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Beim Parchimer Fememord wurde der deutsche Volksschullehrer und Mitglied der rechtsradikalen Deutschvolkischen Freiheitspartei DVFP Walter Kadow 29 Januar 1900 in Hagenow 1 2 3 am 31 Mai 1923 4 von Mitgliedern der Arbeitsgemeinschaft Rossbach ermordet Die Tat reiht sich ein in eine Serie von mehr als zwanzig bekannt gewordenen Fememorden die Anfang der 1920er Jahre innerhalb der volkisch nationalen Szene verubt wurden 5 Inhaltsverzeichnis 1 Vorgeschichte 1 1 Die Ermordung Kadows und ihre juristische Aufarbeitung 2 Rezeption 3 Literatur 4 Weblinks 5 EinzelnachweiseVorgeschichte BearbeitenWalter Kadow wurde als Sohn eines Schmieds geboren Nach dem Schulbesuch wurde er an einer Praparandenanstalt zum Volksschullehrer ausgebildet ging danach zunachst zum Militar und wurde nach seiner Entlassung Hilfslehrer in Roggenstorf 1 Anfang 1921 schloss er sich auf dem Gut Herzberg der Arbeitsgemeinschaft Rossbach an einer paramilitarischen Organisation die aus dem nach dem Ersten Weltkrieg von Gerhard Rossbach gegrundeten Freikorps Rossbach einer freiwilligen Militareinheit die sich an den burgerkriegsahnlichen Auseinandersetzungen in Deutschland in der ersten Nachkriegszeit beteiligt hatte hervorgegangen war Kadow gelang es nach seinem Eintritt in die Arbeitsgemeinschaft Rossbach nicht sich in diese gut zu integrieren Vielmehr sei er ausserst unbeliebt gewesen So habe er sich nach den Aussagen von Angehorigen der Arbeitsgemeinschaft im spateren Prozess als Leutnant aufgespielt und sich von Kameraden Geld geborgt das er spater nicht zuruckgezahlt habe Ausserdem soll er eine kommunistische Gesinnung an den Tag gelegt haben 1922 oder Anfang 1923 wurde Kadow daher auf Veranlassung von Martin Bormann einem fuhrenden Mitglied der Arbeitsgemeinschaft aus dieser ausgeschlossen Wie sich bei dieser Gelegenheit herausstellte hatte er sich zuvor einen Vorschuss von 30 000 RM fur sich und andere Mitglieder der Arbeitsgemeinschaft auszahlen lassen ohne das Geld an die anderen Manner weiterzugeben Bormann drangte daher darauf dass Kadow seine Schulden abarbeiten musse Die Ermordung Kadows und ihre juristische Aufarbeitung Bearbeiten Als Kadow am 31 Mai 1923 nach einer langeren Abwesenheit nach Parchim zuruckkehrte hatte Bormann seine Meinung geandert Er erklarte nun dass es zwecklos sei Kadow seine Schulden abarbeiten zu lassen und dass man ihm besser eine Tracht Prugel verabreichen solle Daraufhin bemachtigten sich einige Rossbacher von den Gutern Neuhof und Herzberg darunter der spatere Kommandant des KZ Auschwitz Rudolf Hoss Kadows indem sie ihn in einer Gaststatte in Parchim betrunken machten und in der Nacht in ein Waldstuck bei Gut Neuhof verschleppten wo sie ihn zunachst durch Prugel schwer misshandelten Dies gipfelte darin dass einer der Manner Emil Wiemeyer dem am Boden Liegenden die Kehle durchschnitt woraufhin zwei andere Hoss und Karl Zabel ihm in den Kopf schossen Kadow der an Ort und Stelle starb wurde am nachsten Tag von den Tatern im Wald vergraben Einige Monate spater wurden sieben der Beteiligten verhaftet Nachdem die Staatsanwaltschaft Schwerin den Fall zunachst unpolitisch als Prugelei unter Saufkumpanen mit todlichem Ausgang wertete zog der Anklager beim Reichsgericht in Leipzig Ludwig Ebermayer den Fall auf Grundlage des Gesetzes zum Schutze der Republik an sich so dass die Zustandigkeit an den Staatsgerichtshof zum Schutze der Republik in Leipzig uberging Vor diesem wurden sechs der Manner darunter Hoss wegen Mordes angeklagt Einem siebten Bormann wurde ein geringeres Vergehen zur Last gelegt Im nachfolgenden Prozess brachten die Angeklagten zur Motivierung ihrer Tat vor dass sie seinerzeit bei Kadow einen Mitgliedsausweis der kommunistischen Jugend sowie grossere