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Das Gesetz zur Regelung der Rechtsverhaltnisse der unter Artikel 131 des Grundgesetzes fallenden Personen war ein Bundesgesetz zur Ausfuhrung des Regelungsauftrags in Art 131 GG aus dem Jahr 1951 Es regelte die Rechtsverhaltnisse von Beamten in der 1949 gegrundeten Bundesrepublik Deutschland die vor dem 8 Mai 1945 in das Beamtenverhaltnis berufen worden und danach ausgeschieden waren ohne seitdem wiederverwendet oder versorgt worden zu sein BasisdatenTitel Gesetz zur Regelung der Rechtsverhaltnisse der unter Artikel 131 des Grundgesetzes fallenden PersonenKurztitel 131er Gesetz nicht amtlich Abkurzung G 131 nicht amtlich Art BundesgesetzGeltungsbereich Bundesrepublik Deutschland Rechtsmaterie BeamtenrechtFundstellennachweis 2036 1Ursprungliche Fassung vom 11 Mai 1951 BGBl I S 307 Inkrafttreten am 1 April 1951Neubekanntmachung vom 13 Oktober 1965 BGBl I S 1685 Letzte Anderung durch Art 6 G vom 27 Dezember 1993 BGBl I S 2378 2409 Inkrafttreten derletzten Anderung 1 Januar 1994 Art 11 G vom 27 Dezember 1993 Ausserkrafttreten 1 Oktober 1994 Art 3 G vom 20 September 1994 BGBl I S 2442 2452 GESTA B68Bitte den Hinweis zur geltenden Gesetzesfassung beachten Der durch das Gesetz begunstigte Personenkreis wurde umgangssprachlich 131er genannt Zu den verdrangten Angehorigen des offentlichen Dienstes und aufgeloster Dienststellen gehorten gem 1 bis 4 des Gesetzes u a Beamte Hochschullehrer und Richter aus den Vertreibungsgebieten Beamte in nicht mehr existierenden Verwaltungen und Berufssoldaten sowie alle Personen die wegen ihrer Betatigung im Deutschen Reich 1933 bis 1945 nach dem Gesetz zur Befreiung von Nationalsozialismus und Militarismus zunachst nicht oder nicht ihrer fruheren Stellung entsprechend verwendet wurden und keine entsprechende Versorgung mehr erhielten Dazu gehorten auch Angestellte und Arbeiter sowie ihre Hinterbliebenen Bund Lander und Gemeinden sowie Bundesbahn und Bundespost wurden verpflichtet mindestens 20 ihrer Planstellen mit 131ern zu besetzen Inhaltsverzeichnis 1 Verfassungsrechtliche Regelung 2 Rechtshistorischer Hintergrund 3 Gesetzliche Regelung 4 Literatur 5 Weblinks 6 EinzelnachweiseVerfassungsrechtliche Regelung BearbeitenArt 131 GG lautet Die Rechtsverhaltnisse von Personen einschliesslich der Fluchtlinge und Vertriebenen die am 8 Mai 1945 im offentlichen Dienste standen aus anderen als beamten oder tarifrechtlichen Grunden ausgeschieden sind und bisher nicht oder nicht ihrer fruheren Stellung entsprechend verwendet werden sind durch Bundesgesetz zu regeln Entsprechendes gilt fur Personen einschliesslich der Fluchtlinge und Vertriebenen die am 8 Mai 1945 versorgungsberechtigt waren und aus anderen als beamten oder tarifrechtlichen Grunden keine oder keine entsprechende Versorgung mehr erhalten Bis zum Inkrafttreten des Bundesgesetzes konnen vorbehaltlich anderweitiger landesrechtlicher Regelung Rechtsanspruche nicht geltend gemacht werden Rechtshistorischer Hintergrund BearbeitenIm Parlamentarischen Rat und im Bundestag konnte zunachst keine Klarheit uber das Fortbestehen der im Nationalsozialismus begrundeten Beamtenverhaltnisse erzielt werden Entsprechend der ideologischen Neubegrundung des politischen Beamtenverhaltnisses im Deutschen Beamtengesetz von 1937 hatte die nationalsozialistische Rechtslehre die Bindung des Beamten an die Partei und demzufolge den bestimmenden Einfluss der NSDAP im Beamtenrecht besonders hervorgehoben Nach der Kapitulation von NS Deutschland und dem Verbot der NSDAP die nach Abschnitt XI Nr 38 der Kontrollratsproklamation Nr 2 vom 20 September 1945 sowie im Kontrollratsgesetz Nr 2 vom 10 Oktober 1945 fur endgultig aufgelost und als illegal erklart worden war war den Beamtenverhaltnissen des nationalsozialistischen Staates die rechtliche