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Scala Naturae deutsch Stufenleiter der Natur abgeleitet von lateinisch scala Leiter ist ein Konzept der Naturphilosophie das uber viele Jahrhunderte das europaische Denken uber die Natur und insbesondere uber ihren lebendigen Teil die Lebewesen pragte Dieser Idee zufolge konnen alle Gegenstande die in der Natur vorkommen in einer luckenlosen hierarchisch organisierten Reihe vom niedersten bis zum hochsten angeordnet werden Europaische Denker des Mittelalters und der Renaissance verlangerten diese Reihe dann noch in den ubernaturlichen Bereich wo sie uber die Engelshierarchie letztlich bis zu Gott als hochster Stufe fuhrte Obwohl Bestandteile des Konzepts bis in die Gegenwart Einfluss behalten haben ist es in der Wissenschaft vom Lebendigen der Biologie durch die Evolutionstheorien weitgehend verdrangt und abgelost worden Darstellung der Scala Naturae in der Rhetorica Christiana des Diego de Valades 1579 Inhaltsverzeichnis 1 Antike 2 Theologie und christliche Philosophie 3 Die grosse Kette der Wesen 4 Biologisches Ordnungsprinzip 4 1 Zoophyten 5 Veranderungen und Evolution 6 Nachleben hohere und niedere Lebensformen 7 Literatur und Quellen 8 EinzelnachweiseAntike BearbeitenWie die meisten philosophischen Ideen des Abendlands sind fur die spateren Vorstellungen einer Scala Naturae philosophische Konzepte Platons grundlegend Einflussreich blieb uber die Jahrhunderte sein in dem Dialog Timaios entwickeltes Weltbild Fur Platon hangt das Dasein der variablen und wandelbaren Gegenstande der naturlichen Welt ab von ewigen und unwandelbaren die dem Menschen und seinen Sinnen aber nicht direkt zuganglich sind sondern nur in der Vernunft aufgefunden werden konnen Die abgeleitete sinnlich erfahrbare Welt ist weniger gut als das unvergangliche und unwandelbare Seiende sie ist real nur so weit wie sie Anteil an dieser hat Ihre Existenz beruht darauf dass das ewig Seiende als das Gute auch die Existenz weiterer Seinsebenen zulasst die weniger vollkommen sind diese sind sogar notwendig da der Welt ein Element der Vollkommenheit fehlen wurde wenn nicht alle uberhaupt moglichen Wesenheiten auch tatsachlich zur Existenz kommen wurden Der Ideengeschichtler Arthur O Lovejoy nennt diesen Gedanken dass aufgrund einer hoheren Vollkommenheit alles was moglich ist auch existieren muss das Prinzip der Fulle Dieser Gedanke impliziert da alles was existieren kann auch tatsachlich existieren muss dass alle Wesenheiten in der Natur ein luckenloses Ganzes bilden denn wenn zwischen zwei Formen Platz ware fur eine weitere ware die Welt luckenhaft und dadurch unvollkommen Diese Glieder besitzen aber je nach ihrer Nahe zu den ewigen Dingen unterschiedlichen Rang Eine Folge dieser Gedanken fuhrt letztlich aber zu der fur den Platonismus kennzeichnenden Tendenz dass es da die wesentlichen Wahrheiten ausserhalb der sinnlichen Welt liegen fur einen Weisen nicht besonders lohnend ist sich allzu viel mit den niederen Phanomenen der naturlichen Welt abzugeben wodurch platonische und neuplatonische Denker fur empirische Forschung nichts als Verachtung ubrig haben Im Gegensatz zu Platon war sein grosster Schuler Aristoteles ein leidenschaftlicher Erforscher der naturlichen Welt Nach seiner Philosophie ist jedes naturliche Ding eine Verbindung aus Form eidos und Materie hyle wobei die Formen aber in der Welt existieren und kein eigenes Ideenreich ausserhalb von ihr bilden Lebendige Dinge besitzen im Gegensatz zu unbelebten eine Seele die in verschiedenen Stufen existiert Die tiefste Stufe die nahrende Seele kommt allen Lebewesen zu Tiere besitzen zusatzlich eine sensitive Seele die ihnen die Wahrnehmung von Sinneseindrucken und Beweglichkeit