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Joseph Harold Greenberg 28 Mai 1915 in Brooklyn New York 7 Mai 2001 in Stanford Kalifornien war ein US amerikanischer Linguist Er ist gleichermassen bekannt fur seine Leistungen in der Sprachtypologie Universalienforschung wie bei der Klassifikation der Sprachen Afrikas Amerikas Eurasiens und des indopazifischen Raums In der zweiten Halfte des 20 Jahrhunderts war er zusammen mit Noam Chomsky einer der einflussreichsten Linguisten weltweit Viele Jahre forschte und unterrichtete er als Professor an der Stanford University Inhaltsverzeichnis 1 Leben und Wirken 2 Beitrage zur Sprachtypologie 3 Beitrage zur Klassifikation von Sprachen 3 1 Afrikanische Sprachen 3 2 Indopazifische Sprachen 3 3 Amerikanische Sprachen 3 4 Eurasiatische Sprachen 4 Hauptwerke von Joseph Greenberg 5 Literatur 6 Weblinks 7 EinzelnachweiseLeben und Wirken BearbeitenGreenberg war der Sohn des polnisch und jiddisch 1 sprechenden Vaters Jacob Greenberg 1881 2 eines Pharmazeuten und dessen deutsch sprechender Ehefrau Florence Pilzer 1891 beide seit dem 14 Juni 1914 verheiratet 3 4 Er studierte ab dem Jahre 1932 unter Franz Boas und Ruth Benedict an der Columbia University In dieser Zeit standen die Sprachen der indigenen Amerikaner im Mittelpunkt seines Interesses Dann ging er nach Chicago zu Melville J Herskovits der an der Northwestern University lehrte Hier begann er sich den nigerianischen Sprachen etwa dem Hausa zuzuwenden die er auch erlernte Seine Studien wurden durch den Zweiten Weltkrieg unterbrochen in welchem er als Kryptoanalyst codebreaker im Army Signal Corps diente Er war bei der Landung im Jahre 1942 in Casablanca Operation Torch beteiligt 5 Nach dem Krieg wurde er 1948 zum Professor fur Anthropologie an der University of Minnesota wo er sich mit den Arbeiten von Roman Jakobson Andre Martinet und dem Strukturalismus der Prager Schule vertraut machte Spater wurde er zum Professor an der Columbia University berufen eine Tatigkeit die er bis 1962 innehatte wahrend dieser Zeit beschaftigte er sich mit seinen Studien insbesondere mit den afrikanischen Sprachen Er wurde zum Mitglied der National Academy of Sciences 1965 der American Academy of Arts and Sciences 1973 und der American Philosophical Society 1975 gewahlt Greenberg war ein musikalischer Mensch und gab schon im Alter von vierzehn Pianokonzerte in der Steinway Hall Er starb an einem Leberzellkarzinom Beitrage zur Sprachtypologie BearbeitenGreenberg wurde bekannt durch seine grundlegenden Beitrage zur Sprachtypologie insbesondere zur Universalienforschung Seit den 1950er Jahren untersuchte er grosse Sprachkorpora im Hinblick auf linguistische Universalien also weltweit auftretende linguistische Merkmale in der Phonologie Morphologie Syntax und Semantik Insbesondere begrundete er die Idee der linguistischen Implikation die zu Aussagen der folgenden Art kommt Wenn eine Sprache ein bestimmtes strukturelles Merkmal X besitzt muss sie auch das Merkmal Y aufweisen Zum Beispiel Wenn eine Sprache einen Dual besitzt hat sie auch einen Plural Beitrage zur Klassifikation von Sprachen BearbeitenAfrikanische Sprachen Bearbeiten Greenberg ist allgemein bekannt und anerkannt fur seine grundlegend neue Klassifikation der afrikanischen Sprachen die er 1948 begann und nach vielen Zwischenstufen schliesslich 1963 endgultig formulierte Dieser Neuansatz war fur seine Zeit kuhn und teilweise auch spekulativ insbesondere was die Gruppe der nilosaharanischen Sprachen angeht Er pragte den Begriff Afroasiatisch als Ersatz fur den