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Plutarch von Athen altgriechisch Ploytarxos Plutarchos um 350 um 432 war ein spatantiker Philosoph der neuplatonischen Richtung Er war der Grunder und erste Leiter Scholarch der neuplatonischen Philosophenschule in Athen die oft als Akademie bezeichnet wird da sie die Tradition der Platonischen Akademie erneuerte Inhaltsverzeichnis 1 Leben 2 Werke 3 Lehre 4 Rezeption 5 Quellensammlung 6 Literatur 7 AnmerkungenLeben BearbeitenUber das Leben Plutarchs ist wenig bekannt Er stammte aus einer angesehenen Familie von Athen Nach dem Verstandnis der Quellenaussagen das in der Forschung vorherrscht trugen sein Vater und sein Grossvater vaterlicherseits den Namen Nestorios der Grossvater betatigte sich als Theurg das heisst er befasste sich mit religiosen Praktiken die es ermoglichen sollten mit gottlichen Wesen in Verbindung zu treten 1 Der Ursprung der theurgischen Praktiken wurde auf die Chaldaer zuruckgefuhrt Auf diesem Gebiet verfugte Nestorios uber umfassende Kenntnisse die er seinem Enkel weitergab Plutarch brachte seiner Tochter Asklepigenia die theurgischen Lehren bei von Asklepigenia erlernte spater der beruhmte Neuplatoniker Proklos die Theurgie 2 Eine abweichende Deutung der Quellen vertritt Polymnia Athanassiadi Sie meint Plutarch habe selbst den Namen seines Vaters Nestorios als Zweitnamen getragen und die Angaben uber seinen vermeintlichen Grossvater seien auf seinen Vater zu beziehen 3 Wo und bei wem Plutarch seine philosophische Ausbildung erhielt geht aus den Quellen nicht hervor In der Forschung sind verschiedene Hypothesen erwogen worden von denen sich jedoch keine durchgesetzt hat Nach einer Anekdote die der Neuplatoniker Damaskios mitteilt konsultierte Plutarch als er erkrankt war im Tempelschlaf Asklepios den Gott der Heilkunst Asklepios riet dem Philosophen viel Schweinefleisch zu essen Plutarch habe sich aber nicht dazu durchringen konnen das empfohlene Heilmittel zu nutzen obwohl ihm keine traditionelle Ernahrungsregel solche Nahrung verbot Daher habe er sich nachdem er aus dem Schlaf erwacht war an die Statue des Gottes gewandt und um einen alternativen Vorschlag gebeten wobei er argumentierte es musse doch auch fur kranke Juden eine Losung geben Asklepios sei sogleich darauf eingegangen die Statue habe gesprochen und ein anderes Heilmittel genannt 4 Diese Erzahlung zeigt den lockeren unbefangenen Umgang des Theurgen mit der Gottheit Plutarch grundete in Athen eine neuplatonische Philosophenschule mit der er an die Tradition der Platonischen Akademie anknupfte Die Bezeichnung Akademie fur diese Schule ist jedoch nicht korrekt der Unterricht fand nicht auf dem Gelande der ursprunglichen Akademie Platons statt sondern in einem Privathaus Plutarchs das nach seinem Tod Sitz der Schule und Wohnstatte ihres Leiters blieb Dieses Haus identifizieren manche Archaologen mit dem Gebaude Chi am Sudhang der Akropolis das 1955 teilweise ausgegraben wurde und Haus des Proklos genannt wird 5 Vermutlich kam ein Teil von Plutarchs betrachtlichem Vermogen der Schule zugute 6 Die Identifizierung des Neuplatonikers Plutarch mit einem gleichnamigen inschriftlich bezeugten Wohltater Athens der dreimal ausserordentlich grosszugig zur Finanzierung der Panathenaen beitrug ist umstritten 7 Ferner ist vermutet worden dass zwei nur fragmentarisch