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In einer Ansammlung gleichartiger Teilchen wie Elektronen Atome oder Ionen besteht Spinpolarisation wenn die Spinvektoren der Teilchen mehr oder weniger ausgerichtet sind die Richtungen also nicht zufallig verteilt sind In der Fachsprache z B der Kernphysik wird dann meist einfach von Polarisation gesprochen Inhaltsverzeichnis 1 Grundlagen 2 Spinpolarisation im Magnetfeld 3 Spin Bahn Wechselwirkung bei Streuprozessen 4 Herstellung der Spinpolarisation 4 1 Neutrale Materie 4 2 Ionenstrahlen 4 3 Elektronenstrahlen 4 4 Neutronen 5 Anwendungen 6 Elektronen und Positronenpolarisation beim Betazerfall 7 Literatur 8 EinzelnachweiseGrundlagen BearbeitenDer Axialvektor eines durch die Quantenzahl S displaystyle S nbsp beschriebenen Spins kann gegenuber einer gewahlten Quantisierungsachse 2 S 1 displaystyle 2S 1 nbsp verschiedene Richtungen einnehmen siehe Richtungsquantelung Multiplizitat Diese werden durch eine spinmagnetische Quantenzahl m s displaystyle m s nbsp bezeichnet m S S S 1 S 1 S 2 S 1 W e r t e M u l t i p l i z i t a t displaystyle m S underbrace S S 1 S 1 S 2S 1 mathrm Werte Multiplizit ddot a t nbsp Im einfachsten Fall S 1 2 displaystyle S tfrac 1 2 nbsp ergeben sich die beiden Werte m s 1 2 displaystyle m s tfrac 1 2 nbsp und m s 1 2 displaystyle m s tfrac 1 2 nbsp Multiplizitat 2 Zustande die sich nur im Wert von m s displaystyle m s nbsp unterscheiden sind zwar quantenmechanisch verschieden Sie haben aber normalerweise gleiche Energie sind also entartet In einem Ensemble gleichartiger Teilchen sind diese Zustande daher im Allgemeinen bis auf zufallige statistische Schwankungen gleich stark besetzt eine Ausnahme bilden die Elektronen und Positronen der Betastrahlung siehe unten Eine Polarisation also Abweichung von der Gleichverteilung lasst sich bei Spin 1 2 Teilchen beschreiben durch den Polarisationsgrad P displaystyle P nbsp P N u N d N u N d displaystyle P frac N u N d N u N d nbsp Dabei sind N u displaystyle N u nbsp und N d displaystyle N d nbsp die Anzahlen der Teilchen mit den beiden Spinausrichtungen up und down zur gewahlten Achse Auch der Polarisationsgrad wird oft kurz als die Polarisation bezeichnet P displaystyle P nbsp betragt fur ein unpolarisiertes Ensemble 0 fur ein maximal polarisiertes 1 haufig als 100 ausgedruckt Auch die Beschreibung durch einen Polarisationsvektor ist moglich dieser ist die Vektorsumme aller Spins im Ensemble geteilt durch die Teilchenanzahl und wird meist ebenfalls auf den Betrag 1 fur maximale Polarisation normiert Bei Teilchen mit hoherem Spin als 1 2 also drei oder mehr moglichen Ausrichtungen ist die Beschreibung der Polarisation komplizierter und erfordert im Allgemeinen einen Tensor entsprechender Stufe Spinpolarisation ist also keine Eigenschaft eines einzelnen Teilchens sondern des Ensembles Von einem einzelnen polarisierten Teilchen zu sprechen ist sinnlos Quantenmechanisch lasst die Spinpolarisation sich mit dem Dichtematrix Formalismus beschreiben Spinpolarisation im Magnetfeld BearbeitenDer Spin von Teilchen ist mit einem magnetischen Moment verbunden Bringt man das Teilchenensemble in ein Magnetfeld andert sich daher die Energie des einzelnen Zustands je nach Stellung zur Feldrichtung die Entartung wird aufgehoben Daher ruhrt die Bezeichnung magnetische Quantenzahl Die entsprechende beobachtbare Aufspaltung optischer Spektrallinien heisst Zeeman Effekt Da sich die Teilchen bevorzugt in Zustanden kleinerer Energie sammeln fuhrt das Magnetfeld schon ohne weitere Massnahmen zu einer gewissen Spinpolarisation Diese ist allerdings bei Umgebungstemperatur meist gering weil die magnetischen Energieunterschiede klein sind gegenuber der thermischen Energie der Teilchen dies gilt insbesondere fur Atomkerne mit ihren kleinen magnetischen Momenten Mit speziellen Verfahren lassen sich weitaus hohere Polarisationen erreichen Dies wird in manchen 1 aber nicht allen 2 3 Fallen als Hyperpolarisation bezeichnet Spin