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Friedrich Zawrel 17 November 1929 in Lyon als Friedrich Pumperla 20 Februar 2015 in Wien 1 war ein osterreichischer Uberlebender des Kinder Euthanasie Programms wahrend der Zeit des Nationalsozialismus Friedrich Zawrel 2013 Foto Christine KainzFriedrich Zawrels Kindheit zahlt zu den am besten dokumentierten Lebenslaufen von Kindern in Osterreich zwischen 1938 und 1945 Im Alter von elf Jahren hatte Zawrel bereits funf Jahre in drei Erziehungsheimen und bei Pflegeeltern verbracht ehe er im Janner 1941 in die Krankenanstalt Am Spiegelgrund eingewiesen wurde Dort wurden ungefahr 7 500 Patienten darunter etwa 800 Kinder ermordet 2 Unter Heinrich Gross und Ernst Illing war er dort Medikamentenversuchen und sadistischen Methoden ausgeliefert und wurde als Studienobjekt fur Krankenschwesternschulerinnen benutzt Ohne Schulabschluss und Berufsausbildung wurde Zawrel mehrmals durch Eigentumsdelikte straffallig und daraufhin 1975 von Gross der jetzt ein vielbeschaftigter Gerichtsgutachter war begutachtet Zawrel ausserte ihm gegenuber Vorwurfe uber dessen NS Vergangenheit Gross fertigte fur Zawrel ein negatives Gutachten an in dem er sich auf Passagen aus Illings 1943 im Nationalsozialismus angefertigten Gutachten berief und empfahl die dauerhafte Unterbringung in einer Anstalt fur gefahrliche Ruckfallstater Zawrel konnte mit Unterstutzung des Journalisten Wolfgang Hollrigl des Arztes Werner Vogt und der Arbeitsgemeinschaft Kritische Medizin jedoch Gross Verstrickungen bekanntmachen er selbst wurde 1981 nach einem neuerlichen und diesmal unvoreingenommenen Gutachten entlassen Als Zeitzeuge trug Zawrel spater wesentlich zur Aufarbeitung der Verbrechen der NS Medizin am Spiegelgrund bei und wurde dafur mit dem Goldenen Verdienstzeichen der Stadt Wien und dem Goldenen Ehrenzeichen fur Verdienste um die Republik Osterreich geehrt Inhaltsverzeichnis 1 Leben 1 1 Kindheit 1 2 Jugend in den NS Fursorgeanstalten 1 3 Spiegelgrund Pavillon 17 1 4 Flucht nach Illings Gutachten 1 5 Ende des Krieges 1 6 Heimkehr 1 7 Scheitern des Versuchs ein normales Leben zu fuhren 1 8 Gefangen und den Psychiatern ausgeliefert 1 9 Unterstutzung fur Zawrel 1 10 In Freiheit 1 11 Tod 2 Auszeichnungen 3 Kunstlerische Auseinandersetzung 3 1 Drama 3 2 Film 3 3 Literatur 4 Literatur 5 Weblinks 6 EinzelnachweiseLeben BearbeitenKindheit Bearbeiten Als Friedrich Zawrel geboren wurde arbeitete seine Mutter Leopoldine Pumperla geboren 1910 die wegen der grossen Arbeitslosigkeit in Wien keine Arbeit gefunden hatte in einer Seidenspinnerei in Lyon Zugleich wollte sie noch nichts von ihrer Schwangerschaft ahnend von Friedrichs Vater loskommen der gelernter Schlosser war aber seit seinem 18 Lebensjahr und dem Tod seiner Mutter Alkoholiker war Friedrichs Eltern waren nicht verheiratet weshalb er zunachst nach seiner Mutter Pumperla hiess Erst als im Jahr 1939 die Eheschliessung der Eltern erfolgte bekam er den Familiennamen Zawrel Die Arzte und Schwestern in Lyon versuchten vergeblich Leopoldine zu uberreden Friedrich zur Adoption freizugeben Da sie fur eine Betreuung Friedrichs wahrend ihrer Arbeitszeit jedoch nicht genug Geld verdiente verlor sie die Arbeit Wieder zuruck in Wien wohnten sie in der Schiffmuhlenstrasse 49 in Kaisermuhlen einem Stadtteil des 22 Wiener Gemeindebezirks Sie lebten gemeinsam mit Leopoldines Schwestern Grete und Frieda geboren 1922 und 1924 und Brudern Anton und Karl geboren 1915 und 1919 sowie den Geschwistern Friedrichs die 1931 Erika und 1933 Kurt geboren wurden in einer vom Schimmelpilz befallenen Wohnung Friedrich hatte am Fussende des Bettes in dem seine Tanten schliefen seinen Schlafplatz Leopoldine Pumperla ging jeden Tag sehr fruh aus dem Haus um in Herrschaftshausern in Salmannsdorf und in der Innenstadt Putzarbeiten zu verrichten sie ging zu Fuss fur die Strassenbahn reichte das Geld nicht Friedrichs Tanten und Onkel die auf ihn aufpassten waren wie die ubrigen Hausparteien arbeitslos Fallweise erbettelten sich Friedrich und andere Kinder in einem nahegelegenen Kloster der Salvatorianerinnen etwas zu essen Als er eines Tages zu Hause vor Hunger in Ohnmacht fiel wurde er im Kloster einige Tage aufgepappelt Wenn Friedrichs Vater zu Besuch kam war er immer betrunken und oft schlug er Leopoldine Anton und Karl da er wollte dass die beiden Bruder auszogen Er liess sich Schnitzel und Bier vom Wirt holen und ass alles alleine auf wahrend Friedrich daneben stand und ihm zusah Schliesslich konnte Leopoldine das Geld fur die Miete nicht mehr aufbringen Mit der Delogierung am 20 Juli 1935 kamen Friedrich und Kurt in die Kinderubernahmestelle der Stadt Wien Grete Frieda und Erika kamen zu Pflegeeltern Karl in das Erziehungsheim Lindenhof in Eggenburg Im Gesundheitsblatt wurde Friedrichs psychisches Verhalten als lebhaft beschrieben Am 20 Oktober 1935 wurde Zawrels Bruder Kurt von Frau Maria Heilinger als Pflegekind ausgesucht Als ihr eine Schwester sagte dass sie den Bruder Friedrich dazunehmen musse meinte sie Nein den nehm ich nicht der ist viel zu schiach hasslich ehe sie ihn widerwillig doch nach Kaiserebersdorf in die Dreherstrasse 69 mitnahm Unterwegs kaufte sie fur Kurt Schokolade Friedrich bekam nichts In dem ebenerdigen Zweifamilienhaus bewohnten Maria Heilinger und ihr Mann Alois sowie ihre Eltern die eine ihr Bruder mit seiner Familie die andere Seite wobei die beiden Familien in standigem Streit lebten Vor dem Haus war ein Brunnen aber es gab weder Strom noch Gas oder Kanalisation Der Pflegevater war zunachst arbeitslos bekam jedoch aufgrund seiner Mitgliedschaft bei der Vaterlandischen Front bald eine Stelle als Hilfsarbeiter in der Holzfabrik Slavonia Kurt wurde von den Pflegeeltern verwohnt und zu Verwandtenbesuchen mitgenommen Friedrich wurde zu Arbeiten herangezogen und musste auf Holzscheiten knien Er musste sich um die hinter dem Haus in einem Stall gehaltenen Ziegen Hasen Huhner und manchmal Schweine kummern von denen sich die Familie ernahrte und er musste das Wasser zum Giessen des im Garten wachsenden Gemuses vom Brunnen holen Wenn seine Mutter ihn besuchen kam wusste er nicht was er mit ihr reden sollte da die Heilingers immer dabei waren Beim Abschied von seiner Mutter weinte er was Frau Heilinger nicht mochte Vielmehr sollte der Junge sie Mutter und ihren Mann Vater nennen Friedrich nannte sie jedoch weiterhin Frau und Herr Heilinger Als er im September 1936 mit der Volksschule begann konnte er seine Hausaufgaben erst abends machen wenn es finster wurde und er die ihm aufgetragenen Arbeiten erledigt hatte In der Schule waren er und drei oder vier im Kloster lebende Waisenkinder ausgegrenzt ihre Klassenkameraden waren Kinder der umliegenden Wirte oder Gartnereien die den Lehrern Obst und Gemuse mitbrachten und Geld hatten wenn fur die armen Kinder in Afrika Spenden gesammelt wurden Im Marz 1938 fuhren die Pflegeeltern mit Friedrich zum Heldenplatz um Hitlers Einmarsch zu bejubeln Dabei nahm der Pflegevater Friedrich zum ersten Mal an die Hand Der Schuldirektor wurde ausgewechselt Zawrel wurde von seinem Lehrer nur kritisiert und dem Gespott der Klasse ausgesetzt Als sie etwa eine Allee zeichnen sollten links und rechts mit Hakenkreuzfahnen prasentierte der Lehrer Zawrels Zeichnung als Verhohnung der Hakenkreuzfahne Weil er ein Gedicht uber selbige Fahne nicht im Sinne des Lehrers betonte wurde den Pflegeeltern geschrieben Die Sohne der Gartner und Wirte kamen mit Braunhemden zur Schule und waren schon Pimpfe Im Oktober 1939 wollte Friedrich seine Mutter suchen