inschriftlich erhaltene Epigramme in denen ein Platoniker gepriesen wird auf Plutarch zu beziehen sind doch hat diese Hypothese wenig Anklang gefunden 8 Plutarch starb um 432 in hohem Alter Sein Nachfolger als Leiter der Schule wurde sein Schuler Syrianos Werke BearbeitenPlutarchs Werke sind bis auf Fragmente verloren Es handelt sich um Kommentare zu Platons Dialog Parmenides und zur Schrift De anima Uber die Seele des Aristoteles wahrscheinlich auch zu Platons Gorgias 9 vielleicht auch zum Phaidon 10 Im Kommentar zu De anima kritisiert er einen fruheren Kommentator den Peripatetiker Alexander von Aphrodisias dem er vorwirft die authentische Lehre des Aristoteles verfalscht zu haben Lehre BearbeitenPlutarch befasst sich in erster Linie mit der Deutung der Lehren Platons und des Aristoteles Gemass dem im spatantiken Neuplatonismus vorherrschenden Verstandnis der Philosophiegeschichte geht er von einem grundsatzlichen Einklang der platonischen und der aristotelischen Philosophie aus und interpretiert Aristoteles in diesem Sinne Unklar ist seine Einstellung zu den verschiedenen Richtungen im Neuplatonismus manche Forscher vor allem Rudolf Beutler und Etienne Evrard meinen dass Plutarchs Verhaltnis zur von Iamblichos von Chalkis gepragten Stromung des Neuplatonismus distanziert war andere glauben dass er an das Gedankengut des Iamblichos anknupfte 11 Evrard vermutet einen Einfluss des Porphyrios Bei der Auslegung von Platons Parmenides nimmt Plutarch in der strittigen Frage der Anzahl der dort vorgetragenen Hypothesen an dass es neun Beweisgange sind die heutige Forschung geht von acht aus In den ersten funf Hypothesen sieht er wahre Aussagen richtige Folgerungen aus zutreffenden Annahmen in den Hypothesen 6 9 absurde Konsequenzen aus unzutreffenden Behauptungen Er meint die Untersuchung der Hypothesen 6 9 diene der Uberprufung der ihnen entgegengesetzten Hypothesen 2 5 und bestatige deren Richtigkeit 12 Der ontologischen Stufenordnung entspreche eine abgestufte Ordnung der Erkenntnis In der umstrittenen Frage nach der Beschaffenheit und Aktivitat des menschlichen Nous Intellekts vertritt Plutarch die Meinung es handle sich um einen einfachen nicht doppelten und nicht ununterbrochen tatigen Intellekt 13 Der phantasia Vorstellungskraft weist Plutarch eine Mittelstellung zwischen dem Nous und der aisthesis Sinneswahrnehmung zu 14 Die phantasia wird nach Plutarchs Lehre durch eine konkrete Sinneswahrnehmung aktiviert aber die Vorstellungen werden nicht nur wie nach der Definition des Aristoteles von der Aktivitat der Sinnesorgane bewirkt vielmehr ist an ihrer Erzeugung der auf die phantasia einwirkende Verstand beteiligt Die Vorstellungskraft ist auch im Traum aktiv sie gehort zu den ursachlichen Seelenfahigkeiten die Veranderungen herbeifuhren Hoheren lernfahigen Tieren schreibt Plutarch diese Fahigkeit zu nicht aber niederen Arten wie Wurmern und Raupen Eine Bewegung verursachen kann die phantasia jedoch nicht von sich aus sondern nur mit Beteiligung kognitiver Fahigkeiten 15 Rezeption BearbeitenZu Plutarchs Schulern gehorten sein Nachfolger Syrianos seine Tochter Asklepigeneia und der Neuplatoniker Hierokles von Alexandria Sein beruhmtester Schuler war Proklos den er sehr schatzte Proklos traf aber erst um 431 als etwa Neunzehnjahriger in Athen ein und konnte daher nur kurze Zeit bei dem bereits