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Tandura tandura auch cautara chautara chau tara ist eine vier oder funfsaitige gezupfte Langhalslaute die in der Volksmusik im nordindischen Bundesstaat Rajasthan gespielt wird Die tandura begleitet meist mit einer rhythmischen Folge von Borduntonen religiose Gesange bhajans Sie ist ein moglicher Vorlaufer der in der klassischen indischen Musik gespielten tanpura und steht funktionell mit der tanburo in der angrenzenden pakistanischen Provinz Sindh in Beziehung Inhaltsverzeichnis 1 Herkunft und Etymologie 2 Bauform und Spielweise 3 Literatur 4 Weblinks 5 EinzelnachweiseHerkunft und Etymologie Bearbeiten nbsp Sudindische Entsprechung einer tandura Zeichnung um 1900Der Name tandura ist von arabisch tunbur und persisch tanbur abgeleitet womit Langhalslauten bezeichnet wurden 1 Hiermit sprachverwandt sind unter anderem die indische Langhalslaute tanpura die auf dem Balkan gespielte tambura die afghanische dambura und die damburag der Belutschen Die Verbreitung der Bezeichnung tanbur nach Westen auf den Balkan erfolgte durch die Osmanische Sprache nach Afghanistan und weiter nordlich nach Zentralasien uber das Persische In beiden Sprachen ist eine Vermischung der Bezeichnung fur Lauteninstrumente und Trommeln festzustellen Die osmanische Zylindertrommel davul wird wie die im europaischen Mittelalter gespielte tabor auf Arabisch tabl fur Trommel zuruckgefuhrt Moglicherweise ist die Wortherkunft in Indien zu suchen Auf Sanskrit heisst eine sehr alte Sanduhrtrommel damaru Die kleine Sanduhrtrommel und ihr Sanskritname sind alter als aus dem Persischen nach Indien gelangten Bezeichnungen von Musikinstrumenten die erst in mittelindischen Sprachen auftauchen Auf damaru geht der spatere indische Trommelname damru zuruck Als Begrundung fur die Doppelbedeutung wird eine Bedeutungserweiterung des alteren Sanskritwortes fur Trommel auf Saiteninstrumente im Arabischen oder Persischen vorgeschlagen wovon sich dann wiederum die entsprechenden Bezeichnungen indischer Saiteninstrumente herleiten konnten Den Namensubergang von Trommeln zu Saiteninstrumenten erklart Michael Knuppel 2003 mit der Existenz indischer Instrumente die sich kaum eindeutig zuordnen lassen etwa die Gruppe der Zupftrommeln ektara deren Ton aus dem Zusammenwirken einer Membran und einer Saite entsteht 2 Langhalslauten sind in Zentralasien weit verbreitet Eine fruhe indische Langhalslaute mit einem typischen birnenformigen Korpus ist auf einem Steinrelief aus Gandhara abgebildet das ins 2 3 Jahrhundert datiert wird Das Relief zeigt Tanzer und eine Musikgruppe zu der eine Langhalslaute und eine Bogenharfe gehoren die beide in der altindischen Literatur als vina bezeichnet werden 3 Ein alteres Wort fur die tanpura ist tumbura vina 4 Eine Volksetymologie schreibt deren Erfindung dem mythischen Musiker und Sanger Tumburu zu Dieser ist eine pferdekopfige Figur und einer der himmlischen Gandharvas 5 Diese Etymologie ist zumindest diskussionswurdig aber keinesfalls mit der Herkunft der wesentlichen Formmerkmale verbunden Eine andere sprachliche Beziehung die ausgeschlossen erscheint ist die zwischen der tunbur Wortgruppe und Sanskrit tumba fur einen Kurbis Kalebasse der an vielen Saiteninstrumenten als Resonanzkorper dient 6 Cautara setzt sich aus cau Persisch Hindi tschar vier und tar Saite Faden zusammen und bedeutet viersaitiges Instrument Bauform und Spielweise BearbeitenDer holzerne Korpus der tandura ist kreisrund tiefbauchig und an der Oberseite mit einer flachen Holzdecke geschlossen An den Korpus ist ein relativ breiter Hals mit einem Griffbrett aber