verleiht Die hochste Stufe die einsichtige Seele kommt unter allen Wesen zumindest unter dem Mond sublunar einzig dem Menschen zu Zwischen verschiedenen Wesenheiten existieren zahlreiche Unterschiede die teilweise durch Zweckursachen teleologisch erklart werden konnen wodurch jedes Lebewesen seine materiellen Bestandteile in jeweils optimaler einzigartiger Weise einsetzt um ohne Verschwendung eine optimale Lebensmoglichkeit in seiner Umwelt zu realisieren Obwohl jedes Lebewesen dadurch einen harmonischen Platz in der Ordnung der Dinge besitzt sind sie unterschiedlich vollkommen Lebewesen erben nach Aristoteles ihre Form von ihren Vorfahren uber Bewegungen und Eigenschaften ihres Blutes wobei diejenigen mit warmerem Blut wobei diese Warme nicht als rein physikalische Temperatureigenschaft aufgefasst wird vollkommener sind Jede Art von Lebewesen besitzt danach ihren jeweils spezifischen Grad von Vollkommenheit wobei die Ubergange fliessend sind In seinem Werk Historia animalium sagt er an einer immer wieder zitierten Stelle 588b4 589a9 nach der Bekker Zahlung Die Natur schreitet in so kleinen Schritten vom Unbelebten zu den Tieren dass wir wegen der Kontinuitat nicht erkennen zu welcher Seite die Grenzen und die Mitte zwischen ihnen gehoren Denn nach den unbelebten Dingen kommt zuerst die Sorte der Pflanzen und innerhalb dieser unterscheidet sich eine von der anderen indem sie mehr Leben zu haben scheint aber die ganze Sorte erscheint im Vergleich zu anderen Gegenstanden als mehr oder weniger belebt wahrend sie im Vergleich mit der Sorte der Tiere unbelebt erscheint In De partibus animalium 681a10 druckt er es so aus Die Seescheiden unterscheiden sich nur wenig von den Pflanzen haben aber mehr Tiernatur als die Schwamme welche nicht viel mehr als Pflanzen sind Denn die Natur schreitet von unbelebten Objekten bis zu den Tieren in einer ununterbrochenen Folge und ordnet dazwischen Wesen die leben und doch keine Tiere sind so dass kaum ein Unterschied zwischen benachbarten Gruppen erkennbar ist aufgrund von deren grosser Nahe zueinander Die unvollkommensten am tiefsten stehenden Wesen erben ihre Form gar nicht von ihren Eltern sondern entstehen durch Spontanzeugung unter dem Einfluss von Warme direkt aus unbelebter Materie Theologie und christliche Philosophie BearbeitenViele christliche Denker der Spatantike und des fruhen Mittelalters an erster Stelle der immens einflussreiche Kirchenlehrer Augustinus aber zum Beispiel auch der anonyme unter dem Namen des Dionysius Areopagita schreibende Autor waren neben der Bibel durch neuplatonisches Gedankengut von Plotin und anderen gepragt und schufen eine Theologie in der christliche und neuplatonische Vorstellungen miteinander verschmolzen Uber die Schriften der Kirchenvater wurde der Gedanke der Scala Naturae so zum Bestandteil des verbindlichen christlichen Weltbilds Mit der Wiederentdeckung der Schriften des Aristoteles in Folge der spanischen Reconquista und den Ubersetzungen aus dem Arabischen von Schriften aus dem neu eroberten Toledo durch Michael Scotus Gerhard von Cremona und die Ubersetzerschule von Toledo entstand im 11 Jahrhundert die Schule der Scholastik die die mittelalterliche christliche Tradition mit der neu interpretierten Philosophie des Aristoteles verband Neben dem Gedanken an die Ehre und Weisheit des gottlichen Schopfers war es charakteristisch fur die mittelalterliche Tradition dass der Mensch nicht wie bei Aristoteles die hochste Stufe der Leiter markierte sondern bestenfalls irgendwo in der Mitte zu verorten ware Genau so wie es unterhalb des Menschen zahllose niedere Geschopfe gab war oberhalb von ihm mit den Neun Choren der Engel eine luckenlos ansteigende Folge vollkommenerer Geschopfe