missverstandlichen und belasteten Begriff Hamito Semitisch Seine Einteilung der afrikanischen Sprachen in die vier Phyla Afroasiatisch Niger Kongo Nilosaharanisch Khoisanwar die Grundlage aller weiteren klassifikatorischen Arbeiten in der Afrikanistik seit 1963 Wahrend die genetische Einheit des Afroasiatischen und Niger Kongo heute unstrittig ist muss die Khoisan Gruppe wohl als arealer Sprachbund mit vor allem typologischen Gemeinsamkeiten betrachtet werden zum Beispiel die Schnalz Klicklaute Besonders in der Diskussion steht das Nilosaharanische das von einigen Spezialisten L M Bender C Ehret H Fleming als genetische Einheit mit einer rekonstruierbaren Protosprache aufgefasst wird wahrend andere Forscher in ihm lediglich einen Sprachbund sehen dessen Kern allerdings eine genetische Einheit darstellt Die aktuelle Diskussion betrifft die Grosse dieses Kerns Zu den Leistungen Greenbergs speziell in der Afrikanistik siehe den Artikel Afrikanische Sprachen Indopazifische Sprachen Bearbeiten 1971 schlug Greenberg die Indopazifische Makrofamilie vor die die Papua Sprachen die nicht austronesischen Sprachen Neuguineas und benachbarter Inseln die andamanischen und tasmanischen Sprachen umfasst und aus folgenden Untergruppen besteht Andamanisch die Sprachen der indigenen andamanischen Negrito Bevolkerung Tasmanisch die Sprachen der im 19 Jahrhundert ausgerotteten tasmanischen Urbevolkerung Nukleares Neuguinea Zentral Nord Sud Sudwest Neuguinea West Papua West Neuguinea Nord Halmahera Timor Alor Ost Neuguinea Nordost Neuguinea Pazifisch Bougainville Neu Britannien Zentral Melanesisch Diese Klassifikation die die australischen Sprachen nicht beinhaltet geht auf ahnliche Konzepte von A Trombetti Glottologia 1923 zuruck Sie wird heute fast ganzlich verworfen und dient auch nicht als Arbeitshypothese der mit diesen Sprachen beschaftigten Linguisten Wahrend die andamanischen und tasmanischen Sprachen jeweils eine genetische Einheit darstellen zerfallen die Papua Sprachen nach heutiger Kenntnis in ein Dutzend unabhangiger Sprachfamilien deren Kern das Transneuguinea Phylum darstellt und einige isolierte Sprachen Die Verwandtschaftsverhaltnisse der sog Papua Sprachen sind bis heute nicht abschliessend geklart Amerikanische Sprachen Bearbeiten Danach untersuchte Greenberg die indigenen Sprachen Amerikas die nach mehrheitlicher Auffassung der einschlagigen Forschung in hunderte genetische Einheiten und isolierte Sprachen zerfallen Sein 1987 veroffentlichtes Ergebnis ist die Einteilung aller amerikanischen Sprachen in nur drei genetische Gruppen Eskimo Aleutisch Eskimoisch mit Inuit Inuktitut Yupik Sirenik sowie Aleutisch Unangan Na Dene Haida Tlingit und Eyak Athabaskisch Amerindisch der gesamte Rest aller indigenen amerikanischen Sprachen Diese Dreiteilung wird durch humangenetische Untersuchungen von Luigi Luca Cavalli Sforza und durch archaologische Forschungen gestutzt die zeigen dass diese drei Gruppen zu unterschiedlichen Zeiten von Sibirien nach Amerika eingewandert sind zuletzt die Eskimos Wahrend das Eskimo Aleutische und prinzipiell auch das Na Dene als genetische Einheiten schon lange anerkannt waren fand und findet das Konzept der amerindischen Sprachen bei den meisten Amerikanisten keine Unterstutzung Fur den heutigen Stand der Amerikanistik typisch ist die Darstellung von Lyle Campbell American Indian Languages 1997 mit weit uber 200 separaten genetischen Gruppen und vielen isolierten Sprachen Die massive amerikanistische Kritik galt hier nicht nur Greenbergs Klassifikationsergebnis sondern