ohne Bunde angesetzt Die Gesamtlange des Instruments betragt 108 bis 115 Zentimeter Die vier seltener funf Metallsaiten verlaufen von der Unterseite uber einen mittig auf der Decke aufgesetzten breiten Steg bis zu den weit herausstehenden holzernen Wirbeln von denen wie bei der tanpura zwei oder drei vorderstandig und je einer an den Seiten angeordnet sind Die Saiten sind in Quintintervallen gestimmt Der Musiker streicht mit dem Fingernagel des rechten Zeigefingers am unteren Ende des Halses uber die leeren Saiten und produziert so einen Bordunton und eine melodische Basis oder er zupft die Saiten einzeln an Im Unterschied zur tanpura bei der die vier Saiten stets unverkurzt nacheinander und unbetont angerissen werden hat die tandura eine gleichermassen rhythmische Funktion Mit der linken Hand kann bei der tandura weiter oben am Hals eine Saite verkurzt werden Die tandura wird hauptsachlich solistisch oder in unterschiedlichen Besetzungen zur Begleitung religioser Lieder bhajans verwendet Sie ist in ganz Rajasthan verbreitet In einer ublichen kleinen Gruppe von umherziehenden Strassenmusikern und Bettlern begleitet sich der Leiter und Sanger auf der tandura ein Musiker sorgt mit der Fasstrommel dholki oder dholak fur den Rhythmus der von einem dritten Musiker und Sanger mit den Zimbeln manjira oder tal oder mit der Holzklapper kartal akzentuiert wird Ein einzelner Sanger kann mit der rechten Hand die Saiten der tandura zupfen und mit der linken Hand die Klapper bedienen In ihrer Funktion als Borduninstrument entspricht die tandura der in der klassischen indischen Musik verwendeten tanpura die mit bis zu 150 Zentimetern Lange grosser und aufwendiger verarbeitet ist Eine ahnliche Langhalslaute die in der religiosen Volksmusik von Maharashtra fur einen Bordunton sorgt ist die tamburi Anhanger des heiligen Tukaram der im 17 Jahrhundert lebte begleiten damit ihre Lieder 7 In der religiosen Verehrungspraxis der Sufis in der pakistanischen Provinz Sindh wird die Langhalslaute tanburo auf vergleichbare Weise eingesetzt nbsp Strassenmusiker in der Gegend von Hyderabad mit einer dreisaitigen tamburi und der Tontopftrommel gummatiIn den sudindischen Bundesstaaten Andhra Pradesh Telangana und Karnataka sind zwei unterschiedliche Varianten als tamburi bekannt in Karnataka auch chikka vina die von bettelnden Strassensangern zur rhythmischen Begleitung von Lobliedern auf Helden oder Gotter verwendet werden 8 Die dominante rhythmische Funktion ist allen volkstumlichen Vorlaufern der verfeinerten klassischen tanpura eigen die nur fur einen leisen Bordunklang gebraucht wird Andere Saiteninstrumente zur Liedbegleitung in der regionalen Volksmusik von Rajasthan sind die ein oder zweisaitige gezupfte Spiesslaute ektara und die Spiessgeige ravanahattha Streichinstrumente mit denen in Rajasthan Lieder begleitet werden sind ferner die surinda und die auch in der klassischen Musik gespielte sarangi Es gibt in Rajasthan etliche kleine ethnische Gruppen die ihr eigenes musikalisches Repertoire mit den fur sie typischen Instrumenten pflegen Die meisten tandura Spieler gehoren den unteren Kasten oder den Dalits an die durch ihre Geringschatzung als Unberuhrbare am unteren Rand der Gesellschaft stehen Sie beten den Kriegerfursten Baba Ramdev an der was Historiker fur wahrscheinlich halten 9 im 14 15 Jahrhundert in Pokhran im Distrikt Jaisalmer lebte und dem in den Volkslegenden magische Krafte zugesprochen werden Die Verehrung als hinduistische Volksgottheit basiert auf einer Tradition die Ramdev als Fursprecher der unteren Klassen und der Ausgestossenen sieht In den zu seinen Ehren