vorhanden Noch John Locke hielt es fur wahrscheinlich dass es viel mehr Arten von Wesen uber als unter uns gibt da wir selbst von dem unendlichen Wesen Gottes weiter abstehen als von der niedrigsten Art der Dinge welche dem Nichts am nachsten kommt 1 Fur mittelalterliche Naturphilosophen war der Gedanke der Scala Naturae durch diese Mittelstellung besonders attraktiv Mit dem Menschen wurde so die ubernaturliche metaphysische Welt mit der naturlichen physischen verbunden Der Mensch hatte die rationale Seele mit den Engeln und anderen hoheren Wesen gemeinsam wahrend er uber seine korperlichen Funktionen mit der unter ihm stehenden Natur verbunden war In enzyklopadischen Werken wie den Bestiarien waren die Eintrage oft nach ihrem Rang in der Skala geordnet 2 Die offensichtlichen Unvollkommenheiten wie fehlende Zwischenformen wurden oft dadurch erklart dass diese in den bisher unerforschten Regionen der Welt wie den Antipoden leben wurden und bisher lediglich noch nicht entdeckt worden waren 3 nbsp Im Liber de ascensu et decensu intellectus des Ramon Llull geschrieben 1304 verbinden drei Stufenfolgen die Erde mit dem Reich Gottes Der Mensch homo nimmt einen mittleren Platz ein Die grosse Kette der Wesen BearbeitenAuf den Gedanken ihrer Vorganger aufbauend entwickelten Denker und Naturphilosophen des 17 und vor allem des 18 Jahrhunderts ihre Vorstellung von der grossen Kette der Wesen Der Gedanke war verwurzelt in den vor allem in England entwickelten Vorstellungen des Deismus und der naturlichen Theologie Ihnen zufolge war es ein Ausfluss von Gottes Gute dass er jedem Wesen das existieren kann auch dem geringsten und niedersten unter ihnen die Gnade der Existenz geschenkt hat Jedes Wesen hat so seinen naturlichen Platz in der Ordnung der Dinge Es kann diesen Platz nicht verandern da es dann den Platz anderer Wesen einnehmen wurde und Leer oder Zwischenraume zwischen ihnen undenkbar sind Damit ist die Welt so vollkommen geordnet wie es uberhaupt moglich ist John Law formulierte Wenn wir die Existenz einer Leiter von Wesen annehmen die stufenweise von der Vollkommenheit zum Nichtsein hinabreicht dann begreifen wir bald die Abwegigkeit von Fragen wie dieser Warum wurde der Mensch nicht vollkommen geschaffen Warum sind seine Fahigkeiten und Anlagen nicht denen der Engel gleich denn das lauft ja auf die Frage hinaus warum er nicht in eine andere Klasse von Wesen hineingekommen ist wo doch alle anderen Klassen schon als voll gelten mussen 4 Biologisches Ordnungsprinzip Bearbeiten nbsp Die Scala Naturae im Traite d insectologie des Charles Bonnet 1745Der Gedanke an eine Stufenleiter der Natur wurde in der sich entwickelnden wissenschaftlichen Biologie zunachst beibehalten da er der Fulle von unverbunden nebeneinander stehenden Fakten einen gemeinsamen Rahmen und ein Ordnungsprinzip gab Im Gegensatz zu den fruheren Werken die vor allem der moralischen Stellung des Menschen gewidmet waren sollten nun wenn moglich alle Wesen und Erscheinungsformen der Natur aus eigenem Recht einen Platz in der Stufenleiter zugewiesen bekommen Eine solche Abfolge stellte etwa der bedeutende Naturforscher Jean Baptiste de Lamarck in seinem Werk Flore Francoise 1788 auf Im Philosophical Account of the Works of Nature 1721 unternahm Richard Bradley einen im Detail sehr ausgefeilten ahnlichen Versuch alle Wesen nach ihrer Perfektion zu ordnen Die nebenstehende Abbildung zeigt einen Ausschnitt aus einer weiteren Skala des Schweizer Naturforschers Charles Bonnet Bei der Detailarbeit stiessen diese Forscher dabei auf grosse Schwierigkeiten Ein wesentliches Problem war dass sich nicht alle Wesen in eine perfekt lineare Abfolge fugen wollten Je nach betrachtetem Merkmal waren unterschiedliche