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Der Verein zur Abwehr des Antisemitismus Abwehrverein wurde von liberal und humanistisch gesinnten Burgern 1890 im Deutschen Kaiserreich gegrundet um der wachsenden Judenfeindlichkeit Antisemitismus offentlich entgegenzutreten Der Verein wurde 1933 aufgelost Theodor Mommsen einer der fuhrenden Gegner des Antisemitismus Gemalde von Franz von Lenbach 1897 Inhaltsverzeichnis 1 Die Zunahme des politischen Antisemitismus 2 Vereinsgrundung Publikationsorgan und Mitglieder 3 Die Abwehrblatter 4 Der osterreichische Verein zur Abwehr des Antisemitismus 5 Neugrundung 6 Siehe auch 7 Literatur 8 Weblinks 9 EinzelnachweiseDie Zunahme des politischen Antisemitismus BearbeitenSeit den 1880er Jahren hatten antisemitische politische Gruppierungen im Deutschen Reich zunehmenden Zulauf erhalten Das Programm dieser Antisemiten sah die Zuruckdrangung des judischen Einflusses und den Entzug der burgerlichen Gleichberechtigung der Juden vor Fuhrende Vertreter des Antisemitismus waren der Hof und Domprediger Adolf Stoecker der Fuhrer der antisemitischen Berliner Bewegung und der Historiker Heinrich von Treitschke der mit seinen antisemitischen Ausserungen 1879 den Berliner Antisemitismusstreit ausloste Eine 1881 an den Reichskanzler Bismarck gerichtete Antisemitenpetition hatte die Wiederrucknahme der burgerlichen Gleichberechtigung der Juden verlangt Bei den ersten Reichstagswahlen nach der Reichsgrundung gab es keinen parteipolitisch organisierten Antisemitismus im Deutschen Reichstag Das anderte sich ab den Reichstagswahlen 1887 und 1890 Erstmals konnten hier Kandidaten die sich selbst primar als Antisemiten bezeichneten Mandate erringen Neben diesem offentlichen politischen Antisemitismus gab es noch eine Fulle von zum Teil althergebrachten antijudischen Vorurteilen und Stereotypen in weiten Bevolkerungskreisen bis weit in das politisch linke Spektrum hinein Vereinsgrundung Publikationsorgan und Mitglieder BearbeitenUm dem Antisemitismus entgegenzutreten wurde aus dem liberalen Burgertum heraus am 14 Dezember 1890 der Verein zur Abwehr des Antisemitismus gegrundet 1 In den letzten Tagen hat sich in Berlin ein Verein zur Abwehr des Antisemitismus gebildet dessen Anmeldung bei der Polizeibehorde auf Grund des Vereinsgesetzes bereits erfolgt ist Mit der provisorischen Fuhrung der Geschafte sind die Herren Professor Rudolf v Gneist Abgeordneter Rickert und Ludwig Loewe betraut Es wird beabsichtigt zunachst eine breitere Basis fur die Bestrebungen des Vereins zu schaffen und alsdann durch Schrift und Wort in grosserem Umfange die Agitationen der antisemitischen Parteien abzuwehren Auch wird es die Aufgabe des Vereins sein Einrichtungen insbesondere in den landlichen Bezirken zu fordern welche geeignet sind der antisemitischen Bewegung den Boden zu entziehen Angesichts der wachsenden Agitationen der Antisemiten und der massenhaften Verbreitung antisemitischer Schriften besonders in den landlichen Bezirken einzelner Theile Deutschlands neuerdings auch in Hannover erachten es die Grunder dieses Vereins fur nothwendig baldigst an eine Abwehr heranzugehen Die Einladungen zum Beitritt zu diesem Verein werden in ganz Deutschland verbreitet Artikel im Neuen Wiener Tagblatt vom 27 Dezember 1890 2 Im Verein traten Christen und Juden gegen die antisemitische Propaganda auf Die Hauptakteure waren anfangs der Pfarrer Friedrich Otto Grabner der Archivar Georg Winter der judische Unternehmer Charles Hallgarten und der stellvertretende Vorsitzende Wilhelm Foerster Zu den 14 000 20 000 Mitgliedern gehorten der Historiker Theodor Mommsen der Jurist Rudolf von Gneist der erste Vorsitzende des Vereins der Politiker und Publizist Theodor Barth der Dichter und Publizist Ludwig Jacobowski der linksliberale Politiker Heinrich Rickert der Industrielle Robert Bosch spater der Schriftsteller Heinrich Mann sowie die liberalen sozialdemokratischen bzw Zentrums Politiker Heinrich Krone Hugo Preuss und Otto Landsberg Eine massgebliche Ortsgruppe war