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Ulfberht ist eine moderne Transkription der Inschrift VLFBERH T welche typischerweise auf fruhmittelalterlichen germanischen Schwertern des 8 bis 11 Jahrhunderts zu finden ist Es existieren viele Variationen der Inschrift wie zum Beispiel VLFBERHT oder auch VLFBERH T 1 Allgemein vermutet man dass es sich dabei ursprunglich um einen frankischen Schmied handelte dessen Name und Werkstatt spater eine Art Handelsmarke begrundeten Ulfberht Schriftzug auf einem Schwert aus dem 9 Jahrhundert im Germanischen Nationalmuseum Inhaltsverzeichnis 1 Geschichtliche Einordnung und archaologische Bedeutung 2 Ursprung 3 Metallografische Forschung 3 1 Kontroverse 3 2 Verdacht auf Falschungen im Mittelalter 4 Mediale Rezeption 5 Siehe auch 6 Literatur 7 Weblinks 8 EinzelnachweiseGeschichtliche Einordnung und archaologische Bedeutung Bearbeiten nbsp Digitale Reproduktion eines Ulfberht SchwertesDie meisten Schwerter sind nach der Oakeshott Klassifikation als Typ X einzustufen wobei der Ubergang zu hochmittelalterlichen Schwertformen eher fliessend ist Auch finden sich nahezu alle zeittypischen Griffgestaltungen nach der Petersen Gefasstypologie 2 Gemass der Klassifikation der Schwerter nach Alfred Geibig 3 besteht ebenfalls keine Einheitlichkeit Es ist davon auszugehen dass diese Inschrift uber mehrere Jahrhunderte verwendet wurde und zwar nicht nur von einer einzelnen Werkstatt oder Person Die Art der Inschrift das Vorhandensein von Kreuzsymbolen vor und nach den eigentlichen Buchstaben lasst auch Schlusse auf die Herkunft und Bedeutung solcher Markierungen zu 4 Die Tatsache dass die meisten der Schwerter mit der Inschrift Ulfberht in Skandinavien gefunden wurden zeugt von ausgepragten Handelsbeziehungen zwischen dem Frankenreich und Nordeuropa Es sind Funde aus Osteuropa und sogar aus dem Nahen Osten belegbar 4 die oft mit Gefassen Parierstange Griff und Knauf versehen wurden welche den ortlichen Gepflogenheiten entsprachen Die allermeisten Klingen stammen jedoch aus dem Gebiet der Rheinfranken das schon zur Latenezeit eine ausgepragte Metallurgie aufwies Ursprung BearbeitenDer genaue Ursprung ist unklar Einige Forscher vermuten der Stahl stamme aus Afghanistan Persien oder Indien Er soll uber Handler aus dem Orient uber die Wolga und das Kaspische Meer nach Europa gelangt sein 5 6 Materialanalysen wiederum deuten darauf hin dass das Blei aus dem Rheinischen Schiefergebirge stammt Deswegen vermuten einige Forscher die Kloster Fulda und Lorsch als Herstellungsorte 5 Indizien dafur gibt es durch das sehr gut erhaltene Schwert von Grossenwieden im Jahr 2012 das bei Baggerarbeiten in der Weser bei Hessisch Oldendorf gefunden wurde Das Niedersachsische Landesamt fur Denkmalpflege und die Universitat Hannover kamen nach einer eingehenden Analyse zum Ergebnis dass das Ulfberht Schwert im 10 Jahrhundert geschmiedet wurde und das im Griff verarbeitete Blei aus dem Hintertaunus stammt Das wurde deshalb als Hinweis auf eine Werkstatt in Fulda oder Lorsch gewertet weil dort eine Waffenproduktion jeweils verburgt ist und andere Kloster das Blei mutmasslich aus naher gelegenen Lagerstatten geholt hatten 7 Da nur eines der ubrigen rund 170 aufgefundenen Schwerter mit dem aus Grossenwieden Ahnlichkeit hat wird von Forschern allerdings vermutet dass es sich um ein spates Exemplar handelt das lediglich den Markennamen nutzte Metallografische Forschung BearbeitenDie Ergebnisse der modernen metallografischen Forschung belegen dass die fruhmittelalterlichen frankisch alemannischen Schwerter zu ihrer Zeit Spitzenprodukte darstellten welche auf hochstem handwerklichen Niveau hergestellt wurden Die Arbeiten des Schwertforschers Stefan Mader beweisen dass die damaszierten Schwerter des Fruhmittelalters einen oft hochkomplexen Aufbau aufwiesen und selektiv gehartet wurden 8 9 Dazu haben die Forschungsergebnisse von Alan Williams 10 gezeigt dass die Ulfberht Exemplare aus Stahl bestehen