Perfektionsgrade im selben Organismus verwirklicht Sehr fruh schon bei Bradley und Bonnet kamen deshalb Uberlegungen auf dass es keine einheitliche Skala geben konne vielmehr musse diese verzweigt sein Neben der Leiter Skala wurde dies im Bild eines Baumes oder eines Netzes festgehalten Diese metaphorischen Baume ahneln teilweise Stammbaumen waren aber ganz anders begrundet eine zeitliche Abfolge oder Evolution erschien immer noch fast undenkbar Carl von Linne der Begrunder der modernen biologischen Taxonomie bemerkt etwa in Philosophia botanica 1751 Die Natur selbst verbindet Minerale Pflanzen und Tiere sie verbindet dabei aber nicht die perfektesten Pflanzen mit den Tieren die als die am wenigsten perfekten gelten sondern unperfekte Pflanzen und unperfekte Tiere sind miteinander verbunden 5 6 Eine weitere Debatte entzundete sich an der Kontinuitat die die Scala Naturae voraussetzt Bereits seit langem gab es unterschiedliche Auffassungen in der Klassifikation Fur Aristoteles und seine Anhanger waren die naturlichen Variationen innerhalb einer Art etwas vollig anderes als diejenigen die zwischen den verschiedenen Arten mit ihren jeweiligen Bauplanen bestanden Andere Denker sahen auch innerhalb der Kategorien bruchlose Ubergange so dass die extremsten Individuen einer Art mit den ahnlichsten einer anderen Art das Kontinuum fortsetzten ihnen zufolge war die Klassifikation nach Arten eigentlich kunstlich nur die Individuen real Dieser Gedanke wurde im Zeitalter des Kolonialismus etwa zur Begrundung niederer Menschenrassen missbraucht Autoren des 18 Jahrhunderts sprachen davon Der Unterschied zwischen den niedrigsten Vertretern unserer Art und dem Affen ist nicht so gross dass er ware ihm die Fahigkeit des Sprechens verliehen worden nicht ebenso Rang und Wurde des Menschen beanspruchen konnte wie der wilde Hottentott oder der stumpfsinnige Eingeborene von Nowaja Semlja 7 Der damals hoch geschatzte William Smellie schrieb in seiner Philosophy of natural History Wie viele Ubergange konnen verfolgt werden zwischen einem dummen Huronen oder Hottentotten und einem tiefgrundigen Philosophen Hier ist der Unterschied immens aber die Natur hat den Unterschied mit fast unmerklichen Abschattungen des Ubergangs verbunden In absteigender Folge der Beseeltheit ist der nachste Schritt zu unserer Scham sehr klein Der Mensch in seiner niedrigsten Form ist offensichtlich sowohl in der Form des Korpers wie in der Fahigkeit des Geistes verbunden mit dem grossen und dem kleinen Orang Utan 8 Dabei ging es nicht wie spater in der Evolutionstheorie um tatsachliche Verwandtschaft oder zeitliche Entwicklung sondern um eine Rangnahe zwischen hoheren und niederen Vertretern der jeweiligen Kategorie die so auch schon vor entsprechenden Tendenzen in der Evolutionslehre vertreten wurde Innerhalb der sich zu dieser Zeit als einer eigenstandigen Wissenschaft formierenden Biologie gab es Kontroversen zwischen dem bedeutendsten Anatomen seiner Zeit Georges Cuvier und zwei anderen bedeutenden Naturforschern Lamarck 9 und Etienne Geoffroy Saint Hilaire 10 uber die Kontinuitat des Bauplans Cuvier hatte im Tierreich verschiedene von ihm embranchments genannte Klassen unterschieden heute Ernst Haeckel folgend als Stamme bezeichnet deren Grundbauplan ihm zufolge radikal verschieden ohne Ubergang zwischen ihnen sei Seine Opponenten betonten hingegen dass einige Organe sehr wohl als Ubergange klassifiziert werden konnten Zoophyten Bearbeiten Bereits Aristoteles bemerkte bei seinen Forschungen an Meereslebewesen vermutlich auf de Insel Lesbos verschiedene niedere Tiere deren Klassifikation ihm Schwierigkeiten bereitete weil sie zwischen den sonst so klar geschiedenen Reichen der Pflanzen der Tiere und der