betagten Plutarch der rund zwei Jahre spater starb studieren Plutarchs Werke fanden bei den spatantiken Neuplatonikern viel Beachtung Sein Kommentar zu Aristoteles De anima wurde von Simplikios Johannes Philoponos Priskianos Lydos und Ammonios Hermeiou verwendet Ammonios wandte sich gegen seine dort dargelegte Nouslehre In der Renaissance griff der Humanist Marsilio Ficino auf die neuplatonische Tradition der Spatantike zuruck und ruhmte Plutarch als hervorragenden Platoniker und Parmenides Kommentator Dabei unterlief ihm aber ein schwerwiegender Irrtum Er erkannte nicht dass der Neuplatoniker Plutarch von Athen eine andere Person ist als der weit beruhmtere Mittelplatoniker Plutarch von Chaironeia Daher schrieb er die Parmenides Kommentierung Plutarch von Chaironeia zu dem er infolgedessen zu Unrecht eine Schlusselrolle in der Geschichte der Deutung dieses Dialogs zuwies 16 Quellensammlung BearbeitenDaniela Patrizia Taormina Hrsg Plutarco di Atene L Uno l Anima le Forme Universita di Catania Catania und L Erma di Bretschneider Rom 1989 ISBN 88 7062 696 2 Zusammenstellung der Quellentexte mit italienischer Ubersetzung und Kommentar Literatur BearbeitenRudolf Beutler Plutarchos von Athen In Paulys Realencyclopadie der classischen Altertumswissenschaft RE Band XXI 1 Stuttgart 1951 Sp 962 975 Etienne Evrard Le maitre de Plutarque d Athenes et les origines du neoplatonisme athenien In L Antiquite Classique 29 1960 S 108 133 und 391 406 Angela Longo Plutarch of Athens In Lloyd P Gerson Hrsg The Cambridge History of Philosophy in Late Antiquity Band 2 Cambridge University Press Cambridge 2010 ISBN 978 0 521 19484 6 S 608 615 1121 f Concetta Luna Alain Philippe Segonds Plutarque d Athenes In Richard Goulet Hrsg Dictionnaire des philosophes antiques Bd 5 Teil 2 CNRS Editions Paris 2012 ISBN 978 2 271 07399 0 S 1076 1096 Matthias Perkams Plutarch von Athen In Christoph Riedweg u a Hrsg Philosophie der Kaiserzeit und der Spatantike Grundriss der Geschichte der Philosophie Die Philosophie der Antike Band 5 3 Schwabe Basel 2018 ISBN 978 3 7965 3700 4 S 1870 1874 2126 f Anmerkungen Bearbeiten Zu Nestorios und dem ihm zugeschriebenen Amt eines Hierophanten siehe Thomas M Banchich Nestorius ἱerofanteῖn tetagmenos In Historia 47 1998 S 360 374 Marinos von Neapolis Vita Procli 28 siehe dazu Henry D Saffrey Leendert Gerrit Westerink Hrsg Proclus Theologie platonicienne Bd 1 Paris 1968 S XXVII XXX Etienne Evrard Le maitre de Plutarque d Athenes et les origines du neoplatonisme athenien In L Antiquite Classique 29 1960 S 108 133 und 391 406 hier 120 133 Polymnia Athanassiadi Hrsg Damascius The Philosophical History Athen 1999 S 173 und Anm 149 Damaskios Philosophische Geschichte Vita Isidori 89 hrsg Polymnia Athanassiadi Damascius The Philosophical History Athen 1999 S 222 225 Arja Karivieri The House of Proclus on the Southern Slope of the Acropolis A Contribution In Paavo Castren Hrsg Post Herulian Athens Helsinki 1994 S 115 139 Eine Forschungsubersicht bietet Philippe Hoffmann Damascius In Richard Goulet Hrsg Dictionnaire des philosophes antiques Bd 2 Paris 1994 S 541 593 hier 548 555 Zu den finanziellen Verhaltnissen siehe Henry J Blumenthal 529 and its Sequel What happened to the Academy In Byzantion 48 1978 S 369 385 hier 373 375 Befurworter der Gleichsetzung sind u a Thomas M Banchich Nestorius