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Der Schutz wissenschaftlicher Ausgaben ist ein sogenanntes Leistungsschutzrecht im deutschen Urheberrecht Es ist in 70 Gesetz uber Urheberrecht und verwandte Schutzrechte UrhG geregelt Es gewahrt dem Verfasser einer wissenschaftlichen Edition eines an sich gemeinfreien Werkes oder Textes dieselben Rechte wie dem Schopfer eines Werkes im urheberrechtlichen Sinne mit dem Unterschied dass anstelle der Regelschutzfrist eine kurzere Schutzfrist gilt Es wurde 1965 in Deutschland eingefuhrt und war beispielgebend fur ahnliche Bestimmungen in anderen Staaten Beginn des zweiten Buchs von Rudolf von Ems Willehalm von Orlens Ausgabe von 1905 mit wissenschaftlichem ApparatAnders als die verwandte Regelung der editio princeps 71 UrhG die durch jungere Gerichtsentscheidungen bekannter geworden ist fuhrt 70 UrhG nach wie vor ein Mauerblumchendasein es gibt nur wenig Rechtsprechung und juristische Literatur und auch diese nimmt editionswissenschaftliche Studien nicht zur Kenntnis Zuruckgefuhrt wird dies darauf dass Streitigkeiten eher intern in der Gemeinschaft der Wissenschaftler als vor Gerichten ausgetragen werden 1 Praktische Bedeutung hat der Paragraph traditionell vor allem auf dem Feld der Musik 2 Inhaltsverzeichnis 1 Gesetzestext 2 Zweck der Vorschrift 3 Schutzumfang und Schutzgegenstand 4 Anforderungen an die Ausgabe 5 Schutzdauer 6 Urhebervertragsrecht und Verwertungsgesellschaft 7 Geschichte des Schutzes wissenschaftlicher Ausgaben 7 1 Erste Formen des Schutzes wissenschaftlicher Ausgaben 7 2 Diskussion und erste Entwurfe zur Einfuhrung des Schutzes wissenschaftlicher Ausgaben 7 3 Urhebergesetz von 1965 8 Kritik 9 Europarechtliche Rechtfertigung und internationale Rechtslage 10 Literatur 11 EinzelnachweiseGesetzestext Bearbeiten 70 UrhG lautet 1 Ausgaben urheberrechtlich nicht geschutzter Werke oder Texte werden in entsprechender Anwendung der Vorschriften des Teils 1 geschutzt wenn sie das Ergebnis wissenschaftlich sichtender Tatigkeit darstellen und sich wesentlich von den bisher bekannten Ausgaben der Werke oder Texte unterscheiden 2 Das Recht steht dem Verfasser der Ausgabe zu 3 Das Recht erlischt funfundzwanzig Jahre nach dem Erscheinen der Ausgabe jedoch bereits funfundzwanzig Jahre nach der Herstellung wenn die Ausgabe innerhalb dieser Frist nicht erschienen ist Die Frist ist nach 69 zu berechnen Zweck der Vorschrift BearbeitenDer Zweck des 70 UrhG ist es die mit der Edition nachgelassener Werke und Texte haufig verbundene erhebliche Leistung unter einen vergleichbaren Schutz zu stellen wie die durch das eigentliche Urheberrecht geschutzten schopferischen Tatigkeiten Ohne eine Regelung wie die des 70 UrhG waren derartige mit grossem Fachwissen Muhe und Kosten verbundenen Formen der wissenschaftlichen Publikation nicht in gleicher Weise vor Nachahmung geschutzt da das deutsche Urheberrecht an einem eigenen Werkschaffen und nicht der Rekonstruktion fremden Schaffens orientiert ist 3 Schutzumfang und Schutzgegenstand BearbeitenDem Rechteinhaber stehen alle Rechte eines normalen Werkurhebers fur die kurzere Frist zu Es gelten aber auch die Schranken des Urheberrechts etwa das Zitatrecht Voraussetzung des Schutzes ist dass das herausgegebene Werk also mit Schopfungshohe oder der herausgegebene Text schutzunfahig nicht mehr geschutzt ist oder nie geschutzt war Gemeinfreiheit In Betracht kommen vor allem Sprach und Musikwerke Der Schutz bezieht sich nicht auf das Werk