und lief weg Planlos herumstreunend wurde er von einem Polizisten aufgegriffen und wieder zuruckgebracht Er wurde beschuldigt dem Bruder der Mutter dreissig Reichsmark gestohlen zu haben und kam einen Monat spater wieder in die Kinderubernahmestelle und danach in das Wiener Zentralkinderheim Dort wurde im Unterricht der Volkische Beobachter gelesen und je nach Meldung das passende Partei Hitlerjugend oder Wehrmachtslied gesungen Nach dem Unterricht wurden die Buben damit beschaftigt ihre Betten immer wieder neu zu bauen Machte einer es nicht ordentlich mussten alle von vorne beginnen irgendein Makel fand sich immer Die Schwester forderte dann dazu auf sich bei demjenigen dafur zu bedanken dass er ihnen ihre Freizeit versaut hatte woraufhin sie ihn verhauten und die Schwester alle Betten wieder aufriss Sie durchschauten die Taktik nicht Auf die Toilette durften die Kinder nur stundlich Musste jemand ausserhalb der Zeit liess die Schwester die anderen vor ihren Betten antreten und sie mussten mit dem davor stehenden Stockerl Kniebeugen machen Anschliessend befahl sie ihnen jenem Kind beizubringen sich diszipliniert zu verhalten und nicht mehr ausserhalb der Zeit aufs Klo zu mussen Am 27 Marz 1940 berichtete das Zentralkinderheim an die Kinderubernahmestelle dass sich Friedrich Zawrel sehr zu seinem Vorteil verandert habe sich gut in die Gemeinschaft einfuge und fleissig willig und fur Arbeiten gut zu verwenden sei Im Juni 1940 erfolgte eine Verlegung in die Erziehungsanstalt Modling von wo er einen Monat spater nach Hause entlassen wurde Die inzwischen verheirateten Eltern waren aufgefordert worden ihre Kinder zu sich zu nehmen Mit den inzwischen geborenen Schwestern Helga 1938 und Traude 1940 waren nun funf Kinder mit den Eltern in der Wohnung in der Erdbergstrasse 3 die aus zwei kleinen Zimmern einer Kuche und einem kleinen Vorzimmer bestand Friedrich musste oft seinen betrunkenen Vater vom Wirtshaus abholen der nur in alkoholisiertem Zustand vaterliche Gefuhle zu zeigen imstande war Halbwegs nuchtern war er unnahbar und Friedrich hatte das Gefuhl fur ihn gar nicht zu existieren Auf so einem Heimweg beugte er sich nachdem zwei Wehrmachtsoffiziere an ihnen vorbeigegangen waren zu Friedrich hinunter und sagte Wenn du zu dem Verein gehst erschlag ich dich Aber wenn der Stalin kommt darfst zur Roten Armee gehen Wenig spater folgte eine Dienstverpflichtung des Vaters in der Lokomotivfabrik in Floridsdorf und er bekam eine Vorladung zum Reichsarbeitstreuhander Dieser handigte ihm eine Fibel mit Anweisungen wie er sich in Zukunft zu verhalten habe aus und drohte Wenn es die geringste Abweichung davon gibt haben wir einen Platz in Esterwegen Friedrich erfuhr von der Mutter dass der Vater sich aus Angst vor der Zukunft das Leben nehmen wollte In den folgenden Jahren hatte der Vater nie einen Rausch erschien punktlich zur Arbeit und ubergab entsprechend der Fibel der Mutter das ungeoffnete Lohnsackerl Da sein Vater als wehrunwurdig festgestellt wurde erhielt Friedrich ein Schreiben dass er von allen der NSDAP angegliederten Organisationen ausgeschlossen sei Diese Tatsache an sich krankte ihn nicht jedoch der daraus resultierende Ausschluss aus der Klassengemeinschaft der Hauptschule da andere Kinder Uniformen trugen oder zumindest ein HJ Abzeichen besassen Sie fragten ihn aus warum er nicht zu den Heimabenden kame und Friedrich wusste keine Antwort Die Mitschuler stellten Vermutungen an Na vielleicht darf er nicht weil er ein Halbjud oder ein 32stel Jud ist Na wenn er ein Jud war dann war er im Konzentrationslager Diese Aussagen stellte Friedrich Zawrel in seinem spateren Leben heraus als Beweis dafur dass die Menschen nicht nichts gewusst haben denn seine Mitschuler wussten bereits dass es Konzentrationslager gab Friedrich Zawrel wollte daraufhin nicht mehr in die Schule gehen und trieb sich auf Markten oder im Wienerwald herum Selbst als seine Mutter ihn hinbegleiten wollte lief er ihr davon Im Bericht des Klassenlehrers der spater auch in einem Gutachten von Erwin Jekelius zitiert wurde war zu lesen 3 Zawrel Friedrich beteiligt sich wenig am Unterricht Der Junge sagte ofters die Schule freue ihn nicht Er fehlte haufig obwohl die Mutter ihn zur Schule schickte Der Junge trieb sich am liebsten auf Marktplatzen umher In der Klasse war Zawrel ruhig schloss mit niemandem Freundschaft und doste vor sich hin Uben und Lernen war fur ihn eine uberflussige Tatigkeit Als Zawrels Geschwister Kurt und Erika die Schule schwanzten und auf der Mariahilfer Strasse beim Stehlen von Fullfedern Radiergummis und Christbaumschmuck erwischt wurden kamen die Beamten dahinter dass die beiden in einem Bett schliefen als Folge der Armut jedoch wurde es als inzestuoses Verhalten gewertet und den Kindern auch Friedrich Zawrel soziale Depravation unterstellt Der Vorfall diente als Begrundung fur die neuerliche Uberstellung Zawrels und der beiden alteren Geschwister in die Kinderubernahmestelle im Janner 1941 und fand sich daraufhin vierunddreissig Jahre lang in Gutachten und Beurteilungen uber Zawrel Nach kurzem Aufenthalt in einem weiteren Heim wurde Friedrich Zawrel am 21 Janner 1941 in die Fursorgeanstalt Am Spiegelgrund uberstellt Jugend in den NS Fursorgeanstalten Bearbeiten nbsp Anthropologischer Mess und Fotografierstuhl in der Gedenkstatte SteinhofFriedrich Zawrel wurde wie auch sein Bruder Kurt zunachst auf Pavillon 7 untergebracht wegen des Altersunterschiedes kamen sie jedoch in verschiedene Gruppen Zawrel wurde von Heinrich Gross untersucht und vermessen Zawrel bekam mit wie aus Nachbarpavillons Geisteskranke verschwanden und die dort beschaftigten Schwestern danach in die Erziehungsanstalt versetzt wurden er konnte die Vorgange damals jedoch noch nicht einordnen Bald wurde er in den geschlossenen Pavillon 9 verlegt Freundschaften unter den Burschen gab es nicht jedem war das eigene Uberleben wichtig und die Schwestern und Erzieher forderten dass sie sich gegenseitig bekampften Der Lehrer der fur zwei Gruppen zustandig war und zwischen diesen standig hin und her lief sah seine Aufgabe weniger im Lehren als vielmehr im Vertreiben der Zeit bis zum Mittagessen Eine der Schwestern liess die Kinder vor den als Lazarette genutzten Pavillons 4 6 und 8 in Dreierreihen aufmarschieren und fur die verwundeten Soldaten singen Nach einer dreiwochigen Verlegung in ein Spezialkinderheim in Pressbaum kam Friedrich Zawrel fur einen Monat in ein Heim in der Dreherstrasse derselben Strasse in der er vier Jahre lang bei seinen fruheren Pflegeeltern gelebt hatte In dem Heim wurden alle Kinder von schweren Alkoholikern oder schweren Kriminellen zusammengefasst 4 Am 24 September 1941 wurde er gemeinsam mit dreissig anderen Burschen nach Ybbs an der Donau in eine Aussenstelle der Anstalt Am Spiegelgrund uberstellt wahrend sein Bruder Kurt in die Erziehungsanstalt Hohe Warte und seine Schwester Erika in die Erziehungsanstalt Klosterneuburg kamen Das Heim in Ybbs das im rechten Gebaudetrakt der psychiatrischen Anstalt untergebracht war war im oberen Stockwerk durch eine den Verbindungsgang absperrende Kette an der ein Schild mit der Aufschrift Uberschreiten der Kette streng verboten hing von der psychiatrischen Anstalt abgetrennt Auf der Seite der Psychiatrie gab es ein raumhohes Gitter hinter dem sich ein Saal befand Friedrich Zawrel sah bei der Absperrkette stehend diesen Saal der mit Kranken vollgestopft war Es kam zum Blickkontakt mit einem jungen Mann der daraufhin wortlos gestikulierend um Essen bettelte Zawrel ging um nach Brotresten zu suchen