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Das Senatus consultum Velleianum ist ein auf Antrag eines eponymen namengebenden Konsuls Mitte des ersten Jahrhunderts wohl 46 n Chr ergangener Beschluss des romischen Senats Durch ihn wurden die Gerichte angehalten gegen Frauen gerichtete Anspruche nicht zur Verhandlung zuzulassen wenn diese aus Verbindlichkeiten herruhrten die der Absicherung von gegen Manner gerichteten Forderungen zumeist Ehemanner dienten pro aliis reas fieri Typischerweise lagen Interzessionen aus Darlehen mutuum oder Burgschaft sponsio spater fideiussio zugrunde Der vellejanische Senatsbeschluss diente dem geschlechtsspezifischen Schutz der Frau Ohne das senatorische Verbot hatte sich der Beklagte unterschiedlichen Ruckforderungsanspruchen ausgesetzt gesehen je nachdem ob der Geldbetrag bestimmt oder nur bestimmbar war 1 Geltend gemacht wurde die Undurchsetzbarkeit der Forderung mittels haftungsausschliessender Einrede zwar war das Interzessionsgeschaft der Frau nach ius civile gultig aber vollstandig entkraftbar Inhaltsverzeichnis 1 Geschichte 2 Bundesverfassungsgericht zu Angehorigenburgschaften 3 Literatur 4 AnmerkungenGeschichte BearbeitenDas Interzessionsverbot beschaftigte bereits die Kaiser Augustus und Claudius 2 die per Edikt schon Massnahmen verfugten 3 Sie sollten Frauen vor Nachteilen im Geschaftsverkehr bewahren vornehmlich ging man allerdings davon aus dass Finanzgeschafte Mannersache seien 3 Der darauf folgende ursprungliche Senatsbeschluss muss dann sehr fadenscheinig und unverbindlich formuliert gewesen sein denn Fritz Schulz wurdigte ihn in einem englischsprachigen Kontext als superficial and clumsily worded enactment ubersetzt oberflachliche und ungeschickt formulierte Verordnung Seiner Auffassung nach enthielt der Beschluss bestenfalls den Charakter einer Absichtserklarung 4 Das anderte sich in den Folgejahren allerdings denn es wurden Konturen fur den Beschluss geschaffen was auch den anfanglichen Streit befriedete ob Senatskonsulte neben den uberragend bedeutsamen leges uberhaupt durchsetzbare Massregeln erfassen konnten 5 Nach heutigem Verstandnis umfasste das Verbot nicht nur die geschutzten Verpflichtungen aus Burgschaft und Darlehenskredit sondern alle Formen eines Schuldbeitritts oder einer Schuldubernahme Unerheblich war zudem ob eine derartige Schuld in eigener Sache oder zugunsten eines Dritten intercedere pro aliis ubernommen wurde 6 Nahezu zeitgleich erging ein weiteres Verbot das sich an die Haussohne des pater familias richtete das so genannte Senatus consultum Macedonianum 7 Die Anordnung gegenuber Haussohnen schloss den Kreis der Schutzregeln zugunsten des Umfeldes der patria potestas 8 9 Bereits im antiken Rom wurde das Verbot der heute so genannten unbenannten Zuwendung das ist eine Schenkung unter Ehegatten sehr ernst genommen 10 Kompliziert wurden die Interzessionsregelungen dann unter Justinian wahrend der Spatantike 11 Er ordnete an dass Frauen generell keine Haftung mehr fur den Mann ubernehmen durften sofern nicht ausnahmsweise ein Befreiungsvorbehalt vorlag 6 Solche Befreiungstatbestande konnten mittels offentlicher Urkunde schriftlich erbracht werden Sie dienten dem Nachweis ubereinstimmender Zeugenerklarungen 12 Anfanglich nichtige Interzessionen konnten geheilt werden Dazu wurde das Rechtsgeschaft einfach schriftlich wiederholt 13 Zugunsten des eigenen Ehemannes nutzte das im Geschaftsverkehr freilich nichts denn in dieser Rechtsbeziehung blieben alle Geschafte grundsatzlich absolut nichtig 14 Interzessionen von Frauen waren auch wahrend des Mittelalters und wahrend der fruhen Neuzeit unklagbar 15 Um dieses Abwehrrecht rechtssicher herleiten zu konnen wurde auf die justinianischen Novellae Authenticum zuruckgegriffen diese Bestandteil des spater so genannten Corpus Iuris Civilis Darin war ein Erlass zur Ehefrauengesetzgebung enthalten 16 der mit dem leicht abweichenden ursprunglichen Senatsbeschluss vermischt und angewendet wurde Konnten eidliche Bekraftigungen