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Aquilin Ullrich 14 Marz 1914 in Dillingen 30 Mai 2001 in Stuttgart war ein deutscher Arzt Er war im nationalsozialistischen Deutschen Reich in der Totungsanstalt Brandenburg und in der Planungsgruppe der Zentraldienststelle T4 tatig Inhaltsverzeichnis 1 Herkunft und Studium 2 In der Totungsanstalt Brandenburg und in der Zentraldienststelle T4 3 Nach dem Krieg 4 Verhaftung und Prozess 5 Literatur 6 Anmerkungen 7 WeblinksHerkunft und Studium BearbeitenAquilin Ullrich wurde am 14 Marz 1914 in Dillingen an der Donau als Sohn eines Oberstudienrates geboren und wuchs in einem katholisch und monarchistisch gepragten Elternhaus auf Ein Bruder von ihm wurde ebenfalls Arzt einer Priester seine beiden Schwestern wurden Krankenpflegerinnen Als Junge schloss er sich der katholischen bundischen Jugendbewegung an Nach dem Abitur im Marz 1933 und der Ableistung des Freiwilligen Arbeitsdienstes nahm Ullrich zunachst ein Theologiestudium auf wechselte dann aber zur Medizin Als Medizinstudent trat er im Februar 1934 in den Nationalsozialistischen Deutschen Studentenbund und in die SA ein Auf Vorschlag seines Kommilitonen Klaus Endruweit verpflichteten sich beide im Oktober 1934 zu einem einjahrigen Dienst in der Reichswehr Da er wahrend dieser Zeit kein Mitglied einer politischen Organisation sein durfte trat Ullrich vor Dienstantritt aus der SA aus um nach Ende seines Militarjahres wieder einzutreten Ullrich studierte zunachst in Munchen und 1935 36 in Wurzburg Dort trat er erneut aus der SA aus und wurde beim Deutschen Jungvolk der Hitler Jugend als Fahnleinsfuhrer aktiv Um wie er angab die Ernsthaftigkeit der Liebe zu seiner spateren Ehefrau die er 1936 kennengelernt hatte zu prufen wechselte er an die Universitat Freiburg im Breisgau Dort lernte er Heinrich Bunke kennen und trat gemeinsam mit ihm zum 1 Mai 1937 in die NSDAP ein Ab dem Wintersemester war er wieder in Wurzburg Hier fand er erstmals Kontakt zu Werner Heyde der zu diesem Zeitpunkt Oberarzt an der Universitatsnervenklinik Wurzburg war und den er als medizinische Kapazitat schatzte Als Teilnehmer einer Wurzburger Studentengruppe zu der auch Klaus Endruweit und Ewald Wortmann gehorten nahm Ullrich im Sommer 1938 an einer von der Gaustudentenfuhrung angeregten Studienreise nach Bessarabien teil Die uber ihre zweimonatige Reise in das deutschsprachige Dorf Teplitz verfasste Studienarbeit wurde beim Reichsberufswettkampf Abteilung Volkstumsforschung 1939 mit einem Preis ausgezeichnet Als Mitglied der erfolgreichen Studentengruppe wurde auch Ullrich bei der Siegerehrung am 1 Mai 1939 Hitler vorgestellt und erhielt zudem die Stadtplakette in Bronze auf Sockel 1 der Stadt Wurzburg In der Totungsanstalt Brandenburg und in der Zentraldienststelle T4 BearbeitenNach einem verkurzten Staatsexamen wurde Ullrich wie viele seiner Studienkollegen am 14 November 1939 als Arzt notapprobiert Heyde der zwischenzeitlich auch arztlicher Leiter des nationalsozialistischen Euthanasie Programms in Berlin war warb den ihm aus Wurzburg bekannten Ullrich im Marz 1940 fur die T4 Organisation an Vom 15 Marz bis November 1940 wurde er als Vertreter des Leiters der Totungsanstalt Brandenburg Irmfried Eberl eingesetzt Uber seine Aufgaben sagte Ullrich spater in seinem Prozess aus Bei den Totungsverfahren hatte ich sofern Dr Eberl anwesend war ihn bei all den Aufgaben zu assistieren fur die das Tatigwerden eines Arztes vorgeschrieben war Dies waren eine Besichtigung der entkleideten Geisteskranken in dem Vorraum vor dem Vergasungsraum und die sich daran anschliessende Totung 2 Die Visitation der Kranken musste er dazu nutzen um auffallende Kennzeichen die fur die Erstellung einer spateren Todesursache Bedeutung gewinnen konnten zu notieren 2 Die im Sprachgebrauch der Zentraldienststelle T4 Trostbriefe