vor allem seiner Methode des lexikalischen Massenvergleichs bei der die Klassifikation sich aus dem Vergleich von Wortern und Morphemen aus einer sehr grossen Gruppe von Sprachen ergibt Dabei werden Wortgleichungen aufgestellt und aus diesen die Klassifikationen abgeleitet die Etablierung von Lautgesetzen und die Rekonstruktion von Protosprachen ist dann ein zweiter Schritt der die Ergebnisse der vorhergehenden Klassifikationshypothese bestatigt verfeinert oder auch widerlegt Diesen zweiten Schritt hat Greenberg in der Regel anderen uberlassen Die Methode des Massenvergleichs hatte Greenberg auch schon bei seiner inzwischen weitgehend akzeptierten Klassifikation der afrikanischen Sprachen angewandt Es ist letztlich auch die Methode mit der Forscher die genetische Einheit und Gliederung des Indogermanischen oder Finno Ugrischen erkannten lange bevor Lautgesetze etabliert oder Protosprachen rekonstruiert wurden Daruber hinaus wurden Greenberg zahlreiche Fehler in seinem Datenmaterial vorgeworfen wie falsche oder nicht existierende Worter Verwendung verzerrter oder uberdehnter Bedeutungen Worter die den falschen Sprachen zugeordnet wurden falsche Zerlegung des Wortmaterials in Prafixe Wortkern und Suffixe Obwohl Greenberg in mehreren Aufsatzen seine Methode verteidigte und auch zeigte dass viele Vorwurfe nicht zutrafen diese Aufsatze sind in Greenberg 2005 zusammengefasst muss man zugestehen dass der Greenbergsche Ansatz des Amerindischen nach heutiger Einschatzung der meisten Amerikanisten weitgehend fehlgeschlagen ist Lediglich mittelgrosse Einheiten seiner Klassifikation konnten durch weitere Forschungsarbeiten bestatigt werden was bei der heutigen Zerrissenheit der linguistischen Landschaft Amerikas auch schon ein grosser Fortschritt ist Das Aufzeigen oder endgultige Widerlegen der Verwandtschaft grosserer Sprachgruppen Amerikas wird sicher noch einige Jahrzehnte intensiver linguistischer Feldarbeit und vergleichender Forschung erfordern wenn dies nicht durch das heute bereits zu beobachtende alarmierend rasche Aussterben von Indianersprachen vorzeitig unmoglich gemacht wird Eurasiatische Sprachen Bearbeiten Am Ende seines Lebens widmete sich Greenberg den Sprachen Eurasiens und bildete aus verschiedenen europaischen asiatischen und nordamerikanischen Sprachfamilien und isolierten Sprachen Sibiriens eine neue Makrofamilie die allerdings grosse Ahnlichkeiten mit der nostratischen Hypothese hat und auf Vorganger aus dem 19 und fruhen 20 Jahrhundert zuruckgeht Zum Eurasiatischen zahlt Greenberg Etruskisch Indogermanisch Uralisch Jukagirisch Altaisch mit den Unterfamilien Turkisch Mongolisch und Tungusisch Koreanisch Japanisch Ainu Giljakisch Niwchisch Tschuktscho Kamtschadalisch Eskimo AleutischDer Unterschied zum Nostratischen besteht insbesondere darin dass das Nostratische im Gegensatz zum Eurasiatischen das Kartwelische und Drawidische einschliesst aber nicht die kleineren sibirischen Gruppen und Einzelsprachen Das fruher regelmassig zum Nostratischen gezahlte Afroasiatische so auch noch Dolgopolsky 1998 wird heute auch von Vertretern des Nostratischen eher als Schwesterphylum statt als Unterfamilie angesehen wodurch sich die Ansatze von Eurasiatisch und Nostratisch starker angenahert haben zumal neuere Uberlegungen zum Nostratischen auch die sibirischen Sprachen berucksichtigen Greenberg nennt seine Arbeit zum Eurasiatischen etwas provokativ Indo European and its Closest Relatives Es ist noch zu fruh den Erfolg dieser sehr umfassenden Hypothese zu beurteilen Klassische Indogermanisten