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Klaus Endruweit 6 Dezember 1913 in Tilsit 3 September 1994 in Hildesheim war ein deutscher Mediziner Er war im Deutschen Reich im Rahmen der NS Krankenmorde als Arzt in der NS Totungsanstalt Sonnenstein in Pirna tatig Inhaltsverzeichnis 1 Herkunft und Studium 2 Im Zweiten Weltkrieg 3 In der Totungsanstalt Sonnenstein 4 Nach dem Krieg 5 Prozess 6 Ehrung 7 Literatur 8 Anmerkungen 9 WeblinksHerkunft und Studium BearbeitenEndruweit wurde im ostpreussischen Tilsit als Sohn eines Taubstummenlehrers geboren Er besuchte die Vorschule und das Reformreal Gymnasium in Tilsit das er Ostern 1933 mit dem Abitur abschloss Unmittelbar darauf leistete er ein halbes Jahr beim freiwilligen Arbeitsdienst in einem Dienstarbeitslager des Stahlhelm ab Anschliessend war Endruweit fur drei Wochen in einem Wehrertuchtigungslager der Hitler Jugend HJ und trat in die SA ein In Munchen nahm er im Herbst 1933 ein Medizinstudium auf Hier trat er auch in den Nationalsozialistischen Deutschen Studentenbund ein und wohnte in einem Kameradschaftshaus dieser Organisation Gemeinsam mit seinem Studienkollegen Aquilin Ullrich verpflichtete er sich nach zwei Semestern im Oktober 1934 zu einem einjahrigen Dienst in der Reichswehr den er in einem Panzeraufklarungsbataillon in Konigsberg ableistete Da er wahrend dieser Zeit kein Mitglied einer politischen Organisation sein durfte trat Endruweit vor Dienstantritt aus der SA aus um nach Ende seines Militarjahres wieder einzutreten Endruweit studierte zunachst in Konigsberg weiter wechselte jedoch zum Wintersemester 1935 36 nach Wurzburg Ebenso wie Ullrich trat auch er aus der SA aus und wurde Fahnleinfuhrer beim Deutschen Jungvolk in der HJ Im Marz 1937 ging Endruweit mit bestandenen Physikum nach Berlin studierte hier die ersten beiden klinischen Semester weiter und war als Feldscher in der HJ aktiv Er kehrte jedoch noch 1938 nach Wurzburg zuruck und nahm als Mitglied einer Wurzburger Studentengruppe zusammen mit Aquilin Ullrich und Ewald Wortmann an einer von der Gaustudentenfuhrung angeregten Studienreise nach Bessarabien teil Ziel der zweimonatigen Studienreise in das deutschsprachige Dorf Teplitz war die Beschreibung der Lage der Volksdeutschen und die Aufnahme ihres Gesundheitszustandes Hierzu untersuchte Endruweit mit zwei Kollegen 656 Einwohner Auf der Grundlage dieses Materials entwickelte er seine spatere Dissertation Die von der Studentengruppe uber ihre Reise verfasste Studienarbeit wurde beim Reichsberufswettkampf 1939 mit einem Preis ausgezeichnet Im Zweiten Weltkrieg BearbeitenWie viele seiner Studienkollegen wurde auch Endruweit am 1 November 1939 notapprobiert und als Arzt der Wehrmacht in einem Wurzburger Feldlazarett und dann in einem Infanteriebataillon im Frankreichfeldzug eingesetzt Fur seine Leistungen in der Schlacht an der Aisne erhielt er das EK II In der Totungsanstalt Sonnenstein BearbeitenSein Studienkollege aus Wurzburg Aquilin Ullrich zwischenzeitlich als Arzt am nationalsozialistischen Euthanasie Programm im Nachkriegssprachgebrauch als Aktion T4 bezeichnet beteiligt und in der NS Totungsanstalt Brandenburg tatig empfahl Endruweit dem arztlichen Leiter des organisierten Krankenmordes Werner Heyde fur eine Mitarbeit bei der T4 Organisation Endruweit der im September 1940 zum Assistenzarzt befordert worden war und im Gegensatz zu seinen ehemaligen Studienkollegen nicht Mitglied der NSDAP wurde erklarte sich hierzu bereit und wurde als u k unabkommlich ab 22 November 1940 1 in der Totungsanstalt Sonnenstein