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Hans Joachim Rehse 27 September 1902 in Prenden Landkreis Niederbarnim 5 September 1969 in Schleswig war in der Zeit des Nationalsozialismus Richter am Volksgerichtshof in Berlin Seine Laufbahn demonstriert das Scheitern der deutschen Justiz in der Nachkriegszeit das verubte NS Unrecht aufzuarbeiten Todesurteil wegen Wehrkraftzersetzung und Feindbegunstigung von Roland Freisler Hans Joachim Rehse Arthur Hess Berthold Hell Heinrich Reinecke Karl Bruchhaus vom 8 September 1943 gegen Alois Geiger Inhaltsverzeichnis 1 Zur Person 2 Mitwirkung bei Todesurteilen 2 1 Gegen Max Josef Metzger 2 2 Gegen Walther Arndt 2 3 Gegen Pfarrer Muller 3 Strafrechtliche Ahndung 3 1 Der Tatbestand der Rechtsbeugung 3 2 Die Urteile in Sachen Rehse 3 2 1 Erstes Urteil LG Berlin 3 2 2 Urteil des BGH 3 2 3 Zweites Urteil LG Berlin 3 3 Ergebnis 4 Siehe auch 5 Literatur 6 Weblinks 7 EinzelnachweiseZur Person BearbeitenRehse Sohn eines Pfarrers bestand 1927 und 1930 die beiden juristischen Staatsexamina mit hervorragenden Noten In einer steilen Karriere diente er sich vom Gerichtsassessor 1931 bis zum Kammergerichtsrat 1942 hoch Von Fruhjahr 1934 bis Ende 1937 war er damals so genannter Hilfsarbeiter des Untersuchungsrichters beim Volksgerichtshof von 1939 bis November 1941 Ermittlungsrichter und ab 10 November 1941 Hilfsrichter beim Volksgerichtshof Von 1919 bis 1921 war Rehse Mitglied des Deutschen Bismarckbundes der spater in Bismarckjugend umbenannt wurde einer Jugendorganisation die der DNVP nahe stand Schliesslich wurde er von 1925 bis 1929 Mitglied der DNVP Am 1 Mai 1933 trat er der NSDAP bei Mitgliedsnummer 2 768 045 In der Nachkriegszeit war Rehse ab 1956 Richter in Schleswig Holstein 1 1969 starb er an einem Herzinfarkt 2 Mitwirkung bei Todesurteilen BearbeitenRehse wirkte als beisitzender Richter neben den Vorsitzenden Richtern Otto Georg Thierack und spater Roland Freisler im 1 Senat des Volksgerichtshofs an mindestens 231 Todesurteilen mit Gegen Max Josef Metzger Bearbeiten Der katholische Priester Max Josef Metzger hatte von Berlin aus an den schwedischen Erzbischof in Uppsala ein Manifest gerichtet in dem er in getarnter Form eine demokratische Staatsordnung fur Deutschland nach dem Krieg entworfen hatte Das Manifest war nicht fur die Offentlichkeit bestimmt und fiel durch einen Vertrauensbruch der Gestapo in die Hande In dem Todesurteil vom 14 Oktober 1943 ist unter anderem zu lesen es handele sich hierbei um Feindbegunstigung oder Hochverrat Jeder Volksgenosse weiss dass ein solches Ausscheren eines einzelnen Deutschen aus unserer Kampffront eine ungeheuerliche Schandtat ist ein Verrat in der Richtung auf Defaitismus ein Verrat den unser gesundes Volksempfinden fur todeswurdig halt Hierzu stellte der Bundesgerichtshof 3 in einem Strafverfahren gegen Dagmar Imgart die Denunziantin des Priesters bereits 1956 fest dass seine Verurteilung und die Vollstreckung des Urteils das war die Todesstrafe eine vorsatzliche rechtswidrige Totung unter dem Deckmantel der Strafrechtspflege gewesen sei Es habe sich dabei um die Ausnutzung gerichtlicher Formen zur widerrechtlichen Totung gehandelt Eine solche Rechtsanwendung diene nur noch der Vernichtung des politischen Gegners und verletze den unantastbaren rechtlichen Kernbereich Dadurch enthulle eine derartige Rechtsprechung ihr wahres Wesen als Terrorinstrument 4 Gegen Walther Arndt Bearbeiten Der Berliner Zoologe Walther Arndt hatte am 23 Juli 1943 auf einem gemeinsamen Weg zu einem Kollegen geaussert es gehe nun mit dem Dritten Reich zu Ende und es konne sich nur noch um die Bestrafung der Schuldigen handeln seit dem Reichstagsbrandschwindel habe er gewusst dass es so kommen werde Im