selbst lediglich auf die Ausgabe Wahrend 71 UrhG Nachgelassene Werke jeden daran hindert das Werk eigenstandig herauszugeben verbietet 70 UrhG nur den Ruckgriff auf die geschutzte Ausgabe Gibt eine nach 70 UrhG geschutzte Ausgabe ein nachgelassenes Werk im Sinne von 71 UrhG wieder so kann der Verfasser der Ausgabe sofern er zugleich Herausgeber im Sinne von 71 UrhG ist uber beide Rechte zugleich verfugen Der von 70 UrhG begunstigte Verfasser ist immer eine naturliche Person also ein Mensch wahrend der Inhaber des Rechts nach 71 UrhG auch eine juristische Person z B ein Verlag sein kann Anforderungen an die Ausgabe BearbeitenIn einem jungeren Urheberrechtskommentar steht Der Schutz wird nicht bereits durch das blosse Auffinden eines alten Schriftstucks begrundet sondern erst durch die wissenschaftlich fundierte Herstellung eines bisher unbekannten Originaltextes Entscheidend ist die nach wissenschaftlichen Methoden erfolgende ordnende und abwagende Tatigkeit BGH GRUR 1975 667 668 Reichswehrprozess 4 Diese Formulierung lehnt sich eng an die amtliche Begrundung des Urheberrechtsgesetzes von 1965 an Absatz 1 bestimmt als Voraussetzung fur dieses Leistungsschutzrecht dass die Ausgabe das Ergebnis wissenschaftlich sichtender Tatigkeit darstellt und sich wesentlich von den bisher bekannten Ausgaben der Werke oder Texte unterscheidet Durch das erste Erfordernis soll hervorgehoben werden dass das blosse Auffinden eines alten Schriftstuckes das Schutzrecht nicht begrundet vielmehr nur die wissenschaftlich fundierte Herstellung eines bisher unbekannten Originaltextes Das zweite Erfordernis dient der Rechtssicherheit Stellt beispielsweise ein Musikwissenschaftler durch textkritische Untersuchung fest dass die bisher unbekannte Originalfassung eines alten Musikstuckes mit einer bekannten Ausgabe dieses Werkes vollstandig oder doch im Wesentlichen ubereinstimmt so wurde ein dem Musikwissenschaftler fur seine Entdeckung gewahrtes Schutzrecht an der Originalfassung in der Praxis nicht durchsetzbar sein da bei offentlichen Wiedergaben des Werkes kaum jemals mit Sicherheit festgestellt werden konnte ob die Originalfassung oder die freie Ausgabe des Werkes benutzt worden ist 5 Ein wissenschaftlicher insbesondere textkritischer Apparat der selbst als Werk im Sinne von 2 UrhG 70 Jahre nach dem Tod des Editors geschutzt sein kann ist ein gewichtiges Indiz fur die zu fordernde Wissenschaftlichkeit 6 Zu den strengen Kriterien der Verwertungsgesellschaft Musikedition bei musikalischen Editionen siehe unten Die Ausgabe muss tatsachlich neu sein Herstellung eines bisher unbekannten Originaltextes Es genugt daher nicht einen alteren Druck wortgetreu oder sprachlich modernisiert wiederzugeben Die gangige Herstellung von E Texten etwa im Projekt Gutenberg oder Wikisource reicht also in der Regel nicht aus um den Schutz entstehen zu lassen Auch wenn eine Faksimile Ausgabe mit einem gelehrten Kommentar versehen ist kommt kein Schutz zustande da sich die Leistung auf die Textherstellung beziehen muss Es muss also eine kritische Rekonstruktionsleistung vorliegen die sich von fruheren Ausgaben deutlich unterscheidet Bei einer germanistischen Edition die einer Leithandschrift folgt zugleich aber gewisse Eingriffe in den Text vornimmt Emendationen oder andere Handschriften vergleichend heranzieht siehe etwa das altgermanistische Editionsunternehmen der Deutschen Texte des Mittelalters wird man den Schutz bejahen mussen Wird dagegen eine redigierte