der auch gemessen an heutigen Massstaben eine gute Qualitat aufweist Diese Ergebnisse decken sich mit den metallografischen Daten des Schwertes aus der Essener Domschatzkammer welches aus mustergeschweisstem Stahl besteht der sehr geringe Schwefel und Phosphoranteile und einen Spitzenwert von 1 1 Kohlenstoff aufweist 11 Der Aufbau der fruhmittelalterlichen Klingen war hochst variabel Es gab einfache aufgekohlte Eisenschwerter und komplexe Kompositklingen 12 Bei damaszierten Schwertern wurden oft die Schneiden separat an den aus Torsionsdamast geformten Korpus geschweisst Spatkarolingische Schwerter mit der VLFBERH T Inschrift hatten jedoch in der Regel keine sichtbaren Damaststrukturen in dieser Zeit beginnt schon der zunehmende Verzicht auf komplexe Damaszierungen aufgrund der Verbesserung der Rennofentechnik 13 Es kann also angenommen werden dass der Wert der Ulfberht Handelsmarke aus der zur damaligen Zeit fortschrittlichen Rennofen und Schmiedetechnik resultierte Die eigentliche Inschrift wurde dann mithilfe gluhenden Eisendrahtes oder anderer Materialien in den Klingenkorpus eingeschweisst Die oben erwahnten Charakteristika und das metallurgische Wissen der fruhmittelalterlichen Schmiede machten die Schwerter zu High Tech Waffen der damaligen Zeit was zur Wertschatzung und Bevorzugung bestimmter Erzeugnisse fuhrte Ausser VLFBERH T sind auch andere Inschriften bekannt wie zum Beispiel LEUTFRIT BANTO UGTHRED oder INGELRII auch INGELRED Kontroverse Bearbeiten Williams deutete den gemessenen Kohlenstoffgehalt von etwa 1 0 als Hinweis auf die Verwendung von Tiegelstahl Dagegen konnte dieser Kohlenstoffgehalt auch im Zeremonialschwert des Essener Domschatzes nachgewiesen werden das aus einheimischem Garbstahl besteht Die gleichmassige Verteilung des Kohlenstoffes in europaischem Stahl anders als bei Aufkohlung von Eisen wobei nur die Oberflache des Materials kohlenstoffreich wird wurde unter anderem durch den Schwertforscher Stefan Mader belegt Laut J D Verhoeven sind Karbidbildner wie Vanadium und Molybdan in deutlich erhohten Mengen bis 0 3 typisch fur spezielle indische Eisenerze welche auch in originalen Wootz Klingen nachgewiesen wurden 14 Dieser Nachweis bleibt bei europaischen Klingen bis heute aus Ebenso wird behauptet dass die Schneiden und der Kern der Ulfberht Schwerter einheitlich aus Stahl bestunden wahrend herkommliche Schwerter einen Eisenkern und stahlerne Schneiden aufwiesen Letzteres trifft nicht zu da man in Europa bereits im Verlauf des 10 Jahrhunderts zunehmend auf Damaszieren verzichtete und Klingen nur aus Raffinierstahl herstellte wobei sowohl Ganzstahlschwerter als auch Kompositklingen nachgewiesen wurden 15 Auch war seit dem 11 Jahrhundert hochwertiger Stahl in grosseren Mengen verfugbar bedingt durch die Verbesserung der Rennofentechnik Fur die Verwendung von Tiegelstahl in europaischen Waffen gibt es bis heute keine sicheren Belege Wie durch neuere Forschungsergebnisse bestatigt wurde konnten die geringen Mengen an Schlacke und sogenannten Stahlschadlingen z B Schwefel und Phosphor sowie der hohe Gehalt an Kohlenstoff und dessen gleichmassige Verteilung auch mit im fraglichen Zeitraum verfugbarer Rennofentechnik erzielt werden Verdacht auf Falschungen im Mittelalter Bearbeiten Zwischen dem 9 und 11 Jahrhundert nahm die Anzahl der Ulfberht Klingen die Schreibfehler aufwiesen erheblich zu Historiker vermuten Produktfalschungen Ursachlich dafur soll ein kaiserliches Dekret Karls des Grossen gewesen sein Dieser verbot am Heiligabend des Jahres 805 die Schwerter aus dem Frankenreich auszufuhren Er wollte damit verhindern dass Ulfberht Schwerter zu seinen Gegnern den Slawen und Wikingern gelangten Diese schatzten die besondere Beschaffenheit und Qualitat der Schwerter sehr und fragten diese nach Sie schreckten auch nicht vor Gewalt zuruck um an die Schwerter zu gelangen Diese Nachfrage konnte zu Falschungen verleitet haben 5 Mediale Rezeption BearbeitenDie Deutschen zweite