Mengen russischen Geldes gefunden hatten was sie als Beweise dafur gewertet hatten dass Kadow ein kommunistischer Spitzel gewesen sei der mit den veruntreuten Geldern der Arbeitsgemeinschaft ins Ruhrgebiet habe fahren wollen um Deutschland an die Franzosen zu verraten Des Weiteren machten sie geltend dass die kurz zuvor erfolgte Hinrichtung des ehemaligen Offiziers Albert Leo Schlageter der wegen Sprengstoffanschlagen auf Einrichtungen der franzosischen Besatzungsverwaltung im Ruhrgebiet von einem franzosischen Militargericht zum Tode verurteilt und standrechtlich erschossen worden war ihren Hass auf Kadow als einen Mann der die Stirn besessen habe mit den Mordern eines so vaterlandisch gesinnten Mannes wie Schlageter gegen die Interessen des Reiches zusammenarbeiten zu wollen weiter entfacht hatte Rudolf Hoss fuhrte in einem Brief uber die Motivierung und den Ablauf der Tat aus Nun stell Dir unsere Wut vor vor 5 Tagen wurde Schlageter erschossen All die Prugel die wir durch Verraterei dieses Halunken Kadow durch Uberfalle der Kommunisten in schwach besuchten Versammlungen bezogen hatten Wir waren alle auch schon ziemlich betrunken und uberlegten uberhaupt nicht mehr Wir fuhren auf einem Wagen aus Parchim raus und nach unserem Wohnhause in Neuhof bei Parchim Unterwegs kriegte er ganz erbarmliche Prugel aber er leugnete immer noch Auf einer Wiese wurde angehalten und er nochmals zur Rede gestellt Er leugnet und beteuert seine Unschuld Unsere Wut wird zur Raserei keiner achtet darauf wie oder mit was er zuschlagt Da geschah das Schreckliche an der Sache Einer bekam einen Koller und sturzt wie wahnsinnig auf den am Boden liegenden Kadow und schneidet ihm die Kehle durch Ein anderer jagt ihm zwei Schusse durch den Schadel Am anderen Morgen wird er im Waldesdickicht vergraben 6 Die in der Literatur bis heute weitverbreitete Behauptung die Rossbacher hatten Kadow nicht bloss grundsatzlich gegrollt weil er nach der Verhaftung und Hinrichtung Schlageters den Willen gehabt hatte sich den Franzosen als den Mordern des nationalen Mannes zur Mitarbeit zur Verfugung zu stellen wobei keiner von ihnen glaubte dass Kadow mit diesen beiden konkreten Vorgangen personlich irgendetwas zu tun hatte sondern weil sie gemeint hatten dass er personlich derjenige gewesen sei der Schlageter an die Franzosen verraten habe ist erstmals im Jahr 1947 nachweisbar als Hoss sie in seinem Kriegsverbrecherprozess vorbrachte wahrend sie in den Prozessakten von 1924 nirgends auftaucht Sie konnen daher als Teil von Hoss Rechtfertigungsstrategie gewertet werden 7 Die 1924 von den Tatern vorgebrachten Rechtfertigungsgrunde Kadow sei kommunistisch gesinnt gewesen und er habe sich in irgendeiner Weise den Franzosen zur Verfugung stellen wollen konnen moglicherweise nachtraglich konstruierte Schutzbehauptungen sein Orth wertet die Tat daher als einen Totschlag im Affekt wobei die Absicht ihn lediglich zu verprugeln aus der Erzurnung uber Kadows Geldveruntreuungen sowie der Trunkenheit der Tater in eine ursprunglich nicht intendierte Totung eskaliert sei Ausschlaggebend fur den Mord war letztendlich dass sie sich gegenseitig aufstachelten jeder den anderen in Wort und Tat zu ubertrumpfen suchte Die sich radikalisierende Prugelorgie funf Manner schlugen auf den schlafenden und durch Alkohol halb betaubten Kadow mit Fausten Gummiknuppeln einem Spazierstock schliesslich mit einem Ast ein fanden ihren Hohepunkt in der Forderung Hoss man solle Kadow im Wald vergraben ihm den Gnadenschuss geben Bevor Kadow tatsachlich zwei Schusse trafen schnitt einer der Morder dem bewusstlos und blutuberstomt auf dem Boden Liegenden mit einem Taschenmesser den Hals durch 8 Woran Kadow starb und wer als der eigentliche Morder anzusehen ist konnte das Gericht nicht feststellen