uberstieg dann die Sperrkette und brachte dem Kranken das Brot Er loste damit ein furchtbares Schreien der hungrigen Kranken aus da jeder von ihnen etwas von dem Brot haben wollte 4 Zawrel wurde dafur von zwei Erziehern verprugelt und in eine Strafzelle gesperrt die nur aus Beton bestand Als er nach einigen Tagen wieder heraus durfte sollte er zum Arzt und traf neuerlich Heinrich Gross der ihn nicht mehr erkannte Gross sprach nur mit dem Erzieher und meinte Zawrel konne wieder in die Gruppe gehen Friedrich Zawrel bat jedoch um eine Salbe fur sein von den Schlagen wundes Gesass an dem immer die Unterhose festklebte und die Wunde wieder aufriss Gross verneinte und meinte es musse schon etwas wehtun und lange wehtun damit er sich merke dass so etwas wie er es getan habe verboten sei Als Zawrel wieder an dem Saal vorbeikam war der Saal leer Er erinnerte sich wie sich das Pflegepersonal am Spiegelgrund daruber unterhalten hatte dass die Nazis alle Depperten Dummen umbringen wurden Nun verstand er und der leere Saal ging ihm noch naher als der volle In seinem spateren Leben bezeichnete er Ybbs als eine der traurigsten Erinnerungen an seine Jugend im Nationalsozialismus 4 Am 3 September 1942 kam Zawrel in die Erziehungsanstalt Modling Dort holte ihn ein Erzieher nachts zu sich Zawrel nahm den Missbrauch eine Weile in Kauf da er dafur mehr Freiheiten bekam doch schliesslich storte es ihn dass er keine Nacht Ruhe hatte Als er in der Schule einschlief erzahlte er alles seinem Lehrer der entsetzt in der Direktion davon berichtete Alle Buben wurden einvernommen und es zeigte sich dass mehrere Kinder von dem Missbrauch betroffen waren Der Erzieher wurde verhaftet Zawrel kam in die Strafgruppe Nach einem Gesprach mit dem Psychiater Winkelmeier horte Zawrel wie dieser anschliessend zur Heimmutter sagte Wenn sich der Bub das so lange gefallen hat lassen uber einen so langen Zeitraum dann ist er entweder so oder er ist nicht normal Spiegelgrund Pavillon 17 Bearbeiten nbsp Eingang des Pavillon 17Am 17 Janner 1943 wurde Zawrel in den Pavillon 17 am Spiegelgrund uberstellt Er begegnete wiederum Heinrich Gross der die Zugangsvisite machte Nach einigen Tagen wurde er von Ernst Illing untersucht vermessen fotografiert und getestet und erlebte beinahe alle Grausamkeiten die in Illings Pavillon 17 ublich waren Eine Pneumoenzephalografie bei der fur eine Rontgenaufnahme vom Ruckgrat aus Luft in die Gehirnkammern gepresst wird wurde ebenso gemacht wie etwa eine Kaltwasserkur bei der er von zwei Pflegern die ihn an einer Hand und einem Fuss hielten mehrmals in eine Badewanne mit kaltem Wasser getaucht wurde bis die letzten Luftblasen aufstiegen 5 wobei er zwischendurch immer nur einen kurzen Moment an die Luft kam Anschliessend liessen sie ihn am Boden liegen und er erbrach das Wasser Zawrel bekam auch eine Wickelkur bei der er in nasse Leintucher wie eine Mumie eingewickelt auf einer Ambulanzliege festgebunden wurde bis die Leintucher von der Korperwarme getrocknet waren Er hinterfragte den Sinn der Tabletten die er taglich nehmen musste und die ihn mude und apathisch machten Als er sie einmal nicht nehmen wollte zwangen ihn die Pfleger mit Gewalt dazu in der Folge musste er den Pfleger jeden Tag darum bitten seine Tabletten nehmen zu durfen damit er schnell wieder gesund wurde obwohl er ja gar nicht krank war Wenn Zawrel in seiner Zelle war konnte er nichts anderes machen als darin auf und abgehen Im Pavillon 17 gab es keinen Unterricht und nichts womit er sich die Zeit hatte vertreiben konnen Es war verboten den Arzt bei der Visite anzusprechen trotzdem uberwand sich Zawrel Illing bei einer seiner Visiten zu fragen ob er in die Schule gehen durfe oder wenigstens ein Buch oder eine andere Beschaftigungsmoglichkeit haben konne Illing brullte ihn an Du Kreatur du hast keine Bitten vorzutragen du hast zu gehorchen Ein Trottel braucht keine Bucher Nachdem Zawrel erwidert hatte dass er nicht einmal mehr den Wochentag wisse und Illing ihn daraufhin schlug schrie Zawrel ihn an 3 Eins weiss ich sicher wenn die Russen kommen und wenn s niemanden aufhangen dich hangen s auf Zawrel wurde dafur mit einer von Gross verabreichten Speibinjektion mit dem Wirkstoff Apomorphin bestraft Zudem wurde seine Mutter zu Illing vorgeladen und befragt woher er das mit den Russen habe da er es in den anderen Heimen nicht gehort haben konne Illing drohte ihr mit dem KZ nbsp Denkmal fur die Opfer am SpiegelgrundZawrel sah durch eine zerkratzte Milchglasscheibe wie ein Mann in grauem Arbeitsmantel Kinderleichen aus dem Pavillon 15 wegbrachte Es wurde ihm klar dass dort Patienten der Reihe nach umgebracht wurden Auch fiel ihm auf dass es im Pavillon 17 jeweils um 14 Uhr ganz ruhig wurde und er vermutete dass um diese Zeit die Kinder in den Pavillon 15 gebracht wurden So bekam er Todesangst als eines Tages um 14 Uhr ein Pfleger erschien und zu ihm Anziehen sagte Doch Zawrel war nicht fur die Totung vorgesehen sondern musste Illing als Studienobjekt fur die Schwesternschule dienen Vor rund dreissig jungen Schwesternschulerinnen stand er nackt auf einem Podest und musste es uber sich ergehen lassen wie Illing mit einem Zeigestab die Merkmale seiner erbbiologischen und soziologischen Minderwertigkeit vorfuhrte Kopf Ohren und Oberkorper seien zu gross die Beine zu kurz Abschliessend schlug Illing ihm mit dem Zeigestab aufs Gesass und er sprang vom Podest Die Schwestern lachten als ware es eine Zirkusvorstellung 4 Flucht nach Illings Gutachten Bearbeiten Insgesamt zehn Mal fluchtete Zawrel zwischen 1940 und Dezember 1943 aus den Heimen in Modling und Ybbs sowie vom Spiegelgrund Er schaffte es nie langer als ein zwei Wochen unterzutauchen ehe ihn die Polizei wieder aufgriff und zuruckbrachte Dann bekam er regelmassig von Gross eine Schwefelkur Injektionen durch die er solche Schmerzen in den Beinen bekam dass er sich nur mit Muhe bewegen konnte Bei seiner Flucht am 2 Dezember 1943 versuchte er sich etwas Geld durch Kohlenaustragen zu verdienen da behauptete ein Bekannter des Kohlenhandlers Zawrel habe versucht ihn zu betrugen Nach einer Anzeige bei der Polizei wurde er wieder auf den Spiegelgrund zuruckgebracht und fluchtete am 31 Janner nochmals Als er am 6 Janner 1944 wieder gefasst und zuruckgebracht wurde machte Illing eine Eintragung im Krankenblatt in der er feststellte dass Zawrel die Schuld fur alles auf die Fursorge die Heime die Erzieher schiebe Er Illing fande es widerlich wie Zawrel sich als Opfer der Verhaltnisse darstelle Er mache gar keine Anstalten sich zu andern und ihm wurde sein bisheriges Leben wohl gefallen Als der Oberstaatsanwalt vom Jugendgericht Wien wegen der Anzeige ein jugendpsychiatrisches Gutachten anforderte verfasste Illing am 12 Janner 1944 jenes Schriftstuck auf das sich Heinrich Gross noch im Jahr 1975 bezog 3 Er stammt aus einer erbbiologisch und soziologisch minderwertigen Familie Bei dem verstandesmassig durchaus altersentsprechend begabten Friedrich Zawrel findet sich nicht der geringste Anhalt fur eine Psychose oder einen Dammerzustand Er stammt aus einer kriminellen asozialen Sippe Aufgrund des Lebenslangsschnitts und der hiesigen Beobachtungen sind Umwelteinflusse bei ihm von untergeordneter Bedeutung Vielmehr ist der Jugendliche anlagemassig charakterlich in mehreren Richtungen grob abartig Im Vordergrund steht seine monstrose Gemutsarmut auf die sein rucksichtsloses Vorgehen seine Grobheit die wiederholten Eigentumsvergehen Betrugereien selbstsicher vorgebrachten Lugnereien zuruckzufuhren sind Er hat keine Bindung an Menschen ist