Bahn Wechselwirkung bei Streuprozessen Bearbeiten nbsp Spin rot und Bahndrehimpulsvektor blau bei Streuung nach links oder nach rechtsWird ein zunachst auf gerader Bahn fliegendes Teilchen mit Spin aus seiner Flugrichtung abgelenkt beeinflusst die Wechselwirkung zwischen Spin und Bahndrehimpuls die Bewegung ahnlich wie in Atomen und Atomkernen siehe Spin Bahn Kopplung Zeigt beispielsweise der Spinvektor in die x displaystyle x nbsp Richtung wahrend das Teilchen in z displaystyle z nbsp Richtung fliegt stehen die Vektoren von Spin und Bahndrehimpuls bei Ablenkung Streuung in die y displaystyle y nbsp Richtung antiparallel in die y displaystyle y nbsp Richtung parallel zueinander siehe Skizze Der differentielle Wirkungsquerschnitt ist dadurch bei gleichem Streuwinkel verschieden je nachdem die Streuung zur y displaystyle y nbsp Seite oder zur y displaystyle y nbsp Seite hin erfolgt Allgemeiner gesagt er hangt ausser vom Streuwinkel auch vom Azimutwinkel siehe Kugelkoordinaten dem Winkel zwischen der Bahnebene und der xz Ebene ab Fur einen polarisierten Teilchenstrahl stellt der Streuprozess auf diese Weise einen Analysator dar denn zwei symmetrisch zueinander links und rechts der x z displaystyle xz nbsp Ebene aufgestellte Detektoren registrieren verschieden viele Teilchen Andererseits sind bei unpolarisiertem Strahl die Teilchen die nach einer bestimmten Seite gestreut werden ein mehr oder weniger stark polarisiertes Ensemble der Streuprozess wirkt also auch als Polarisator Wegen der Drehimpulserhaltung zeigt sich auch bei Kernreaktionen entsprechendes Verhalten wie bei Streuung Streu und Reaktionsexperimente mit Beobachtung der Polarisation der emittierten Teilchen oder mit polarisiertem Strahl oder Target sind daher in der Kernphysik ein wichtiges Mittel zur naheren Bestimmung der Spin Bahn Wechselwirkung Bevor man polarisierte Teilchenstrahlen oder polarisierte Targets herstellen konnte lieferten Doppelstreuexperimente bei denen dieselben Teilchen zwei Streuungen nacheinander durchliefen Informationen dazu 4 Bei ihnen stellte die erste Streuung den Polarisator die zweite den Analysator dar Mit einem polarisierten 1 16 GeV Elektronenstrahl ist in einem Streuexperiment die schwache Ladung des Protons genau gemessen worden Dabei wurde ausgenutzt dass nur in der schwachen Wechselwirkung die Nichterhaltung der Paritat gilt 5 Herstellung der Spinpolarisation BearbeitenNeutrale Materie Bearbeiten In Feststoffen Flussigkeiten oder Gasen wird Polarisation der Atomkerne mittels eines Magnetfelds erzeugt oft mit Hilfe tiefer Temperatur um die thermische Energie der Teilchen klein zu halten siehe Boltzmann Verteilung Mit dieser Technik wurde z B im Wu Experiment bei 10 Millikelvin ein Polarisationsgrad der Cobalt 60 Kerne von ca 60 erreicht Statt eines starken ausseren Feldes kann zur Polarisation der Kerne in manchen Fallen das in einem paramagnetischen Ion vom Elektronenspin verursachte Feld ausgenutzt werden 6 so dass ein relatives schwaches ausseres Feld genugt das die Ionen ausrichtet Eine weitere Methode besteht darin Atome durch optisches Pumpen mit zirkular polarisiertem Licht auszurichten und die Kopplung der Elektronen mit dem Kernmoment siehe Hyperfeinstruktur auszunutzen Ionenstrahlen Bearbeiten Polarisierte Ionenstrahlen zur Verwendung in Teilchenbeschleunigern lassen sich nach dem weiterentwickelten Konzept des Stern Gerlach Experiments herstellen aus einem Atomstrahl z B Wasserstoff oder Deuterium wird im inhomogenen Magnetfeld ein polarisierter Teilstrahl gewonnen und dieser dann im einfachsten Fall in einem schwachen Magnetfeld unter Ausnutzung der Hyperfeinaufspaltung ionisiert 7 Ein anderer Typ polarisierter Ionenquellen nutzt die Aufspaltung der Energieniveaus durch die Lamb Verschiebung aus 8 Elektronenstrahlen Bearbeiten Elektronen in Speicherringen werden durch Emission von Synchrotronstrahlung longitudinal polarisiert 9 Neutronen Bearbeiten Polarisierte langsame Neutronen fur die Neutronenstreuung