Volksausgabe durch Kurzung und sprachliche Modernisierung 7 erstellt so mag diese gemass dem Schutz der Kleinen Munze urheberrechtlich als Bearbeitung geschutzt sein fur einen Schutz nach 70 UrhG kommt sie nicht in Betracht Der Gesetzgeber wollte die Arbeit des Wissenschaftlers unterstutzen der um des Prinzips der Originaltreue willen auf eigenschopferische Zusatze verzichten muss Dagegen durfte eine Ausgabe nach 70 UrhG geschutzt sein auch wenn eine behutsame sprachliche Modernisierung gemass den impliziten oder expliziten Editionsrichtlinien vorgenommen wurde Eine rein technische Restaurierung wie sie etwa bei Filmwerken ublich ist fallt sicher nicht unter das Schutzrecht da die wissenschaftliche Leistung fehlt Schutzdauer BearbeitenDie Schutzdauer betragt seit 1990 wie bei anderen Leistungsrechten des 2 Abschnitts des UrhG 25 Jahre 70 Abs 3 UrhG Sie weicht damit allerdings immer noch von der Regelschutzfrist im Urheberrecht ab weshalb es auch heute noch von erheblicher Bedeutung sein kann ob einer wissenschaftlichen Bearbeitung auch eine eigene schopferische Leistung zukommt 8 Nach 69 UrhG beginnt die Frist mit Ablauf desjenigen Kalenderjahres zu laufen in dem die Ausgabe erschienen ist bzw hergestellt wurde Eine im Jahr 2000 erschienene Ausgabe ist bis zum 31 Dezember 2025 geschutzt Um einen ewigen Schutz unveroffentlichter Ausgaben zu verhindern hat ein Editor ab Erstellung der Ausgabe 25 Jahre Zeit sie erscheinen zu lassen Praktische Bedeutung kommt dieser Vorschrift nicht zu zumal jeder Herausgeber in der Regel erst dann eine Ausgabe als fertig also als erstellt betrachtet wenn die Veroffentlichung unmittelbar bevorsteht Sobald eine Ausgabe im Manuskript erstellt ist ist sie geschutzt Bringt ein anderer Wissenschaftler eine andere Ausgabe fruher auf den Markt so ist das zwar erlaubt sie kann aber nicht das Recht der unveroffentlichten Edition verdrangen Die Ubergangsvorschrift von 137b UrhG ist inzwischen gegenstandslos geworden Die vor 1980 erschienenen Ausgaben deren Schutzfrist vor dem 1 Juli 1990 noch nicht abgelaufen war und die in den Genuss der Verlangerung auf 25 Jahre kommen sollten sind inzwischen frei verwertbar Urhebervertragsrecht und Verwertungsgesellschaft BearbeitenWissenschaftliche Standard Verlagsvertrage erwahnen 70 UrhG nicht Daher stellt sich die Frage ob ein Editor mit dem Verlagsvertrag automatisch auch das Recht nach 70 UrhG an den Verlag abtritt Nach der Zweckubertragungslehre wird man das bezweifeln durfen doch hat man auch die vertragsrechtliche Treuepflicht des Autors in die Waagschale zu werfen Allerdings erscheint die Annahme nicht plausibel dass eine einige Jahre nach Erscheinen vom Editor veranlasste Open Access Edition des reinen Textes im Internet die Gewinnchancen des gedruckten Verlagsprodukts schmalert Rechte aus den 70 71 UrhG nimmt auf dem Feld der Musik die Verwertungsgesellschaft Musikedition wahr Sie ging aus der 1967 gegrundeten Interessengemeinschaft Musikwissenschaftlicher Herausgeber und Verleger IMHV hervor Die Verwertungsgesellschaft hat detaillierte Kriterien fur die Schutzwurdigkeit aufgestellt Danach ist von einer wissenschaftlich sichtenden Tatigkeit in jedem Fall zu sprechen wenn die Ausgabe aufgrund einer umfangreichen Quellensichtung und bewertung entstanden ist wobei alle verfugbaren Quellen genutzt sein sollten die Quellensituation und Editionsprinzipien sowie Editionsentscheidungen in einem sog Kritischen Bericht o a der selbst gemass 2 UrhG geschutzt