durch Lob und Tadel nicht zu beeinflussen sein gelegentlich gezeigtes Verhalten als ob er durch Tadel und Strafe beeindruckt sei ist weitgehend geheuchelt und uber den Verstand gesteuert Er hat sich immer wieder als reueunfahig erwiesen Er schreckt vor Drohungen nicht zuruck Nach den Schwesternberichten zeigt er bei ungunstigen Kriegsmeldungen Schadenfreude uber Missgeschicke des Reiches Er aussert ganz offen Wenn die Bolschewisten kommen gehe ich zu den Partisanen Dieses anlagemassig gegebene Charakterbild pradestiniert zu aktiven antisozialen und kriminellen Verhaltensweisen wie sie Zawrel in den ihm zur Last gelegten Eigentumsvergehen und Betrugereien bewiesen hat Wegen dieser groben seelischen charakterlichen Regelwidrigkeiten ist er trotz verstandesmassig guten Begabungen nach jugendpsychiatrischer Erfahrung als nicht erziehbar im Sinne der Fursorgeerziehung zu bezeichnen Das hindert nicht im Geringsten daran ihn im Sinne des RJGG als strafrechtlich voll verantwortlich zu beurteilen Uber den Rahmen des Gutachtens hinausgehend wird jugendpsychiatrischerseits falls die Voraussetzungen dazu erfullt sind die Verhangung von Jugendgefangnis von unbestimmter Dauer befurwortet Es muss bei dem aktiv antisozialen kriminell veranlagten Jugendlichen mit der Moglichkeit gerechnet werden dass er ruckfallig wird und gegebenenfalls spater die Anwendung des 60 des RJGG die Uberweisung in ein Jugendschutzlager in Erwagung zu ziehen sein wird Als Zawrel am 21 Marz 1944 von der Polizei abgeholt werden sollte verhalf ihm Schwester Rosa zur Flucht Sie sagte ihm im Bad liege Gewand und die Turen seien offen und Schau dass du nie wieder da herkommst Nachdem er es uber die Mauer geschafft hatte wurde er in der Rosentalgasse von einem Radfahrer dem er erst misstraute in dessen Wohnung in Hutteldorf mitgenommen und von dessen Frau eingekleidet und verkostigt Zawrel bekam noch ein paar Mark und wurde mit den Worten Vergiss das Haus verabschiedet Zawrel schlief in Sandkisten in Telefonzellen und in einer aufgelassenen Reitschule Er nahm mit seinem Bruder Kurt Kontakt auf und liess der Mutter ausrichten er werde um acht in der Fruh am Rochusmarkt auf sie warten Sie kam und brachte ihm Essen mit machte ihm aber auch Vorwurfe dass sie Angst um die Familie habe und die Polizei immer wieder bei ihr vorbeischaue weil sie den Verdacht hatte sie wurde ihm helfen Nach einigen Treffen kam Zawrel daher nicht mehr Er schlief in Stammersdorf oder Gerasdorf in Strohballen vergraben und versuchte tagsuber in Wien etwas zu essen zu finden Als er versuchte am Nordbahnhof ein Paket zu stehlen in dem er Essen vermutete wurde er sogleich verhaftet und nach einigen Tagen in das Jugendgericht eingeliefert Dort wurde Zawrel am 14 April 1944 zunachst dem Direktor vorgefuhrt und er grusste wie er es in Modling gelernt hatte und ein Schild an der Tur es forderte mit ausgestrecktem Arm und den Worten Heil Hitler Der Direktor versetzte ihm einen Schlag Zawrel kam erst in einer Einzelzelle wieder zu sich Darin gab es keinerlei Mobel unverputzte Wande eine stinkende Tonne als Klo und hoch oben ein Kellerfenster In dieser Zelle verbrachte Zawrel insgesamt acht Tage Korrektionshaft Nach Verstreichen der Zeit musste er wiederum zum Direktor Ein Beamter warnte ihn nicht wieder mit Heil Hitler zu grussen was Zawrel zwar ob der Aufforderung an der Tur nicht verstand den Rat aber trotzdem befolgte und beim Eintreten nicht grusste Auf die Frage des Direktors ob Zawrel wisse warum er in der Korrektionszelle war wusste er keine Antwort Da schrie ihn der Direktor an 3 Du bist nicht wurdig den Namen des Fuhrers in dein dreckiges Maul zu nehmen Merk dir das fur die Zukunft Bei der Verhandlung am 9 September 1944 lautete das Urteil 18 Monate Einen Monat spater wurde er zu Fuss und mit der Strassenbahn mit einer schweren Eisenkette gefesselt in die Jugendstrafvollzugsanstalt Kaiserebersdorf uberstellt Auf Anraten von Kollegen liess er sich zur Arbeit in der Wascherei einteilen Zwolf Stunden wurde wochentags gearbeitet Davor und danach mussten die Haftlinge im Exerzierhof antreten und wurden in einer lange dauernden Prozedur aufgeteilt und immer wieder durchgezahlt Dabei waren sie nur dunn bekleidet und trugen Holzpantoffeln auch im Winter Zeigten die Haftlinge dass ihnen kalt war mussten sie rechtsrum im Kreis marschieren und Es ist so schon Soldat zu sein oder andere Soldatenlieder singen Ausser im Dienstzimmer der Beamten wurde das Haus nur sonntags von 14 bis 16 Uhr geheizt die Zellen waren kalt und hatten Eisblumen an den Fenstern Geduscht wurde im kalten Bad mit eiskaltem Wasser In der Wascherei arbeitete Zawrel als Heizer jedoch musste bei Fliegeralarm das Feuer geloscht werden und es war fast jeden Tag Fliegeralarm Da die Wasche aber gebraucht wurde wurde schliesslich in der Nacht gearbeitet Herr Stefan ein fur die Wascherei zustandiger Offizier setzte fur Zawrel und seine Kollegen aufgrund der Nachtschicht besseres Essen durch statt der schlechten Gefangniskost bekamen sie fortan die Reste aus der Kaserne so musste Zawrel nicht mehr hungern und konnte auch etwas an seine Zellengenossen abgeben Auch fand er in Uniformrocken die er vor dem Waschen kontrollieren musste immer wieder Dinge die er bei Herrn Stefan gegen Marmelade tauschen konnte und eines Tages sogar gegen einen Detektorapparat Trotz guter Gelegenheiten fluchtete Zawrel nicht um Herrn Stefan keine Schwierigkeiten zu bereiten Ende des Krieges Bearbeiten Als die Rote Armee naher ruckte wurde die Arbeit in der Wascherei eingestellt aus Munchendorf wo eine landwirtschaftliche Aussenstelle von Kaiserebersdorf war wurden Gefangene uberstellt Sie brachten auch Schweine und andere Tiere mit die sogleich geschlachtet und gegessen wurden Viele Insassen vertrugen jedoch das fette Essen nach der langen Zeit in der sie nur Gefangniskost bekommen hatten nicht Zawrel behielt dank der besseren Kost in der Wascherei alles im Magen Mitte Marz 1945 wurden Haftlinge fur die Wehrmacht ausgemustert Zawrel hatte Gluck und war nicht unter ihnen litt jedoch nun wieder unter der mageren Gefangniskost Der Direktor gab sich gonnerhaft als er verkundete dass die Haftlinge evakuiert wurden da die Russen niemanden schonen wurden Am 5 April 1945 6 marschierten sie jeweils zu zweit aneinandergefesselt und bewacht von Soldaten und der SS zur Reichsbrucke Eingesperrt in den Laderaum wurden sie mit Schleppkahnen donauaufwarts gebracht Fur jeden wurden zwei Decken in den Laderaum geworfen doch weil das Recht des Starkeren zahlte hatten manche nur eine andere drei Decken Zunachst legten sie in Stein an der Donau an wo der Oberlehrer Samer der die Aktion leitete Brot und Margarine fur die Haftlinge aus der Justizanstalt Stein besorgte Als er wiederkam drohte er den Haftlingen 3 Das leiseste Aufmucken und euch geht es so wie es denen in Stein jetzt gegangen ist Nach einer Nacht in Ybbs an der Donau und drei gekochten Erdapfeln fuhren sie weiter bis Linz Fliegeralarm samt folgendem Bombenhagel und Schaukeln des Kahns liess viele der geschwachten Jugendlichen erbrechen oder vor Angst in die Hose machen einer kam um einer totete sich selbst Die Toten wurden mit dem Fuss durch die Reling ins Wasser gestossen Zu trinken gab es nur Donauwasser Als Schwestern und Arzte vom Roten Kreuz kamen und die Jugendlichen sahen erklarten sie sie fur transportunfahig sie gehorten in ein Lazarett Samer aber meinte dass das nicht ihre Sorge sei wohin die Burschen kamen sei sein Auftrag Das Rote Kreuz versorgte die Jugendlichen noch mit Reissuppe und einem Stuck Brot