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Als Orthogenese auch orthogenetische Evolution oder Sonderfall Autogenese bezeichnet man die Hypothese wonach das Leben eine innere Tendenz besitzt sich in eine vorgegebene Richtung zu entwickeln die von einer internen oder externen treibenden Kraft gesteuert wird Die Hypothese basiert auf dem Essentialismus dem Finalismus sowie der kosmischen Teleologie und vermutet einen intrinsischen Antrieb der die Spezies langsam transformiert George Gaylord Simpson bezeichnet diesen Mechanismus in einem Angriff auf die Orthogenese 1953 als die mysteriose innere Kraft Klassische Vertreter der Orthogenese weisen die Theorie der naturlichen Auslese als organisierenden Mechanismus in der Evolution und Theorien der Artbildung fur ein geradliniges Modell der geleiteten Evolution das bestimmte Spezies mit Wesen behandelt zuruck Der Begriff Orthogenese wurde durch Theodor Eimer popular obwohl viele Ideen schon viel alter sind William Bateson 1909 Viele Quellen vermischen diese heterodoxen Ansicht der Evolution mit einem anderen dass die Evolution auf ein langfristiges oder ultimatives Ziel ausgerichtet ist Daraus resultieren Definitionen die besagen dass die Orthogenese behauptet die Evolution verlaufe in einer unilinearen Weise zu einem perfekten Ziel Auch wenn fruhe und beruhmte Beispiele der Orthogenese tatsachlich diese beiden Vorstellungen vermischten z B Jean Baptiste de Lamarck und dass die Ideen sich direkt unter der Oberflache des Intelligent Design befinden darf man nicht vergessen dass es sich um zwei separate Vorstellungen handelt die vom Mainstream der Wissenschaft abgelehnt werden Die Idee einer zielorientierten Evolution versteht man besser als eine Form der Teleologie Den Unterschied erkennt man daran dass die Orthogenese den Theorien von Ernst Haeckel und R S Lull inharent ist Beide Wissenschaftler schlugen Mechanismen vor mit denen die Evolution unilinear verlauft sahen aber keine Ziele stattdessen stellten sie pseudowissenschaftliche Vermutungen uber unbekannte genetische Prozesse an Ahnliche Fehler tauchen immer wieder am Rand der Wissenschaft auf typischerweise in Form von neuen mysteriosen molekularen Kraften die angeblich eine phanotypische Evolution in bestimmte Richtungen treiben oder die Entstehung neuer Spezies forcieren Auf die Orthogenese folgten im 19 Jahrhundert mehrere evolutionare Mechanismen wie der Lamarckismus Lamarck selbst akzeptierte die Idee die in seiner Theorie der Vererbung erworbener Charakteristika die der mysteriosen Kraft der Orthogenese ahnelte eine zentrale Rolle spielte Weitere Vertreter der Orthogenese waren Leo Berg der Philosoph Henri Bergson sowie vorubergehend auch der Palaontologe Henry Fairfield Osborn Die Orthogenese wurde vor allem von Palaontologen angenommen die in ihren Fossilien eine gerichtete Veranderung sahen Diejenigen die eine solche Orthogenese akzeptierten glaubten jedoch nicht unbedingt an einen teleologischen Mechanismus Enge Verbindungen bestehen zwischen den Anschauungen der Orthogenese und derjenigen einer Spirituellen Evolution die von einer evolutionaren Stufenleiter des Lebens Scala Naturae Great Chain of Being ausgeht die von unbelebten Elementarteilchen uber Atome Molekule Einzellern Pflanzen niederen Tieren Wirbeltieren und Menschen bis hin zu einem gottlichen Bewusstsein fuhrt Im Verlaufe dieser Spirituellen Evolution kame es zu einer stetigen Zunahme von Komplexitat Autonomie und vor allem Bewusstheit Der Mensch sei daher derzeit die Krone der Schopfung Unterschiedliche Varianten einer solchen Spirituellen Evolutionslehre formulierten u a Hegel Friedrich Schelling Johann Gottlieb Fichte Teilhard de Chardin Henri Bergson Sri Aurobindo und der amerikanische NewAge Philosoph Ken Wilber Ahnliche Vorstellungen gibt es auch in neuzeitlichen Spielarten der Philosophia perennis sowie der Theosophie und der Anthroposophie Die erwahnten Vertreter und ihre Theorien unterscheiden sich teilweise erheblich in ihrem Grad der Akzeptanz bzw der Ablehnung neodarwinistischer und anderer naturwissenschaftlicher Ansichten Beispielsweise ist die Theorie von Erich Jantsch fast vollig naturalistisch und