Minerale zu stehen schienen Schwamme sind lebendig und unbeweglich Gehoren sie zu den Tieren oder zu den Pflanzen Sein Schuler und Nachfolger Theophrastos von Eresos beschreibt ein Tiefseegewachs korallion die Edelkoralle Corallium rubrum einerseits bei den Mineralen andererseits als Pflanze Auch andere Wesen wie Seescheiden oder Seeanemonen waren nach den verwendeten Kriterien weder eindeutig tierisch noch pflanzlich 11 Uber die Natur der Pflanzen bestand dabei kein prinzipieller Zweifel Schon die vorsokratischen Naturphilosophen wie Empedokles ordneten sie klar den Lebewesen zu Platon akzeptierte dass auch sie eine Seele besitzen mussten was von Aristoteles ubernommen wurde 12 Die Existenz von Steingewachsen oder Lithophyten und Tierpflanzen oder Zoophyten wurde bis ins 18 Jahrhundert als Argument fur die Scala Naturae gesehen die ja eine ungebrochene Reihe Gradation voraussagt Viele systematische Wissenschaftler des 18 Jahrhunderts neben den bereits genannten wie Bonnet 13 etwa auch John Ellis und Oliver Goldsmith 14 und Jean Baptiste Rene Robinet stellten Systeme auf in denen die Zoophyten und ihre Zwischenstellung vollig vergleichbar zu den antiken Vorstellungen akzeptiert wurden Der Name Zoophyten wurde im Sinne der Auffassung von Edward Wotton noch bis in s 19 Jahrhundert fur verschiedene Gruppen der Nesseltiere weiter benutzt die teilweise auch die Farbung von Pflanzen aufweisen wie spater entdeckt durch symbiontische Zooxanthellen Ihre Zugehorigkeit zum Tierreich wurde erst zum Ende des 19 Jahrhunderts allgemein akzeptiert Veranderungen und Evolution BearbeitenIn seiner hergebrachten im 17 Jahrhundert vollendeten Form beschreibt das Prinzip der Scala Naturae ein ewiges und unveranderliches Universum Gott hatte alle Dinge wohl und zum Besten geordnet Auch die aristotelische Philosophie die von einem ewigen Weltall ausging liess wenig Raum fur Dinge die sich verandern Der beruhmte englische Theologe und Naturforscher John Ray schrieb 1703 uber Fossilien Es wurde folgen dass viele Schalentiere aus der Welt verschwunden sind ein Gedanke den die Philosophen bisher nicht haben akzeptieren konnen da sie den Untergang einer Art als eine Verstummelung des Universums und als eine Verminderung seiner Vollkommenheit ansehen 15 im erhaltenen Werk von Aristoteles werden Fossilien gar nicht erwahnt obwohl sie den Griechen seiner Zeit bekannt gewesen waren 16 Denker des 18 Jahrhunderts waren mit diesem Zustand immer mehr unzufrieden da eine solche Welt keinerlei Hoffnung auf Verbesserung zuliess Immer mehr interpretierten die Leiter scala daher wortlicher als eine in der Natur angelegte Tendenz zur Vollkommenheit die jetzt noch nicht erreicht sei auf die die Welt aber zustrebe In seiner Schrift Protogaea liess Gottfried Wilhelm Leibniz den Gedanken zu dass die Kette der Wesen deren Existenz ihm sicher schien einen Prozess beschreibe nicht einen Zustand Es konnten durchaus zahllose fruhere Wesen ausgestorben und durch solche ersetzt worden sein die es damals noch nicht gegeben hat Wenn es eine unendliche Kette der Wesen gibt stellen fehlende Glieder ein besonders Problem dar Im 18 Jahrhundert begannen immer mehr Naturphilosophen uber scheinbar fehlende Bindeglieder im englischen Missing Links nachzudenken William Swainson ging in A Preliminary Discourse on the Study of Natural History 1834 eher von einer kreisformigen Anordnung der Arten ohne Anfang oder Ende aus konnte diese aber nur realisieren indem er zahlreiche missing links postulierte die es noch zu entdecken gelte Robert Chambers sprach in Vestiges of the Natural History of Creation 1844 von Lucken in der Fossiluberlieferung die durch missing links zu uberbrucken waren 17 Auf diese Uberlegungen seiner