ehe der Kahn nach Passau weiterfuhr Wer noch gehen konnte bekam am Landgericht Erdapfelsuppe Auf dem Ruckweg konnten einige Burschen mithilfe von Passanten fluchten doch Zawrel fuhr weiter mit dem Kahn mit der als nachstes Straubing ansteuerte Samer besorgte wiederum Brot ehe sie weiterfuhren Immer wieder starben Burschen am verseuchten Donauwasser Sie erreichten Regensburg wo alle an Land gehen mussten Einige waren zu schwach sie wurden von Soldaten aus dem Laderaum gezerrt Samer verkundete 3 Hier ist die Reise zu Ende aber wir haben das grosse Gluck nicht mehr den Sowjets in die Hande zu fallen hochstens den Amerikanern Alle mussten in die Justizvollzugsanstalt Regensburg sie bekamen Suppe und Brot Ein nebenan gelegener Frachtenbahnhof wurde laufend bombardiert dabei wurde nachts ein Gebaudetrakt der Justizanstalt getroffen Zawrel und seine Zellengenossen konnten nur durch nasse Tucher atmen weil so viel Staub in der Luft lag Am nachsten Tag dem 26 April 1945 7 wurden die Haftlinge vom amerikanischen Militar befreit die Zellen wurden aufgesperrt Die Jugendlichen bekamen Kakao und warme Krapfen ausserdem Entlassungskarten mit denen sie schauen sollten wie sie nach Hause kamen Wahrend viele unter ihnen falsche Namen angaben dachte Zawrel dass er das wegen des einen Pakets das er unter Hitler gestohlen hatte nicht notig hatte Die Entlassungskarte berechtigte Zawrel zur Teilnahme an den Ausspeisungen welche die Amerikaner fur Zwangsarbeiter und Menschen aus Konzentrationslagern eingerichtet hatten Nachdem er mit zwei Freunden aufgebrochen war bekam er die Ruhr und landete im Lazarett wo er vier Wochen lang gepflegt wurde und gutes Essen erhielt Heimkehr Bearbeiten Zawrel stahl ein Fahrrad um damit von Regensburg zuruck nach Wien fahren zu konnen Da die Post nicht funktionierte wurde er auf dem Weg nach Passau zum Ersatzbrieftrager Die Menschen fragten ihn wohin er fuhr und gaben ihm ihre Post mit Ubergab er sie den Adressaten bekam er meistens etwas zu essen Da die Amerikaner in Passau niemanden passieren liessen tauschte Zawrel einige Kilometer stromaufwarts das Fahrrad gegen die Uberfahrt uber den Inn mit einer Zille Er schlug sich zu Fuss durch bis Enns doch liessen die Amerikaner dort niemanden passieren Er horte Geruchte wonach sich in Wien die Leichen stapelten und bereits Seuchen ausgebrochen seien Auf Nachfrage im Burgermeisteramt wie er nach Hause kommen konne wurde er dem Bauernhof Meier in der Wies in Grunbrunn zugewiesen wo er in einer Stube neben dem Pferdestall ubernachten durfte und zu essen bekam Ausser Zawrel waren auch noch aus der Kriegsgefangenschaft zuruckgekehrte Soldaten und ehemalige polnische Zwangsarbeiter auf dem Hof so dass beim Essen an die dreissig Menschen beisammensassen und aus einer gemeinsamen Suppenschussel loffelten Der Bauer Johann Winkler erzahlte Zawrel dass er beim NS Bauernbund gewesen war und ihm deshalb jetzt strafweise so viele Leute zugeteilt wurden Zawrel freundete sich mit dem zwolfjahrigen Sohn an und fragte Winkler ob er beim Arbeiten mithelfen konne Als er in landwirtschaftliche Tatigkeiten eingewiesen wurde hatte er das Gefuhl dazuzugehoren Uber die Tochter des von Winkler belieferten Zuckerfabrikanten konnte Zawrel die neue Adresse seiner Eltern in der Geologengasse 4 ausfindig machen das Haus in dem sie fruher lebten war zerbombt Sie liessen Zawrel ausrichten dass er nicht alleine heimkommen solle der Vater wurde ihn abholen Dieser kam und roch wieder nach Alkohol er hatte erneut zu trinken begonnen als er den ersten Russen sah Er verurteilte Winkler fur dessen Mitgliedschaft in der NSDAP Zawrel fand das ungerecht da er schliesslich keine Kriegsverbrechen begangen habe Er wollte lieber auf Winklers Hof bleiben da er aber noch minderjahrig war blieb ihm nichts anderes ubrig als mit dem Vater zu gehen Winkler fullte ihnen noch Rucksacke mit Essen Speck und einer Flasche Schnaps In Enns trafen sie nun auf Russen Der Vater spendierte eine Flasche Schnaps und sie konnten weitergehen Ab St Valentin fuhren sie mit dem Zug Wahrend der Fahrt begann der Vater eine Rauferei mit einem anderen Passagier und die Mitreisenden drohten am Westbahnhof zur Polizei zu gehen Der Vater schlug die Mutter den Bruder und Zawrel und er bestimmte dass Zawrel bei einem befreundeten Wirt Kellner werden sollte was er nur widerwillig befolgte Da er in der Berufsschule kein Zeugnis vorweisen konnte musste er die Lehre jedoch beenden Wenn der Vater abends nicht nach Hause kam ging Zawrel ihn suchen damit er nicht das ganze Geld ausgab Zawrel sagte seiner Mutter dass er es nicht mehr aushalte und zuruck nach Oberosterreich gehen wolle Nachdem sie ihn bis Hutteldorf Hacking begleitet hatte machte er sich zu Fuss auf den Weg und kam bis Amstetten Dort wurde er von einem Gendarmen kontrolliert und weil er kein Geld hatte wegen Landstreicherei festgenommen Er wurde zu acht Tagen strengem Jugendarrest verurteilt Nachdem er diese abgesessen hatte wurde er nach Hause geschickt Bei einem Unternehmen in Amstetten durfte er gegen Hilfe beim Aufladen in einem LKW bis Wien mitfahren Zu Hause angekommen erlebte er wieder die gleiche Holle aus der er gefluchtet war Er schlief nur mehr zu Hause wenn sein Vater nicht da war wenn er kam ubernachtete Zawrel bei Bekannten Da er keine Arbeit hatte hielt er sich mit mehr oder weniger strafbaren Handlungen uber Wasser und wurde im September 1946 erneut verhaftet Obwohl das Jugendgericht fur ihn zustandig gewesen ware wurde er ins Landesgericht Wien eingeliefert Als Neuzugang sollte er duschen gehen doch hielt ihn vor dem Bad ein Justizwachebeamter auf und sagte Geh wart da ist noch ein Kopfler drin So wurden die zum Tod Verurteilten genannt Zawrel sah dass es sich um den wenig spater hingerichteten Ernst Illing handelte Zawrel wurde bei seiner Verhandlung am 28 November 1946 wegen mehrerer kleiner Eigentumsdelikte zu einer Jugendgerichtsstrafe verurteilt die er in der Haftanstalt Graz Karlau zur Ganze absitzen musste ehe er Anfang Mai 1948 entlassen wurde Obwohl er seiner Mutter geschrieben hatte dass er nicht mehr nach Hause kommen wurde holte sie ihn am Entlassungstag ab und so kam er doch mit Scheitern des Versuchs ein normales Leben zu fuhren Bearbeiten Zawrel suchte Arbeit und wurde am Hietzinger Platz in einem Offizierskasino der Englander als Schankbursche aufgenommen Er arbeitete sechs Wochen liess sich nichts zu Schulden kommen doch die Englander hatten Auskunfte uber ihn eingeholt und so sagte der Geschaftsfuhrer zu ihm Du Fritz es tut mir leid aber ich muss dich entlassen Warum hast du mir denn nicht gesagt dass du vorbestraft bist Zawrel fand sofort wieder Arbeit als Schankbursche diesmal in einem Weinhaus mit vielen Filialen wo er am 1 September 1948 zu arbeiten begann Dort lernte er seine erste Freundin und spatere Frau Elfi kennen die gegenuber seinem Arbeitsplatz bei ihren Eltern wohnte und eine Lehre im Globus Verlag machte Weil er immer bis zur letzten Strassenbahn arbeiten musste und nur mittwochs frei hatte nahm er das Angebot als Hilfsarbeiter in einem LKW mitzufahren und dabei ein freies Wochenende zu haben gerne an Zawrel war auch fur das Inkasso beim Ausliefern zustandig und hatte abends oft 50 000 Schilling in der Tasche Sein Chef vertraute ihm er wusste nichts von Zawrels Vorstrafen Ein Bruder seines Chefs der einen Gewurzgrosshandel betrieb wollte Zawrel als Fahrer abwerben Zawrel hatte keine schweren Sacke mehr schleppen mussen und ein zweiter Bruder des Chefs wollte ihm den Fuhrerschein bezahlen Doch Zawrel schlug das Angebot aus