genannten Beileidsschreiben an die Hinterbliebenen der Getoteten gehorten zu seinen Aufgaben Hier verwendete er den Tarnnamen Dr Schmitt 2 Ende Juni oder Anfang Juli 1940 empfahl Ullrich Heyde seinen Studienkollegen aus Freiburg Heinrich Bunke und seinen Wurzburger Studienkollegen Klaus Endruweit fur eine Mitarbeit bei der T4 Organisation Bunke begann im August 1940 in Brandenburg und loste schliesslich Ullrich ab der im Dezember 1940 in die Planungsabteilung der T4 Organisation nach Berlin wechselte Hier arbeitete er auch am Entwurf eines Euthanasiegesetzes mit dessen Veroffentlichung letztlich an Hitler scheiterte Ullrich gehorte auch einer Arztekommission an die im Februar 1941 die Kranken der Betheler Anstalten erfasste 3 Im Sommer 1941 wurde Ullrich in Wurzburg zum Dr med promoviert Nach eigenen Angaben schied er im April 1942 aus der T4 Zentrale aus Vom April oder Juni 1942 bis Ende Marz 1943 war er Assistent am Pathologischen Institut der Universitat Munchen Danach diente er in der Wehrmacht Nach dem Krieg BearbeitenNach Kriegsende konnte Ullrich noch 1945 aus der amerikanischen Gefangenschaft fliehen 1946 tauchte er mit gefalschten Entlassungspapieren unter und arbeitete als Bergmann in einer Grube im Saargebiet Die Begegnung mit einem seiner ehemaligen Universitatslehrer 1949 verhalf ihm zu einer Assistentenstelle an einer Stuttgarter Klinik 1952 liess Ullrich sich als Facharzt fur Frauenkrankheiten und Geburtshilfe sowie Belegarzt einer Klinik in Stuttgart nieder Der im Sommer 1939 aus der Kirche ausgetretene Arzt fand nun auch wieder den Weg zuruck in die katholische Kirche Die Verbindung zum ehemaligen T4 Personal riss jedoch nicht ab So hat er Werner Blankenburg getroffen der unter dem Falschnamen Werner Bieleke in Stuttgart untergetaucht war Verhaftung und Prozess BearbeitenIm Rahmen der Ermittlungen gegen Werner Heyde wurde von Zeugen auch der Name Ullrich mehrfach erwahnt Am 22 August 1961 wurde er in Untersuchungshaft genommen am 8 September 1961 jedoch bereits wieder unter Auflagen entlassen obwohl er seine Tatigkeit in der Vergasungsanstalt Brandenburg eingeraumt hatte Er konnte so wieder als Arzt praktizieren und auch einen Urlaub am Schliersee verbringen Die Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt am Main erhob am 15 Januar 1965 Klage gegen die T4 Arzte Ullrich Bunke Borm und Endruweit heimtuckisch grausam aus niederen Beweggrunden vorsatzlich und mit Uberlegung jeweils mehrere Tausend Menschen getotet zu haben Der Prozess vor dem Schwurgericht des Landgerichts Frankfurt am Main begann am 3 Oktober 1966 Im so genannten ersten Arzteprozess fiel am 23 Mai 1967 das Urteil Die im Rahmen der Aktion T4 durchgefuhrten Massentotungen erfullen den Tatbestand des Mordes im Sinne des 211 StGB in der zur Tatzeit geltenden und in der heute gultigen Fassung Jedes menschliche Leben auch das der Geisteskranken geniesst bis zu seinem Erloschen den Schutz des 211 StGB kein Kulturvolk hat jemals eine derartige Aktion durchgefuhrt 4 Fur Ullrich wurde die Beihilfe zur Ermordung von mindestens 1 815 Geisteskranken davon in mindestens 210 Fallen durch eigenhandige Totung festgestellt Er wurde jedoch wie alle anderen Mitangeklagten wegen des fehlenden Bewusstseins der Rechtswidrigkeit unvermeidbarer Verbotsirrtum seines Tuns freigesprochen Die Angeklagten sind davon ausgegangen dass sie nur bei der Totung von Geisteskranken ohne naturlichen Lebenswillen mitwirkten und dass deren Totung erlaubt war Da hiermit die Schuld entfallt waren die Angeklagten freizusprechen 4 Am 7 August 1970 5 hob der Bundesgerichtshof das Urteil wegen sachlicher Widerspruche auf Der neue Prozess sollte am 16 Dezember 1971 beginnen Am 6 Dezember 1971 legte Ullrich ein Gutachten vor wonach er durch die schwerwiegende Gefahrdung bei akuten Stresssituationen nicht mehr als verhandlungsfahig