Todesurteil vom 11 Mai 1944 ist zu lesen Nein mit A musste der Volksgerichtshof so verfahren wie mit anderen Defaitisten 5 KSSVO die unserem kampfenden Volk mit ihrem entmutigenden Zersetzungsreden in den Rucken fallen und die sich dadurch fur immer ehrlos gemacht haben Er musste zum Tod verurteilt werden damit die Siegesgewissheit und damit die Kampfkraft unserer Heimat unangetastet bleibt Gegen Pfarrer Muller Bearbeiten Ein anderes Todesurteil betraf den katholischen Pfarrer Joseph Muller Dieser hatte August 1943 einem Handwerker gegenuber geaussert die Lage sei ernst der Krieg konne leicht verlorengehen Kurze Zeit spater erzahlte Muller dem Handwerker noch folgenden Witz Ein Verwundeter habe als Sterbender gebeten die noch einmal zu sehen fur die er sterben musse da habe man das Bild Hitlers rechts das Gorings links neben ihn gestellt und da habe er gesagt Jetzt sterbe ich wie Christus Im Todesurteil vom 28 Juli 1944 ist zu lesen Wenn nach dem allen Muller seinen Witz Ein solches Verhalten ist Verrat an Volk Fuhrer und Reich Solcher Verrat macht fur immer ehrlos Ein solches Attentat auf unsere moralische Kraft kann damit ahnliche Verratslusterne abgeschreckt werden nicht anders als mit dem Tode bestraft werden Strafrechtliche Ahndung BearbeitenSchon 1957 nahm die Staatsanwaltschaft Flensburg ein Ermittlungsverfahren gegen Rehse auf das eingestellt wurde weil nicht nachgewiesen werden konnte dass Rehse fur den Tod des Angeklagten gestimmt hatte 5 Auch 1963 lehnte es das Oberlandesgericht Munchen ab Rehse wegen eines Todesurteils in einem vergleichbaren Falle zu verfolgen In Ubereinstimmung mit der Rechtsprechung des BGH fuhrte es aus dem Angeschuldigten konne nicht nachgewiesen werden dass er mit bestimmtem Vorsatz Rechtsbeugung und ein Verbrechen wider das Leben begangen habe Rehse sei dem damaligen Rechtsdenken verhaftet gewesen Angesichts der Unterworfenheit unter die damaligen Gesetze die er als verbindliches Recht angesehen und infolge Verblendung fur richtig gehalten habe konne ihm ein bestimmter Vorsatz nicht nachgewiesen werden Der Tatbestand der Rechtsbeugung Bearbeiten Das Oberlandesgericht bezog sich dabei auf eine grundlegende Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 7 Dezember 1956 6 wonach der bestimmte Vorsatz des Rechtsbeugers sich auch auf die unrichtige Rechtsanwendung beziehen musse Insoweit wich er von einer fruheren Entscheidung ab 7 Dort hielt es ein anderer Senat fur ausreichend dass der Tater wenigstens damit gerechnet habe es also fur moglich gehalten habe dass das Todesurteil objektiv rechtswidrig gewesen sei und trotzdem fur diese Strafe gestimmt habe so genannter bedingter Vorsatz der geringere Anforderungen an die innere Tatseite stellt Ausserdem genugte es dem Bundesgerichtshof in jener Entscheidung dass es fur jeden unvoreingenommenen Richter offensichtlich gewesen sei dass die Fahnenflucht der Soldaten nicht die Hochststrafe namlich die Todesstrafe verdient habe Im Ergebnis hat der Bundesgerichtshof gegenuber NS Juristen erstaunliche Milde walten lassen indem er ihnen ihre vorgebliche rechtliche Verblendung zugutegehalten hat Andere Tater wie beispielsweise Denunzianten konnten mit derartiger Milde nicht immer rechnen Zu derartigen Argumentationsmustern hat der Frankfurter Generalstaatsanwalt Fritz Bauer bemerkt Kein Mensch werde heute aus der Bewusstseinsspaltung der Juristen klug In den Entnazifizierungsakten sei zu lesen dass alle samt und sonders dagegen gewesen seien Wurden aber Richter und Staatsanwalte etwa wegen exzessiver Todesurteile zur Rechtfertigung gezogen so beteuerten sie seinerzeit in ungetrubter Ubereinstimmung mit ihrem Gewissen verfolgt und gerichtet zu haben womit nach herrschendem Juristenrecht