Grundlage entzogen Das Kontrollratsgesetz Nr 34 vom 20 August 1946 das aufgrund der Kontrollratsproklamation Nr 2 erlassen worden war hatte alle deutschen Streitkrafte zu Lande zur See und in der Luft mit allen ihren Gliederungen Staben und Einrichtungen aufgelost und fur ungesetzlich erklart Samtliche gesetzlichen Bestimmungen zur rechtlichen und wirtschaftlichen Stellung von Angehorigen oder ehemaligen Angehorigen der Wehrmacht wurden aufgehoben 1 Die Regelung der Anspruche von etwa 430 000 bis 450 000 Personen die nach einer ersten Zahlung im Januar 1950 unter den Art 131 GG fielen darunter als die grosste Gruppe die ehemaligen Berufssoldaten gefolgt von den Berufsbeamten aus den fruheren deutschen Ostgebieten der DDR und anderen Staaten sowie nach der Entnazifizierung entlassenen Beamten aus den Westzonen war die vordringliche beamtenrechtliche Streitfrage der 1950er Jahre 2 Wer keine Anspruche nach dem Bundesversorgungsgesetz geltend machen konnte hatte keine materielle Lebensgrundlage Die Lander erbrachten zwar freiwillige Leistungen waren wegen der ungleichen Finanzkraft und der ungleichen Verteilung der Fluchtlinge aber zu einer sachgerechten Losung kaum in der Lage Die zum Deutschen Reich bestehenden unmittelbaren und mittelbaren Beamtenverhaltnisse waren nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts von 1953 am 8 Mai 1945 erloschen 3 Die im nationalsozialistischen Staat begrundeten oder umgestalteten Beamtenverhaltnisse waren ihrem Wesen nach nicht geeignet die nationalsozialistische Staatsform zu uberdauern Im Gegensatz dazu stand die Auffassung des Bundesgerichtshofs namentlich seines Prasidenten Hermann Weinkauff wonach der Wechsel der Staatsform das gegenuber dem Staat bestehende Beamtenverhaltnis nicht beruhren konne und von einem Fortbestand der Beamtenverhaltnisse uber den 8 Mai 1945 hinaus auszugehen sei Art 131 GG verlangte eine bundesgesetzliche Regelung zugunsten derjenigen Beamten die seit dem 8 Mai 1945 aus anderen als beamten oder tarifrechtlichen Grunden ausgeschieden und bisher nicht oder nicht ihrer fruheren Stellung entsprechend verwendet wurden oder keine entsprechende Versorgung mehr erhielten Das betraf vornehmlich die Vertriebenen und die Angehorigen aufgeloster Dienststellen Aber auch bei weiterbestehenden Behorden in den westlichen Besatzungszonen sind viele Angehorige des offentlichen Dienstes die auf Grund von Anordnungen der Militarregierungen zum Zwecke der politischen Uberprufung von ihrem Amt oder Arbeitsplatz entfernt wurden nicht wieder im offentlichen Dienst verwendet worden Nicht erfasst wurden dagegen die Amtstrager der NSDAP ihrer Gliederungen und angeschlossenen Verbande schon deshalb nicht weil sie selbst nach der nationalsozialistischen Gesetzgebung nicht als Beamte im staatsrechtlichen Sinne gewertet wurden die NSDAP auch keine Korperschaft des offentlichen Rechts im uberkommenen Sinne war sie nicht der Staatsaufsicht unterstand und ihre Amtstrager keine offentlichen Bediensteten waren 4 5 Nicht erfasst wurden schliesslich auch die Personen die nach dem Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums vor dem 8 Mai 1945 ihre Beamtenstellung verloren hatten Sinn des Art 131 GG war es sich durch einheitlich geltendes Bundesrecht des grossen Kreises der Beamten anzunehmen die durch den Zusammenbruch ihrer Rechte verlustig gegangen oder die erst wahrend der nationalsozialistischen Zeit Beamte geworden waren und daher niemals in einem rechtsstaatlichen Beamtenverhaltnis gestanden hatten In Ausfuhrung dieser Bestimmung verabschiedete der Deutsche Bundestag 1951 das Gesetz zur Regelung der Rechtsverhaltnisse der unter Artikel 131 des Grundgesetzes fallenden Personen Der Gesetzgeber gewahrte darin den ehemaligen Beamten ungeachtet ihres personlichen Verhaltens soweit es