Staffel Teil 1 Karl der Grosse und die Sachsen Hightech des Mittelalters Folge Das Wikingerschwert USA 2012 dt Ausstrahlung ARTE April 2016 Siehe auch BearbeitenSchwinge Elbe Fundort von Ulfberht Schwertern Schwert aus dem Teufelsmoor Spatha Schwert Literatur BearbeitenHerbert Henery Coghlan Notes on prehistoric and early iron in the Old World Pitt Rivers Museum 1977 Alfred Geibig Beitrage zur morphologischen Entwicklung des Schwertes im Mittelalter Eine Analyse des Fundmaterials vom ausgehenden 8 bis zum 12 Jahrhundert aus Sammlungen der Bundesrepublik Deutschland Dissertation Neumunster 1991 Friedrich E Grunzweig Das Schwert bei den Germanen Kulturgeschichtliche Studien zu seinem Wesen vom Altertum bis ins Hochmittelalter Philologica Germanica 30 Fassbaender Wien 2009 ISBN 978 3 902575 18 0 Ewart Oakeshott The Sword in the Age of Chivalry 1994 ISBN 0 85115 362 3 Alan R Williams Methods of Manufacture of Swords in Medieval Europe Illustrated by the Metallography of Some Examples In Gladius 13 1977 S 75 101 M Muller Wille Ein neues ULFBERHT Schwert aus Hamburg Verbreitung Formenkunde und Herkunft In Offa 27 1970 S 65 91 Ian Peirce Ewart Oakeshott Swords of the Viking Age The Boydell Press 2002 ISBN 0 85115 914 1 Weblinks Bearbeiten nbsp Commons Ulfberht Schwerter Sammlung von Bildern Videos und Audiodateien 51 minutige Dokumentation zum Ulfberht Schwert vom 25 Januar 2014 bei Arte Foto eines Ulfberht Schwertes im Museum fur Vor und Fruhgeschichte Berlin in der Deutschen Digitalen Bibliothek Ulfberht Klingen Ein Schwert fur Europa In Suddeutsche Zeitung vom 25 Oktober 2014 Dirk Husemann Lorsch oder Fulda Die Markenschmiede der Franken auf Spektrum de vom 26 Februar 2020 Markus Rock Das Geheimnis der Ulfberht Schwerter in National Geographic Deutschland vom 1 Juli 2022Einzelnachweise Bearbeiten Anne Stalsberg The Vlfberht sword blades reevaluated Memento vom 6 November 2015 im Internet Archive PDF 592 kB Anne Stalsberg The Vlfberht sword blades reevaluated Memento vom 6 November 2015 im Internet Archive PDF 592 kB S 8 Alfred Geibig Beitrage zur morphologischen Entwicklung des Schwertes im Mittelalter Eine Analyse des Fundmaterials vom ausgehenden 8 bis zum 12 Jahrhundert aus Sammlungen der Bundesrepublik Deutschland Karl Wachholtz 1991 ISBN 3 529 01171 1 1 a b Anne Stalsberg The Vlfberht sword blades reevaluated Memento vom 6 November 2015 im Internet Archive PDF 592 kB S 20 a b c Julia Koppe Raub Erpressung Falschung Wie die Wikinger an die Hightech Waffen des Mittelalters kamen spiegel de 2 April 2019 abgerufen am 2 April 2019 Angelika Franz Markenpiraterie im Mittelalter Wikinger fielen auf billige Schwert Kopien herein spiegel de 16 Februar 2009 abgerufen am 2 April 2019 Florian Stark Der Export von Stahl Schwertern war verboten In welt de 31 Juli 2014 abgerufen am 24 November 2020 Stefan Mader Stahle Steine und Schlangen Zur Kultur und Technikgeschichte von Schwertklingen des fruhen Mittelalters Hrsg Humboldt Universitat Umfang 341 Berlin 2001 2 PDF 31 5 MB abgerufen am 24 November 2020 Dissertation Stefan Mader Mado wo akeru Ein Fenster offnen Untersuchungen an Alamannenschwertern in Japan In Archaologie Online www archaeologie online de 16 Januar 2001 abgerufen am 24 November 2020 David Edge Alan Williams Some early medieval swords in the Wallace Collection and elsewhere Alfred Pothmann Hrsg Das Zeremonialschwert der Essener Domschatzkammer Aschendorff Munster 1995 ISBN 3 402 06243 7 Klingenharte und Aufbau Herbert Westphal Zur Entwicklung mittelalterlicher Waffen Memento vom 21 Februar 2016 im Internet Archive PDF 10 4 MB S 53 The Key Role of Impurities in Ancient Damascus Steel Blades In tms org Abgerufen am 28 Marz 2016 englisch A N Kirpitschnikow L T Bergman I Jansson A New Analysis of Viking Age Swords from the Collection of the Statens Historiska Museer In Russian History Histoire Russe Stockholm 2001 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Ulfberht amp oldid 234674039