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Rechtsextremismus in der DDR zeigte sich seit deren Grundung 1949 bis zu ihrem Ende 1990 in verschiedener Form blieb dort aber wegen des zur staatlichen Doktrin erhobenen Antifaschismus ein Tabuthema Das Phanomen wird seit der Wiedervereinigung Deutschlands 1990 wissenschaftlich erforscht und zu den Entstehungsfaktoren des Rechtsextremismus in Ostdeutschland gezahlt siehe dazu den Artikel Rechtsextremismus in der Bundesrepublik Deutschland Inhaltsverzeichnis 1 SBZ 2 DDR 3 Wendezeit 1989 1990 4 Ostdeutschland seit 1990 5 Literatur 6 Weblinks 7 EinzelnachweiseSBZ Bearbeiten nbsp Braunbuch Propaganda publikation der DDR aus dem Jahre 1965In der SBZ fuhrte die Sowjetunion bis 1947 1948 Massnahmen zur Entnazifizierung durch Die Entlassung ehemaliger Nationalsozialisten konzentrierte sich auf den Offentlichen Dienst vor allem auf Schulen und Justiz ihre Spitzenkader wurden zu Zwangsarbeit herangezogen Sogenannte feindliche Elemente wurden in Speziallagern inhaftiert Im Februar 1948 erklarte der SMAD Befehl 35 die Entnazifizierung in der SBZ fur beendet 1 Die Einstellung geschah wie in den westlichen Besatzungszonen vor dem Hintergrund des Kalten Krieges Eine Rehabilitierung wie dort im Sinn einer Ruckkehr in offentliche Amter gab es jedoch nicht Am 15 Juni 1946 offnete sich die Sozialistische Einheitspartei Deutschlands SED fur ehemalige Mitglieder der NSDAP ihr Zentralsekretariat hob einen entsprechenden Unvereinbarkeitsbeschluss auf Somit konnten viele bei den Entnazifizierungsverfahren als Mitlaufer eingestufte Personen in die SED aufgenommen werden Nach parteiinternen Analysen von 1954 hatten 25 8 Prozent aller SED Mitglieder in der DDR eine NS Vergangenheit In einzelnen Parteiorganisationen stellten sie demnach mehr als 85 Prozent der Mitglieder Lokale betriebliche und regionale SED Leitungen waren in den fruhen Jahren der DDR oft mehrheitlich mit fruheren Nationalsozialisten besetzt 2 DDR BearbeitenDie Deutsche Demokratische Republik DDR legitimierte sich seit ihrer Grundung 1949 als Staat der die wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Ursachen des Faschismus uberwunden und ausgerottet habe Juli 1950 III SED Parteitag Ehemalige NSDAP Mitglieder traten auch in andere in der DDR zugelassene Organisationen ein darunter die zur Nationalen Front zahlende Blockpartei National Demokratische Partei Deutschlands NDPD Dort konnten sie sich politisch betatigen und zunehmend in die DDR Gesellschaft integrieren Westdeutsche Publikationen die auf die Braunbucher der DDR reagierten verwiesen auf die nationalsozialistische Vergangenheit von DDR Staats und Parteifunktionaren wie Arno von Lenski Franz Fuhmann oder Erhard Mauersberger 3 Olaf Kappelts Braunbuch DDR Nazis in der DDR von 2009 listete 1000 vormalige NSDAP Mitglieder namentlich auf die der DDR dienten Die vom West Berliner Untersuchungsausschuss Freiheitlicher Juristen gefuhrte Belastetendatei hatte 1959 rund 115 000 DDR Funktionare erfasst 4 Die sozialistische DDR Verfassung von 1968 behauptete in Artikel 6 die DDR habe getreu den Interessen des Volkes und den internationalen Verpflichtungen auf ihrem Gebiet den deutschen Militarismus und Nazismus ausgerottet Die DDR Behorden bestritten deshalb jedes Fortbestehen von Rechtsextremismus in der DDR verheimlichten rechtsextreme Vorfalle oder schrieben sie sprachlich Randalierern Rowdys oder negativ dekadenten Jugendlichen zu 5 Besonders Jugendliche und Mitglieder der bewaffneten DDR Organe begingen jedoch nachweislich rechtsextreme Straftaten darunter seit etwa 1960 Hakenkreuz Schmierereien das Sammeln von Propagandamaterial