die in Marburg geleitet von Edmund Stengel 3 Publikationsorgan des Vereins waren von 1891 bis 1924 die Mitteilungen aus dem Verein zur Abwehr des Antisemitismus und von 1925 bis 1933 die Abwehrblatter die wochentlich herausgegeben wurden In der ersten Probenummer der Mittheilungen vom 1 Oktober 1891 4 hiess es Das Programm der deutschsozialen antisemitischen Partei welches in diesen Tagen wieder durch ihre Organe im ganzen Lande verbreitet wird enthalt offen die Forderung dass die verfassungsmassige Gleichberechtigung der Juden aufgehoben und unsere judischen Mitburger unter ein besonderes Fremdenrecht gestellt werden sollen Fur die Beseitigung dieser Bestimmungen welche ein Resultat hundertjahriger Kulturarbeit und der muhsamen Entwicklung unseres offentlichen Lebens in Deutschland sind setzen die Antisemiten ihre ganze agitatorische Kraft ein Wir aber wollen dafur sorgen dass der kulturfeindliche Plan von vornherein zuruckgewiesen werde Das ist die Pflicht aller auf dem Boden unserer Verfassung und unserer Rechtszustande stehenden Manner und Parteien Weiter hiess es Mit den Waffen der Wahrheit und Thatsachen wollen wir unsere Gegner bekampfen und ihren nach unserer festen Uberzeugung fur das Vaterland verderblichen Bestrebungen entgegentreten Nicht darauf kommt es an die Gegner personlich anzugreifen sondern die innere Unwahrheit ihrer Bestrebungen und die Gefahr ihrer hetzerischen Agitationen darzuthun In seinen Publikationen berichtete der Verein uber antisemitische Vorfalle so z B auch zur Konitzer Mordaffare 5 bei der die mittelalterliche Ritualmordlegende wieder neu belebt wurde und versuchte die Behauptungen der Antisemiten argumentativ als haltlos und hetzerisch zu entlarven Allerdings musste der Mitinitiator des Vereins Theodor Mommsen schon 1894 resigniert feststellen dass den Antisemiten mit Vernunftargumenten nicht beizukommen war 6 Sie tauschen sich wenn Sie glauben dass man da uberhaupt mit Vernunft etwas machen kann Ich habe das fruher auch gemeint und immer wieder gegen die ungeheure Schmach protestiert welche Antisemitismus heisst Aber es nutzt nichts Es ist alles umsonst Was ich Ihnen sagen konnte was man uberhaupt in dieser Sache sagen kann das sind doch immer nur Grunde logische und sittliche Argumente Darauf hort doch kein Antisemit Die horen nur auf den eigenen Hass und den eigenen Neid auf die schandlichen Instinkte Alles andere ist ihnen gleich Zu den Autoren der Mitteilungen gehorte unter anderen Rudolf Steiner 7 Politisch war der Verein im Kaiserreich der linksliberalen Fortschrittlichen Volkspartei und spater in der Weimarer Republik der Deutschen Demokratischen Partei die deswegen den politischen Rechten auch als Judenpartei galt verbunden Bei Ausbruch des Ersten Weltkriegs stellte der Verein angesichts des von Kaiser Wilhelm II proklamierten Burgfriedens zunachst seine Aktivitaten ein Er musste jedoch erleben dass die antisemitische Agitation nicht geringer wurde und immer wieder Vorwurfe gegen angebliche judische Kriegsgewinnler und Druckeberger laut wurden Auf Druck der Antisemiten und unter Protesten des Abwehrvereins fuhrte das preussische Kriegsministerium mitten im Krieg eine Judenzahlung unter den Frontsoldaten durch um die Behauptung der Antisemiten zu prufen dass Juden an der Front unterreprasentiert seien Die Ergebnisse dieser statistischen Erhebung wurden zunachst nicht veroffentlicht was weiteren antisemitischen Vorurteilen Vorschub leistete 1922 wies der judische Statistiker und Demograph Franz Oppenheimer nach dass die deutschen Juden mit mehr als 100 000 aktiven Kriegsteilnehmern und 12 000 Toten an der Front durchaus einen Beitrag geleistet hatten der ihrem demografischen und prozentualen Bevolkerungsanteil entsprach 8 Der Verein loste sich im Juli 1933 auf 9 Die Abwehrblatter BearbeitenDie Abwehrblatter aus der Digitalen Bibliothek Munchener Digitalisierungszentrum MDZ 1891 1924 Mitteilungen aus dem Verein zur Abwehr des Antisemitismus 1925 1933 Abwehrblatter Der osterreichische Verein zur Abwehr