sein kann offengelegt werden und der Notentext typografisch differenziert ist also die Herausgeberzusatze kenntlich gemacht werden Ein wichtiges Indiz aber keine Voraussetzung ist auch die Frage ob die Ausgabe Bestandteil einer wissenschaftlich kritischen Gesamtausgabe ist Daruber hinaus kann auch die Rekonstruktion eines nur bruchstuckhaft uberlieferten Originaltextes nach 70 UrhG geschutzt sein wenn diese Rekonstruktion nach musikwissenschaftlichen Methoden vorgenommen wurde In diesem Fall ist jedoch immer zu prufen ob nicht sogar ein Schutz nach 2 3 UrhG in Betracht kommt 9 Geschichte des Schutzes wissenschaftlicher Ausgaben BearbeitenErste Formen des Schutzes wissenschaftlicher Ausgaben Bearbeiten Bereits im 15 Jahrhundert wurden als Belohnung fur die Entdeckung oder Neuherausgabe alter Texte dem Entdecker beziehungsweise Herausgeber vereinzelt ein Schutz dieses Werkes eingeraumt Diese wurden als Privileg fur das jeweilige Werk verliehen Uberliefert sind derartige Privilegien etwa der Republik Venedig zugunsten Aldo Manucios fur eine griechische Aristoteles Ausgabe 1495 Ludovico Sforzas fur funfzehn in dem Kloster von Bobbio aufgefundene antike Handschriften zugunsten von Giorgio Merula und Giorgio Galbiato 1496 oder ein kaiserliches Privileg zugunsten Conrad Celtis fur seine Herausgabe der Schriften der Hrotsvit 1501 Ausschlaggebend fur die Verleihung von Monopolen zur Verwertung solcher Texte waren hierbei naturrechtliche wirtschaftliche kulturelle und soziale Gesichtspunkte Aus der unterschiedlichen Gewichtung dieser Gesichtspunkte entwickelten sich zwei Linien des Urheberrechtsschutzes zum einen das Copyright System des angloamerikanischen Rechtskreises zum anderen das vor allem naturrechtlich Droit d Auteur System des kontinentaleuropaischen Rechtskreises Der kontinentaleuropaische Rechtskreis will weniger den wirtschaftlichen Risikotrager sondern aus naturrechtlichen Ansatzen heraus den Schopfer des Werkes schutzen Der Schutz des nichtschopferisch sondern forschend tatigen Herausgebers widerspricht insofern dem Grundgedanken des kontinentaleuropaischen und damit des deutschen Urheberrechts Ausdruckliche Regelungen uber wissenschaftliche Werke finden sich dementsprechend in den deutschen Staaten kaum Lediglich das preussische Allgemeine Landrecht von 1794 sah in Teil I Titel 11 in den 1029 ff Regelungen vor die dem heutigen 70 UrhG nahekamen 10 Diskussion und erste Entwurfe zur Einfuhrung des Schutzes wissenschaftlicher Ausgaben Bearbeiten Im Konigreich Sachsen wurde einem Herausgeber eines Nachdrucks der Institutionen des Gaius 1827 1829 jeder urheberrechtliche Schutz durch das koniglich sachsische Appellationsgericht abgesprochen Der Borsenverein der Deutschen Buchhandler nahm dies zum Anlass in seinem 1857 der sachsischen Regierung uberreichten Entwurf eines Gesetzes fur Deutschland zum Schutze der Urheberrechte an Werken der Literatur und Kunst gegen Nachdruck sowie gegen unbefugte Nachbildung und Auffuhrung in 2 lit d einen dreissigjahrigen Schutz fur die Herausgabe historischer Texte und in 4 lit c einen zehnjahrigen Schutz fur als neu zu erachtender Berichtigungen und kritische Bearbeitungen eines Textes vorzusehen Gemeinsam mit einem osterreichischen Gegenentwurf von 1862 wurde der Entwurf zu einem 1864 als Frankfurter Entwurf der Bundesversammlung des Deutschen Bundes vorgelegten Entwurfes eines gesamtdeutschen Urheberrechtsgesetzes verarbeitet Dieses gesamtdeutsche Gesetz bis zur Auflosung des