Zeit aufbauend setzte Charles Darwin mit seinem grundlegenden Werk Uber die Entstehung der Arten 1859 mit seiner Evolutionstheorie einen radikal anderen Ansatz der sich trotz erbitterter Kontroversen unter seinen Zeitgenossen letztlich auf ganzer Linie durchsetzte Bestandteil der Darwin schen Theorie ist die Deszendenztheorie mit der er die Ahnlichkeit zwischen verschiedenen Organismen als auf gemeinsamer Abstammung beruhender Familienahnlichkeit erklaren konnte Anstelle einer Begrundung von oben mit jeweils abnehmenden Graden der Vollkommenheit stand eine Entwicklung von unten mit zumindest im Mittel zunehmenden Graden der Komplexitat Wahrend dadurch die naturlichen Beobachtungen und Fakten weitaus besser erklart werden konnten ging die Harmonie und Ordnung des bisherigen Weltbildes die vielen Menschen Zuversicht gegeben hatte endgultig verloren Nachleben hohere und niedere Lebensformen BearbeitenDie meisten Ideen und Ordnungsprinzipien die im Rahmen des Konzepts von der Scala Naturae entwickelt worden waren gelten heute in der Biologie als vollig uberholt und werden von niemandem mehr vertreten Wir sind heute uberzeugt dass Arten von Lebewesen entstehen und wieder aussterben konnen ohne die Ordnung der Welt oder Gottes Plan in der Schopfung in Bedrangnis zu bringen Die Idee der Spontanzeugung nach der Lebewesen aus zerfallender Substanz oder feuchtem Schlamm jederzeit neu entstehen konnte wurde durch sorgfaltige empirische Untersuchungen widerlegt Auch die Einteilung der Welt in ein Reich der Tiere Pflanzen und Minerale die noch Linne s Systema Naturae dem Begrundungswerk der biologischen Systematik zugrunde lag ist heute nur noch von historischem Interesse Ubergangsformen und missing links werden heute radikal anders interpretiert Viele Evolutionsbiologen argumentieren aber dass sich Gedanken die auf das Konzept zuruckgehen in der popularen Auffassung der Evolutionstheorie gehalten hatten und sogar in Fachpublikationen noch verwendet wurden Dieser Auffassung nach wird die Evolution oft wie die progressive sich entwickelnde Fassung der Scala Naturae die im 18 Jahrhundert entwickelt wurde aufgefasst Dieser von ihnen als irrtumlich und falsch bezeichneten Auffassung zufolge ware die Evolution so etwas wie eine Erzahlung des Fortschritts in der Natur Die zuerst entstandenen niederen Lebensformen hatten immer hohere Formen hervorgebracht die diese nach und nach ablosten Diese Hoherentwicklung kulminierte letztlich in der Entstehung des Menschen der als am hochsten entwickeltes Lebewesen immer noch so etwas wie die Krone der Schopfung sei 18 In der Evolutionsbiologie ist aber jedes gleichzeitig existierende Lebewesen uber eine exakt vergleichbare Reihe von Vorfahren evolviert Allein die Tatsache dass es uberleben kann zeigt dass es den Anforderungen seiner Umwelt voll gewachsen ist Entwicklungstendenzen oder gar gesetze wie ein hypothetischer Trend zur Hoherentwicklung verfuhrten zu Fehldeutungen genau so wie sich komplexe Lebewesen aus einfacher organisierten Vorfahren entwickeln konnten kommt das Gegenteil vor also einfach organisierte Lebewesen die komplexere Vorfahren hatten Aus dem evolutionaren Erfolg zum gegenwartigen Zeitpunkt liessen sich auch keine Vorhersagen fur die Zukunft ableiten Obwohl Evolutionstheorien wie die Orthogenese die so etwas wie ein Ziel der Evolution postulierten kaum noch Anhanger besitzen ist es in der Biologie immer noch weithin ublich etwa von hoheren oder niederen oder basalen primitiven plesiomorphen Lebensformen zu sprechen zum Beispiel Niedere Pflanzen oder Hohere Saugetiere Dem gegenuber besitzen in einer Klade alle endstandigen terminalen Taxa untereinander gleichen Rang es gibt eigentlich keine Rechtfertigung einige