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Der Titel dieses Artikels ist mehrdeutig Zum Blog siehe dessen Autor David Berger Theologe Der Begriff Philosophia perennis lateinisch immerwahrende bzw ewige Philosophie oder Philosophia perennis et universalis steht fur die Vorstellung der zufolge sich bestimmte philosophische Einsichten uber Zeiten und Kulturen hinweg erhalten perennieren Dazu sollen Aussagen etwa in Form von Prinzipien zahlen die ewige unveranderliche und universal gultige Wahrheiten uber die Wirklichkeit speziell den Menschen die Natur und den Geist bzw Gott ausdrucken Vertreter der Philosophia perennis halten solche Aussagen prinzipiell fur moglich und versuchen teilweise selbst diese zeitgemass zu formulieren Die Grundannahme der Philosophia perennis ist dass die Wahrheit selbst ewig und unwandelbar ist da das Gegenteil undenkbar ist Wenn es keine ewige Wahrheit gibt ist es ewig wahr dass es keine ewige Wahrheit gibt 1 Unterschiede zwischen verschiedenen Richtungen gibt es in der Ansicht auf welchem Weg man diese Wahrheiten erhalten kann In der modernen Philosophiegeschichtsschreibung wird der Terminus meist nur noch bei einigen Neuthomisten und christlichen Philosophen verwendet ist sonst aber grosstenteils in die Kritik geraten Inhaltsverzeichnis 1 Geschichte 2 Die Philosophia perennis zwischen Philosophie Religion und Mystik 3 Kritik 4 Literatur 5 Weblinks 6 EinzelnachweiseGeschichte BearbeitenDen Begriff pragte der italienische Bischof Augustinus Steuchus Vertreter eines christlichen Platonismus mit seinem Buch De perenni philosophia libri X Lyon 1540 So wie es einen Ursprung aller Dinge gibt so muss es auch immer und bei allen Menschen eine und dieselbe Wissenschaft von diesem Ursprung gegeben haben Das sagen uns die Vernunft und die Urkunden vieler Volker und Lehren 2 Nach Steuco wurde die Philosophie von Gott bereits Adam in vollkommener Gestalt anvertraut und wurde seitdem nicht ohne Verluste durch die Jahrhunderte tradiert Steuco schreibt damit ein typisches Renaissance Motiv fort das wir etwa in Marsilio Ficinos Prisca theologia welche eine Allbeseelung sowie die Einflussnahme des Menschen in das von Gott gelenkte Geschehen lehrte 3 4 und bei Giovanni Pico della Mirandola finden 5 Die heutige Bedeutung des Begriffes wurde besonders von Leibniz gepragt Leibniz beklagt die Engstirnigkeit derer die Anhanger nur der heutigen Philosophie sind Auch bei den Alten sei unter dem Schmutz oftmals Gold verborgen 6 Zu allen Zeiten hatten die Volker nach Leibniz eine gewisse Ahnung von den ewigen und universalen Geist und Naturgesetzen wie er selbst in seiner Auseinandersetzung mit der chinesischen Philosophie des Konfuzianismus zu zeigen versuchte Leibniz identifiziert dieses Wissen mit der Naturlichen Theologie im scholastischen Sinne d h den durch die Vernunft erkennbaren Grundlagen des christlichen Glaubens Gott und die Seelen sind also seine primaren Gegenstande 7 Leibniz verbindet die Renaissance Idee einer Philosophia perennis mit dem Gedanken eines philosophischen Fortschritts Wichtig war ihm den von den Alten schon gewussten Wahrheiten einen zeitgemassen Ausdruck zu geben 8 Als Naturliche Theologie wird die Philosophia perennis auch in der Neuscholastik der katholischen Kirche im spaten 19 und 20 Jahrhundert verstanden Fur sie waren die ewigen Grundwahrheiten schon in der Synthese der platonischen und aristotelischen Philosophie der christlichen Offenbarungslehre sowie der Lehre vom Logos durch Thomas von Aquin vollstandig beschrieben Die Philosophia perennis zwischen Philosophie Religion und Mystik BearbeitenFur viele christliche Philosophen war und ist die Philosophia perennis aber eher ein allgemeiner thematischer Rahmen 9 Seit dem 19 Jahrhundert versuchte man des Ofteren auch in der Anthropologie und vergleichenden Religionswissenschaft Gemeinsamkeiten zwischen Kulturen und Religionen zu entdecken und allgemeine Grundannahmen zu rekonstruieren Nach Hans Meyer 1884 1966 10 soll die Philosophia perennis durch ein organisches Wachstum in einem