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Makroevolution im modernen Sinn bezeichnet Evolution durch Selektion an zwischenartlicher Variation im Gegensatz zu evolutiven Veranderungen durch Selektion an innerartlicher Variation in der Mikroevolution 1 2 3 Diese moderne Auffassung steht im Gegensatz zum ursprunglichen Konzept das Makroevolution als Evolution von Taxa oberhalb des Artniveaus definierte 4 Inhaltsverzeichnis 1 Ursprung und Bedeutungswechsel des Begriffes 2 Makroevolutionare Prozesse 2 1 Artbildung Speziation 2 2 Artselektion 2 3 Punctuated equilibrium 3 Beispiele 3 1 Evolutionare Faunen 3 2 Massenaussterbe Ereignisse 3 3 Stanley sche Regel 4 Literatur 5 Weblinks 6 EinzelnachweiseUrsprung und Bedeutungswechsel des Begriffes BearbeitenPhiliptschenko unterschied zwischen Makro und Mikroevolution weil er annahm dass naturliche Auslese im Sinne Darwins nicht die Ursache fur die grosseren Evolutionsschritte sein konne aus denen Taxa uber dem Artniveau in der linneschen Taxonomie hervorgehen Daher unterschied er zwischen Mikroevolution als Evolution im Sinne Darwins die hochstens zur Ausbildung von Rassen oder Unterarten innerhalb von Arten fuhren konne von Makroevolution die durch unbekannte evolutive Mechanismen die Artgrenze uberschreite 4 Ein Erklarungsmodell fur Makroevolution in diesem Sinn war das Konzept der hoffnungsvollen Monster des Genetikers Richard Goldschmidt der sprunghafte Evolution durch genetische Veranderungen annahm die entweder das Timing der ontogenetischen Entwicklung betreffen 5 oder das gesamte Chromosomenmuster anderten 6 Insbesondere die letztgenannte Hypothese wurde von Vertretern der Synthetische Evolutionstheorie kategorisch abgelehnt und gilt heute als widerlegt Die Idee von sprunghafter Evolution durch Veranderungen von Genregulationsprozessen erlebt dagegen im Bereich der evolutionaren Entwicklungsbiologie eine gewisse Renaissance 7 8 Als Alternative zu sprunghafter Evolution schlug Dobzhansky 9 vor dass der Unterschied zwischen Makro und Mikroevolution tatsachlich nur ein Unterschied im zeitlichen Massstab sei Demnach sei Makroevolution einfach die Summe mikroevolutiver Veranderungen uber geologische Zeitraume Diese Ansicht wurde rasch popular und zur Grundlage einer neuen Sichtweise die den Begriff Makroevolution als neutrales Etikett fur die Studie von Evolution uber grosse Zeitraume verwendete Die Reduzierbarkeit von Makroevolution auf die Summe mikroevolutiver Veranderungen wurde seit den 1970er Jahren vor allem durch das sich entwickelnde Konzept der Artselektion in Frage gestellt das annimmt dass Selektion an zwischenartlicher Variabilitat ein wesentlicher Evolutionsfaktor sei der unabhangig und erganzend zur Selektion zwischen Organismen wirkt 1 2 Die Ebene auf der Selektion stattfindet wurde damit zur Grundlage einer Neudefinition von Makroevolution Demnach ist Makroevolution der Teil von Evolution der durch Selektion zwischen Arten stattfindet im Gegensatz zu Mikroevolution die auf der Selektion zwischen Organismen derselben Art beruht 3 Makroevolutionare Prozesse BearbeitenArtbildung Speziation Bearbeiten Gemass der modernen Definition ist der evolutive Ubergang zwischen Mutter und Tochterart mikroevolutiv da er durch Selektion zwischen Individuen derselben Art stattfindet Allerdings hat Artbildung auch einen makroevolutiven Aspekt da sie die zwischenartliche Variation erzeugt auf der Selektion in der makroevolutiven Ebene stattfindet Ebenso kann die Speziationsrate als ein makroevolutiver Parameter angesehen werden analog zum Reproduktionserfolg auf mikroevolutiver Ebene 3 Artselektion Bearbeiten Das Rohmaterial fur Artselektion ist die zwischenartliche Variation welche der uberwiegend zufallige Prozess der Artbildung zur Verfugung stellt Artselektion begunstigt Arten die eine hohe Speziationsrate aufweisen und lange existieren und daher viele Tochterarten hervorbringen konnen 1 Man unterscheidet zwischen Effekt Makroevolution die an organismischen Merkmalen ansetzt die Einfluss auf die Uberlebensdauer und Speziationsrate von Arten haben von Makroevolution im engeren Sinn die an emergenten Artmerkmalen ansetzt also Merkmalen die sich nur auf der Artebene manifestieren aber keine organismischen Eigenschaften darstellen z B Geschlechtsverhaltnis oder geographische Verbreitung 10 Punctuated equilibrium Bearbeiten Die Theorie des punctuated equilibrium auch Punktualismus genannt postuliert dass evolutiver Wandel in der geologisch kurzzeitigen Artbildungsphase konzentriert ist auf die evolutionare Stasis der Arten bis zu