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Die Zipfelmutze auch Zipfelkappe oder Zipfelhaube nach mittelhochdeutsch zippel Kapuze spatmittelhochdeutsch zipf Spitze Ende ist eine kegel oder sackformige Kopfbedeckung Aufgrund ihrer einfachen Herstellung kommen sie in allen Kulturen vor und sind ungebrochen von der Antike bis heute beliebter Gegenstand der Mode Oft wird die Mutzenspitze durch ein extravagantes Element etwa eine Quaste einen Bommel oder ein ahnliches Posament betont Portrat des Onkel Dominique von Paul Cezanne 1865 67 Inhaltsverzeichnis 1 Kulturgeschichte 2 Bedeutung 3 Deutschsprachiger Raum 4 Siehe auch 5 Literatur 6 Weblinks 7 EinzelnachweiseKulturgeschichte Bearbeiten nbsp Mann mit konischem Pilos Apulien Ende 4 Jahrhundert v Chr Schon in der fruhen Eisenzeit wurden Kapuzen aus Fell von Bergleuten bei der Arbeit getragen Damit stellen sie eines der altesten bekannten Beispiele fur eine spezielle Arbeitskleidung dar Neben halbkugeligen Filzkappen pilos oder pileus waren in der Antike auch spitze kegelformige Formen bekannt Daneben war in Kleinasien die phrygische Mutze verbreitet die generell nicht von Frauen getragen werden konnte ausser den halbmythischen Amazonen deren Spitze gewohnlich nach vorne uberhing Bei den Griechen galt sie als typische Kopfbedeckung von Barbaren Die Reiternomaden in den Steppen nordlich des Schwarzen Meeres Skythen trugen ahnliche Mutzen mit langeren Nacken und Ohrenlaschen vergleichbar mit dem heutigen Baschlik Mantel mit einer angenahten spitzen Kapuze cucullus wurden von den Kelten besonders auf Reisen getragen besonders lange Exemplare von den Barden Ahnliche Kapuzenmantel wurden spater von den romischen Legionaren ubernommen Aus dem antiken cucullus entstanden die fruhmittelalterliche cucula sowie die hoch und spatmittelalterliche Gugel eine Kapuze mit mehr oder weniger langem Kragen die auch vom Adel bei der Jagd oder auf der Reise getragen wurde Da die Kapuzenspitze aus modischen Grunden immer mehr verlangert wurde waren auch Bezeichnungen wie zipfel fur die Gugel gebrauchlich Besonders extravagante Formen mit Schellen Zaddeln oder mehreren Zipfeln blieben als Narrenkappe erhalten nachdem sie beim Adel aus der Mode gekommen waren nbsp Das Wappen der Nurnberger Patrizierfamilie Gugel 1605 Die sprechende Helmzier ein Heidenkopf zeigt bereits keine mittelalterliche Gugel mehr sondern eine dem eurasischen Kalpak sehr ahnliche Zipfelmutze Im 15 Jahrhundert entwickelten sich aus der Gugel der einfachen Bevolkerung zwei separate Kleidungsstucke Aus dem Kopfteil wurde die eigentliche Zipfelmutze auch Langsack genannt nach der Form der tutenartigen Tucher durch die man Asche siebte aus dem Kragen der Goller Spatestens seit dem 16 Jahrhundert waren aber auch bei den osteuropaischen Bojaren in Russland und Polen Litauen neben den hohen zylinderformigen Bojarenmutzen weiche Pelz und Filzmutzen verbreitet ahnlich dem zentralasiatischen Kalpak Die mutzenartigen Formen bestanden oft aus nach innen gewendetem Pelz mit nach aussen und oben gekrempelter Pelzstulpe oder aus einer pelzverbramten Zipfelmutze aus Leder Filz oder Tuch Seit derselben Zeit findet sich besonders in der ungarischen Heraldik der sogenannte Heidenhut daneben auch in Deutschland und im Habsburgerreich Weitere Bezeichnungen fur diese Gemeine Figur sind ungarische albanische oder Tatarenmutze Aus solchen Formen entwickelte sich neben der Flugelkappe seit dem 17 Jahrhundert der Kolpak oder die Husarenmutze die