Entscheidend sei dass die Tater gemeinsam und willentlich gehandelt hatten so dass keiner bei diesem Femegericht abseits habe stehen wollen Sie alle waren wenn nicht juristisch so doch moralisch die Morder Kadows 8 Das Leipziger Gericht befand die Angeklagten fur schuldig Hoss wurde am 15 Marz 1924 wegen schwerer Korperverletzung und vollendeten Totschlags zu zehn Jahren Zuchthaus verurteilt Infolge einer Amnestie kam er bereits am 14 Juli 1928 frei Bormann der nach dem Mord versucht hatte die Spuren zu beseitigen erhielt ein Jahr Gefangnis wegen Beihilfe und Begunstigung Die ubrigen Beteiligten Bernhard Jurisch Karl Zabel Georg Pfeiffer Emil Wiemeyer und Robert Zenz erhielten Gefangnisstrafen zwischen funfeinhalb Jahren Gefangnis Jurisch und zwolfeinhalb Jahren Zuchthaus Wiemeyer wegen schwerer Korperverletzung und vollendeten Totschlags 9 Sechs weitere Angeklagte Bruno Fricke Eberhard Hoffmann Bernhard Thomsen Bernhard Mackensen Walter Wulbrede Ludwig Richter wurden wegen Begunstigung zu mehrmonatigen Gefangnisstrafen verurteilt Bormann bekam im September 1938 fur seine Gefangnishaft den Blutorden verliehen 10 11 Rezeption BearbeitenDer Mord und der Prozess wurden 1969 in dem SDR Dokumentarspiel Zeitgeschichte vor Gericht Fememord Drehbuch Johannes Hendrich Regie Theo Mezger aufbereitet 12 13 In dem Spielfilm Aus einem deutschen Leben 1977 wird der Mord ebenfalls nachgestellt Rudolf Hoss wird in dem Film als Franz Lang dargestellt Diesen Namen hatte Hoss nach Kriegsende verwendet um sich eine neue Existenz aufzubauen Literatur BearbeitenLew Besymenski Die letzten Notizen von Martin Bormann Ein Dokument und sein Verfasser Aus dem Russischen von Reinhild Holler DVA Stuttgart 1974 ISBN 3 421 01660 7 Zum Fall Kadow S 23 ff 296 308 Mario Niemann Der Fall Kadow ein Fememord in Mecklenburg 1923 Ingo Koch Verlag Rostock 2002 ISBN 3 935319 52 5 Ralph Martini Auschwitz Spur nach Mecklenburg In Schweriner Blitz am Sonntag Nr 4 24 Jahrgang 26 Januar 2014 Karin Orth Die Konzentrationslager SS Sozialstrukturelle Analysen und biographische Studien 2 Auflage Wallstein Verlag Gottingen 2013 ISBN 978 3 8353 2030 7 E Book Maximilian Scheer Laufbahn eines Organisators In Die Neue Weltbuhne 1938 I S 77 ff Weblinks BearbeitenMario Niemann Bormann Martin und Rudolf Hoss In Kurt Groenewold Alexander Ignor Arnd Koch Hrsg Lexikon der Politischen Strafprozesse Marz 2016 Einzelnachweise Bearbeiten a b Lew Alexandrowitsch Besymenski Die letzten Notizen von Martin Bormann Ein Dokument und sein Verfasser DVA Stuttgart 1974 ISBN 3 421 01660 7 S 300 eingeschrankte Vorschau in der Google Buchsuche Hugo Beer Moskaus As im Kampf der Geheimdienste die Rolle Martin Bormanns in der deutschen Fuhrungsspitze 2 Aufl Verlag Hohe Warte Pahl 1984 ISBN 3 88202 311 4 S 19 eingeschrankte Vorschau in der Google Buchsuche Verlagsprofil beachten Ludendorffer Karin Orth Die Konzentrationslager SS 2013 S 110 chroniknet de Abgerufen am 20 Dezember 2012 anonym Carl Mertens Die Fememorde In Die Weltbuhne vom 17 November 1925 II S 750 online Brief Hoss an H H vom 15 Juni 1924 zitiert nach Orth Konzentrationslager SS S 111 f Orth Konzentrationslager SS S 111 Fussnote 64 a b Orth Konzentrationslager SS S 112 Mario Niemann Bormann Martin und Rudolf Hoss In Lexikon der Politischen Strafprozesse Kurt Groenewold Alexander Ignor Arnd Koch Hrsg Marz 2016 abgerufen am 19 August 2023 Pferd ohne Sonntag In Der Spiegel Nr 9 1962 S 42 50 online 28 Februar 1962 Martin Bormann im Munzinger Archiv Artikelanfang frei abrufbar Fememord 1969 in der Internet Movie Database englisch Fernsehen Diese Woche Zeitgeschichte vor Gericht Fememord In Der Spiegel Nr 12 1969 S 190 192 online 17 Marz 1969 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Parchimer Fememord amp oldid 237477314