Erfullten sie die Arbeitsnormen nicht oder verstiessen sie gegen die sozialistische Arbeitsdisziplin dann drohte die Ruckkehr ins Heimatland Polen entsandte jahrlich 10 000 bis 30 000 qualifizierte Arbeitskrafte fur Bau und Montagearbeiten in den Nachbarstaat Eingesetzt waren sie vor allem zur Sanierung von Altbausubstanz und historischen Stadtkernen Die polnischen Fachkrafte hatten ebenfalls eine befristete Aufenthaltsdauer manchmal auch nur wochenweise doch bekamen sie finanzielle Vergunstigungen und einige Stadtverwaltungen stellten zeitweilig frisch sanierten Wohnraum bis zur Fertigstellung des Gesamtvorhabens zur Verfugung Sie lebten ebenfalls in Internaten Wohnheimen oder Baubaracken Ebenso arbeiteten zeitweise ungarische bulgarische und tschechisch slowakische Staatsburger bei der Errichtung von Chemieanlagen in der DDR einige verheirateten sich hier und blieben dauerhaft nbsp Bei der Kommunalwahl in Chemnitz Mai 1989 nbsp Arbeiterinnen aus der DDR begluckwunschten 1974 ihre polnischen Kolleginnen im VEB Baumwollspinnerei Karl Marx Stadt zum 30 Jahrestag der VR PolenAm 28 Juni 1979 trat das Gesetz uber die Gewahrung des Aufenthaltes fur Auslander in der Deutschen Demokratischen Republik in Kraft 5 Das Regelwerk war sehr flexibel gehalten und erlaubte relativ viel Vereinbarungsspielraum mit den jeweiligen Vertragsstaaten Laut 4 waren Auslander den Einheimischen gleichberechtigt ausgenommen der unmittelbaren mit der Staatsburgerschaft verbundenen Rechte 6 erlaubte jedoch dass die erteilte Aufenthaltsgenehmigung zeitlich und ortlich beschrankt versagt entzogen oder fur ungultig erklart werden konnte Die Entscheidung bedurfte keiner Begrundung Die Behorden regelten bei Schwierigkeiten oder auftretenden Missstimmungen bestimmten zeitliche oder regionale Zugangsbedingungen Zumeist lag das aber in den Befugnissen der Betriebe die ein Beschaftigungsverhaltnis mit den jeweiligen Arbeitskraften unterhielten Nach Vereinbarung des Zweiten Regierungsabkommens zwischen der DDR und Vietnam im Jahr 1980 hielten sich in grosserem Umfang vietnamesische Vertragsarbeiter in der DDR auf Den grossten Anteil von ihnen bildeten Frauen die in der Textilindustrie arbeiteten 1981 arbeiteten 24 000 Vertragsarbeiter in der DDR Zwischen 1974 und 1984 erfolgten in DDR Betrieben mindestens 15 Streiks algerischer Arbeiter an denen mehr als 800 Personen beteiligt waren Der grosste Streik fand im Gaskombinat Schwarze Pumpe statt Dort erkampften die Streikenden neben Lohnerhohungen auch bessere Ausbildungsmoglichkeiten sowie das Recht die betriebseigenen auch von DDR Arbeitern bewohnten Wohnbaracken zu verlassen und in normale Wohnblocks ins Umland umzuziehen Als unmittelbarer Reaktion auf die Streiks wurde die Einreise algerischer Vertragsarbeiter zeitweise gestoppt Nach weiter anhaltenden Auseinandersetzungen kundigte Algerien das Abkommen mit der DDR fur 1984 auf und beorderte die eigenen Vertragsarbeiter zuruck 6 Vietnamesische Vertragsarbeiter errangen durch betriebliche Auseinandersetzungen bis hin zu Streiks graduelle Verbesserungen Eine Rolle spielte dabei dass Formen der organisierten Interessenvertretung zwar ausserhalb der offiziellen Strukturen untersagt waren dass aber beide Seiten kein Interesse an einer offentlichen Skandalisierung der Streiks haben konnten 7 Abgesehen von den Angehorigen der sowjetischen Streitkrafte GSSD lebten Ende 1989 etwa 190 000 Auslander in der DDR dies entsprach uber einem Prozent der Gesamtbevolkerung Davon waren etwa 94 000 Vertragsarbeiter Zwei Drittel waren vietnamesischer