nicht durch besonders intensive Beteiligung an nationalsozialistischen Unrechtshandlungen belastet war weitgehend neue Rechtsanspruche gegen den demokratischen Staat 6 Reinhard Heydrichs Witwe Lina Heydrich erhielt wegen der Tatigkeit ihres Mannes als Chef der Gestapo und seiner fuhrenden Beteiligung an der Endlosung der Judenfrage zwar keine beamtenrechtliche Versorgung nach dem G 131 aber eine Rente nach dem Bundesversorgungsgesetz Diese belief sich im Jahr 1976 auf DM 700 netto 7 Von 1948 bis 1977 existierte der Bund der verdrangten Beamten im Deutschen Beamtenbund Verbaost Gesetzliche Regelung BearbeitenDer Deutsche Bundestag beschloss das Gesetz zur Regelung der Rechtsverhaltnisse der unter Artikel 131 des Grundgesetzes fallenden Personen am 10 April 1951 mit Zustimmung aller Parteien des Bundestages einschliesslich KPD und DRP ohne Gegenstimmen bei nur zwei Enthaltungen 8 Das so genannte 131er Gesetz besagte dass alle offentlich Bediensteten die beim Entnazifizierungsverfahren nicht als Hauptschuldige Kriegsverbrecher oder Belastete Aktivisten Militaristen und Nutzniesser eingestuft worden waren wieder eingestellt werden durften Nach 10 durfte jeder Beamte der zu dem Personenkreis des Art 131 GG zahlte und dienstfahig war die ihm zustehende Amtsbezeichnung mit dem Zusatz zur Wiederverwendung z Wv oder auch z W weiterfuhren 9 Berufssoldaten durften den ihnen zustehenden Dienstgrad mit dem Zusatz ausser Dienst a D fuhren 10 Offiziere die in der Bundeswehr wiederverwendet werden sollten wurden durch einen Personalgutachterausschuss auf ihre charakterliche und personliche Eignung hin uberpruft Das Gesetz definierte den anspruchsberechtigten und nicht anspruchsberechtigten Personenkreis und regelte die Wiedereingliederung der verdrangten Angehorigen des offentlichen Dienstes und Angehorigen aufgeloster Dienststellen in andere Bereiche der offentlichen Verwaltung sowie deren Ruhestandsbezuge Samtliche Verwaltungen waren verpflichtet mindestens zwanzig Prozent der Planstellen aus diesem Personenkreis zu besetzen Angehorige bzw Hinterbliebene von Angehorigen der Geheimen Staatspolizei Gestapo waren nach 3 Nr 4 explizit vom Begunstigtenkreis ausgeschlossen 11 67 des 131er Gesetzes sah allerdings vor dass fur Beamte die von Amts wegen aus einer anderen Dienststelle zur Gestapo der Waffen SS oder dem Abhordienst versetzt worden waren zu fingieren sei in ihrer ursprunglichen sauberen Behorde geblieben zu sein was den Ausschluss nach 3 Nr 4 teilweise konterkarierte 12 Im September 1957 wurde der Kreis der ausgeschlossenen Personen erweitert um solche die durch ihr Verhalten wahrend der Herrschaft des Nationalsozialismus gegen die Grundsatze der Menschlichkeit oder Rechtsstaatlichkeit verstossen haben 3 Satz 1 Nr 3a 13 und im September 1965 um deren Angehorige 3 Satz 1 Nr 3b 14 Nach 72 G 131 galten Personen ohne Anwartschaft auf Altersversorgung fur die vor dem 8 Mai 1945 liegende Zeit als in der gesetzlichen Rentenversicherung nachversichert Der Bund zahlte jedoch nicht tatsachlich Beitrage nach sondern erstattete den Rentenversicherungstragern im Versicherungsfall die auf diese Zeit entfallenden Leistungen fiktive Nachversicherung In den Jahren 1951 bis 1954 erliessen die Lander entsprechende Entnazifizierungsschlussgesetze 15 Gemass Art 6 des Einigungsvertrags vom 31 August 1990 16 wurde nach der Wiedervereinigung Art 131 GG im Beitrittsgebiet nicht in Kraft gesetzt Nach Art 8 in Verbindung mit der Anlage I zum Einigungsvertrag gilt dies auch fur das G 131 17 Das Gesetz wurde zum 1 Oktober 1994 aufgehoben 18 Literatur BearbeitenAlbrecht Scholz Thomas Barth Anna Sophia Pappai Axel Wacker Das Schicksal des Lehrkorpers der Medizinischen Fakultat Breslau nach der Vertreibung 1945 46 In Wurzburger medizinhistorische Mitteilungen 24 2005 S 497 533 