militarische Kopfbedeckung der kroatischen Reiter Panduren und Husaren deren Charakteristikum zunachst ebenfalls ein langer uber den Pelzrand herabhangender Stoffbeutel war Bei den ukrainischen Hajdamaken wurden ahnliche pelzverbramte Zipfelmutzen noch bis Anfang des 20 Jahrhunderts getragen Daneben wurde die Zipfelmutze in vielen Regionen Europas Bestandteil der jeweiligen Volkstrachten und gehorte bis zum Anfang des 20 Jahrhunderts zur Alltagskleidung der mannlichen Landbevolkerung der Fischer und Seeleute so die katalanische Barretina im Mittelmeerraum Pelzverbramte Zipfelmutzen nach osteuropaischem Vorbild fanden sich besonders in Schweden Die islandische skotthufa konnte auch von Frauen getragen werden Die traditionelle Kopfbedeckung der Samen Vier Winde weist sogar vier Zipfel auf Im deutschsprachigen Raum wurde die Zipfelmutze hingegen seit dem 16 Jahrhundert nicht nur im landlichen Umfeld getragen sondern gehorte vor allem auch zur Hauskleidung des Burgers wo sie die Bundhaube verdrangte Seit Anfang des 18 Jahrhunderts findet sie sich besonders als Schlafmutze In Jemen sind bis heute reich verzierte spitze Kapuzen und Mutzen sowohl bei Frauen als auch bei Mannern Teil der Volkstracht Die Sangerin Ofra Haza prasentierte sich oft damit in Musikvideos und Auftritten Im 20 Jahrhundert wurden aus dicker Wolle gestrickte Zipfel und Pudelmutzen von beiden Geschlechtern in der Wintersportmode getragen zunehmend auch von Kindern Sackartige oder zweizipfelige Tuques und Beanies sind seit den 1990er Jahren Bestandteil der Technoszene ebenso Headsocks einfache am oberen Ende zugebundene Schlauche aus Wollstoff nbsp Links tanzender Bauer als Symbolisierung des Monats Mai mit Goller und Zipfelmutze um 1540 nbsp Ein ungarischer Husar 1703 mit einer pelzverbramten Zipfelmutze nbsp Mann in schwedischer Volkstracht Dalarna spates 18 Jahrhundert nbsp Islandische Frau mit Skotthufa 19 Jh nbsp Katalanische Barretina nbsp BeanieBedeutung Bearbeiten nbsp Romische Bronzeskulpturen 1 Jahrhundert n Chr Picardie stellen wahrscheinlich den griechisch romischen Fruchtbarkeitsgott Priapus und oder einen genius cucullatus dar Die Fotomontage zeigt wie der Genius mit Zipfelmutze zur Verhullung des Phallus dienen kann Ein Mantel mit spitzer Kapuze war das typische Kleidungsstuck der genii cucullati zwergenartiger gallo romischer Schutzgeister In der Regel wird der Reisemantel als Hinweis auf die standige Einsatzbereitschaft der Genien als Nothelfer interpretiert Moglicherweise besitzt die Zipfelkapuze aber auch eine phallische Symbolik Schon bei der phrygischen Mutze die ursprunglich aus dem Bauchleder und dem Hodensack eines Stiers hergestellt wurde und die mit dem Fruchtbarkeitsgott Attis und dem stiertotenden Sonnengott Mithras in Verbindung gebracht wurde vermutet man eine Ubertragung der Stiersymbolik u a Zeugungskraft auf den Trager Auf fruhen Darstellungen der Heiligen drei Konige eigentlich die Weisen aus dem Morgenland werden diese mit roten phrygischen Mutzen dargestellt um sie als orientalische Magier zu charakterisieren vor allem aber als Heiden Der katholische Theologe und Brauchtumsforscher Manfred Becker Huberti halt neben der Commedia dell Arte und dem Volkstheater auch die zuweilen durchaus derben komischen Einlagen in mittelalterlichen Dreikonigsspielen fur eine Quelle des Kasperletheaters So soll der Kasper nicht nur seinen Namen von Caspar einem der Heiligen drei Konige haben sondern auch seine oft rote Zipfelmutze Seine