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Als Ikonophobie oder Bilderangst von altgriechisch eἰkwn eikṓn deutsch Bild und fobos phobos deutsch Furcht bezeichnet man die Furcht vor Bildern oder die Ablehnung von Bildnissen insbesondere als Merkmal bestimmter Religionen Die Bilderangst ist moglicherweise ein archaischer Grundzug menschlichen Erlebens In den Wissenschaften der Antike und des Mittelalters wurden Bilder ebenfalls noch abgelehnt oder geringgeschatzt Erst in der Neuzeit trugen die Wissenschaften zur Uberwindung der Bilderangst in den modernen Gesellschaften bei WartungDieser Artikel wurde in der Qualitatssicherung Religion eingetragen Hilf mit die inhaltlichen Mangel dieses Artikels zu beseitigen und beteilige dich an der Diskussion Inhaltsverzeichnis 1 Mogliche Ursachen 2 Ikonophobie in den Religionen 3 Ikonophobie in den Wissenschaften 3 1 Antike und Mittelalter 3 2 Neuzeit 4 Uberwindung der Ikonophobie als geschichtlicher Prozess 5 Literatur 6 Siehe auch 7 EinzelnachweiseMogliche Ursachen BearbeitenDie Ursachen fur diese Bilderangst sind noch nicht hinreichend erforscht Angenommen wird beispielsweise ein Konflikt zwischen dem mythischen Gehalt des Bildes und dem rationalen Anteil dieser Strukturen wie dies beispielsweise Horkheimer und Adorno in ihrer Dialektik der Aufklarung 1944 herausarbeiten Ursache der Ikonophobie ware demnach der archaische Konflikt zwischen Mythos und Logos Der Mythos stellt ein Bild von der Welt und umstellt die Welt mit Bildern Bolz 1991 daraus ergibt sich die Notwendigkeit einer Austreibung des Mythos aus der Kultur zur Horizonterweiterung des Menschen Aufklarung ist damit nichts anders als Tilgung des Bildcharakters von Bewusstsein also ein Entbilderungsunternehmen Diese Denkfigur taucht auch bei Nietzsche auf der von einem apollinisch dionysischen Spannungsverhaltnis im Menschen ausging und die Abstraktheit des modernen Denkens erkannte Neuere Forschungen der Bildwissenschaft aus dem Kontext des Iconic turn beginnen erstmals dieses Wechselverhaltnis wertneutral zu analysieren Ikonophobie in den Religionen BearbeitenDie judische Religion gilt ausgewiesenermassen als bilderfeindlich d h ikonoklastisch dieser Zug kommt bereits im Alten Testament in der Erzahlung von Moses und Aron zum Ausdruck Als Kern des Problems wird hier die Differenz von Wahrheit des Wortes und Schein des Gotzen Bildes altgr eidolon lat idolum genannt Ahnliche bilderfeindliche Zuge finden sich auch in der christlichen Religion Ein Hohepunkt der Auseinandersetzung fur und gegen bildliche Darstellungen des der Heiligen war der Byzantinische Bilderstreit Die Bildergegner argumentierten theologisch insbesondere christologisch wie folgt Die Person Christi habe zwei Naturen eine gottliche und eine menschliche von denen das Konzil von Chalcedon lehrte dass sie ungetrennt griechisch ἀdiairetws und unzerteilt griechisch ἀxwristws seien Die gottliche Natur lasst sich nicht umschreiben griechisch perigrafein also auch nicht malen Folglich konne ein Maler nur die menschliche Natur Christi darstellen Insofern sei eine Christusikone falsch gar haretisch da in ihr die menschliche von der gottlichen Natur Christi getrennt werde 1 Vorbehalte gegen bildliche Darstellungen gab es auch in der lateinischen Kirche zumindest bis zum Bilderdekret des Tridentiner Konzils von 1563 2 Es gab und gibt sie auch in einigen der aus der Reformation hervorgegangenen Kirchen Der Islam ist ahnlich bilderfeindlich wie das Judentum In Moscheen findet man abstrakte Fresken und kunstvolle arabische Schriftzuge in der Regel jedoch keine konkreten Darstellungen von Gott Menschen Tieren oder Gegenstanden Eine bedeutende Ausnahme bildet allerdings die Malerei des 16 bis 18 Jahrhunderts im islamischen Mogulreich in Indien 3 Ikonophobie in den Wissenschaften BearbeitenAntike und Mittelalter Bearbeiten Die Bilderfurcht der Wissenschaften die ihren Ursprung ja in der Philosophie der Antike haben reicht zumindest bis Platon zuruck der in seiner Ideenlehre eine klare Unterscheidung zwischen den Dingen an sich Urbild oder Idee altgriechisch eidos unserer ausseren Realitat und deren Abbildern vornimmt Bilder sind demnach nur Schatten von Schatten altgriechisch skia verzerren also die Schau der Dinge an sich bis zur Unkenntlichkeit Platon spricht im Liniengleichnis von vagen Bildern eikones skiai und phantasmata d h Vermutungen oder Ahnungen eikasia im strikten Gegensatz zur Vernunft