des Antisemitismus Bearbeiten1891 grundete Arthur Gundaccar von Suttner einen gleichnamigen osterreichischen Verein 10 Eine seiner fuhrenden Personlichkeiten war Marie von Ebner Eschenbach 11 Neugrundung BearbeitenEin Verein mit dem Namen konsequent e V Verein zur Abwehr des Antisemitismus wurde am 29 Januar 2020 in Stuttgart gegrundet um an die alte Tradition anzuknupfen Die Vereinsgrundung hat in den Empfangsraumen der Landtagsprasidentin stattgefunden Teilgenommen haben unter anderem die Fraktionschefs Andreas Schwarz Grune Wolfgang Reinhart CDU Andreas Stoch SPD und Hans Ulrich Rulke FDP sowie die Landtagsprasidentin Muhterem Aras der Antisemitismus Beauftragte des Landes Baden Wurttemberg Michael Blume sowie der Heilbronner Oberburgermeister Harry Mergel Ubergriffe auf Juden im Land der Mord an Walter Lubcke das Attentat von Halle zunehmender Rechtsextremismus und die Verrohung der Sprache Aus der Mitte der Gesellschaft muss dagegen gehalten werden Jede antisemitische Ausserung oder Tat ist ein Angriff auf unsere Demokratie Wir mussen sagen Es reicht sagte der Initiator Guido Rebstock 12 Siehe auch BearbeitenVerein zur Abwehr des Antisemitismus HeilbronnLiteratur BearbeitenIsmar Schorsch Jewish Reactions to German Anti Semitism 1870 1914 New York 1972 S 79 101 Barbara Suchy The Verein zur Abwehr des Antisemitismus In Yearbook Leo Baeck Institute 28 1983 S 205 239 Teil I und 30 1985 S 67 100 Teil II Auguste Zeiss Horbach Der Verein zur Abwehr des Antisemitismus Zum Verhaltnis von Protestantismus und Judentum im Kaiserreich und in der Weimarer Republik Evangelische Verlagsanstalt Leipzig 2008 ISBN 978 3 374 02604 3 Weblinks BearbeitenDer Abwehrverein Deutsches Historisches Museum Internetauftritt von konsequent e v Einzelnachweise Bearbeiten Tulo Nussenblatt Ein Volk unterwegs zum Frieden Reinhold Verlag Wien Leipzig 1933 S 43 online Verein zur Bekampfung des Antisemitismus In Neues Wiener Tagblatt Demokratisches Organ Neues Wiener Abendblatt Abend Ausgabe des Neuen Wiener Tagblatt Neues Wiener Tagblatt Abend Ausgabe des Neuen Wiener Tagblattes Wiener Mittagsausgabe mit Sportblatt 6 Uhr Abendblatt Neues Wiener Tagblatt Neue Freie Presse Neues Wiener Journal Neues Wiener Tagblatt 27 Dezember 1890 S 4 online bei ANNO Vorlage ANNO Wartung nwg Gottfried Mehnert Der Verein zur Abwehr des Antisemitismus In Freiburger Rundbrief N F Jg 9 2002 Heft 4 S 270 275 Mittheilungen aus dem Verein zur Abwehr des Antisemitismus Nr 1 21 Oktober 1891 Probenummer digitalisiert Im Original gesperrt gesetzte Passagen kursiviert Der Konitzer Mord Mittheilungen Nr 14 4 April 1900 Interview mit dem Schriftsteller und Journalisten Hermann Bahr 1894 in Helmut Berding Moderner Antisemitismus in Deutschland Klett Verlag Stuttgart 1988 ISBN 3124902904 S 156 zitiert in Volker Ullrich Die nervose Grossmacht 1871 1918 Fischer Taschenbuch 2 Auflage 1999 ISBN 3 596 11694 5 S 394f Beitrage von Rudolf Steiner in den Mitteilungen aus dem Verein zur Abwehr des Antisemitismus Bd 11 1901 S 307 8 316 326 7 331 2 380 390 1 397 8 405 5 413 4 link zum digitalisierten Volltext Memento vom 15 Januar 2014 im Internet Archive Saul Friedlander Das Dritte Reich und die Juden Band 1 S 89 Wolfgang Benz Hrsg Handbuchs des Antisemitismus Bd 5 Walter de Gruyter 2012 S 627 online Albert Lichtblau Antisemitismus 1900 1938 Phasen Wahrnehmung und Akkulturationseffekte In Frank Stern Barbara Eichinger Hg Wien und die judische Erfahrung 1900 1938 Akkulturation Antisemitismus Zionismus Bohlau Verlag Wien 2009 S 39 58 hier S 39 Karl Markus Gauss Erstritten ist besser als erbettelt Marie von Ebner Eschenbach war die beruhmteste deutschsprachige Autorin des 19 Jahrhunderts In Suddeutsche Zeitung 4 Juli 2016 S 12 Initiative aus Heilbronn Verein gegen Antisemitismus wird im Januar gegrundet Heilbronner Stimme 25 November 2019 Abgerufen am 28 November 2019 Normdaten Korperschaft GND 1014973 9 lobid OGND AKS Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Verein zur Abwehr des Antisemitismus amp oldid 239260901