ursprunglich sakrale Rolle soll dabei noch gelegentlich durchschimmern Der Kasper heiratet nie und kampft unermudlich gegen die Machte des Bosen Teufel Rauber Krokodil 1 Verwandt ist der katalanische Caganer wortlich Scheisser oder Kacker eine geschnitzte Figur in Gestalt eines einfachen katalanischen Landmanns mit roter Barretina der vielleicht schon seit dem spaten 17 Jahrhundert in traditionellen Weihnachtskrippen angebracht wird Gewohnlich findet sich die Figur versteckt am Rand der Szene beim Stuhlgang Laut dem katalanischen Ethnologen und Folkloristen Joan Amades dungt der Caganer auf diese Weise die Erde macht sie fruchtbar und schenkt so Wohlstand fur das neue Jahr Andere empfinden die Figur als geschmacklos wenn nicht gar blasphemisch 2 Bereits im 16 Jahrhundert erwahnt Georgius Agricola Berichte von Bergleuten uber teils gutmutige teils bosartige Berggeister die entweder die damalige Arbeitskleidung von Bergleuten mit Kapuze und Arschleder tragen oder Monchskutten ebenfalls mit Kapuze In den zeitgenossischen bildlichen Darstellungen erscheinen dieselben chthonischen Wesen allerdings in der Gestalt von Damonen und Teufeln nbsp Titelseite von Eaton s Weihnachtskatalog mit Santa Claus ca 1906Erst seit Anfang des 19 Jahrhunderts wurden Kapuzen und Zipfelmutzen z B in Buchillustrationen emblematisch fur Zwerge Wichtel Heinzelmannchen und Kobolde ebenso der skandinavischen Nissen Danemark Norwegen und der Tomten Schweden Finnland Mit dieser Anlehnung an die mittelalterlichen und zeitgenossischen Volkstrachten sollte wohl die Volkstumlichkeit der betreffenden Uberlieferungen unterstrichen werden Damit einher ging die Sakularisierung des heiligen Bischofs Nikolaus von Myra als traditioneller Gabenbringer in der Weihnachtszeit In Skandinavien ubernahm seine Rolle als Weihnachtsmann der Julenisse Nisse ist eine danische Koseform des Namens Nikolaus oder der Jultomte ein kleines dickes altes bartiges Mannlein mit roter Zipfelmutze Seine noch kleineren Begleiter wurden in der modernen amerikanischen und der heutigen globalisierten Popkultur zu Santa s little helpers Die charakteristische pelzverbramte Zipfelmutze des Weihnachtsmannes entstand hingegen wohl aus der Mitra der bischoflichen Kopfbedeckung des Bischofs Nikolaus durch Assimilierung mit seinen rauen eher pelzigen strafenden Begleitern in der deutschen Tradition etwa dem Knecht Ruprecht den rauen Perchten oder dem gezahmten Teufel In den Kulturkampfen Kanadas zwischen englisch und franzosischsprachigen Einwanderern im 19 Jahrhundert spielte die tuque eine Rolle als polemisches Symbol Sie galt den Anglophonen als ein Zeichen einer frankophonen Ruckstandigkeit und Bauerlichkeit und vermischte sich gern mit antiklerikalen Aussagen da die katholische Kirche in Quebec jahrzehntelang vorherrschte der franzosischsprechende Trager der Mutze hiess 3 Jean Baptiste nach Johannes der Taufer denn unter diesem Namen hatten sich bereits sehr fruh seit 1834 die Frankophonen versammelt 4 Das beruhmte Montrealer Kunstlermanifest Refus Total totaler Widerstand von 1948 forderte in der kritischen Tradition Zum Teufel mit dem Weihwasserbecken und der Mutze Refus total 1948 5 Dabei war die Mutze durchaus auch als Bischofsmutze Mitra zu verstehen Deutschsprachiger Raum BearbeitenAb dem 17 Jahrhundert ist die Bezeichnung fur diese Mutze die ganz uberwiegend nur von Mannern getragen wurde auch in Nord und Mitteldeutschland gelaufig Erst seit dem 19 Jahrhundert und vermehrt seit Mitte des 20 