baut auf dem Prinzip der Selbstorganisation auf wahrend Aurobindo den Reinkarnationsgedanken mit dem Glauben an eine Evolution bis hin zu gottgleichen Ubermenschen verbindet Die Autogenese ist eine spezielle Version der Orthogenese die das Konzept einer einmaligen Spontanzeugung die Hypothese wonach jede Spezies durch Urzeugung aus unbelebter Materie entstehen kann enthalt 1 Vergleich verschiedener Evolutionstheorien Darwinismus Orthogenese LamarckismusMechanismus Kurzsichtige naturliche Auslese sortiert zufallige genetische Variation keine andere Fuhrung und kein Ziel Ausgewahlte Merkmale sind adaptiv d h sie haben einen Wert fur das Uberleben Intrinsische Kraft zur Perfektion naturliche Auslese unwichtig Entstandene Charakteristika konnen vollkommen un adaptiv sein Intrinsische Kraft zur Perfektion und Vererbung erworbener Charakteristika beides Lamarckische Prinzipien naturliche Auslese spater hinzugefugt gemeinsame Abstammung Ja neue Spezies entstehen durch Ereignisse der Artenvielfalt Nein Artenvielfalt abgelehnt oder langfristig als unwichtig angesehen Abiogenese neuer Spezies fuhrt zu paralleler Evolution Abhangig von der zitierten Quelle Anzeichen dafur dass Arten einen gemeinsamen Vorfahren besitzen wurden bereits vor Darwin entdeckt aber in Abwesenheit eines Mechanismus verwarfen einige immer noch die Idee Status In modernisierter Form als Neodarwinismus erhalten Widerlegt durch Darwins Origin of Species und den Neodarwinismus Verfall nach Origin of Species obwohl der Mechanismus erst durch den Neodarwinismus widerlegt wurde Inhaltsverzeichnis 1 Zerfall der Hypothese 2 Moderner Gebrauch 3 Literatur 4 EinzelnachweiseZerfall der Hypothese BearbeitenDie Hypothese der Orthogenese begann zu zerfallen als klar wurde dass sie die Muster die die Palaontologen in den nicht linearen Fossilien mit vielen Komplikationen fanden nicht erklaren konnte Sie wurde allgemein verworfen als man keinen Mechanismus fur diesen Prozess finden konnte und die Evolutionstheorie der naturlichen Auslese wurde zum Standard Die synthetische Evolutionstheorie Neodarwinismus in der die genetischen Mechanismen entdeckt wurden verdrangte die Hypothese endgultig Je mehr man uber die Mechanismen erfuhr desto offensichtlicher wurde es dass es keine mogliche naturalistische Erklarung gab in der die neu entdeckte Vererbung weitsichtig sein oder ein Gedachtnis fur vergangene Trends haben konnte Die Orthogenese starb jedoch langsam Sogar Darwin war dieser Denkweise anfangs nicht abgeneigt wie das folgende Zitat aus der Encyclopaedia Britannica von 1911 zeigt Darwin und seine Generation waren deutlich inspiriert von der Butler schen Tradition und betrachteten die organische Welt als ein Wunder der Anpassung der engen Verzahnung von Struktur Funktion und Umgebung Darwin war sicherlich beeindruckt von der Ansicht dass naturliche Auslese und Variation zusammen einen Mechanismus bilden dessen zentrales Produkt die Adaption ist Von Butlers Seite kam auch der grosste Widerstand gegen den Darwinismus Wie ist es moglich so fragte man dass zufallige Variationen das Material fur die prazisen und ausgewogenen Adaptionen liefern die die ganze Natur offenbart Auslese kann nicht das Material schaffen mit dem sie handelt die Anfange neuer Organe die ersten Stufen neuer Funktionen konnen nicht als nutzlich angesehen werden Ausserdem wiesen viele Naturforscher vor allem die mit Palaontologie beschaftigten auf die Existenz orthogenetische Reihen und langer Abstammungslinien hin die keine sporadische Differenzierung in jeder Richtung aber offensichtlich einen bestandigen und fortschrittlichen Marsch in eine Richtung Edward Drinker Cope lieferte eine solche Argumentationskette auf sehr uberzeugende Weise der Verlauf der Evolution sowohl in der Schaffung von Variation als auch ihrer Auslese implizierte seiner Meinung nach die Existenz einer ursprunglichen bewussten und gerichteten Kraft fur die er den Begriff Bathmismus griechisch ba8m ein Schritt oder Anfang pragte Andererseits hat die Ablehnung mystischer Interpretationen naturlicher Tatsachen viele fahige Naturforscher ins andere Extreme getrieben und sie veranlasst auf der Allmachtigkeit der