werden durch Reflexion an den ausgerichteten Atomen eines ferromagnetischen Spiegels siehe Neutronensuperspiegel gewonnen Anwendungen BearbeitenSpinpolarisierte Neutronen konnen verwendet werden um die magnetische Struktur von Festkorpern zu untersuchen In der Photoelektronenspektroskopie kann die Spinpolarisation der emittierten Elektronen Aufschluss uber die magnetische Ausrichtung der Probe und die Polarisation der anregenden Strahlung geben In der Kernphysik helfen Streu und Kernreaktionsexperimente mit polarisierten Teilchen Einzelheiten bestimmter Zustande der Kerne zu erforschen da die Wirkungsquerschnitte der Prozesse von der Spinausrichtung abhangen Moglicherweise kann die Reaktionsausbeute in Kernfusionsreaktoren durch Verwendung spinpolarisierten Brennstoffs wesentlich verbessert werden 10 Substanzen mit polarisierten Atomkernen verbessern bei bestimmten Kernresonanz Untersuchungen z B in der Medizin die Empfindlichkeit siehe Hyperpolarisation Physik Die spinpolarisierte Rastertunnelmikroskopie ermoglicht detaillierte Untersuchungen der Oberflache von magnetisierten Materialien Eine zeitlich konstante Elektronenpolarisation wird im Lesekopf von Festplatten beim Auslesen uber den magnetoresistiven Effekt genutzt In anfanglichen Modellen betrug diese Polarisation nur wenige Prozent Eine zeitlich koharent oszillierende Elektronenpolarisation ist bei der Rabi Oszillation in magnetischen Systemen nachweisbar Sie ist moglicherweise in Quantencomputern verwendbar Elektronen und Positronenpolarisation beim Betazerfall BearbeitenDie beim Betazerfall emittierten Teilchen sind entlang ihrer Emissionsrichtung spinpolarisiert Anschaulich gesagt rotieren z B die Elektronen aus Beta Minus Zerfallen in ihrer Flugrichtung gesehen vorzugsweise gegen den Uhrzeigersinn linkshandige Elektronen Erklart wird dies damit dass die fur den Betazerfall verantwortliche schwache Wechselwirkung nur chiral linkshandige Teilchen und chiral rechtshandige Antiteilchen erzeugt insofern also die Spiegelsymmetrie der Naturgesetze maximal verletzt siehe Paritatsverletzung Dies wirkt sich als longitudinale Spinpolarisation der emittierten Teilchen aus Theorie und Messungen ergeben dass der Polarisationsgrad P v c displaystyle P v c nbsp betragt v displaystyle v nbsp Teilchengeschwindigkeit c displaystyle c nbsp Lichtgeschwindigkeit fur relativistische Beta Elektronen und fur Neutrinos aus dem Betazerfall also praktisch 100 11 Literatur BearbeitenH Paetz gen Schieck Nuclear Physics with Polarized Particles Heidelberg usw Springer 2012 ISBN 978 3 642 24225 0 Einzelnachweise Bearbeiten J E Reimer Nuclear hyperpolarization in solids and the prospects of nuclear spintronics Solid State Nuclear Magnetic Resonance Bd 37 2010 S 3 12 z B allgemein nicht im Zusammenhang mit Kernreaktionen siehe etwa Schieck Literaturliste N Bigelow P Nacher and M Leduc Accurate optical measurement of nuclear polarization in optically pumped He 3 gas J de Physique Bd 2 1992 S 2159 2179 Bernard L Cohen Concepts of Nuclear Physics New York usw McGraw Hill 1971 S 53 The Jefferson Lab Q weak Collaboration Precision measurement of the weak charge of the proton Nature Bd 557 2018 Seite 207 211 doi 10 1038 s41586 018 0096 0 1 E B Paul Nuclear and Particle Physics Amsterdam North Holland 1969 S 318 G Clausnitzer R Fleischmann und H Schopper Zeitschrift fur Physik Band 144 1956 S 336 L W Anderson and W Haeberli eds Polarized Ion Sources and Polarized Gas Targets Konferenzbericht Madison Wisconsin 1993 American Inst of Physics 1994 A A Sokolov I M Ternov On Polarization and Spin Effects in Synchrotron Radiation Theory Sov Phys Dokl Band 8 S 1203 1964 H Paetz gen Schieck The status of polarized fusion Eur Phys J 44 A 2010 S 321 354 Jorn Bleck Neuhaus Elementare Teilchen Von den Atomen uber das Standard Modell bis zum Higgs Boson 2 uberarbeitete Auflage Springer Berlin Heidelberg 2013 Seite 546 f Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Spinpolarisation amp oldid 196231616