ihrem Aussterben folgt 11 Das Vorherrschen evolutionarer Stasis wahrend der uberwiegenden Existenzdauer von Arten ist ein starkes Argument fur die Dominanz von Artselektion und Makroevolution in der langfristigen Evolution von stammesgeschichtlichen Zweigen Allerdings ist punctuated equilibrium weder eine makroevolutive Form der Artentstehung wie manchmal falschlicherweise behauptet wird z B in 12 noch die Voraussetzung fur Artselektion 10 Ernst Mayr als ein Vertreter der klassischen synthetischen Evolutionstheorie halt die punktualistische Theorie fur im Wesentlichen mit dieser vereinbar Eine mogliche Erklarung fur den Befund sei seine eigene Hypothese dass neue Arten vor allem in isolierten Populationen am Rand der Verbreitung haufiger Arten neu entstehen so dass sie nach ihrer Ausbreitung von dort im Fossilbericht fast uberall scheinbar plotzlich und unvermittelt auftauchen wurden 13 Beispiele BearbeitenEvolutionare Faunen Bearbeiten Analysen der marinen Biodiversitat durch das Phanerozoikum haben gezeigt dass sich unterschiedliche hohere Taxa im Laufe der Erdgeschichte in ihrer relativen Bedeutung abgelost haben 14 Dabei konnte Jack Sepkoski diese in drei Gruppen Evolutionare Faunen zusammenfassen die zeitlich aufeinander folgten und sich durch zunehmende Gleichgewichtsdiversitaten und abnehmende Diversifizierungsraten unterschieden Die Studie ist insofern bemerkenswert als der evolutive Erfolg nicht direkt auf organismische Eigenschaften zuruckgefuhrt wird sondern auf makroevolutiven Parameter Massenaussterbe Ereignisse Bearbeiten Die makroevolutive Bedeutung von Umweltveranderungen treten bei globalen Massenaussterbe Ereignissen besonders deutlich hervor Solche Ereignisse gehen meist auf Anderungen in der nicht biologischen Umwelt zuruck die zu schnell ablaufen um eine mikroevolutive Anpassung durch Adaptionen zu ermoglichen 15 Massenaussterbe Ereignisse wirken daher praktisch ausschliesslich durch Artselektion also makroevolutionar Da sie meist stark selektiv sind d h bestimmte Taxa starker betreffen als andere fugen sie der Evolution eine bedeutende nicht adaptive Komponente zu Ein klassisches Beispiel in diesem Zusammenhang ist die Zunahme der Diversitat der Muscheln auf Kosten der Brachiopoden die moglicherweise auf eine entsprechende Selektivitat des end permischen Massenaussterbe Ereignisses zuruckzufuhren ist 16 Stanley sche Regel Bearbeiten Makroevolution wird durch Speziations und Aussterberaten gesteuert Empirische Daten zeigen dass beide Parameter positiv korreliert sind Taxa die hohe Speziationsraten aufweisen haben in der Regel auch hohe Aussterberaten Diese Regel wurde zuerst von Steven Stanley 17 beschrieben der sie einer Reihe von okologischen Faktoren zuschrieb Eine positive Korrelation von Speziations und Aussterberaten ist allerdings auch eine Vorhersage der Red Queen Hypothese 18 die postuliert dass jeder Anstieg der Fitness bei einer Art oder durch ein Speziationsereignis einen entsprechenden Ruckgang in der Fitness bei anderen Arten bedingt was zum Aussterben der Arten fuhrt die sich nicht schnell genug anpassen Daher mussen hohe Speziationsraten mit hohen Aussterberaten korrelieren zumindest wenn die Pramisse des Nischen Konservatismus erfullt ist 3 Die Stanley sche Regel die fur nahezu alle hoheren Taxa und geologische Zeiten gilt ist daher ein starkes Argument fur die Bedeutung zwischenartlicher Konkurrenz in der Makroevolution Literatur BearbeitenSteven J Gould The 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Belknap Press of Harvard University Press 2002 ISBN 0 674 00613 5 a b c d Michael Hautmann What is macroevolution In Palaeontology Band 63 Nr 1 Januar 2020 ISSN 0031 0239 S 1 11 doi 10 1111 pala 12465 wiley com abgerufen am 5 Mai 2020 a b Philiptschenko Juri Variabilitat und Variation Borntrager Berlin 1927 R Goldschmidt SOME ASPECTS OF EVOLUTION In Science Band 78 Nr 2033 15 Dezember 1933 ISSN 0036 8075 S 539 547 doi 10 1126 science 78 2033 539 Goldschmidt Richard The material basis of evolution Yale University Press 1940 ISBN 0 300 02822 9 Gunter Theissen Saltational evolution hopeful monsters are here to stay In Theory in Biosciences Band 128 Nr 1 Marz 2009 ISSN 1431 7613 S 43 51 doi 10 1007 s12064 009 0058 z Rieppel Olivier Turtles as hopeful monsters origins and evolution Bloomington Indiana 2017 ISBN 978 0 253 02507 4 Dobzhanski T Genetics and the origin of species Columbia University Press 1937 a b David Jablonski Species Selection Theory and Data In Annual Review of Ecology 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