weil er ahnte dass er wegen seiner Vorstrafen keinen Fuhrerschein bekommen wurde Letzteres bekam er bei einer Nachfrage auf der Polizei in der Juchgasse bestatigt in einer Weise dass er sich an Illing erinnert fuhlte Da sein Chef ihn standig fragte wann er den Fuhrerschein mache gestand Zawrel ihm Anfang Februar 1950 seine Vorstrafen Der Chef hielt zwar zu ihm und meinte wenn Zawrel ihm fruher davon erzahlt hatte hatte er ihn wegen des Fuhrerscheins nicht so sekkiert Jedoch fuhlte sich Zawrel von da an beobachtet und hielt die Situation nicht mehr aus Als er in Krankenstand ging sprach der Chef mit seiner Mutter Der Friedrich soll wieder kommen Er ist doch nur im Krankenstand weil er nicht mehr kommen will Zawrel kam nicht mehr Er zog zu seiner Freundin Elfi und als sie schwanger wurde heirateten die beiden Beide waren noch nicht volljahrig und brauchten das Einverstandnis der Eltern Am 27 April 1950 kam Sohn Friedrich zur Welt Zawrel arbeitete zunachst wieder als Schankbursche spater als Rangierer bei der Sowjetischen Mineralolverwaltung in der Lobau Nachdem er im Februar 1952 zwischen einer Lok und der Laderampe eingeklemmt worden war folgte ein monatelanger Krankenstand Wegen auch danach noch andauernder Schmerzen bat er um eine leichtere Arbeit und wurde in eine USIA Filiale am Karlsplatz versetzt wo er Mehl Griess und Zucker aus grossen Sacken in kleine abfullten musste Der kleine Raum erinnerte ihn an ein Verlies und er empfand die Arbeit als Strafe Die Ehe im Kabinett bei den Schwiegereltern ging anfangs gut doch kam es mit den Schwiegereltern immer wieder zu Auseinandersetzungen etwa weil Zawrel sich weigerte zum Trachtenverein Oberlandler mitzukommen Die Schwiegermutter trank und die Verwandten die standig die Wohnung bevolkerten ebenso Zawrel konnte Alkohol nicht ausstehen Auch um den Sohn gab es Reibereien zwischen Zawrel seiner Frau und den Schwiegereltern Weil der Schwiegervater seit dem Ersten Weltkrieg Tuberkulose hatte empfahl die Lungenfursorge Zawrel und seine Frau sollten mit dem Kind ausziehen Zawrel bekam vom Wohnungsamt ein Reihenhaus in der Per Albin Hansson Siedlung angeboten Die Schwiegermutter wollte nicht dass ihre Tochter vom 15 in den 10 Bezirk zog daher schaute Elfi deren Eltern immer noch das Sorgerecht hatten das Haus gar nicht an Stattdessen fand die Schwiegermutter eine Zwei Zimmer Wohnung in der Nahe die uber einer Kohlenhandlung lag Wegen des Kohlenstaubs konnten sie kaum die Fenster offnen Als Folge der nicht endenden Streitigkeiten zog Zawrel wieder zu seiner Mutter Elfi reichte die Scheidung ein und gab an Zawrel hatte keine Zeit fur das Kind und ausserdem trinke er Ihr Anwalt kam hinter Zawrels Vorstrafen die er ihr verschwiegen hatte Nach der Scheidung wollte er ofter Kontakt aufnehmen um seinen Sohn zu sehen scheute jedoch die Konflikte Als Zawrel Jahre spater das Gesprach mit seinem Sohn suchte beschuldigte dieser ihn er habe seine Mutter umgebracht Nachdem sie bis 1970 ein zweites Mal verheiratet gewesen war zog sie zu ihrem Bruder von dem sie eines Tages im Alter von 39 Jahren tot aufgefunden wurde 3 Zawrels Vater der nur im Krieg gearbeitet hatte und im Jahr 1945 zur Honner Polizei 8 gehorte war wegen Lungenasthma in Fruhpension die Mutter arbeitete in der Kuche der Ottakringer Brauerei Wegen der Trunkenheitsexzesse des Vaters drohte eine Delogierung die Zawrel und seine Schwestern abwendeten indem sie fur den Vater eine Wohnung mieteten Die Mutter ging zweimal die Woche hin um zu putzen und zu kochen bis er 1970 starb Zawrel gab nach dem Tod des Vaters seine Arbeit bei der USIA auf und lernte nun dessen Freunde und deren Milieu kennen Gentlemen Ganoven die ihre Raubzuge ohne Gewalt durchfuhrten Als Zawrel 1972 eine Vorladung aufs Landesgericht Wien erhielt wusste er dass es um einen mehrere Monate zuruckliegenden Supermarkteinbruch ging den er mit zwei Komplizen begangen hatte Einer befand sich bereits in Haft durch dessen Autodiebstahl alles aufgeflogen war Zawrel der inzwischen bei einem Gebrauchtwagenhandler arbeitete kundigte seine Stelle und statt der gerichtlichen Vorladung Folge zu leisten tauchten er und der dritte im Bunde in Italien und Frankreich unter wo sie sich mit Gelegenheitsdiebstahlen uber Wasser hielten Er bekam den Tipp nach Lourdes zu fahren um an Geld zu kommen doch als er das Elend der Kranken sah verliess er Lourdes fluchtartig und kehrte im Spatherbst 1974 nach Hause zuruck Eine Woche spater kam er wegen des 1972 verubten Supermarkteinbruchs in Untersuchungshaft Gefangen und den Psychiatern ausgeliefert Bearbeiten Nach einem Jahr Untersuchungshaft wurde Zawrel am 27 Dezember 1975 dem inzwischen meistbeschaftigten Gerichtspsychiater Osterreichs Heinrich Gross vorgefuhrt Zawrel hatte uber all die Jahre Gross Tatigkeit als Gerichtspsychiater uber die Zeitungen verfolgt und konnte nicht verstehen wie es moglich war dass ein Mann mit so einer Vergangenheit eine so wichtige Stellung im Justizapparat haben konnte zumal seine Vergangenheit durch den Prozess vor dem Volksgericht bekannt war 3 Gross gegenubersitzend sagte Zawrel 9 Glauben Sie mir ich kenne Menschen die haben hunderttausende Mal mehr verbrochen wie ich aber die sind heute wieder angesehene Leute sind in hohen Funktionen und so Gross verstand nicht und erkannte Zawrel nicht Auf die Frage ob er schon einmal psychiatriert worden sei antwortete Zawrel 9 Herr Doktor fur einen Akademiker haben sie aber ein sehr schlechtes Gedachtnis Herr Doktor konnen Sie uberhaupt noch gut schlafen Haben sie schon vergessen die vielen toten Kinder vom Pavillon 15 haben sie schon die gemarterten und misshandelten Kinder vom Pavillon 17 vergessen Gross fragte Zawrel ob er noch andere von damals kenne und ob er jemandem davon erzahlt habe Nachdem Zawrel die Fragen verneint hatte er hatte seiner Mutter wegen der jungeren Geschwister versprochen nie wieder uber den Spiegelgrund zu sprechen meinte Gross das andere die Lage und versprach Zawrel in kameradschaftlicher Weise jede gutachterliche Hilfe Mit dem Gutachten das er anfertigte sprach er sich jedoch dafur aus Zawrel in einer Anstalt fur gefahrliche Ruckfallstater fur immer hinter Gitter zu behalten und untermauerte dies u a mit dem Gutachten Illings aus dem Jahr 1943 Am 3 Mai 1976 schrieb Zawrel einen Brief an Justizminister Christian Broda in dem er ihm die Sachlage schilderte und seine Besturzung daruber ausserte dass dreissig Jahre nach dem Tod des wegen 250 fachen Meuchelmords hingerichteten Illing Gross noch als Gutachter auftreten durfe Es kam keine Antwort auch nicht auf einen neuerlichen Brief den Zawrel am 15 Mai abschickte Am 25 Mai wurde Zawrel zu sechseinhalb Jahren Gefangnis und anschliessender Einweisung in eine Anstalt fur gefahrliche Ruckfallstater verurteilt Als er beim Hinausgehen zu Gross sagte dies sei dessen letzte Gaunerei warnte Gross ihn er solle vorsichtig sein in der Psychiatrie ist es nicht so schon 9 Ein Schreiben an den Oberstaatsanwalt Otto F Muller blieb ebenfalls unbeantwortet Am 21 Juli 1976 wurde Zawrel in die Strafanstalt Stein uberstellt und bekam dort am 23 Februar 1977 Besuch von dem Neurologen und Psychiater Otto Schiller der mit Gross befreundet und ebenfalls Gerichtssachverstandiger war Schiller sollte ein Gutachten zur Frage der Voraussetzungen fur eine Einweisung in eine Anstalt fur gefahrliche Ruckfallstater erstellen und dabei auf die Vorwurfe Zawrels gegen das Gutachten von Gross eingehen Auch dieses ein halbes Jahr spater fertiggestellte Gutachten fiel fur Zawrel vernichtend aus Schiller stellte alles so