in Pirna unter deren Leiter Horst Schumann eingesetzt Nach dem Krieg schilderte Endruweit seinen Besuch in der mit der Organisation des Euthanasie Programm beauftragten Kanzlei des Fuhrers KdF M eines W issens wurde ich bei meiner Vorstellung in der KdF gleich an die Anstalt Sonnenschein zu Dr Schumann verwiesen Bevor ich jedenfalls nach Sonnenstein fuhr wurde ich in Berlin davon unterrichtet dass die Tatigkeit die ich jetzt ausuben sollte eine Geheime Reichssache sei und dass ich uber meine Tatigkeit Stillschweigen zu wahren hatte 2 In der Vergasungsanstalt Sonnenstein wurde Endruweit wegen der Abwesenheit des Leiters Horst Schumann von Kurt Borm uber den Zweck der Anstalt unterrichtet In seine konkreten Aufgaben fuhrte ihn Schumann selbst ein Endruweit ausserte spater dass er zwar aus arztlichen und moralischen Grunden seine Tatigkeit nicht gutheissen konnte an der Rechtmassigkeit der gesamten Aktion habe fur ihn jedoch kein Zweifel bestanden In seinem Prozess nach dem Krieg bestritt er jemals eine Vergasung durchgefuhrt oder Sektionen vorgenommen zu haben Fur das Schwurgericht des Landgerichts Frankfurt am Main stellte sich jedoch die Tatigkeit Endruweits wie folgt dar Der Angeklagte Dr Endruweit war sich bei seiner Tatigkeit daruber im klaren dass durch die Vorstellung bei den Arzten den Kranken eine Untersuchung vorgetauscht werden sollte Diesem Zweck dienten wie dem Angeklagten Endruweit auch bewusst war die in Sonnenstein wie in Brandenburg und Bernburg gestellten Testfragen auf die die Kranken ebenso wie in den anderen Anstalten reagierten Nach der Vorstellung bei den Arzten wurden die Kranken in den Keller gefuhrt wo sich der Totungsraum und der Verbrennungsraum befanden Der Angeklagten Dr Endruweit war jedoch niemals bei der Totung zugegen und hat auch niemals den Gashahn bedient Er hat auch keine Todesursachen ausgewahlt Seine Aufgabe nach der Totung bestand lediglich darin von einer Sekretarin vorbereitete Trostbriefe zu unterzeichnen Obwohl er zu dieser Zeit noch nicht promoviert hatte bediente er sich dabei des Decknamens Dr Bader 3 Vollig gegensatzliche Aussagen hierzu hat Endruweits damaliger Vorgesetzter Schumann als Zeuge in verschiedenen Verfahren zu Protokoll gegeben Wenn Dr Endruweit bestreitet je das Arztezimmer betreten zu haben und behauptet niemals durch das Fensterchen in den Vergasungsraum geschaut zu haben so stimmt dies nicht Alle Arzte einschliesslich Dr Endruweit wurden von mir eingewiesen und zwar bis in die letzten Einzelheiten denn schliesslich mussten sie mich ja vertreten wenn ich von Sonnenstein abwesend war Zu der Einweisung gehorte insbesondere das Einlassen des Gases und das Beobachten der Kranken durch das Fenster Ich verstehe nicht wie Dr Endruweit das bestreiten kann 4 Uber die Aufgaben der Arzte habe ich bereits in meinen fruheren Vernehmungen Angaben gemacht In diesem Zusammenhang mochte ich nochmals betonen dass auf Befehl von Brack und Heyde nur die Arzte die Gaszufuhr bedienen durften Wenn wahrend meiner haufigen Abwesenheit Transporte anfielen so mussten die mir unterstellten Arzte an meiner Stelle das Gas bedienen In Sonnenstein waren es Dr Borm und Dr Endruweit Da Dr Endruweit noch sehr jung und weich war haben wir ihn weitgehend geschont so dass ich mir vorstellen konnte dass wahrend meiner Abwesenheit vorwiegend Dr Borm das Gas bedient hat 5 Fur die Fertigung seiner Dissertation liess sich Endruweit von Mai bis Juli 1941 nach Wurzburg beurlauben Im August 1941 legte er dort am Rassenbiologischen Institut das dem Rassenpolitischen Amt der