Bundes im Prager Friedensvertrag von 1866 kam nicht mehr zustande Das Konigreich Bayern ubernahm den in 10 des Frankfurter Entwurfs vorgesehenen Schutz des Herausgebers in 11 des Koniglich Bayrischen Gesetz zum Schutz der Urheberrechte an literarischen Erzeugnissen und Werken der Kunst vom 25 Juni 1865 Auch die Vorarbeiten im Norddeutschen Bund fur ein gesamtdeutsches Urheberrecht sahen in einem Entwurf von 1868 den Schutz des Herausgebers in 2 und in 4 den Schutz des Erstellers von Berichtigungen oder von kritischen Ausgaben vor Das am 11 Juni 1870 verabschiedete Reichsgesetz betreffend das Urheberrecht an Schriftwerken Abbildungen musikalischen Kompositionen und dramatischen Werken 11 sah nur fur den Urheber selbst und seine Erben und Rechtsnachfolger einen Urheberrechtsschutz vor Grund hierfur waren zum einen rechtsdogmatische Gesichtspunkte Dem kontinentaleuropaischen Rechtstraditionen lauft der Schutz des Herausgebers im Grunde zuwider Daneben meinte man dass den Interessen der Wissenschaft mehr gedient sei wenn wissenschaftlich aufbereitete und nicht neu geschaffene Werke frei auch der ubrigen Wissenschaft verfugbar seien Es kam in der Folge zwar zur Bildung unterschiedlicher juristischer Theorien um das Herausgeberproblem in der einen oder anderen Hinsicht zu losen aber weder in Deutschland noch in anderen Staaten kam es zu einer befriedigenden Losung trotz unterschiedlichster Ansatze Im osterreichischen Urheberrechtsgesetz von 1936 wurde erstmals zwischen Urheberrechten und den verwandten Schutzrechten wie sie heute in den 70 ff UrhG geregelt sind unterschieden Eine dem 70 UrhG ahnelnde Regelung war zwar in diesem noch nicht vorgesehen aber Heinrich Mitteis regte an dass fur besonders textkritische Ausgaben an ein solches verwandtes Schutzrecht zu denken sein konnte 12 Dieser Gedanke wurde 1939 durch die sogenannte Akademie fur Deutsches Recht fur eine Neufassung des Urheberrechtes aufgegriffen 13 Ein wesentlicher Unterschied zur heutigen Regelung bestand allerdings darin dass noch eine eigenpersonliche Leistung in dem Entwurf vorgesehen wurde da noch nicht zwischen Schopfung und Leistung unterschieden wurde 14 Urhebergesetz von 1965 Bearbeiten Erst mit dem Urheberrechtsgesetz von 1965 wurden dann auch wissenschaftliche Ausgaben endgultig als dem Urheberrecht verwandtes Recht geschutzt Sinn der Einfuhrung des Leistungsrechtes war dass auch bei geringfugigen Schopfungen ein Urheberrechtsschutz im Sinne der Kleinen Munze entstehen konnte aber bei wissenschaftlich aufwandigen um besondere Werktreue bemuhte Ausgaben aber nicht Urheberrechtsschutz bestand nur soweit der Bearbeiter mit Fussnoten oder Kommentaren selbst schopferisch tatig wurde Diese Diskrepanzen wollte der Gesetzgeber beseitigen 15 1965 betrug die Schutzfrist nur zehn Jahre weil der Gesetzgeber eine zu starke Behinderung der wissenschaftlichen Arbeit befurchtete Vor 1965 gab es keine vergleichbare Vorschrift im LUG Zum 1 Juli 1990 wurde die Frist auf 25 Jahre heraufgesetzt weil die kurze Schutzfrist im Vergleich zu anderen Leistungsschutzrechten nicht mehr vertretbar gewesen sei 16 Kritik BearbeitenDie Regelungen der verwandten Rechte im 2 Abschnitt des UrhG werden in der Literatur als ein Ausdruck einer Gesellschaft gesehen die nicht mehr durch eigenschopferische Leistung gepragt sei sondern die Interpretation und Rezeption bestehender Werke uberbewerte 17 An dem gesamten Abschnitt wird ferner eine gewisse Willkurlichkeit und mangelnde Systematik