und Waffen 6 In allen Phasen der Geschichte der DDR sind antisemitische fremdenfeindliche und pro nazistische Vorkommnisse dokumentiert 7 In der Volkspolizei gab es permanent organisierte und unorganisierte Neo Nazis die Waffen einsetzten 8 Bis zum Mauerbau 1961 entzogen sich die Tater der Strafverfolgung meist durch Flucht und Ubersiedlung nach Westdeutschland Der von der Bundesregierung betriebene Haftlingsfreikauf kam auch spater bekannt gewordenen Neonazis zugute darunter Uwe Behrendt Frank Hubner und Arnulf Priem 9 Organisierte und unorganisierte Neo Nazis waren die Hauptakteure der rassistischen Szene in der DDR 10 Wie in der Bundesrepublik entstanden ab 1980 auch in der DDR Gruppen rechtsextremer Skinheads die es ab 1985 in allen ostdeutschen Grossstadten gab Sie erhielten Zulauf durch die Unzufriedenheit mit dem DDR System bildeten eine Protestkultur gegen dessen antifaschistisches Selbstverstandnis und hatten Kontakte zu westdeutschen und osteuropaischen Organisationen 11 Da rechtsradikale Straftater fast immer als Rowdys Randalierer oder negativ dekadente Jugendliche bezeichnet wurden ist die genaue Zahl rechtsradikal motivierter Straftaten unbekannt Ab 1982 83 nahmen derartige Taten in den Fussballstadien drastisch zu 12 Ende der 1980er Jahre kam es zu vielen gewaltsamen Ubergriffen durch rechtsextreme Skinheads Die Staatssicherheit zeigte sich uberrascht von deren Umfang und Harte Der gewaltsame Ubergriff von rund 30 rechtsextremen Skinheads am 17 Oktober 1987 auf ein Konzert in der Berliner Zionskirche wurde auch von DDR Medien beachtet 13 Eine interne Gesamtubersicht der Staatssicherheit MfS vom Dezember 1987 ordnete insgesamt rund 800 DDR Burger im Alter von 16 bis 25 Jahren durch ihr ausseres Erscheinungsbild und ihre Verhaltensweisen den Skinheads zu 14 Nachdem rechtsextreme Skinheads 1987 eine Gaststatte in Velten demoliert und dabei erstmals auch eingreifende Volkspolizisten angegriffen hatten setzte eine staatliche Repressionswelle gegen Rechtsextremisten ein Sie wurden vermehrt zur Nationalen Volksarmee NVA einberufen Westdeutsche Rechtsextremisten erhielten Einreiseverbote Zudem durften mehr Skinheads in die Bundesrepublik ubersiedeln Nach zahlreichen Verhaftungen versuchten Rechtsextreme in der DDR die Freie Deutsche Jugend FDJ und die Gesellschaft fur Sport und Technik GST zu unterwandern Die Szene begann sich straffer zu organisieren und differenzierte sich Skinheadgruppen verscharften ihre Aufnahmerituale und gaben sich Namen Lichtenberger Front Oranienburger Ostkreuzler Eine Fascho Szene bildete sich ab Ende 1987 zuerst in Ost Berlin Magdeburg Potsdam Cottbus und Guben Zudem entstand seit Ende der 1970er Jahre eine rechtsextreme Hooligan Szene die sich musikalisch eher am Metal Sound orientierte als am traditionellen Oi und Ska der Skinheads Ein Teil der Anhanger organisierte sich in militarischen Wehrsportgruppen 15 Die bei der Ost Berliner Kriminalpolizei eingerichtete Arbeitsgruppe zur Bekampfung rechtsradikal motivierter Kriminalitat und Selbstjustiz erfasste bis 1988 89 uber 1 000 gewaltbereite Neonazis namentlich dazu 6 000 in Kameradschaften und ahnlichen Gruppen organisierte Rechtsextremisten Mit den Sympathisanten wurden insgesamt etwa 15 000 Personen dem rechtsextremen Milieu zugerechnet 16 Nach dem Zentralinstitut fur Jugendforschung ZIJ Studie von 1988 stimmten der Aussage Der Nationalsozialismus hatte auch seine guten Seiten 12 Prozent der 14 bis 18 jahrigen DDR Jugendlichen zu Dieser Anteil stieg bis Mai 1990 auf 14 bis November 1990 auf 19 bis 1992 auf 24 Prozent 17 Kontrovers diskutiert wird die These extreme Haltungen in Ostdeutschland seien