gesellschaftlichen und intellektuellen Diskurs entwickelt werden Fur Aldous Huxley ist die Philosophia perennis die konvergierende religiose Weisheit aller Kulturen 11 Interesse an esoterischem Wissen in der zweiten Halfte des 20 Jahrhunderts trug dazu bei dass einige populare Autoren Philosophia perennis im Sinne einer irgendwie esoterischen oder mystischen Weisheit verstanden 12 Vertreter einer Philosophia perennis rezipieren teilweise traditionelle Lehren wie etwa die Emanationslehre Dies findet sich etwa bei einigen rationalistischen Autoren darunter auch Leibniz Zahlreiche moderne philosophische Ausrichtungen und Vorannahmen etwa in empiristischen Stromungen scheinen solchen Theorien zu widersprechen Auch der blosse Versuch ewige Wahrheiten uber die kulturellen und zeitlichen Unterschiede der religiosen und philosophischen Traditionen hinweg zu ermitteln wird haufig kritisch gesehen Vertreter der Philosophia perennis wie etwa Johannes Baptist Lotz und Walter Brugger halten u a dagegen dass eine Bestreitung ewiger Wahrheiten zu einem Relativismus oder Subjektivismus fuhre was keine plausible Position sein konne Der US amerikanische Autor Ken Wilber hat die sieben wichtigsten Ubereinstimmungen der immerwahrenden Philosophie aller Zeiten der allermeisten Kulturen spirituellen Lehren Philosophen und Lander folgendermassen zusammengefasst 13 Der spirituelle GEIST Gott die hochste Wirklichkeit die absolute Seinsheit die Quelle das Eine Brahman Dharmakaya Kether Dao Allah Shiva Jahweh Aton Manitu existiert GEIST muss innen gesucht werden Die meisten von uns erkennen diesen GEIST nicht weil sie in einer Welt der Sunde Trennung und Dualitat leben in einem Zustand der Gefallenheit und Illusion Es gibt einen Ausweg aus Sunde und Illusion einen Pfad zur Befreiung Wenn wir diesem Pfad bis ans Ende folgen finden wir Wiedergeburt oder Erleuchtung eine direkte Erfahrung des inneren GEISTES eine letzte Befreiung Diese letzte Befreiung bedeutet das Ende von Sunde und Leiden Sie mundet in mitfuhlendes und erbarmendes Handeln fur alle Lebewesen Der Franzosische Soziologe Frederic Lenoir greift in seinem Buch Die Seele der Welt Von der Weisheit der Religionen die Idee auf und bindet sie in eine Geschichte von sieben Weisen ein die zum Uberleben der Menschheit sieben Grundsatze einer perennialen Philosophie oder Spiritualitat zusammentragen 14 Kritik BearbeitenDie These eines Fortbestehens desselben Gehalts uber Zeiten Paradigmen Kulturen hinweg wird heute zumeist als hermeneutisch und historisch unhaltbar angesehen Diese Auffassung war geschichtlich allerdings wirkmachtig und ist insofern also als ein historisches Konstrukt fur die meisten Historiker ein wohlumgrenzter Forschungsgegenstand In der Sache wird zumeist problematisch gefunden dass fur einige Befurworter einer Philosophia perennis Kriterien wie Alter und Koharenz philosophischer Gehalte das Kriterium der Wohlbegrundetheit ausstechen 15 Zudem sind auch bestimmte inhaltliche Vorgaben heute weitgehend unplausibel oder zumindest hoch kontrovers darunter teleologische Rahmenthesen und die Strukturiertheit der Wirklichkeit an sich in einer Ordnung entsprechend der aristotelischen Metaphysik Bereits Nicolai Hartmann hatte aus ahnlichen Grunden den Akzent nicht auf Gehalte sondern Probleme gelegt Die Wende von neuscholastischen Engfuhrungen zu einer zeitgemassen Adaption des Problembezugs bringt beispielsweise Gottlieb Sohngen der Lehrer Joseph Ratzingers und seinerzeit massgebliche Autoritat in der katholischen philosophisch theologischen Grundlegung so zum Ausdruck Soll die Rede von einer Philosophia perennis besagen ein bestimmter Status in der Philosophiegeschichte sei zu verewigen z B die aristotelische Gedankenwelt des Thomas von Aquin so wird philosophische Arbeit zum Ausgraben an Graberpyramiden einer Graberstadt und zu einer Art Grabmalpflege und Ahnengedachtnis Das Ideal einer Philosophia perennis behalt aber seinen rechten Sinn als regulative Idee nicht als konstitutives Prinzip Dem der Philosophiegeschichte problemgeschichtlich zu lesen