der geschutzten Rechte kritisiert Ein einheitliches Kriterium fur die Schutzgewahrung fehle letztlich Nur bei einer oberflachlichen Betrachtung sei die Verwertung von Werken eine Gemeinsamkeit aller Schutzrechte Die in den 70 und 71 UrhG geschutzten mit Rechten ausgestatteten Personen wurden dann auch gegenuber ausubenden Kunstlern Filmunternehmern oder Erstellern von Datenbanken ungerechtfertigt bevorzugt da bei wissenschaftlichen Ausgaben oder dem Herausgeber nachgelassener Schriften 71 UrhG auch ein Schutz vor nachschaffenden Leistungen moglich sei wahrend die ubrigen praktisch sogar bedeutsameren interpretierenden Kunstler nur gegen unmittelbare Ubernahmen etwa durch unberechtigte Aufnahmen geschutzt seien 18 Kritik kann an dem Ziel der Vorschrift ansetzen das wissenschaftliche Editionswesen zu belohnen Wenn die meisten anderen EU Staaten kein solches Recht kennen und darf man vermuten es auch den meisten deutschen Editionswissenschaftlern unbekannt ist ohne dass in ihrem Rechtsbereich wissenschaftliche Editionen erkennbar weniger geschatzt werden stellt sich die Frage ob der Eingriff in die Wissenschaftsfreiheit und die Re Monopolisierung gemeinfreier Inhalte tatsachlich gerechtfertigt ist Eine wissenschaftliche Volltext Dokumentation einer bestimmten Textherstellung etwa im synoptischen Vergleich zu fruheren Ausgaben wird durch 70 UrhG unterbunden Varianten aus einer geschutzten Edition anzugeben muss aber auf jeden Fall als rechtmassig angesehen werden da dies zur kritischen Auseinandersetzung mit Vorlaufer Editionen gehort Vorwort Nachwort Sachkommentar ja sogar im Einzelfall das Register einer wissenschaftlichen Ausgabe sind als Werke im Sinne von 2 UrhG so gut wie immer 70 Jahre nach dem Tod des Urhebers geschutzt Regelschutzfrist 19 Gegen einen Nachdrucker der gesamten wissenschaftlichen Ausgabe kann also immer vorgegangen werden wozu bedarf es dann wenden Kritiker ein eines eigenen Schutzrechts fur den kritisch erstellten Text Vertreter freier Projekte wie Wikisource verweisen auf das legitime Interesse den reinen Text massgeblicher moderner Ausgaben einer breiten Offentlichkeit Open Access zur Verfugung stellen zu durfen 20 Europarechtliche Rechtfertigung und internationale Rechtslage BearbeitenEuroparechtlich abgesichert ist das deutsche Schutzrecht durch die Schutzdauerrichtlinie 93 98 EWG 21 von 1993 Artikel 5 2006 ersetzt durch die Richtlinie 2006 116 EG 22 Die Mitgliedstaaten konnen kritische und wissenschaftliche Ausgaben von gemeinfrei gewordenen Werken urheberrechtlich schutzen Die Schutzfrist fur solche Rechte betragt hochstens 30 Jahre ab dem Zeitpunkt der ersten erlaubten Veroffentlichung Der deutsche Gesetzgeber konnte im Einklang mit dieser Vorgabe also noch weitere funf Jahre zur bisherigen Schutzfrist addieren Die Mitgliedstaaten sind nicht verpflichtet dieses Recht zu gewahren Die meisten haben davon abgesehen 23 Allerdings arbeitet die Verleger Lobby daran die optionale Vorgabe fur alle Staaten verbindlich zu machen Slowenien hat den Dreissigjahres Rahmen voll ausgeschopft und sich im Artikel 141 seines Urheberrechtsgesetzes an der deutschen Regelung orientiert 24 Auch in Polen findet sich seit 2000 eine solche Vorschrift 25 Ausserhalb der EU gewahrt Armenien in seinem Urheberrechtsgesetz von 2006 den dreissigjahrigen Schutz fur Critical and Scientific Editions of Works in Public Domain Artikel 57 61 26 Die USA kennen kein spezifisches Schutzrecht fur wissenschaftliche Ausgaben In