dar als hatte sich Zawrel seine Erlebnisse am Spiegelgrund nur eingebildet Unter anderem schrieb er uber Zawrel 3 Bei Friedrich Zawrel handelt es sich um ein psychopathisches Syndrom das bewiesen durch die Tatsachen der Vorstrafen zu schweren Einordnungsschwierigkeiten im Leben gefuhrt hat Als Beweis fur Gross Unschuld fuhrte er an dass dieser im Wahlkampf im Fruhjahr 1971 zum Befurwortungsgremium fur den Bundesprasidenten Franz Jonas gehorte und der Bundesprasident schliesslich auf Sauberkeit bedacht sei Werner Vogt schrieb 1989 uber dieses Gutachten 9 Als Schiller das von sich gab fand sich kein Richter der das Gutachten dorthin getan hatte wo es hingehort Zuerst dem Verfasser um die Ohren dann auf den Mist Unterstutzung fur Zawrel Bearbeiten Nachdem Zawrel zunachst vollig verzweifelt war kam er im Herbst 1978 auf die Idee sich an den Kurier zu wenden Er schaffte dies mittels eines Kassibers den ein zu entlassender Haftling fur ihn hinausschmuggelte Zwei Wochen spater kam der Journalist Wolfgang Hollrigl zu ihm und der als sehr fortschrittlich geltende Gefangnisdirektor Schreiner sagte zu Zawrel Das hast du nicht blod gemacht Hollrigl horte sich im Beisein des Direktors eineinhalb Stunden Zawrels Geschichte an Am 17 Dezember 1978 erschien im Kurier der ganzseitige Artikel mit dem Titel Ein Haftling erkannte in Osterreichs meistbeschaftigtem Gerichtspsychiater Dr Gross einen NS Arzt wieder Ein Arzt aus der NS Morderklinik Nicht nur die Vergangenheit von Gross wurde darin beleuchtet auch einige auf Basis seiner Gutachten gefasste Urteile aus grossen Prozessen wurden kritisch unter die Lupe genommen 10 Der Oberst aus der Justizwache der an diesem Tag die von den Haftlingen abonnierten Tageszeitungen zensierte etwa wurden Artikel uber Verurteilungen schwarz angemalt fragte Zawrel ob er Hollrigls Artikel unzensiert lassen solle Zawrel wollte dass alle ihn lesen konnen und erntete grosse Zustimmung von Mitgefangenen die ebenfalls von Gross begutachtet wurden Zudem bekam er nun eine Einzelzelle in der er sich wohler fuhlte als in der Gemeinschaftszelle 3 Er konnte sich in Stein auch weiterbilden und dankte dafur namentlich dem Sozialarbeiter Karl Rottenschlager 11 Die Arbeitsgemeinschaft Kritische Medizin zu der Michael Hubenstorf der bereits zuvor auf Gross aufmerksam geworden war und Werner Vogt gehorten engagierte sich in der Sache Gross verklagte Vogt wegen ubler Nachrede Vogt hatte Gross im Janner 1979 auf einem Flugblatt die Beteiligung an der Totung von hunderten geisteskranken Kindern vorgehalten In dem Verfahren das in Erster Instanz am 22 Februar 1980 zu einem Schuldspruch fur Vogt fuhrte sollte Zawrel aussagen doch als er vom Spiegelgrund berichten wollte fuhr Richter Bruno Weis ihn an dass das nicht hierher gehore Die kritischen Mediziner und Vogts Anwalt Johannes Patzak sammelten immer mehr Beweise obwohl ihnen mancher Weg versperrt wurde z B bekam Patzak obwohl er eine Vollmacht von Zawrel besass keine Einsicht in dessen Krankenkartei Am 30 Marz 1981 folgte der Freispruch Vogts vor dem Oberlandesgericht Wien unter Richter Peter Hoffmann Das war zwar keine Verurteilung Gross aber eine Schuldigsprechung 12 Die Staatsanwaltschaft klagte ihn dennoch nicht wegen Beihilfe zum Mord an sondern befand dass es sich bloss um Totschlag handle und dieser sei verjahrt Vogt setzte sich nach seinem eigenen Freispruch fur Zawrels Entlassung ein Im Juni 1981 veroffentlichte er im Profil einen Cover Artikel mit der Schlagzeile Justizskandal Zawrel Wer schutzt uns vor Gerichts Gutachten und stellte darin fest 13 Ich habe seine Krankengeschichte seine Gerichtsakten Urteile Gutachten gelesen und bin uberzeugt dass man Friedrich Zawrel befreien muss Was er getan hat steht in keinem Verhaltnis zu dem was ihm angetan wurde Zawrel wurde am 27 Juli 1981 nach einem neuerlichen diesmal von Gerhard Kaiser durchgefuhrten und vollig anders klingenden Gutachten im Alter von 52 Jahren aus der Haft entlassen 3 In Freiheit Bearbeiten Zawrel zog wieder zu seiner Mutter die inzwischen in Pension war und arbeitete in einer Siebdruckfirma 1983 machte er den Fuhrerschein und fand eine Anstellung als Lieferfahrer eines Wiener Buro und Schulartikelherstellers der unter anderem mit Jugend am Werk zusammenarbeitete Durch seine Tatigkeit musste er auch mehrmals wochentlich auf den Steinhof den ehemaligen Spiegelgrund um die dortige Werkstatte von Jugend am Werk mit Arbeit zu beliefern Im selben Haus wie die Werkstatte befand sich auch die Dienstwohnung von Gross und so begegnete er ihm mehrmals Die beiden grussten sich nicht In der Hoffnung den Steinhof nicht mehr beliefern zu mussen erzahlte Zawrel seinem Chef davon doch es erfolgte keine Anderung Nach einem Herzinfarkt wurde Zawrel 1996 in Pension geschickt und bezog eine Mindestpension mit Ausgleichszulage von rund 8 000 Schilling Mit Werner Vogt nahm Zawrel nach seiner Haft zunachst nur sparlich Kontakt auf denn er hatte wegen seiner kriminellen Vergangenheit Hemmungen und wollte ihm nicht schaden Auch als ein weiteres Spiegelgrundopfer Johann Gross sich bei ihm wegen eines gemeinsamen Treffens meldete schlug er das Angebot aus Zawrel war wie er in seiner Biografie 2001 erzahlte froh dass er zu Hause sein konnte und alles vorbei war Und dass ich lebe Ich habe die Erfahrung gemacht dass alles sinnlos ist Ich bin gegen eine Mauer gerannt Gross ist weiter der angesehene Gutachter und verdient Millionen Schliesslich kam es Ende 1997 doch noch zu einer Mordanklage gegen Gross nach akribischen Recherchen des Historikers Mathias Dahl und der Profil Redakteurin Marianne Enigl der Anzeige durch Wolfgang Neugebauer und die Staatsanwaltschaft schlug neuerlich die Einstellung des Verfahrens vor durch die Befurwortung der Anklage in einer Parlamentsdebatte nachdem sich Elisabeth Pittermann und Erwin Rasinger dafur ausgesprochen hatten In neun Fallen wurde Gross direkte Beteiligung an den Kindermorden nachgewiesen jedoch konnte er sich wegen angeblicher Demenz dem Prozess und somit seiner Verurteilung bis zu seinem Tod entziehen Im Janner 1998 nahm Zawrel zum ersten Mal an einem Symposium uber Euthanasie teil 3 und besuchte von da an bis zu seinem Tod unzahlige Schulen und Veranstaltungen um als Zeitzeuge zu berichten 14 Ebenso stand er fur Dokumentationen zur Verfugung und es entstanden Filme und Theaterstucke siehe Abschnitt Kunstlerische Auseinandersetzung Wolfgang Neugebauer half Zawrel im Jahr 2000 beim Beantragen einer Opferrente Sie fullten gemeinsam das Ansuchen aus weiters benotigte Zawrel ein arztliches Gutachten Der Amtsarzt blatterte in seinem Akt sprach mit Zawrel kein Wort dann diktierte er seinen Befund 3 Laut jugendpsychiatrischem Gutachten vom 12 Janner 1944 handelt es sich um einen erblich schwerbelasteten charakterlich nach mehreren Richtungen grob abartigen Jugendlichen wobei im Vordergrund eine monstrose Gemutsarmut zu beobachten ist Zawrel verliess die Praxis fluchtartig Schliesslich erlangte er aber doch eine Rente nach dem Opferfursorgegesetz und konnte ab nun mit insgesamt 14 000 Schilling rund 1 000 Euro leben Zawrel erhielt ausserdem eine Entschadigung vom Nationalfonds der Republik Osterreich fur Opfer des Nationalsozialismus 5 087 10 Euro 15 3 Er wurde 2008 mit dem Goldenen Verdienstzeichen der Stadt Wien ausgezeichnet 2013 bekam er das Goldene Ehrenzeichen fur Verdienste um die Republik Osterreich verliehen die Laudatio dazu hielt Werner Vogt 16 Tod Bearbeiten nbsp Nikolaus Habjan bei seiner Trauerrede mit der Handpuppe F ZawrelZawrel starb am 20 Februar 2015 Stadtratin