versteht verbirgt sich in den sich wandelnden Problemstellungen und Problemlosungen nicht ihr dauernder Gehalt aber dies Bleibende ist ein Ewiges das sich in einer nie abreissenden geschichtlichen Entwicklung und einer Fulle sich auseinandersetzender und sich begegnender Problem und Denkergestalten auszeitigt 16 dd Literatur BearbeitenPaul Haberlin Philosophia Perennis Eine Zusammenfassung Berlin Gottingen Heidelberg 1952 Jurgen Mittelstrass Art Philosophia Perennis In Enzyklopadie Philosophie und Wissenschaftstheorie Bd 3 S 130 Fritz Joachim von Rintelen Hrsg Philosophia perennis Abhandlungen zu ihrer Vergangenheit und Gegenwart Festgabe Josef Geyser zum 60 Geburtstag Josef Habbel Verlag Regensburg 1930 Wilhelm Schmidt Biggemann Philosophia perennis Historische Umrisse abendlandischer Spiritualitat in Antike Mittelalter und Fruher Neuzeit Frankfurt am Main 1998 Helmut Schneider Art Philosophia Perennis in Historisches Worterbuch der Philosophie B 7 S 898ff Weblinks BearbeitenLeroy E Loemker Perennial Philosophy in Dictionary of the History of Ideas W T S Thackara The Perennial Philosophy engl Einzelnachweise Bearbeiten lateinisch Si veritas non est verum est veritatem non esse Bonaventura Das Sechstagewerk Collationes in hexaemeron lateinisch und deutsch Hrsg Wilhelm Nyssen Nr 4 1 Kosel Munchen 1979 ISBN 978 3 534 26977 8 Ut unum est omnium rerum principium sic unam atque eandem de eo scientiam semper apud omnes fuisse ratio multarumque gentium ac literarum monimenta testantur Agostino Steuco De perenni philosophia libri X Lyon 1540 1 Wolf Dieter Muller Jahncke Zum Magie Begriff in der Renaissance Medizin und Pharmazie In Rudolf Schmitz Gundolf Keil Hrsg Humanismus und Medizin Acta humaniora Weinheim 1984 Deutsche Forschungsgemeinschaft Mitteilungen der Kommission fur Humanismusforschung Band 11 ISBN 3 527 17011 1 S 99 116 hier S 100 f Charles B Schmitt Prisca theologia e philosophia perennis due temi del rinascimento italiano e la loro fortuna In Atti del V Convegno Internationale del Centro di Studi Umanistici Il Pensiero italiano del Rinascimento e il Tempo nostro Florenz 1968 S 211 236 Charles B Schmitt Perennial philosophy From Agostino Steuco to Leibniz Journal of the history of ideas 27 1966 S 505 532 G W Leibniz Brief an Des Bosses 24 Dez 1707 Gerhardt II 344 Rita Widmaier Leibniz naturliche Theologie und eine gewisse Philosophia perennis dies Naturliche Theologie und Philosophia perennis Leibniz Interpretation der alten und modernen chinesischen Philosophie in der Abhandlung Niccolo Longobardis S J in Wenchao Li Fur unser Gluck oder das Gluck anderer Vortrage des X Internationalen Leibniz Kongresses Hannover 18 23 Juli 2016 6 Bde Hildesheim 2016 17 Bd II 581 596 VI 781 806 Herman Jan de Vleeschauwer Perennis quaedam philosophia Exegese et antecedents d un texte leibnizien In Akten des Internationalen Leibniz Kongresses Hannover 14 19 November 1966 Band 1 Metaphysik Monadenlehre Wiesbaden 1968 Studia Leibnitiana Supplementa S 102 122 Hannes Amberger Revelation and Progress The Concept of philosophia perennis from Steuco to Leibniz In Lexicon Philosophicum Band 7 2019 S 21 46 doi 10 19283 lph 20197 655 Nicolai Hartmann Der philosophische Gedanke und seine Geschichte Hans Meyer Das Wesen der Philosophie 1936 Aldous Huxley The perennial Philosophy 1945 dt Die ewige Philosophie Munchen Serie Piper 1987 So etwa Ken Wilber Das Wahre Schone Gute S 54ff Ken Wilber Mut und Gnade S 101 Frederic Lenoir Die Seele der Welt von der Weisheit der Religionen Deutscher Taschenbuch Verl Munchen 2014 ISBN 978 3 423 26012 1 So etwa Heinrich M Schmidinger Philosophia perennis In Lexikon fur Theologie und Kirche 4 Auflage Band 8 Herder Freiburg im Breisgau Sp 248 f Gottlieb Sohngen Philosophische Einubung in die Theologie Erkennen Wissen Glauben Alber Freiburg Munchen 2 Auflage 1964 1 A 1955 S 40f Ebenso ders Die Einheit in der Theologie gesammelte Abhandlungen Aufsatze Vortrage Zink Munchen 12 Auflage 1952 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Philosophia perennis amp oldid 228247278