hier S 517 ff Die Auswirkungen des Artikels 131 GG Michael Kirn Verfassungsumsturz oder Rechtskontinuitat Die Stellung der Jurisprudenz nach 1945 zum Dritten Reich insbesondere die Konflikte um die Kontinuitat der Beamtenrechte und Art 131 Grundgesetz Duncker und Humblot Berlin 1972 ISBN 3 428 02736 1 zugl Diss Univ Koln 1972 Anna Sprockhoff Torben Fischer 131er Gesetzgebung In Torben Fischer Matthias N Lorenz Hrsg Lexikon der Vergangenheitsbewaltigung in Deutschland Debatten und Diskursgeschichte des Nationalsozialismus nach 1945 Bielefeld Transcript 2007 ISBN 978 3 89942 773 8 S 94ff Weblinks BearbeitenGesetz zur Regelung der Rechtsverhaltnisse der unter Artikel 131 des Grundgesetzes fallenden Personen vom 1 September 1953 BGBl I S 1287 1238 Bekanntmachung der Neufassungen der Ersten Zweiten Dritten Vierten und Sechsten Verordnung zur Durchfuhrung des Gesetzes zur Regelung der Rechtsverhaltnisse der unter Artikel 131 des Grundgesetzes fallenden Personen vom 10 Juni 1955 BGBl I S 279 Joachim Perels Die Ubernahme der Beamtenschaft des Hitler Regimes Benachteiligung der Entlassenen und Privilegierung der Amtsinhaber der Diktatur Kritische Justiz 2004 S 186 193 Einzelnachweise Bearbeiten Andreas Baum Schlussstrich der Alliierten Vor 60 Jahren wurde die Wehrmacht verboten Deutschlandfunk 20 August 2006 Matthias Molt Von der Wehrmacht zur Bundeswehr Personelle Kontinuitat und Diskontinuitat beim Aufbau der deutschen Streitkrafte 1955 1966 Heidelberg Univ Diss 2007 S 211 BVerfG Urteil vom 17 Dezember 1953 1 BvR 147 52 Udo Wengst Beamtentum zwischen Reform und Tradition Droste Verlag Dusseldorf 1988 S 152 252 Vgl Anspruche aus der gesetzlichen Rentenversicherung fur Beschaftigte der NSDAP und anderen verbrecherischen Organisationen zur Zeit des Nationalsozialismus Ausarbeitung der Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestags vom 9 Januar 2013 BVerfG Urteil vom 17 Dezember 1953 1 BvR 147 52 BVerfGE 3 58 Rz 231 Sven Felix Kellerhoff Was aus den Witwen der Top Nazis wurde In WELT 13 Dezember 2021 abgerufen am 13 November 2022 Plenarprotokoll S 5110 PDF 2 5 MB Siehe auch Karsten Jedlitschka Old boys network Der Verband der Nicht Amtierenden Amtsverdrangten Hochschullehrer und seine Lobbypolitik in Bayern am Beispiel der Universitat Munchen In Elisabeth Kraus Hg Die Universitat Munchen im Dritten Reich Aufsatze Teil II Herbert Utz Verlag Munchen 2008 ISBN 978 3 8316 0726 6 S 571 613 hier S 580 eingeschrankte Vorschau in der Google Buchsuche funktioniert nicht 53 5 des Gesetzes zur Regelung der Rechtsverhaltnisse der unter Artikel 131 des Grundgesetzes fallenden Personen BVerfG Beschluss 19 Februar 1957 1 BvR 357 52 Martin Rath Das 131er Gesetz Die Inklusion von NS Beamten Legal Tribune Online 19 Februar 2017 Zweites Gesetz zur Anderung des Gesetzes zur Regelung der Rechtsverhaltnisse der unter Artikel 131 des Grundgesetzes fallenden Personen vom 11 September 1957 In BGBl I 1957 S 1275 Viertes Gesetz zur Anderung des Gesetzes zur Regelung der Rechtsverhaltnisse der unter Artikel 131 des Grundgesetzes fallenden Personen vom 9 September 1965 In BGBl I 1965 S 1203 Die Entnazifizierung Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages Ausarbeitung vom 27 September 2011 S 15 BGBl II S 885 889 Einigungsvertrag vom 31 August 1990 Anlage I Kap II Sachgebiet B Verwaltung Abschnitt I Nr 1 5 verfassungen de abgerufen am 2 Oktober 2016 Art 3 des Gesetz zur Anderung des Beamtenversorgungsgesetzes des Soldatenversorgungsgesetzes sowie sonstiger versorgungsrechtlicher Vorschriften BeamtVGAndG 1993 vom 20 September 1994 BGBl I S 2442 Bitte den Hinweis zu Rechtsthemen beachten Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Gesetz zur Regelung der Rechtsverhaltnisse der unter Artikel 131 des Grundgesetzes fallenden Personen amp oldid 237674720