Herkunft Die Regierung de Maiziere versuchte eine schnelle Ruckfuhrung in die Heimatlander zu erreichen dies gelang jedoch kaum Nach der deutschen Vereinigung 1990 bemuhte sich die Bundesregierung darum die noch laufenden zwischenstaatlichen Vertrage zu den Vertragsarbeitern aufzulosen und diese in ihre ursprungliche Heimat zuruckzuschicken Nur wenigen gelang es dabei sich einen Aufenthaltsstatus in Deutschland zu sichern 4 Einige ehemalige Vertragsarbeiter aus Vietnam fielen nach der Wende durch den illegalen Verkauf von Zigaretten ohne Steuerbanderolen im grossen Stil auf Diese wurden von den Medien auch als vietnamesische Zigarettenmafia benannt 8 Statistik BearbeitenDie Einwanderung der Vertragsarbeiter begann in den 1960er Jahren und nahm besonders seit Mitte der 1980er bis Ende der 1980er Jahre erheblich zu 1990 wurden die Vertrage uber weitere einreisende Vertragsarbeiter aufgelost Die noch auslaufenden Vertrage wurden meist beibehalten sofern der Betrieb die Wendezeit wirtschaftlich uberstand Die meisten Vertragsarbeiterinnen und Vertragsarbeiter kehrten allmahlich wieder in ihre Herkunftslander zuruck da ihnen das Aufenthaltsrecht keinen Status zugestand Einige bekamen befristete Aufenthaltsbefugnisse oder inzwischen auch eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis in der Bundesrepublik Deutschland Vertragsarbeiter in der DDR zum 31 Dezember 1989 Anzahl Herkunftslandrd 59 000 Vietnamrd 15 100 Mosambikrd 8 300 Kubard 1 300 Angolard 900 ChinaGesamtanzahl etwa 93 500 von insgesamt 191 200 Auslandern in DDR Ungefahre Zahlen der Vertragsarbeiter in der DDR nach Jahr Jahr 1966 1967 1969 1970 1971 1974 1977 1978 1979 1980 1981 1984 1986 1987 1988 1989Anzahl 3 500 14 000 14 134 12 200 14 800 18 680 16 500 18 692 20 597 26 006 24 000 29 000 61 000 52 015 87 793 93 568Ausstellungen zur Geschichte der Vertragsarbeiter in der DDR BearbeitenIn Berlin widmete sich zum ersten Mal im November 2008 eine umfangreiche Ausstellung den Vertragsarbeitern Ziel der Ausstellung war es den Deutschen aber auch den Nachfahren der Vertragsarbeiter zu zeigen wie und warum diese damals in die DDR kamen Die Ausstellung trug den Titel Bruderland ist abgebrannt Die Wirtschaft der DDR war ohne sie nicht denkbar aber niemand war ihnen dankbar 9 Die Ausstellung wurde gefordert von der Amadeu Antonio Stiftung 10 Die Wanderausstellung Als Arbeitskraft willkommen Vietnamesische Vertragsarbeiter in der DDR 11 der Brandenburgischen Landeszentrale fur politische Bildung die 2009 gemeinsam mit der Integrationsbeauftragten des Landes Brandenburg und dem Song Hong e V konzipiert und realisiert wurde stellt die Situation der vietnamesischen Vertragsarbeiter in der DDR an konkreten Beispielen dar Ausschnitte aus Interviews mit ehemaligen Vertragsarbeitern werden durch Dokumente und personliche Erinnerungsstucke erganzt Fotografien Arbeitsvertrage Ausschnitte aus Stasi Akten und Zeitungsartikel wurden aus den unterschiedlichsten Quellen zusammengetragen und zeichnen ein differenziertes Bild dieses bis heute weitgehend unbekannten Kapitels jungerer Geschichte Sie kann kostenlos ausgeliehen werden Horfunk BearbeitenThomas Gaevert Deutschland ist ein weissgeblumtes Kleid Warum die Vietnamesin Huong Trute vor uber 40 Jahren in die DDR kam und blieb Produktion Sudwestrundfunk 2019 Erstsendung 6 Marz 2019 SWR 2Siehe auch BearbeitenMigrationshintergrundLiteratur BearbeitenUlrich van der Heyden Wolfgang Semmler Ralf Strassburg Hrsg Mosambikanische Vertragsarbeiter in der DDR Wirtschaft Hintergrunde Verlauf Folgen Lit