vorgebracht werden oder standen die Frauen als Kauffrauen im Geschaftsleben konnte die Unwirksamkeit der Interzessionsregeln aufgrund handelsrechtlicher Aspekte ausnahmsweise durchbrochen werden 17 Die wahrend der Neuzeit ergangenen Kodifikationen hoben das velleianische Interzessionsverbot in Teilen auf oder schwachten es zumindest deutlich ab denn es wurden besondere Formzwange beziehungsweise Erganzungspflegschaften eingefuhrt Wurden diese Formvorschriften eingehalten waren die zugrunde liegenden Geschafte auch vollwirksam 18 Ende des 19 Jahrhunderts griffen die Gesetzesvater anlasslich der Beratungen zum Burgerlichen Gesetzbuch BGB auf einen Beschluss des im Jahr 1861 abgehaltenen zweiten deutschen Juristentages zuruck und hoben in Bezug auf Frauenburgschaften die noch bestehenden Einschrankungen zur Geschaftsfahigkeit auf Im Jahr 1988 wurde auch im schweizerischen Zivilgesetzbuch der Vorbehalt der Zustimmung des Vormundschaftsgerichtes bei Verpflichtungsgeschaften der Ehefrau gegenuber Dritten und zugunsten des Mannes aufgehoben In Sudafrika erlebte das Senatus Consultum Velleianum 1971 sein Ende 19 Bundesverfassungsgericht zu Angehorigenburgschaften BearbeitenDie Rechtsprechung zur Angehorigenburgschaft steht noch heute im Kontext zum traditionellen Senatus Consultum Velleianum Eine markante Spur legte das Bundesverfassungsgericht BVerfG im Jahr 1993 als es die Instanzen der Zivilgerichtsbarkeit mit seinem Burgschafts Beschluss anwies Rechtsgeschafte dieses Burgschaftstyps zukunftig eingehender zu prufen 20 Das Verfassungsorgan beanstandete dass es in einer Vielzahl von Fallen eine eklatante strukturelle Unterlegenheit der Burgin ausmachen musste dieser Umstand im Prozessweg aber nicht hinreichende Beachtung fand Das BVerfG kam zu der Erkenntnis dass diese Unterlegenheit vornehmlich auf die Unerfahrenheit der Einstehenden in Kredit und Finanzgeschaften zuruckzufuhren war was zur Folge hatte dass sie die Bedeutung und Tragweite derartiger Geschafte nicht erfassten und sich mit ihrer Bindung wirtschaftlich uberforderten 21 Seit diesem Gerichtsbeschluss sehen sich die Zivilgerichte dazu angehalten verdachtige Geschafte auf Anhaltspunkte fur eine rechtsversagende Sittenwidrigkeit zu uberprufen Massstab dafur ist 138 BGB Die Rechtsprechung betreibt mittlerweile gar spezifische Interzessionskontrolle und unterteilt die Sachverhalte dabei in Fallgruppen vergleiche insoweit die neuere Rechtsprechung im Burgschaftsrecht und die sittenwidrige Ehegattenburgschaft Literatur BearbeitenWolfgang Ernst Interzession Vom Verbot der Fraueninterzession uber die Sittenwidrigkeit von Angehorigenburgschaften zum Schutz des Verbrauchers als Interzedeneten In Reinhard Zimmermann Rolf Knutel Jens Peter Meincke Hrsg Rechtsgeschichte und Privatrechtsdogmatik C F Muller Heidelberg 1999 ISBN 3 8114 9915 7 S 395 430 hier 397 f Berthold Kupisch Die romische Frau im Geschaftsleben Ein Anweisungsbeispiel Ulpian Julian Marcellus D 16 1 8 2 In Ulrich Hubner Werner F Ebke Hrsg Festschrift fur Bernhard Grossfeld zum 65 Geburtstag Verlag Recht und Wirtschaft Heidelberg 1999 ISBN 3 8005 1207 6 S 659 670 Dieter Medicus Zur Geschichte des Senatus Consultum Velleianum Forschungen zum romischen Recht 8 ZDB ID 503908 3 Bohlau Graz u a 1957 Zugleich Munster Universitat Dissertation 1956 Ulrike Monnich Frauenschutz vor riskanten Geschaften Interzessionsverbote nach dem Velleianischen Senatsbeschluss Dissertationen zur Rechtsgeschichte 10 Bohlau Koln u a 1999 ISBN 3 412 14598 X Zugleich Universitat Dissertation Koln 1998 unter dem Titel Das Senatus Consultum Velleianum Heinrich Vogt Studien zum senatus consultum Velleianum Rohrscheid Bonn 1952 Reinhard Zimmermann The Law of Obligations Roman Foundations of the Civilian Tradition Juta Kapstadt u a 1990 ISBN 0 7021 2347 1 S 145 ff Anmerkungen Bearbeiten Herbert Hausmaninger Walter Selb Romisches Privatrecht Bohlau Studien Bucher Bohlau Wien u a 1981 ISBN 3 205 07171 9 S 291 296 Ulpian Digesten 16 1 2 pr a b Handbuch