Rechtsbeugung und Totschlag entfielen Demgegenuber hat der Bundesgerichtshof im Falle eines Richters in der damaligen SBZ der Zeugen Jehovas zu sehr hohen Freiheitsstrafen verurteilt hatte ausgefuhrt Der Angeklagte ist Volljurist von dem erwartet werden kann dass er ein Gefuhl dafur hat ob eine Strafe in unertraglichem Missverhaltnis zur Schwere der Tat und zur Schuld des Taters steht 8 Die Urteile in Sachen Rehse Bearbeiten Erstes Urteil LG Berlin Bearbeiten Rehse musste sich dann doch noch vor Gericht fur einige Taten u a wegen des oben geschilderten Falles des Pfarrers Muller verantworten Die Schwurgerichtskammer des Landgerichts Berlin lehnte sich gegen die damals gultige Behandlung von NS Tatern in Robe auf und verurteilte Rehse am 3 Juli 1967 wegen Beihilfe zu Mord in drei Fallen und Beihilfe zum versuchten Mord in vier Fallen zu funf Jahren Zuchthaus unter Anrechnung der vom 9 Februar 1967 angeordneten Untersuchungshaft Urteil des BGH Bearbeiten Der zustandige 5 Strafsenat des BGH unter dem Vorsitz von Werner Sarstedt hob demgegenuber in dem von Staatsanwaltschaft und Angeklagtem angestrengten Revisionsverfahren das Urteil des Landgerichts auf da ein beisitzender Richter des Volksgerichtshofes infolge seines gleichberechtigten Stimmrechts bei der Urteilsfallung auch unter dem Vorsitz Freislers nicht lediglich als Gehilfe sondern als Tater mitwirkte Damit Rehse jedoch als Morder verurteilt werden konne wegen der Verjahrungsfristen kam Totschlag nicht mehr in Betracht mussen auch bei ihm niedrige Beweggrunde vorliegen Dies hatte das Landgericht jedoch nicht ausreichend feststellen konnen Der Strafsenat wies zudem darauf hin dass das landgerichtliche Urteil auch bei den Ausfuhrungen zum subjektiven Tatbestand der Rechtsbeugung Unklarheiten und Widerspruche enthalte u a ubrigens auch im Zusammenhang mit den Ausdrucken Rechtsblindheit und Verblendung die im ublichen Sinne verstanden mit dem Vorsatz der Rechtsbeugung nicht vereinbar erscheinen 9 Der BGH hob das Urteil des Schwurgerichts zur erneuten Verhandlung vor dem Landgericht Berlin auf Zweites Urteil LG Berlin Bearbeiten Im zweiten Durchgang wurde Rehse freigesprochen Schwere Verfahrensverstosse seien nicht festzustellen Die damals Angeklagten seien in ihrer Verteidigung nicht behindert worden Auch aus den nur kurzen und ohne formliche Abstimmung durchgefuhrten Beratungen zur Urteilsfindung lasse sich ein strafbares Verhalten Rehses nicht herleiten Die auf die zum Tode Verurteilten angewandten Strafbestimmungen 91 b StGB und 5 der Kriegssonderstrafrechtsverordnung seien rechtsgultig gewesen Im Falle Metzger sei der Tatbestand der Feindbegunstigung erfullt was der Volksgerichtshof jedoch gerade nicht festgestellt sondern offengelassen hatte vgl die Darstellung der Urteilsgrunde im Artikel zu Max Josef Metzger Die Beweisfuhrung des Volksgerichtshofs habe sich im Rahmen sachlicher Uberlegungen gehalten Es konne Rehse nicht nachgewiesen werden dass er Strafvorschriften bewusst unrichtig angewandt habe Die Verhangung der Todesstrafe sei zwar objektiv rechtswidrig gewesen sie habe jedoch der scharfen Bekampfung der Wehrkraftzersetzung durch den Volksgerichtshof entsprochen der derartige Falle in der Regel als todeswurdig angesehen habe Das Schwurgericht meinte ob die Verurteilten sich auf ein Widerstandsrecht gegen das Unrechtsregime berufen konnten lasse sich heute nicht mehr klaren Die Staatsanwaltschaft beantragte Revision gegen das Urteil Noch bevor der BGH sich erneut in dieser Sache aussern konnte verstarb der Angeklagte in Schleswig an Herzversagen 1 Ergebnis Bearbeiten Obwohl in den 1960er Jahren die strafrechtliche Aufarbeitung des NS Unrechts in Gang gekommen war lehnte die Rechtsprechung auf ihrem eigenen