eine Erblast des autoritaren SED Staates 18 Weitgehender Konsens besteht daruber dass der geringe Auslanderanteil in der DDR meist isolierte Vertragsarbeiter fremdenfeindliche Einstellungen begunstigte Dadurch und durch die stark eingeschrankte Reisefreiheit konnte die Bevolkerung kaum Erfahrungen mit anderen Kulturen machen so dass sich ein monokulturell gepragter Provinzialismus und eine paradoxe Auslanderfeindlichkeit ohne Auslander entwickelten 19 Nach einer ZIJ Umfrage vom September 1990 gab es gegenuber Russen Vietnamesen Rumanen Polen und Turken ein erhebliches feindseliges Potenzial 20 Polnische und vietnamesische Vertragsarbeiter stiessen in der DDR oft auf fremdenfeindliche Diffamierung und Gewalt die durch staatlich geforderte Segregation und Ghettoisierung sowie eine gegenuber dem Westen schwachere staatlich geforderte soziale Integration noch gefordert wurde 21 Die offene oder verdeckte Intoleranz des autoritaren sozialistischen Staates hatte bei seinen Burgern zusatzlich intolerante Denk und Verhaltensweisen gefordert 22 Wendezeit 1989 1990 BearbeitenDie mit der Anpassungskrise in Ostdeutschland verbundenen Strapazen minderten die Bereitschaft zur Eingliederung von Fremden 23 Rechtsextremismus und Neonazismus waren in der DDR nie ganz verschwunden aber auch kein Massenphanomen Von einer Amnestie politischer Strafgefangener am 6 Dezember 1989 profitierten auch Rechtsextreme Sie gewannen zunehmend Einfluss auf den Montagsdemonstrationen In den Wendejahren entdeckten westdeutsche Rechtsextreme die neuen Bundeslander als Agitationsort 24 Aus der in den 1980er Jahren entstandenen Ostberliner Skinheadgruppe Lichtenberger Front ging Ende Januar 1990 in Ost Berlin die Nationale Alternative NA hervor die vom Prasidium der Volkskammer der DDR als politische Partei registriert wurde Von der Teilnahme an den Kommunalwahlen in der DDR im Mai 1990 wurde die NA allerdings ausgeschlossen Ostdeutschland seit 1990 Bearbeiten Hauptartikel Rechtsextremismus in der Bundesrepublik Deutschland 1990er Jahre Die politische Rechte interpretierte den Zerfall der Sowjetunion und das Ende der DDR als die globale Durchsetzung des volkischen Prinzips Ab den 1990er Jahren profitierte sie von einem Machtzuwachs infolge der Zusammenarbeit von west und ostdeutschen Skinheads und Neonazis 25 Literatur BearbeitenOlaf Kappelt Braunbuch DDR Nazis in der DDR 2 erweiterte und vollig uberarbeitete Neuauflage Berlin historica Berlin 2009 ISBN 978 3 939929 12 3 Bernd Eisenfeld Rechtsextremismus in der DDR Ursachen und Folgen In Manfred Agethen Hrg Eckhard Jesse Hrg Ehrhart Neubert Hrg Der missbrauchte Antifaschismus DDR Staatsdoktrin und Lebensluge der deutschen Linken Herder Freiburg im Breisgau 2002 ISBN 3 451 28017 5 S 221 226 Bernd Siegler Auferstanden aus Ruinen Rechtsextremismus in der DDR Edition Tiamat 1998 ISBN 3 923118 87 2 Norbert Madloch Rechtsextremismus in der DDR und in den neuen Bundeslandern Auswahlbibliographie mit ausfuhrlichem Register dip 1996 ISBN 3 931003 06 X Frank Schumann Glatzen am Alex Rechtsextremismus in der DDR Fischerinsel Berlin 1991 ISBN 3 910164 08 0 Peter Kodderitzsch Leo A Muller Rechtsextremismus in der DDR Lamuv 1990 ISBN 3 88977 245 5 Bernd Wagner Rechtsradikalismus in der Spat DDR Zur militant nazistischen Radikalisierung Wirkungen und Reaktionen in der DDR Gesellschaft Edition Widerschein Berlin 2014 ISBN 978 3945529 02 7 Harry Waibel Rechtsextremismus in der DDR bis 1989 Papyrossa Koln 1997 ISBN 3 89438 109 4 Harry Waibel Die braune Saat Antisemitismus und Neonazismus in der DDR Schmetterling Verlag Stuttgart 2017 ISBN 978 3 89657 153 3 Weblinks BearbeitenBStU Themenbeitrag