lehnen diese Folgerungen ab da sie in eine zu grosse Zeittiefe hinabreichen so dass das Material nicht mehr aussagekraftig genug sein konne In Mother Tongue VI 2001 gibt John D Bengtson eine detaillierte positive Kritik des ersten Bandes Grammar 2000 Er schliesst mit den Worten While one could quibble about certain details there is no doubt that Greenberg s grammatical evidence for Eurasiatic is a monumental achievement and a fitting capstone to his life s work as the supreme linguistic taxonomist of all time Wie beim Amerind hat Greenberg beim Eurasiatischen neben verwandten Wortern auch grammatische Elemente miteinander verglichen deren Ahnlichkeiten zum Teil recht uberzeugend sind insbesondere im Indogermanischen Uralischen und Altaischen und die durch die Konzepte Sprachbund und Entlehnung nicht einfach erklart werden konnen Hauptwerke von Joseph Greenberg Bearbeiten1949 1950 Studies in African Linguistic Classification 7 Parts Southwestern Journal of Anthropology University of New Mexico Press Albuquerque 1957 Essays in Linguistics The University of Chicago Press 1963 The Languages of Africa Bloomington Indiana University Press 1963 Some Universals of Grammar with Particular Reference to the Order of Meaningful Elements In Joseph Greenberg Hrsg Universals of Language pp 58 90 MIT Press Cambridge 1971 The Indo Pacific Hypothesis CTIL 8 Wieder abgedruckt in Greenberg 2005 1974 Language Typology A Historical and Analytical Overview Mouton The Hague Paris 1987 Language in the Americas Stanford University Press 2000 Indo European and Its Closest Relatives The Eurasiatic Language Family Volume I Grammar Stanford University Press 2002 Indo European and Its Closest Relatives The Eurasiatic Language Family Volume II Lexicon Stanford University Press 2005 Genetic Linguistics Essays on Theory and Method Edited by William Croft Oxford University Press Literatur BearbeitenDonald A Ringe A reply to Professor Greenberg Proceedings of the American Philosophical Society 1993 Vol 137 91 109 Martin Joachim Kummel Verwandte des Indogermanischen Zur Frage des Eurasiatischen und anderer Makrofamilien In Die Ausbreitung des Indogermanischen Arbeitstagung der Indogermanischen Gesellschaft Wurzburg Januar 2009 S 1 10 Gerhard Doerfer Greenberg und der Niedergang der diachronischen Linguistik In Indogermanische Forschungen Band 105 2000 S 27 46 Weblinks BearbeitenPortrat von Joseph Harold Greenberg Gedenkschrift zum Tode Joseph Greenbergs Nachruf des Stanford Report Nachruf von Bill Croft PDF What We All Spoke When the World Was Young New York Times 1 Februar 2000 Complete Bibliography of the Publications of Joseph H Greenberg PDF 50 kB Nach Language 2002 University of New Mexico Literatur von und uber Joseph Greenberg im Katalog der Deutschen NationalbibliothekEinzelnachweise Bearbeiten Nicholas Wade What We All Spoke When the World Was Young Memento vom 16 Februar 2006 im Internet Archive New York Times 1 Februar 2000 1940 US Census Census Records ancestry com All Census amp Voter Lists results for Pilzer American National Biography Joseph Greenberg Jewish Currents Memento vom 14 Juli 2014 im Internet Archive Normdaten Person GND 118541773 lobid OGND AKS LCCN n79061194 NDL 00441607 VIAF 32010188 Wikipedia Personensuche PersonendatenNAME Greenberg JosephALTERNATIVNAMEN Greenberg Joseph HaroldKURZBESCHREIBUNG US amerikanischer LinguistGEBURTSDATUM 28 Mai 1915GEBURTSORT Brooklyn New YorkSTERBEDATUM 7 Mai 2001STERBEORT Stanford Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Joseph Greenberg amp oldid 237251499