davon als fortschrittlicher zu bewerten als andere 19 20 Auch Annahmen uber evolutionare Trends konnen den Blick auf die tatsachliche Entwicklung eher behindern 21 Anstelle von primitiven oder fortschrittlichen Organismen sollte die Betrachtung stattdessen auf deren Merkmale gelenkt werden wobei jeder reale Organismus tatsachlich ein Mosaik aus fortschrittlichen und basalen Merkmalen ist 22 Literatur und Quellen BearbeitenArthur O Lovejoy Die grosse Kette der Wesen Geschichte eines Gedankens Suhrkamp Verlag 3 Auflage 2015 ISBN 978 3 518 28704 0 Originalausgabe The Great Chain of Being A Study of the History of an Idea William James Lectures at Harvard University 1933 Armand Marie Leroi Die Lagune oder wie Aristoteles die Naturwissenschaften erfand Wissenschaftliche Buchgesellschaft Darmstadt 2017 ISBN 978 3 8062 3693 4 Originalausgabe The Lagoon How Aristoteles invented Science Bloomsbury Publishing London 2014 Juliet Clutton Brock 1995 Aristotle The Scale of Nature and Modern Attitudes to Animals Social Research 62 3 421 440 Einzelnachweise Bearbeiten Arthur O Lovejoy Die grosse Kette der Wesen Geschichte eines Gedankens Suhrkamp Verlag 3 Auflage 2015 ISBN 978 3 518 28704 0 Seite 229 Richard Jones The Medieval Natural World Routledge Oxford 2013 ISBN 978 1 317 86150 8 Seite 23 John G T Anderson Deep Things Out of Darkness A History of Natural History University of California Press 2013 ISBN 978 0 520 27376 4 Arthur O Lovejoy Die grosse Kette der Wesen Geschichte eines Gedankens Suhrkamp Verlag 3 Auflage 2015 ISBN 978 3 518 28704 0 Seite 260 Mark A Ragan Trees and networks before and after Darwin Biology Direct 2009 4 43 doi 10 1186 1745 6150 4 43 open access Olivier Rieppel 2010 The series the network and the tree changing metaphors of order in nature Biology and Philosophy 25 4 475 496 doi 10 1007 s10539 010 9216 4 Arthur O Lovejoy Die grosse Kette der Wesen Geschichte eines Gedankens Suhrkamp Verlag 3 Auflage 2015 ISBN 978 3 518 28704 0 auf Seite 283 William F Bynum 1975 The Great Chain of Being after forty years an appraisal History of Science 13 1 28 auf Seite 5 William F Bynum 1975 The Great Chain of Being after forty years an appraisal History of Science 13 1 28 auf Seite 20 Armand Marie Leroi Die Lagune oder wie Aristoteles die Naturwissenschaften erfand Wissenschaftliche Buchgesellschaft Darmstadt 2017 ISBN 978 3 8062 3693 4 Kapitel XCI Armand Marie Leroi Die Lagune oder wie Aristoteles die Naturwissenschaften erfand Wissenschaftliche Buchgesellschaft Darmstadt 2017 ISBN 978 3 8062 3693 4 Kapitel LXXXVII Hans Werner Ingensiep Geschichte der Pflanzenseele Philosophische und biologische Entwurfe von der Antike bis zur Gegenwart Kroner Verlag Stuttgart 2001 ISBN 978 3 520 83601 4 August Thienemann 1903 Die Stufenfolge der Dinge der Versuch eines naturlichen Systems der Naturkorper aus dem achtzehnten Jahrhundert Zoologische Annalen 3 185 274 3 Tafeln Susannah Gibson Animal Vegetable Mineral How eighteenth century science disrupted the natural order Oxford University Press 2015 ISBN 978 0 19 101523 6 Arthur O Lovejoy Die grosse Kette der Wesen Geschichte eines Gedankens Suhrkamp Verlag 3 Auflage 2015 ISBN 978 3 518 28704 0 auf Seite 293 294 Armand Marie Leroi Die Lagune oder wie Aristoteles die Naturwissenschaften erfand Wissenschaftliche Buchgesellschaft Darmstadt 2017 ISBN 978 3 8062 3693 4 Seite 316 317 Peter C Kjaergaard 2011 Hurrah for the missing link a history of apes ancestors and a crucial piece of evidence Notes amp Records the Royal Society Journal of the History of Science 65 83 98 doi 10 1098 rsnr 2010 0101 Emanuele Rigato amp Alessandro Minelli 2013 The great chain of being is still 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