Mongolenschwein und schlitzaugige Fratze Rassismus im DDR Alltag Birgit Warnke Julian Feldmann Der Traum vom Umsturz Neonazis und die Wende Sendung in der Reihe Panorama die Reporter vom 1 September 2020Einzelnachweise Bearbeiten Andreas Herbst Winfried Ranke Jurgen Winkler So funktionierte die DDR Band 2 Rowohlt Hamburg 1994 vor allem S 714 Zeitgeschichte Fur ehrliche Zusammenarbeit In Der Spiegel 19 9 Mai 1994 S 84 91 Norbert Madloch Rechtsextremismus in Deutschland nach dem Ende des Hitlerfaschismus PDF 1 0 MB In Klaus Kinner Rolf Richter Rechtsextremismus und Antifaschismus Historische und aktuelle Dimension Karl Dietz Berlin 2000 S 63 67 Michael Ludwig Muller Die DDR war immer dabei SED Stasi amp Co und ihr Einfluss auf die Bundesrepublik Lau Verlag amp Handel KG 2010 Abschnitt 6 4 Richard Stoss Rechtsextremismus im vereinten Deutschland PDF 814 kB Friedrich Ebert Stiftung 2000 S 61 ff abgerufen am 8 Marz 2020 Harry Waibel Rechtsextremismus in der DDR bis 1989 Koln 1996 Fabian Virchow Hrg Martin Langebach Hrg Alexander Hausler Hrg Handbuch Rechtsextremismus Edition Rechtsextremismus Springer VS 2017 S 60 Harry Waibel Der gescheiterte Anti Faschismus der SED Rassismus in der DDR Peter Lang GmbH Internationaler Verlag der Wissenschaften 2014 S 19 Armin Pfahl Traughber Rechtsextremismus in der Bundesrepublik Munchen 2001 S 58 Harry Waibel Der gescheiterte Anti Faschismus der SED Rassismus in der DDR Peter Lang GmbH Internationaler Verlag der Wissenschaften 2014 S 18 Mathias Brodkorb Thomas Schmidt Rechtsextremismus in Mecklenburg Vorpommern Ein Uberblick PDF 888 kB In Mathias Brodkorb Thomas Schmidt Hrsg Gibt es einen modernen Rechtsextremismus Rostock 2002 S 67 Walter Suss Zu Wahrnehmung und Interpretation des Rechtsextremismus in der DDR durch das MfS Berlin 1993 S 17 Tobias Moorstedt Das braune Erbe der DDR Erkenntnisse aus Stasi Akten In Spiegel online 22 Februar 2001 Walter Suss Zu Wahrnehmung und Interpretation des Rechtsextremismus in der DDR durch das MfS Berlin 1993 S 23 Norbert Madloch Rechtsextremismus in Deutschland nach dem Ende des Hitlerfaschismus Memento vom 7 Oktober 2005 im Internet Archive PDF 1 0 MB In Klaus Kinner Rolf Richter Rechtsextremismus und Antifaschismus Berlin 2000 S 74 77 Oliver Reinhard Braun bluhende Landschaften Sachsische Zeitung 21 Dezember 2011 Walter Friedrich Ist der Rechtsextremismus im Osten ein Produkt der autoritaren DDR PDF 67 kB In Aus Politik und Zeitgeschichte B 46 2001 S 21 f Michael Lausberg Die extreme Rechte in Ostdeutschland 1990 1998 Marburg 2012 S 81 84 Michael Lausberg Die extreme Rechte in Ostdeutschland 1990 1998 Marburg 2012 S 20 Walter Friedrich Ist der Rechtsextremismus im Osten ein Produkt der autoritaren DDR PDF 67 kB In Aus Politik und Zeitgeschichte B 46 2001 S 19f Klaus J Bade Auslander Aussiedler Asyl Eine Bestandsaufnahme Beck Munchen 1994 ISBN 3 406 37462 X S 178 Wilfried Schubarth Fremde als Sundenbocke In Das Profil der Deutschen Was sie vereint was sie trennt Spiegel Spezial 1 1991 S 47ff Klaus J Bade Auslander Aussiedler Asyl Eine Bestandsaufnahme Munchen 1994 S 182 Norbert Madloch Rechtsextremismus in Deutschland nach dem Ende des Hitlerfaschismus Memento vom 7 Oktober 2005 im Internet Archive PDF 1 0 MB In Klaus Kinner Rolf Richter Rechtsextremismus und Antifaschismus Berlin 2000 S 89 93 Antonia von der Behrens Das Netzwerk des NSU staatliches Mitverschulden und verhinderte Aufklarung In Kein Schlusswort Nazi Terror Sicherheitsbehorden Unterstutzernetzwerk Pladoyers im NSU Prozess VSA Hamburg 2018 S 201 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Rechtsextremismus in der DDR amp oldid 225542562