gesungenen religiosen Liedern wird das gute Verhaltnis des hochstehenden Rajputen zu den unreinen Dienern am Furstenhof beschrieben das wiederum damals bei anderen Rajputen Missfallen ausloste Die Uberlieferung berichtet von einem Streit unter Mitgliedern von Ramdevs Familie Ein Furst verweigerte den Kontakt zu ihm mit den Worten Er nimmt an jamas 10 teil In unseren Hausern spielt man das naubat grosses kultiviertes Palastorchester an seinem Wohnort hort man den Klang der tandura Ramdev wird hier mit einem Kamad auf die gleiche Stufe gestellt einem kastenlosen umherziehenden Asketen und Bettler der religiose Lieder vortragt und dazu die tandura spielt 11 Damit ist auch der Status der tandura umschrieben Terahtali ist ein religioser Tanz in Rajasthan der nur von Frauen als Sitztanz aufgefuhrt wird Die Frauen schlagen terah dreizehn tal Zimbeln die sie in einer Reihe an einem Bein befestigt haben ansonsten stellen sie mit den Armen und Handen pantomimisch Tatigkeiten dar die sie im hauslichen Alltag verrichten Begleitet werden sie von einem tandura spielenden Sanger und einem Trommler Der Tanz wird ausschliesslich von der Kastengruppe Kamad zur Huldigung Baba Ramdevs aufgefuhrt 12 Literatur BearbeitenGenevieve Dournon Tandura In Laurence Libin Hrsg The Grove Dictionary of Musical Instruments Bd 4 Oxford University Press Oxford New York 2014 S 708fWeblinks BearbeitenRajasthani Devotional Music Megwal Group Youtube Video Bhajan Gesangsbegleitung mit einer tandura einem Tontopf ghara dem sudindischen ghatam entsprechend einem Messingteller batta und Zimbeln Rajasthan Folk Music Devotional Youtube Video Bhajan Gesangsbegleitung mit tandura Trommel und Zimbeln Sumitra Das Goswani performing with her family she sings with Dharohar Youtube Video Die Sangerin und Harmonium Spielerin Sumitra Das Goswani aus Jaitaran im Distrikt Pali wird von tabla tandura manjira und dholak begleitet Einzelnachweise Bearbeiten Vgl J C Chabrier Ṭunbur In The Encyclopaedia of Islam New Edition Band 10 Brill Leiden 2000 S 625 Michael Knuppel Noch einmal zur moglichen Herkunft von osm tambur a dambur a damur a etc In Marek Stachowski Hrsg Studia Etymologica Cracoviensia Bd 14 PDF 1 6 MB Krakau 2003 S 221 223 Walter Kaufmann Altindien Musikgeschichte in Bildern Bd 2 Musik des Altertums Lieferung 8 VEB Deutscher Verlag fur Musik Leipzig 1981 S 140f Sibyl Marcuse Musical Instruments A Comprehensive Dictionary Doubleday New York 1964 S 510 549 Bimal Roy Sangiti Sabta Kosa Dictionary of Musical Terms Sharada Publishing House Delhi 2004 S 148 James Sadler Hamilton Sitar Music in Calcutta An Ethnomusikological Study Motilal Banarsidass Delhi 1994 S 49 Allyn Miner Musical Instruments Northern Area In Alison Arnold Hrsg Garland Encyclopedia of World Music Bd 5 South Asia The Indian Subcontinent Routledge London 1999 S 343 Tamboori In Late Pandit Nikhil Ghosh Hrsg The Oxford Encyclopaedia of the Music of India Saṅgit Mahabharati Bd 3 P Z Oxford University Press Neu Delhi 2011 S 1057 Rajshree Dhali Popular religion in Rajasthan a study of four deities and their worship in the nineteenth and twentieth century Dissertation Jawaharlal Nehru University New Delhi 2004 S 60f 68 online Kap 3 Religiose Rituale der Unberuhrbaren die als dubiose tantrische Praktiken missverstanden wurden Dominique Sila Khan Is God an Untouchable A Case of Caste Conflict in Rajasthan In Comparative Studies of South Asia Africa and the Middle East Bd 13 Nr 1 1998 S 21 28 hier S 22 Rajasthani Folk Dance Teratali by Kamad Chandri amp Party Youtube Video Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Tandura amp oldid 218942508