Feld eine Aufarbeitung der Vergangenheit ab Das Rehse Urteil leitete das Ende der strafrechtlichen Verfolgung aller NS Justizjuristen ein Die Justiz hat die gerade in dem Urteil des BGH im Fall des Priesters Max Josef Metzger vorhandenen Ansatze den Volksgerichtshof nicht als Gericht anzuerkennen und damit die Taten der Richter ohne das Richterprivileg einer engen Auslegung des Rechtsbeugungstatbestandes zu beurteilen nicht genutzt Unbeachtet blieben auch Hinweise des Generalbundesanwaltes Max Gude aus dem Jahr 1960 wonach der Volksgerichtshof von vornherein ein politisches Instrument gewesen sei Laut Gude hatten in ihm grundsatzlich nur dem Regime ergebene Juristen gesessen zusammen mit hohen Funktionaren von Partei SA und SS ein massgebender Beamter des Volksgerichtshofs ein Oberreichsanwalt habe ihm einmal gesagt Aufgabe des Volksgerichtshofs sei es nicht Recht zu sprechen sondern die Gegner des Nationalsozialismus zu vernichten Siehe auch BearbeitenHans von DohnanyiLiteratur BearbeitenGunther Gribbohm Nationalsozialismus und Strafrechtspraxis Versuch einer Bilanz In Neue Juristische Wochenschrift 1988 S 2842 ff Matthias Meusch Von der Diktatur zur Demokratie Fritz Bauer und die Aufarbeitung der NS Verbrechen in Hessen 1956 1968 Politische und parlamentarische Geschichte des Landes Hessen Bd 26 Wiesbaden 2001 ISBN 3 930221 10 1 Justiz und Nationalsozialismus Katalog zur Ausstellung des Bundesministers der Justiz 1989 S 404 405 423 425 426 440 449 Die Zitate aus den Urteilen finden sich bei Walter Wagner Der Volksgerichtshof im nationalsozialistischen Staat 1974 S 358 402 406 vgl auch S 855 ISBN 3 486 54491 8 und bei Ingo Muller Furchtbare Juristen Die unbewaltigte Vergangenheit unserer Justiz Kindler Munchen 1987 ISBN 3 463 40038 3 S 283 284 Friedrich Christian Delius Mein Jahr als Morder Roman ISBN 3 87134 458 3 Rowohlt Berlin Verlag Arnim Ramm Der 20 Juli vor dem Volksgerichtshof Wissenschaftlicher Verlag Berlin 2007 ISBN 978 3 86573 264 4 Jorg Friedrich Die Kalte Amnestie NS Tater in der Bundesrepublik List Berlin 2007 ISBN 978 3 548 60748 1 S 390 ff Robert Pausch Freislers rechte Hand In Die Zeit Nr 26 vom 22 Juni 2017 S 23 Weblinks BearbeitenRobert Pausch NS Zeit Freislers rechte Hand In Zeit Online 21 Juni 2017 abgerufen am 5 September 2019 Arnd Koch Margaretha Bauer Rehse Hans Joachim In Lexikon der Politischen Strafprozesse Hrsg von Kurt Groenewold Alexander Ignor und Arnd Koch August 2013 abgerufen am 5 September 2019 Einzelnachweise Bearbeiten a b Arnd Koch Margaretha Bauer Rehse Hans Joachim In Lexikon der Politischen Strafprozesse August 2013 abgerufen am 5 September 2019 Robert Pausch NS Zeit Freislers rechte Hand In Die Zeit 21 Juni 2017 abgerufen am 5 September 2019 BGH NJW 1956 1485 1486 Hans Heinrich Jescheck Wolfgang Russ Gunther Willms 303 bis 358 Walter de Gruyter 2015 S 68 1 Andreas Eichmuller Keine Generalamnestie Die Strafverfolgung von NS Verbrechen in der fruhen Bundesrepublik Walter de Gruyter 2012 S 279 2 1 StR 56 56 BGHSt 10 294 300 Urteil vom 27 Mai 1952 2 StR 45 50 In MDR 1952 693 Urteil vom 16 Februar 1960 5 StR 473 59 In NJW 1960 974 Bundesgerichtshof Urt v 30 04 1968 Az 5 StR 670 67 In Jurion de Archiviert vom Original am 24 September 2016 abgerufen am 5 September 2019 Normdaten Person GND 140530797 lobid OGND AKS VIAF 107217767 Wikipedia Personensuche PersonendatenNAME Rehse Hans JoachimKURZBESCHREIBUNG deutscher Jurist Richter am Volksgerichtshof und Symbol des Scheiterns der deutschen Nachkriegsjustiz bei der NS BewaltigungGEBURTSDATUM 27 September 1902GEBURTSORT Prenden Landkreis NiederbarnimSTERBEDATUM 5 September 1969STERBEORT Schleswig Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Hans Joachim Rehse amp oldid 237538089