naturlichen Auslese und der vollstandigen Bedeutungslosigkeit der Variation zu bestehen Der offensichtliche Konflikt zwischen den widerspruchlichen Schulen ist akuter als es die Fakten erlauben Es gibt keine Verbindung zwischen der Erscheinung der Variation und deren Gebrauch es ist purer Zufall wenn sich eine bestimmte Variation als nutzlich erweist Aber es gibt mehrere Richtungen in denen das Feld der Variation nicht nur beschrankt sondern auf eine bestimmte Richtung festgelegt zu sein scheint Offensichtlich sind die Variationen abhangig von der Verfassung des Organismus eine Modifikation sei sie gross oder klein ist eine Veranderung einer bereits definiten und beschrankten Struktur Eine kontinuierliche Umgebung scheint sowohl aus der Sicht der Produktion als auch der Auslese der Variation notwendigerweise in einer Reihe mit dem Auftauchen der Orthogenese zu resultieren Die vergangene Geschichte der organischen Welt zeigt viele erfolgreiche Reihen und diese mussen da sie uberlebt haben unweigerlich zu einem gewissen Masse die Orthogenese reprasentieren aber sie zeigen auch viele Fehlschlage die als Beweis dafur dienen konnen dass die Organismen wegen der Beschrankung der Variation die Moglichkeit einer erfolgreichen Antwort auf eine neue Umgebung verloren haben Encyclopaedia Britannica von 1911 Einige hielten bis in die 50er Jahre an der Orthogenese fest indem sie die Prozesse der Makroevolution langfristige Trends von denen der Mikroevolution genetische Variation und naturliche Auslese unterschieden die zu dieser Zeit bekannt waren und nicht orthogenetisch funktionieren konnten Teilhard de Chardin ein jesuitischer Palaontologe vertritt in Le Phenomene Humain 1959 das grossen Einfluss unter Nicht Wissenschaftlern hatte die Auffassung dass die Evolution auf einen Omega Punkt ziele wahrend der Mensch im Zentrum des Universums stehe und fur die Erbsunde verantwortlich sei Dennett 1995 von Kitzing 1998 Die Zuruckweisung der Orthogenese hatte einige Konsequenzen fur die Philosophie da sie die Vorstellung von der Teleologie wie sie zuerst von Aristoteles postuliert und von Immanuel Kant der grossen Einfluss auf viele Wissenschaftler hatte aufgegriffen worden war ablehnte Vor der wissenschaftlichen und philosophischen Revolution die mit Darwins Ideen begann herrschte die Vorstellung dass die Welt teleologisch und zweckmassig und die Wissenschaft die Studie von der Schopfung Gottes sei Die Ablehnung dieser Konzepte fuhrte zu einer veranderten Wahrnehmung der Wissenschaft ler Moderner Gebrauch BearbeitenAuch wenn die teleologische lineare Evolution abgelehnt wurde ist es nicht so dass die Evolution niemals linear verlauft Sie verstarkt Charakteristika in bestimmten Zeitlinien zum Beispiel in einer Periode einer langsamen nachhaltigen Veranderung der Umgebung aber solche Beispiel sind mit der modernen neodarwinistischen Evolutionstheorie vollkommen kompatibel Sie wurden manchmal als orthogenetisch bezeichnet z B von Jacobs 1995 sind es aber genau genommen nicht sondern erscheinen einfach als lineare konstante Veranderungen auf Grund von umweltbedingten oder molekularen Beschrankungen bezuglich der Richtung der Veranderung Literatur BearbeitenBateson William 1909 Heredity and variation in modern lights in Darwin and Modern Science A C Seward ed Cambridge University Press Chapter V E Book Dennett Daniel 1995 Darwin s Dangerous Idea Simon amp Schuster Huxley Julian 1942 The Modern Evolutionary Synthesis London George Allen and Unwin Jacobs Susan C Allan Larson amp James M Cheverud 1995 Phylogenetic Relationships and Orthogenetic Evolution of Coat Color Among Tamarins Genus Saguinus Systematic Biology 44 4 515 532 Volltext bei researchgate net Mayr Ernst 2002 What Evolution Is London Weidenfeld and Nicolson Simpson George G 1957 Life Of The Past Introduction to Paleontology Yale University Press p 119 Wilkins John 1997 What is macroevolution Talk Origins archive 1 Einzelnachweise Bearbeiten Philipp Sarasin Marianne Sommer Hrsg Evolution Ein interdisziplinares Handbuch J B Metzler Stuttgart Weimar 2010 ISBN 978 3 476 02274 5 S 79 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Orthogenese amp oldid 239018843