Sonja Wehsely wurdigte sein Wirken in einer Pressaussendung 17 Friedrich Zawrel war bereit durch seine Zeitzeugenberichte Zeit seines Lebens sein eigenes Martyrium immer und immer wieder neu zu durchleben Er hat dies in bewundernswerter Weise auf sich genommen um einen aussergewohnlichen Beitrag dazu leisten dass die nachkommenden Generationen sich ihrer Verantwortung stellen Friedrich Zawrel hat uns immer vor Augen gefuhrt dass wir diese Verantwortung wahrnehmen mussen Sein Ableben darf kein Schlussstrich unter die Verbrechen vom Spiegelgrund sein Wir mussen den Gedanken und die Erinnerung an diese Greueltaten aufrecht erhalten und uns der Auseinandersetzung mit der Vergangenheit stellen ganz im Sinne des Niemals vergessen Das sind wir alle Friedrich Zawrel schuldig Die Verabschiedung von Zawrel fand am 16 Marz in der Feuerhalle Simmering statt Redner waren Werner Vogt Sonja Wehsely Wolfgang Brandstetter und Nikolaus Habjan Friedrich Zawrel wurde am 20 April 2015 auf dem Wiener Zentralfriedhof in einem Ehrengrab Gruppe 40 Reihe 6 Nummer 21 bestattet Auszeichnungen Bearbeiten nbsp Ehrengrab von Friedrich Zawrel am Wiener Zentralfriedhof2008 Goldenes Verdienstzeichen der Stadt Wien 18 2013 Goldenes Ehrenzeichen fur Verdienste um die Republik Osterreich 19 2016 Am 15 Juni 2016 wurde die Neue Mittelschule in der Hornesgasse in Wien Landstrasse nach Zawrel benannt 20 Proteste gegen diese Benennung gab es seitens der FPO 21 Kunstlerische Auseinandersetzung BearbeitenDrama Bearbeiten Stefan Geszti In der Psychiatrie ist es nicht so schon 33 Short Cuts aus dem Leben des Friedrich Zawrel Urauffuhrung Theater in der Josefstadt 2008 22 F Zawrel Erbbiologisch und sozial minderwertig Puppenspiel Urauffuhrung am 23 Marz 2012 im Schubert TheaterRegie Simon Meusburger Puppen Nikolaus Habjan 23 Nestroy Theaterpreis fur die beste Off Produktion 2012 Christoph Klimke Spiegelgrund Urauffuhrung am Wiener Volkstheater 4 September 2005 Regie Johann Kresnik Film Bearbeiten Angelika Schuster Tristan Sindelgruber Kinder und Jugendfursorge Teil 7 der Filmreihe Vergessene Opfer 2002 2012 Lebensgeschichtliches Interview mit Friedrich Zawrel 24 Elisabeth Scharang Mein Morder 2005 mit einem kurzen Auftritt Zawrels als Prozess Zuschauer Wega Film Wien Elisabeth Scharang Meine liebe Republik 2006 Dokumentation mit Friedrich Zawrel und Florian Klenk Wega Film Wien 25 Literatur Bearbeiten Steve Sem Sandberg Die Erwahlten Klett Cotta 2015 schwedische Erstausgabe unter dem Titel De utvalda 2014 der dokumentarische Roman setzt sich mit der an die Biografie von Friedrich Zawrel angelehnten Geschichte des fiktiven Adrian Ziegler mit der Euthanasie im Spiegelgrund auseinander 26 Literatur BearbeitenOliver Lehmann Traudl Schmidt In den Fangen des Dr Gross das misshandelte Leben des Friedrich Zawrel Czernin Verlag Wien 2001 ISBN 3 7076 0115 3 Weblinks BearbeitenLiteratur von und uber Friedrich Zawrel im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek Interview Friedrich Zawrel im Webauftritt der Gedenkstatte Am Steinhof F ZAWREL erbbiologisch und sozial minderwertig Interviewausschnitt Gesprache mit Friedrich Zawrel im Onlinearchiv der Osterreichischen Mediathek Oral History Interview und Vortrag in der Gedenkstatte Steinhof Einzelnachweise Bearbeiten Sebastian Pumberger Spiegelgrund Uberlebender Friedrich Zawrel gestorben In Der Standard 20 Februar 2015 Ehemaliges Spiegelgrund Opfer in Wien geehrt derStandard 15 Mai 2013 abgerufen am 14 Marz 2015 a b c d e f g h i j k l m n Oliver Lehmann Traudl Schmidt In den Fangen des Dr Gross Das misshandelte Leben des Friedrich Zawrel Czernin Verlag Wien 2001 ISBN 3 7076 0115 3 Der Artikel ist uberwiegend nach diesem Buch geschrieben Angaben zu den Zitaten Vogt im Profil S 10 Klassenlehrer S 40 Zawrel an Illing Russen S 67 Illings Gutachten S 72 73 Direktor Jugendgericht S 79 Oberlehrer Samer S 90 1 und S 91 2 Zawrel uber Gross S 140 Diktat Amtsarzt S 180 Angaben bezuglich Scheidung Sohn und dessen Vorwurf S 113 116 a b c d Interview Friedrich Zawrel auf der Webprasenz der Gedenkstatte Steinhof Video Transkription Elisabeth Scharang Meine liebe Republik Ausschnitt 2007 abgerufen am 10 Marz 2015 Herbert Exenberger Gefangnis statt Erziehung Jugendgefangnis Kaiser Ebersdorf 1940 1945 Hrsg Dokumentationsarchiv des osterreichischen Widerstandes S 13 doew at PDF Herbert Exenberger Gefangnis statt Erziehung Jugendgefangnis Kaiser Ebersdorf 1940 1945 Hrsg Dokumentationsarchiv des osterreichischen Widerstandes S 13 doew at PDF Mit Hammer und Sichel in der Staatspolizei Die Presse 13 Juli 2012 abgerufen am 5 Marz 2015 a b c d Birgit Koller Die mediale Aufarbeitung der Opfer Tater Rolle in der Zweiten Republik dargestellt anhand des Spielfilms Mein Morder 2009 S 95 98 othes univie ac at PDF Wolfgang Hollrigl Ein Haftling erkannte in Osterreichs meistbeschaftigtem Gerichtspsychiater Dr Gross einen NS Arzt wieder Ein Arzt aus der NS Morderklinik Hrsg Kurier 17 Dezember 1978 S 13 abgebildet in Birgit Koller Die mediale Aufarbeitung der Opfer Tater Rolle in der Zweiten Republik dargestellt anhand des Spielfilms Mein Morder 2009 S 251 othes univie ac at PDF Redebeitrag von Friedrich Zawrel Pensionistenwohnhaus Rossau Wien 6 November 2008 Obergericht Gross an Totungen mitbeteiligt In Arbeiterzeitung 31 Marz 1981 S 7 online abgerufen am 8 Marz 2015 Kopie des Titelblattes in Birgit Koller Die mediale Aufarbeitung der Opfer Tater Rolle in der Zweiten Republik dargestellt anhand des Spielfilms Mein Morder 2009 S 257 othes univie ac at PDF Sebastian Pumberger Spiegelgrund Uberlebender Friedrich Zawrel gestorben derStandard 20 Februar 2015 abgerufen am 10 Marz 2015 Individualzahlungen des Nationalfonds im Uberblick Nationalfonds der Republik Osterreich fur Opfer des Nationalsozialismus abgerufen am 10 Marz 2015 Ehemaliges Spiegelgrund Opfer in Wien geehrt derStandard 15 Mai 2013 abgerufen am 14 Marz 2015 Stadtratin Sonja Wehsely tief betroffen uber das Ableben von Friedrich Zawrel hrsg APA 20 Februar 2015 abgerufen am 14 Marz 2015 Stadt Wien Goldenes Verdienstzeichen fur Spiegelgrund Opfer Zawrel RK 12 Dezember 2008 Der Standard Ehemaliges Spiegelgrund Opfer in Wien geehrt 15 Mai 2013 Abgerufen am 15 Mai 2013 Schule Hornesgasse 130 Jahr Feier mit Benennung in Friedrich Zawrel Schule Link defekt Rathauskorrespondenz vom 16 Juni 2016 FPO gegen Friedrich Zawrel Schule derStandard 15 Juni 2016 abgerufen am 15 Juni 2016 Vienna Online Urauffuhrung In der Psychiatrie ist es nicht so schon auf der neuen Probebuhne des Josefstadt Theaters 11 Dezember 2008 F Zawrel Erbbiologisch und sozial minderwertig Memento des Originals vom 14 Marz 2012 im Internet Archive nbsp Info Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht gepruft Bitte prufe Original und Archivlink gemass Anleitung und entferne dann diesen Hinweis 1 2 Vorlage Webachiv IABot schuberttheater at bei schuberttheater at Abgerufen am 26 Marz 2012 Filmreihe Vergessene Opfer Standbild Verein zur Forderung audiovisueller Medienkultur Wien Meine liebe Republik Wega Film Wien Wolfgang Paterno Die Erwahlten Die NS Mordklinik Am Spiegelgrund als Romanstoff In Profil 22 September 2015 abgerufen am 7 November 2015 Normdaten Person GND 12311196X lobid OGND AKS LCCN no2002061452 VIAF 47661088 Wikipedia Personensuche PersonendatenNAME Zawrel FriedrichKURZBESCHREIBUNG osterreichischer Uberlebender der NS EuthanasieGEBURTSDATUM 17 November 1929GEBURTSORT LyonSTERBEDATUM 20 Februar 2015STERBEORT Wien Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Friedrich Zawrel amp oldid 238906213