Munster 2014 ISBN 978 3 643 12627 6 Eric Allina Neue Menschen fur Mosambik Erwartungen an und Realitat von Vertragsarbeit in der DDR der 1980er Jahre In Arbeit Bewegung Geschichte Heft III 2016 S 65 84 DHM Zuwanderungsland Deutschland Migrationen 1500 2005 Deutsches Historisches Museum Berlin Marianne Kruger Potratz Anderssein gab es nicht Auslander und Minderheiten in der DDR Waxmann Munster 1991 ISBN 3 89325 091 3 Informationszentrum Afrika Hrsg Schwarz weisse Zeiten AuslanderInnen in Ostdeutschland vor und nach der Wende Erfahrungen der Vertragsarbeiter aus Mosambik Interviews Berichte Analysen IZA Bremen 1993 ISBN 3 927429 06 6 Eva Maria Elsner Lothar Elsner Auslanderpolitik und Auslanderfeindschaft in der DDR 1949 1990 Reihe Texte zur politischen Bildung H 13 Rosa Luxemburg Verein Leipzig 1994 ISBN 3 929994 14 3 Dokumentarteil Gesetze bilaterale Abkommen etc S 53 90 Katja Illgen Hrsg Zweite Heimat Vietnamesen berichten uber ihr Leben in Deutschland 1980 1995 Thuringen gestern amp heute Bd 28 Erfurt 2007 ISBN 978 3 937967 14 1 Katja Illgen Fremd in Thuringen Vietnamesisches Leben in Deutschland und in Vietnam PDF 2 1 MB 2 Aufl Der Auslanderbeauftragte beim Thuringer Ministerium fur Soziales Familie und Gesundheit Hrsg Erfurt 2008 Andreas Margara Geteiltes Land geteiltes Leid Geschichte der deutsch vietnamesischen Beziehungen von 1945 bis zur Gegenwart Berlin 2022 ISBN 978 3 947729 62 3 Beim Reden nicht so viel lacheln In Berliner Zeitung 22 November 2008 Ausstellung zur Geschichte der VertragsarbeiterWeblinks Bearbeiten nbsp Commons Vertragsarbeiter Sammlung von Bildern Videos und Audiodateien Vertragsarbeiter Lexikon Politische Bildung Vietnamesen in der Bundesrepublik PDF 207 kB Broschure GTZ Eigensinn im Bruderland Eine interaktive Webdokumentation uber Migration in die DDR Vertragsarbeiter innen aus Mosambik in der DDR Madgermanes Trabalhadores Mocambicanos contratados na RDAEinzelnachweise Bearbeiten Eine Zahl von 3 8 Millionen Ubersiedlern in die Bundesrepublik bis zum Mauerbau ist angegeben in Wolfgang Seifert Ubersiedler aus der DDR und Auswanderer aus Deutschland Bundeszentrale fur politische Bildung 31 Mai 2012 abgerufen am 6 April 2021 Vgl Eric Allina Neue Menschen fur Mosambik Erwartungen an und Realitat von Vertragsarbeit in der DDR der 1980er Jahre In Arbeit Bewegung Geschichte Heft III 2016 S 65 84 Marina Mai Vertragsarbeiter aus Mosambik Moderne Sklaverei in der DDR In Die Tageszeitung taz 3 Marz 2019 ISSN 0931 9085 taz de abgerufen am 24 April 2019 a b Bade 2002 Gesetz uber die Gewahrung des Aufenthaltes fur Auslander in der Deutschen Demokratischen Republik Patrice G Poutrus POUTRUS Auslandische Arbeitsmigrant innen im Arbeiter und Bauern Staat Die sogenannten Vertragsarbeiter in der DDR Arbeitspapier aus der Kommission Erinnerungskulturen der sozialen Demokratie Hrsg Patrice G Poutrus April 2021 S 10 boeckler de PDF abgerufen am 19 Februar 2023 Patrice G Poutrus POUTRUS Auslandische Arbeitsmigrant innen im Arbeiter und Bauern Staat Die sogenannten Vertragsarbeiter in der DDR Arbeitspapier aus der Kommission Erinnerungskulturen der sozialen Demokratie Hrsg Patrice G Poutrus April 2021 S 13 boeckler de PDF abgerufen am 19 Februar 2023 Blauer Dunst und blutige Morde Beim Reden nicht so viel lacheln In Berliner Zeitung 22 November 2008 Ausstellung zur Geschichte der Vertragsarbeiter Ein neues Leben in der DDR ehemalige Vertragsarbeiter erzahlen ihre Geschichte Website zur Ausstellung Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Vertragsarbeiter amp oldid 237636479