noesis Bei Platon manifestiert sich dabei auch die moralische Verbindung von Erkenntnis episteme und dem Schonen und Wahren sowie dem Guten agathon und damit die moralische Abwertung der Bildhaftigkeit d h des Trugs Deshalb versteht Philosophie ihren Aufklarungsauftrag als Entbilderungsunternehmen Begriffszusammenhange treten an die Stelle von Bildwelten die per se Trugbildwelten sind So vollzieht sich das philosophische Projekt einer Entzauberung und Entauratisierung der Welt im Kampf der Begriffe mit Mythen und Metaphern Bolz 1991 In ungewohnlicher Einmutigkeit mit Platon orientieren sich dann auch Aristoteles und die an ihn anschliessenden Wissenschaftler bis ins Mittelalter an der Ablehnung der Bildlichkeit Wissenschaftliche Abhandlungen bestehen in der Regel ausschliesslich aus Text der in den Skriptorien handschriftlich verfasst und gegebenenfalls illuminiert wird jedoch keine inhaltsrelevanten visuellen Elemente enthalt Neuzeit Bearbeiten Auch die Wissenschaften der Moderne trennten sich nur bedingt von der Bilderfurcht Bilder wurden uberwiegend als illustrierendes Beiwerk einem Text beigegeben und erreichten nur selten eine Eigenstandigkeit Nach der Erfindung des Buchdrucks mit beweglichen Lettern im 15 Jahrhundert entwickelte sich in der Renaissance eine zunachst bilderlose Buchtradition d h ein alphabetisches Monopol das bis in die Moderne reicht vgl auch Marshall McLuhan 1962 The Gutenberg Galaxy Ein Umdenken findet in den Naturwissenschaften beispielsweise bei Charles Darwin Origin of Species und Ernst Haeckel Generelle Morphologie 1866 statt hier werden beschreibende Erlauterungen von Bild Diagramme verwendet die sich in reiner Schriftlichkeit kaum noch ausdrucken liessen Ein hoher Grad an Ikonophobie findet sich auch heute noch beispielsweise in der Jurisprudenz dies untersucht Klaus F Rohl im Projekt Visuelle Rechtskommunikation Hier gilt noch immer Recht ist Text Auch Fabian Steinhauer weist Bilderangst als Kennzeichen des modernen Rechtsstaats nach Uberwindung der Ikonophobie als geschichtlicher Prozess BearbeitenZahlreiche Indizien deuten auf einen fortwahrenden Prozess der Uberwindung der Ikonophobie in den Wissenschaften der westlichen Gesellschaften Bisher sind hierzu drei entscheidende Einschnitte festzustellen Mit der Entwicklung des altgriechischen Alphabets um 1000 v Chr setzt die Visualisierung von Sprache an Noch Sokrates und Platon bekampfen vehement die Trennung des Wissenden vom Wissen konnen sich jedoch nicht durchsetzen Dadurch wird die exakte Speicherung und Tradierung von Wissen uber die Traditionen der Oralitat hinweg moglich In einem zweiten Entwicklungsschritt werden Makrokosmos und Mikrokosmos sichtbar durch die Erfindung von Teleskop um 1611 und Mikroskop um 1625 Diese Entwicklungen fuhren zu einem Paradigmenwechsel in der Wissenschaft der kopernikanischen Wende und der Ablosung der Urzeugungstheorie durch die Praformationstheorie In einem vorerst letzten Schritt wird es durch Entdeckung der Rontgenstrahlen moglich das Unsichtbare sehbar zu machen um 1895 hierbei wird erstmals etwas anderes als sichtbares Licht zur Visualisierung von Objekten genutzt Rontgen bzw Computertomographie Elektronen und Ionenmikroskopie bilden dabei nur eine quantitative Verbesserung jedoch keinen qualitativen Sprung mehr Peter Rumpf Die Uberwindung der tiefsitzenden Ikonophobie ist demnach ein Prozess der sich uber mehrere Jahrtausende hinzieht und in einer Emanzipation der Bildanwendung und analyse Flusser munden konnte Literatur BearbeitenVolker Boehme Nessler BilderRecht Die Macht der Bilder und die Ohnmacht des Rechts Springer Heidelberg 2010 ISBN 978 3 642 03876 1 Klaus F Rohl Visuelle Rechtskommunikation gestern heute morgen In Heino Speer Hrsg Wort Bild Zeichen Beitrage zur Semiotik im Recht Universitatsverlag Heidelberg 2012 S 127 149 Norbert Bolz Eine kurze Geschichte des Scheins Fink Munchen 1991 ISBN 3 7705 2671 6 Siehe auch BearbeitenIkonizitat Bildersturm Technisches Bild im Sinne von Vilem FlusserEinzelnachweise Bearbeiten Ludger Schwienhorst Schonberger Bildergegner In Christ in der Gegenwart Jg 74 2022 Nr 20 S 7 Reformerlass des Tridentinischen Konzils 25 Sitzung des Konzils am 3 und 4 Dezember 1563 Douglas E Barrett Basil Grey Indische Malerei Skira Klett Cotta Stuttgart 1980 ISBN 3 88447 058 2 darin das Kapitel Die Mogulschule von Basil Gray Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Ikonophobie amp oldid 228068117