angesehen werden konne Diese Einschatzung wurde amtsarztlich am 14 Dezember 1971 bestatigt so dass am 15 Dezember 1971 einen Tag vor Prozessbeginn das Verfahren gegen Ullrich vorlaufig eingestellt wurde Mit Ausnahme von Kurt Borm wurde das Verfahren auch gegen die weiteren Angeklagten vorlaufig eingestellt Ullrich konnte weiterhin seine Arztpraxis bis Februar 1984 weiterfuhren Dann ordnete der Stuttgarter Regierungsprasident das Ruhen seiner Approbation an Ab dem 29 Januar 1986 wurde wieder vor dem Landgericht Frankfurt am Main verhandelt Mit Rucksicht auf die gutachterlich bestatigte eingeschrankte Verhandlungsfahigkeit der Angeklagten Ullrich und Bunke jedoch nur einmal die Woche fur zwei Stunden Am 18 Mai 1987 verurteilte das Landgericht Frankfurt M Ullrich wegen Beihilfe zum Mord in mindestens 4 500 Fallen zu vier Jahren Haft Der Bundesgerichtshof ermassigte im Revisionsverfahren die Strafe mit Urteil vom 14 Dezember 1988 auf drei Jahre mit der Begrundung die Beihilfe zum Mord konne nur fur 2 340 Menschen nachgewiesen werden so dass sich die Zahl der Mordfalle um fast die Halfte verringert habe 6 Im Jahr 1989 musste Ulrich mittlerweile 75 Jahre alt seine Haftstrafe in der Justizvollzugsanstalt Singen antreten Nach 20 Monaten im geschlossenen Vollzug wurde er auf Bewahrung entlassen Nach der Implantation eines kunstlichen Kniegelenkes starb Aquilin Ullrich am 30 Mai 2001 Er wurde auf dem Stuttgarter Pragfriedhof beigesetzt 7 Literatur BearbeitenErnst Klee Deutsche Medizin im Dritten Reich Karrieren vor und nach 1945 S Fischer Frankfurt am Main 2001 ISBN 3 10 039310 4 S 326 und 329 Ernst Klee Euthanasie im NS Staat 11 Auflage Fischer Taschenbuch Frankfurt am Main 2004 ISBN 3 596 24326 2 Ernst Klee Was sie taten Was sie wurden Arzte Juristen und andere Beteiligte am Kranken oder Judenmord 12 Auflage Fischer TB Frankfurt am Main 2004 ISBN 3 596 24364 5 Ernst Klee Aquilin Ullrich In Ernst Klee Das Personenlexikon zum Dritten Reich Wer war was vor und nach 1945 Aktualisierte Ausgabe Fischer Taschenbuch Frankfurt am Main 2005 ISBN 3 596 16048 0 S 12 Henry Friedlander Der Weg zum NS Genozid Von der Euthanasie zur Endlosung Berlin Verlag Berlin 1997 ISBN 3 8270 0265 6 Gerhard Naser Aquilin Ullrich Arzt und Mordgehilfe In Hermann G Abmayr Hrsg Stuttgarter NS Tater vom Mitlaufer bis zum Massenmorder 3 Auflage Schmetterling Verlag Stuttgart 2021 ISBN 978 3 89657 166 3 S 108 113 Anmerkungen Bearbeiten Peter Weidisch Wurzburg im Dritten Reich In Ulrich Wagner Hrsg Geschichte der Stadt Wurzburg 4 Bande Band I III 2 Theiss Stuttgart 2001 2007 III 1 2 Vom Ubergang an Bayern bis zum 21 Jahrhundert Band 2 2007 ISBN 978 3 8062 1478 9 S 1273 Anm 60 a b c Aussage Ullrich zitiert nach Klee Euthanasie in Die Zeit 11 1986 Naheres bei Klee Euthanasie im NS Staat Seite 320ff a b Ks 1 66 GStA 2 StR 353 68 Der Erforscher des nationalsozialistischen Euthanasie Programms Ernst Klee hat dies mit den sarkastischen Worten kommentiert Wer einen Menschen ermordet wird zu lebenslanglicher Haft verurteilt Bei Beihilfe zum Massenmord gibt es offenbar Mengenrabatt Klee Was sie taten war sie wurden Seite 128 Gerhard Naser Aquilin Ullrich Arzt und Mordgehilfe In Hermann G Abmayr Hrsg Stuttgarter NS Tater Vom Mitlaufer bis zum Massenmorder 2 Auflage Schmetterling Verlag Stuttgart 2009 ISBN 3 89657 136 2 S 112 113 Weblinks BearbeitenLiteratur von und uber Aquilin Ullrich im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek Ernst Klee Euthanasie Die Zeit 11 1986Normdaten Person GND 125586051 lobid OGND AKS VIAF 20647425 Wikipedia Personensuche PersonendatenNAME Ullrich AquilinKURZBESCHREIBUNG deutscher Totungsarzt der Aktion T4GEBURTSDATUM 14 Marz 1914GEBURTSORT DillingenSTERBEDATUM 30 Mai 2001STERBEORT Stuttgart Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Aquilin Ullrich amp oldid 230855704