ἱerofanteῖn tetagmenos In Historia 47 1998 S 360 374 hier S 367 und Anm 15 und vorsichtig Alison Frantz The Athenian Agora Bd 24 Late Antiquity A D 267 700 Princeton 1988 S 63 f Gegenteiliger Meinung sind Henry D Saffrey Leendert G Westerink Hrsg Proclus Theologie platonicienne Bd 1 Paris 1968 S XXX Anm 2 und Erkki Sironen Life and Administration of Late Roman Attica in the Light of Public Inscriptions In Paavo Castren Hrsg Post Herulian Athens Helsinki 1994 S 15 62 hier 46 48 mit Wiedergabe und englischer Ubersetzung des Textes der Inschrift Vgl Daniela Patrizia Taormina Hrsg Plutarco di Atene L Uno l Anima le Forme Catania Rom 1989 S 251 f Henry J Blumenthal 529 and its Sequel What happened to the Academy In Byzantion 48 1978 S 369 385 hier 373 375 Fragment IG II III2 12 767 Die Hypothese vertritt Werner Peek Zwei Gedichte auf den Neuplatoniker Plutarch In Zeitschrift fur Papyrologie und Epigraphik 13 1974 S 201 204 zustimmend aussert sich Henry J Blumenthal 529 and its Sequel What happened to the Academy In Byzantion 48 1978 S 369 385 hier 374 f skeptisch Daniela Patrizia Taormina Hrsg Plutarco di Atene L Uno l Anima le Forme Catania Rom 1989 S 252 ablehnend Alison Frantz The Athenian Agora Bd 24 Late Antiquity A D 267 700 Princeton 1988 S 64 Anm 48 Heinrich Dorrie Matthias Baltes Der Platonismus in der Antike Bd 3 Stuttgart Bad Cannstatt 1993 S 195 Anm 6 Siehe dazu Daniela Patrizia Taormina Hrsg Plutarco di Atene L Uno l Anima le Forme Catania Rom 1989 S 137 f 238 240 und Heinrich Dorrie Matthias Baltes Der Platonismus in der Antike Bd 3 Stuttgart Bad Cannstatt 1993 S 193 Die letztere Ansicht vertritt beispielsweise Dominic J O Meara Pythagoras Revived Oxford 1989 S 109 111 ahnlich urteilt Daniela Patrizia Taormina Hrsg Plutarco di Atene L Uno l Anima le Forme Catania Rom 1989 S 16 19 26 28 38 f 54 f Zu den verschiedenen Hypothesenordnungen bei den Neuplatonikern siehe Henry D Saffrey Leendert G Westerink Hrsg Proclus Theologie platonicienne Bd 1 Paris 1968 S LXXV LXXXIX speziell zu Plutarchs Modell S LXXXIV LXXXVI Henry J Blumenthal Neoplatonic elements in the de Anima commentaries In Richard Sorabji Hrsg Aristotle Transformed The Ancient Commentators and Their Influence 2 uberarbeitete Auflage London 2016 S 327 348 hier 334 339 Vgl zu der problematischen Uberlieferung der Nouslehre Plutarchs Christian Tornau Bemerkungen zu Stephanos von Alexandria Plotin und Plutarch von Athen In Elenchos 28 2007 S 105 127 hier 114 127 Siehe dazu Rudolf Beutler Plutarchos von Athen In Paulys Realencyclopadie der classischen Altertumswissenschaft RE Bd XXI 1 Stuttgart 1951 Sp 962 975 hier 966 f Henry J Blumenthal Plutarch s Exposition of the De anima and the Psychology of Proclus In De Jamblique a Proclus Geneve 1975 S 123 151 hier 133 f Peter Lautner Plutarch of Athens on koinὴ aἴsϑhsis and Phantasia In Ancient Philosophy 20 2000 S 425 446 hier 438 445 Anna De Pace Ficino e Plutarco storia di un equivoco In Rivista di storia della filosofia 51 1996 S 113 135 Normdaten Person GND 118792598 lobid OGND AKS LCCN n93005890 VIAF 77111951 Wikipedia Personensuche PersonendatenNAME Plutarch von AthenALTERNATIVNAMEN Plutarchos von AthenKURZBESCHREIBUNG spatantiker griechischer PhilosophGEBURTSDATUM um 350STERBEDATUM um 432 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Plutarch von Athen amp oldid 216491862