der Altertumswissenschaft X Rechtsgeschichte des Altertums 10 3 3 Max Kaser Das romische Privatrecht Verlag C H Beck Munchen 1955 S 558 f Fritz Schulz Classical Roman Law Clarendon Press Oxford 1951 S 569 Grundsatzlich zum Rechtsquellenverhaltnis in Kurzausfuhrung Max Kaser Romische Rechtsquellen und angewandte Juristenmethode in Forschungen zum Romischen Recht Band 36 Verlag Bohlau Wien Koln Graz 1986 ISBN 3 205 05001 0 S 16 f unter Verweis auf Quellen der Hoch und Spatklassiker Gaius und Ulpian a b Wolfgang Ernst Interzession Vom Verbot der Fraueninterzession uber die Sittenwidrigkeit von Angehorigenburgschaften zum Schutz des Verbrauchers als Interzedenten In Reinhard Zimmermann u a Hrsg Rechtsgeschichte und Privatrechtsdogmatik 1999 S 395 430 hier 397 f Gustav Dietzel Das Senatus consultum Macedonianum Eine civilistische Monographie Hirzel Leipzig 1856 Digitalisat Digesten 14 6 Codex Iustinianus 4 28 Hans Hermann Seiler Familia und Familienrecht oder Familienrecht ohne Familie Eine rechtshistorische Betrachtung In Hans Hermann Seiler Geschichte und Gegenwart im Zivilrecht Ausgewahlte Schriften Herausgegeben von Elke Herrmann Heymann Koln u a 2004 ISBN 3 452 25387 2 S 217 228 hier S 219 Digesten 24 1 Codex Iustinianus 5 3 und 16 Hans Kreller Das Verbot der Fraueninterzession von Augustus bis Justinian In Anzeiger der Philosophisch Historischen Klasse der Osterreichischen Akademie der Wissenschaften 1956 Nr 1 S 1 11 hier S 10 f Max Kaser Das romische Privatrecht Abschnitt 2 Die nachklassischen Entwicklungen Handbuch der Altertumswissenschaft Abt 10 Rechtsgeschichte des Altertums Teil 3 Bd 3 2 neu bearbeitete Auflage mit Nachtragen zum 1 Abschnitt Beck Munchen 1975 ISBN 3 406 01429 1 S 461 ff Codex Iustinianus 4 29 23 2 anno 530 Codex Iustinianus 4 29 22 anno 530 Novellae 134 8 Wilhelm Girtanner Die Burgschaft nach gemeinem Civilrechte Historisch dogmatisch dargestellt Abteilung 1 Historische Abteilung Buch 2 Dogmengeschichte des Mittelalters und der neueren Zeit Hochhausen Jena 1850 S 258 ff Helmut Coing Europaisches Privatrecht Band 1 Alteres gemeines Recht 1500 1800 Beck Munchen 1985 ISBN 3 406 30306 4 S 198 mit weiteren Nachweisen Oskar Lehner Senatus Consultum Velleianum Die Wiederkehr einer antiken Rechtsfigur im fruhneuzeitlichen osterreichischen Recht In Zeitschrift der Savigny Stiftung fur Rechtsgeschichte Germanistische Abteilung Bd 105 1988 S 270 288 hier S 277 ff Authentica si qua mulier Codex ad Senatus Consultum Velleianum Bernhard Windscheid Lehrbuch des Pandektenrechts Band 2 9 Auflage unter vergleichender Darstellung des deutschen burgerlichen Rechts bearbeitet von Theodor Kipp Rutten amp Loenig Frankfurt am Main 1906 S 1127 ff Matthias Kordes Von der Ansprache zum Libellus actionis Koln und die Rezeption des Romischen Rechts an der Wende des Spatmittelalters zur Fruhen Neuzeit 1450 1550 In Rheinische Vierteljahrsblatter 66 2002 S 211 239 besonders S 224 ff Werner Schubert Hrsg Die Vorlagen der Redaktoren fur die erste Kommission zur Ausarbeitung des Entwurfs eines Burgerlichen Gesetzbuches Teil 4 Gottlieb Planck Familienrecht Band 1 Eingehung und Wirkungen der Ehe Ehevertrage Unveranderter photomechanischer Nachdruck der als Manuskript vervielfaltigten Ausgabe aus den Jahren 1876 1883 de Gruyter Berlin u a 1983 S 425 Reinhard Zimmermann The Law of Obligations Roman Foundations of the Civilian Tradition 1990 S 145 ff 151 BVerfGE 89 214 NJW 1994 36 Beschluss vom 19 Oktober 1993 Helmut Heinrichs in Palandt Burgerliches Gesetzbuch Beck sche Kurz Kommentare 7 59 neubearbeitete Auflage Beck Munchen 2000 ISBN 3 406 45570 0 138 Rn 37 ff Dieter Medicus Die Bedeutung von Erwartungen des Glaubigers beim Abschluss der Burgschaft In Bernhard Grossfeld Rolf Sack Thomas M J Mollers Josef Drexl Andreas Heinemann Hrsg Festschrift fur Wolfgang Fikentscher zum 70 Geburtstag Mohr Siebeck Tubingen 1998 ISBN 3 16 146704 3 S 265 282 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Senatus consultum Velleianum amp oldid 219032071