Grossbritannien 27 Spanien 28 und weiteren Staaten existiert ein Schutzrecht fur die typografische Gestaltung von Buchausgaben fur den Zeitraum von 25 Jahren das unter anderem den unveranderten Reprint wissenschaftlicher Ausgaben betrifft siehe Rechtsschutz von Schriftzeichen Literatur BearbeitenDreier Schulze Urheberrechtsgesetz 2 Auflage Munchen 2006 Schricker Urheberrechtsgesetz 3 Auflage Munchen 2006Einzelnachweise Bearbeiten Ulrich Loewenheim in Gerhard Schricker Hrsg Urheberrecht 3 Auflage Verlag C H Beck Munchen 2006 ISBN 3 406 53783 9 70 Randnummer 2 Vgl hierzu Gunther Gentz Schutz von wissenschaftlichen und Erst Ausgaben im musikalischen Bereich Archiv fur Urheber Film Funk und Theaterrecht UFITA Band 52 1969 135 Amtliche Begrundung zu 70 UrhG BT Drs IV 270 S 87 Ulrich Loewenheim in Gerhard Schricker Hrsg Urheberrecht 70 Randnummer 1 Dreier in Dreier Schulze Urheberrechtsgesetz 2 Aufl 2006 70 Rz 7 Amtliche Begrundung Zu den wissenschaftlichen Standards fur Editoren siehe ausfuhrlich http www mla org cse guidelines englisch Wenn das Kammergericht GRUR 1991 S 596 Schopenhauer Ausgabe Modernisierung von Rechtschreibung und Zeichensetzung als schutzrechtsbegrundend angesehen hat Loewenheim in Schricker Urheberrecht 3 Auflage 2006 Rz 6 so widerspricht dies ersichtlich der Intention des Gesetzgebers Georgios Gounalakis Urheberschaft fur die Bibel GRUR 2004 996 vg musikedition de Vgl zur Vorgeschichte des 70 UrhG Manfred Rehbinder Zum Rechtsschutz der Herausgabe historischer Texte UFITA Band 106 1987 225 255 ff 260 ff RGBl 1870 339 353 Heinrich Mitteis Grundriss des osterreichischen Urheberrechts nach dem Bundesgesetz vom 9 April 1936 Wien 1936 S 29 Entwurf eines Urheberrechtsgesetzes auf der Grundlage des amtlichen Entwurfs 1933 GRUR Band 44 1939 242 ff Vgl zur Vorgeschichte des 70 UrhG Manfred RehbinderUFITA Band 106 1987 225 256 ff 260 ff Hertin in Nordemann Vinck Hertin Urheberrecht 9 Auflage Kohlhammer Verlag Stuttgart Koln Berlin 1998 ISBN 3 17 015018 9 70 Randnummer 1 BT Drs 11 4929 vom 7 Juli 1989 Hertin in Wilhelm Nordemann Kai Vinck Paul W Hertin Vor 70 Randnummer 3 Hertin in Nordemann Vinck Hertin Urheberrecht Vor 70 Randnummern 4 5 Paul W Hertin Urheberrecht Verlag C H Beck Munchen 2004 Rn 410 Siehe etwa https archivalia hypotheses org 30405 Richtlinie 93 98 EWG PDF des Rates vom 29 Oktober 1993 zur Harmonisierung der Schutzdauer des Urheberrechts und bestimmter verwandter Schutzrechte Richtlinie 2006 116 EG PDF des Rates vom 12 Dezember 2006 uber die Schutzdauer des Urheberrechts und bestimmter verwandter Schutzrechte COMMISSION STAFF WORKING PAPER on the review of the EC legal framework in the field of copyright and related rights Kommission der Europaischen Gemeinschaften 19 Juli 2004 PDF 74 kB S 12 englisch The Legal Background of the Book Sector in Central and Eastern Europe the Balkans and Central Asia Publishing Legislation Online Project PLOP Memento vom 25 September 2006 im Internet Archive englisch Intellectual Property Protection in Poland PDF Nicht mehr online verfugbar 2 Marz 2002 archiviert vom Original am 4 Juli 2007 abgerufen am 31 Marz 2007 Republic of Armenia Law on Copyright and Related Rights Memento vom 12 Mai 2008 im Internet Archive englisch Copyright Designs and Patents Act 1988 sect 15 Ley de Propiedad Intelectual art 129 2 art 130 2 Bitte den Hinweis zu Rechtsthemen beachten Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Schutz wissenschaftlicher Ausgaben amp oldid 238797435