NSDAP unterstellt war bei dessen stellvertretenden Leiter Friedrich Keiter seine medizinische Dissertation zum Thema Teplitz Gesundheitliche Untersuchungen in einem deutschen Dorfe Bessarabiens im Rahmen einer Reichsberufswettkampfarbeit vor und promovierte zum Dr med Nach dem Stopp der Aktion T4 am 24 August 1941 kehrte er nach Sonnenstein zuruck Am 28 November 1941 nahm er an der Tagung uber den kunftigen Einsatz des T4 Personals in Pirna teil Er wurde als Stabsarzt im November 1941 der Organisation Todt zugewiesen und in der Nahe Breslaus verwendet Bei einem Einsatz in Frankreich traf er Heinrich Bunke den er aus dessen Zeit als Vergasungsarzt in der NS Totungsanstalt Bernburg kannte Nach dem Krieg BearbeitenAm Ende des Krieges noch an der Ostfront eingesetzt geriet Endruweit in amerikanische Gefangenschaft aus der er jedoch alsbald wieder entlassen wurde Im Juni 1945 konnte er in Hildesheim beim Stadtischen Krankenhaus gegen freie Wohnung und Verpflegung unterkommen Am 1 Juli 1946 eroffnete er eine Arztpraxis in Bettrum im Landkreis Hildesheim Gleichzeitig war er ab 1956 Vorstandsmitglied der Kassenarztlichen Vereinigung sowie von 1956 bis 1957 und 1962 bis 1965 der Arztekammer Niedersachsens in Hildesheim Dort konnte er bis zu seiner Verhaftung am 20 Juni 1962 unbehelligt praktizieren Noch am gleichen Tage erhielt er Haftverschonung gegen die Auflage sich einmal wochentlich bei der Polizei zu melden So konnte er weiterhin praktizieren Prozess BearbeitenDie Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt am Main klagte Endruweit zusammen mit den drei weiteren T4 Arzten Borm Bunke und Ullrich am 15 Januar 1965 an heimtuckisch grausam aus niederen Beweggrunden vorsatzlich und mit Uberlegung jeweils mehrere Tausend Menschen getotet zu haben Der Prozess der Hauptverhandlung vor dem Schwurgericht des Landgerichts Frankfurt am Main wurde auf den 3 Oktober 1966 festgesetzt Noch vor Prozessbeginn ordnete der Regierungsprasident in Hildesheim am 16 September 1966 das Ruhen von Endruweits Bestallung als Arzt an Ahnlich wie bei seinem Mitangeklagten loste diese Entscheidung eine Welle von Solidaritats und Sympathiebekundungen aus Kreisen seiner Arztekollegen Verbanden und verschiedenen Burgermeistern aus Im sogenannten ersten Arzteprozess fiel am 23 Mai 1967 das Urteil Die im Rahmen der Aktion T4 durchgefuhrten Massentotungen erfullen den Tatbestand des Mordes im Sinne des 211 StGB in der zur Tatzeit geltenden und in der heute gultigen Fassung Jedes menschliche Leben auch das der Geisteskranken geniesst bis zu seinem Erloschen den Schutz des 211 StGB kein Kulturvolk hat jemals eine derartige Aktion durchgefuhrt 6 Fur Endruweit wurde die Beihilfe zur Ermordung von mindestens 2 250 Geisteskranken festgestellt Er wurde jedoch wie alle anderen Mitangeklagten wegen des fehlenden Bewusstseins der Rechtswidrigkeit unvermeidbarer Verbotsirrtum fur sein Tun freigesprochen Die Angeklagten sind davon ausgegangen dass sie nur bei der Totung von Geisteskranken ohne naturlichen Lebenswillen mitwirkten und dass deren Totung erlaubt war Da hiermit die Schuld entfallt waren die Angeklagten freizusprechen 6 Am 7 August 1970 7 hob der Bundesgerichtshof das Urteil wegen sachlicher Widerspruche auf Der neue Prozess begann am 16 Dezember 1971 Schon am 6 Februar 1972 legte Endruweit eine Bescheinigung vor dass er einen Herzinfarkt erlitten habe Als vorlaufig verhandlungsunfahig schied Endruweit wie schon seine Mitangeklagten Bunke und Ullrich aus dem Verfahren aus Lediglich gegen Kurt Borm wurde das Verfahren fortgesetzt