Jahrhunderts werden Zipfelmutzen auch von Kindern und Frauen getragen Weitere Bezeichnungen sind Kasper le mutze Michelmutze Beutelmutze Sackmutze Pusse westliches Niedersachsen Klingelbudel scherzhaft niederdeutsch Flohseckel scherzhaft schwabisch Zottelchappe Troddelmutze Quasterkapp Bammel Bambel Bimpel Bummel Bumpel Pampel Pimpelmutze Rheinland bis Thuringen Kloppelmutsch Pinnmutze Plumm en mutze Ruhrgebiet Plusmutze Busselchappe Fauselchappe Schweiz Schnud d elkappe Schwanzkappe Oberhessen Westerwald fur gestrickte Zipfelmutzen Strumpfmutze Strumpfbetzel fur mit weissem Pelz verbramte Nikolausmutze Weihnachtsmannmutze und noch viele mehr 6 Ebenfalls seit Anfang des 19 Jahrhunderts wurde die Zipfelmutze besonders in der politischen Karikatur zum Erkennungszeichen des Deutschen Michels der nationalen Personifikation der Deutschen Angelehnt an Sprichworter des Humanismus und des Barocks symbolisiert der Deutsche Michel den vorgeblichen Nationalcharakter der Deutschen ihre Tugenden und besonders ihre Untugenden Hierbei steht die Zipfelmutze entweder fur die Kopfbedeckung des biederen naiven ungebildeten bis ungehobelten und versoffenen aber auch von auslandischen Moden unverdorbenen Landmanns oder besonders im Zusammenhang mit der gescheiterten Revolution von 1848 fur die Schlafmutze des ebenso biederen gemutlichen phlegmatischen politisch desinteressierten verschlafenen Burgers oder Spiessers Noch heute wirkt diese Konnotation in der Ikonographie des als typisch deutsch geltenden Gartenzwergs nach Weitere bekannte Zipfelmutzentrager sind Die Schlumpfe die Mainzelmannchen mit phrygischen Mutzen und das Sandmannchen nbsp Die drei Weisen aus dem Morgenland mit roten phrygischen Mutzen Ravenna 6 Jahrhundert nbsp Wappen von Koditz Oberfranken Heidenhut mit Stulp aus Hermelin nbsp Markgrafliches Wappen von Siebenlehn Landkreis Mittelsachsen nbsp Kasperlepuppe nbsp Caganer nbsp Norwegische Weihnachtswichtel auf einer Postkarte von Christian Magnus ca 1917 nbsp Der Deutsche Michel sagt zur Freude der Sowjets am Ast auf dem er sitzt Wahlkampfplakat des Kalten Krieges 1957Siehe auch BearbeitenChulloLiteratur BearbeitenIngrid Loschek Reclams Mode und Kostumlexikon Artikel Zipfelmutze 5 erw Aufl Reclam Stuttgart 2005 ISBN 3 15 010577 3 Weblinks Bearbeiten nbsp Wiktionary Zipfelmutze Bedeutungserklarungen Wortherkunft Synonyme UbersetzungenEinzelnachweise Bearbeiten M Becker Huberti Heilige Drei Konige Symbolik Website der Freunde des Caganers fur die Anglophonen abfallig fur die Frankophonen positiv Eine deutliche Karikatur bei Collections Canada zeigt oben rechts den Zipfelmutzentrager Jean Baptiste der vergeblich als Springteufel gegen die modernen technisch versierten Anglophonen unter Fuhrung Abraham Lincolns siehe das Fernrohr die Eisenbahn anrennt Einer Vorlaufergruppe der bis heute bestehenden Societe Jean Baptiste war es bereits 1834 gelungen das Ahornblatt als Symbol fur das nordliche Nordamerika bekannt zu machen dessen Ahnlichkeit mit einer Lilie aus dem Lilienbanner auffallt To hell with the holy water sprinkler and the tuque Hans Friedrich Foltin nennt in seiner Dissertation noch etwa drei Mal so viele Synonyme allein fur den deutschsprachigen Raum Hans Friedrich Foltin Die Kopfbedeckungen und ihre Bezeichnungen im Deutschen Inauguraldissertation Philipps Universitat Marburg Wilhelm Schmitz Verlag Giessen 1963 DNB 481945059 S 155 288 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Zipfelmutze amp oldid 238965705