Trotz seiner Verhandlungsunfahigkeit und der seit 1978 unanfechtbaren Ruhensanordnung seiner arztlichen Bestallung konnte Endruweit illegal weiterhin seine Arztpraxis unbehelligt weiterfuhren Erst auf Weisung der Bezirksregierung wurde die Praxis am 1 Marz 1984 geschlossen Im Februar 1984 war auf die wochentliche Polizeimeldung durch die Hinterlegung einer Sicherheitsleistung in Hohe von Million DM verzichtet worden Ab dem 29 Januar 1986 wurde wieder vor dem Landgericht Frankfurt am Main gegen Endruweit Bunke und Ullrich verhandelt Gleich am ersten Verhandlungstag liess sich Endruweit aus Krankheitsgrunden von der Teilnahme entschuldigen 1990 wurde das Verfahren gegen ihn schliesslich wegen dauerhafter Verhandlungsunfahigkeit endgultig eingestellt Endruweit sah sich zu keiner Zeit als Straftater In einer Aussage am 1 Juli 1963 erklarte er Unter Berucksichtigung meiner Erziehung meines obrigkeitsstaatlichen Denkens der allgemeinen Zeitbetrachtung bin ich damals nicht auf die Idee gekommen dass eine staatliche Stelle etwas anordnen und durchfuhren konne was nicht rechtens sei 7 Klaus Endruweit ist am 3 September 1994 in Hildesheim verstorben Ehrung BearbeitenDie Bezirksstelle Hildesheim der Kassenarztlichen Vereinigung Niedersachsen und der Arztekammer Niedersachsen veroffentlichte am 7 September 1994 in der Hildesheimer Allgemeinen Zeitung einen Nachruf Darin heisst es Wir werden seiner ehrend gedenken Literatur BearbeitenErnst Klee Euthanasie im NS Staat Die Vernichtung lebensunwerten Lebens 11 Auflage Fischer Taschenbuch Verlag Frankfurt am Main 2004 ISBN 3 596 24326 2 Fischer Taschenbucher 4326 Die Zeit des Nationalsozialismus Ernst Klee Was sie taten Was sie wurden Arzte Juristen und andere Beteiligte am Kranken oder Judenmord 12 Auflage Fischer TB Frankfurt M 2004 ISBN 3 596 24364 5 Ernst Klee Klaus Endruweit Eintrag in ders Das Personenlexikon zum Dritten Reich Wer war was vor und nach 1945 Aktualisierte Ausgabe Fischer Taschenbuch Frankfurt am Main 2005 ISBN 3 596 16048 0 S 12 Henry Friedlander Der Weg zum NS Genozid Von der Euthanasie zur Endlosung Berlin Berlin Verlag 1997 ISBN 3 8270 0265 6 Thomas Schilter Unmenschliches Ermessen Die nationalsozialistische Euthanasie Totungsanstalt Pirna Sonnenstein 1940 41 Leipzig 1998 ISBN 3 378 01033 9Anmerkungen Bearbeiten Heidelberger Dokumente Gutachter Liste Faksimilie in Klee Euthanasie im NS Staat Seite 228f Aussage vom 18 Juni 1962 Seite 1 f Hessisches Hauptstaatsarchiv Abteilung 631a Band 513 zitiert nach Schilter Unmenschliches Ermessen Seite 193 Landgericht Frankfurt am Main Urteil vom 23 Mai 1967 Ks 1 66 GstA Ffm zitiert nach Klee Was sie taten was sie wurden Seite 305 Aussage Horst Schumann am 30 November 1966 Js 10 65 Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt am Main zitiert nach Klee Was sie taten was sie wurden Seite 305 Aussage Dr Horst Schumann am 17 Mai 1968 Js 18 67 Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt am Main zitiert nach Klee Was sie taten was sie wurden Seite 305 a b Ks 1 66 GStA a b 2 StR 353 68Weblinks BearbeitenLiteratur von und uber Klaus Endruweit im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek Ernst Klee Euthanasie in Die Zeit 11 1986Normdaten Person GND 124386385 lobid OGND AKS VIAF 47692922 Wikipedia Personensuche PersonendatenNAME Endruweit KlausKURZBESCHREIBUNG deutscher Totungsarzt der Aktion T4GEBURTSDATUM 6 Dezember 1913GEBURTSORT TilsitSTERBEDATUM 3 September 1994STERBEORT Hildesheim Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Klaus Endruweit amp oldid 217582218