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Ein Freigelassener ist ein ehemaliger mannlicher oder weiblicher Sklave der durch einen rechtlichen Akt aus seinem bisherigen Zustand der Unfreiheit entlassen wurde Grabstein des Freigelassenen Gaius Messulenus Romisch Germanisches Museum Koln Zu den Freigelassenen in den Vereinigten Staaten siehe Freedmen Inhaltsverzeichnis 1 Romisches Reich 1 1 Praxis 1 2 Leben der Freigelassenen 2 Siehe auch 3 Literatur 4 Weblinks 5 EinzelnachweiseRomisches Reich BearbeitenDer freigelassene Sklave servus wurde nach seiner Freilassung der manumissio als libertus oder liberta bezeichnet Trotz seiner durch die Freilassung erlangten Rechtsfahigkeit stand der Freigelassene weiterhin in einem Abhangigkeitsverhaltnis zu seinem fruheren Herrn dem patronus war aber nicht mehr als Sache dessen Eigentum 1 Er schuldete seinem ehemaligen Herrn Dankbarkeit und Ehrerbietung obsequium Soweit vertraglich vor Freilassung vereinbart oder im Testament festgelegt konnte der Freigelassene zu bestimmten Diensten operae herangezogen werden 2 3 Bei Undankbarkeit drohten schwere Strafen in der Spatantike zeitweilig sogar die Wiederversklavung 4 Es gab verschiedene Formen der Freilassung von Sklaven 5 die offiziellen Formen durch Beruhrung mit einem Stab per aes et libram vor einem Beamten manumissio vindicta seit Konstantin d Gr auch in der Kirche manumissio in ecclesia 6 durch Eintragung in die Burgerrolle als freier Burger durch den Herrn manumissio censu in der Kaiserzeit nicht mehr praktiziert durch letztwillige Verfugung im Testament manumissio testamento auch als Auflage an den Erben manumissio fideicommissaria die formlosen sogenannte pratorische Freilassungen durch einen Brief manumissio per epistulam unter Freunden manumissio inter amicos beim Gastmahl oder am Tisch manumissio in convivio bzw per mensam im Zirkus oder im Theater manumissio in circo bzw in theatro Jedenfalls die offizielle Freilassung wurde durch eine rituelle Geste markiert Der Sklave wurde vom Herrn einmal um die eigene Achse gedreht In der Spatantike wurde ihm stattdessen eine Ohrfeige verpasst alapa der Kirchenvater Basilius versteht das als die letzte Gewalttat die der Sklave vor der Entlassung in die Freiheit erdulden muss 7 Ein ausseres Zeichen des Freigelassenen war eine kegelformige Filzkappe die Freiheitsmutze pilleus libertatis 8 9 Offiziell Freigelassene wurden vollgultige romische Burger durften aber keine politischen oder militarischen Amter ausuben Die pratorische Freilassung gab einem Sklaven die Freiheit ohne ihn mit politischen Rechten auszustatten das sogenannte latinische Burgerrecht 10 Fur den ehemaligen Herrn hatte die pratorische Freilassung finanzielle Vorteile denn das Vermogen des Freigelassenen ging bei dessen Tod auf ihn uber aber auch bei der offiziellen Freilassung hatte er einen Anteil am Erbe des Freigelassenen 11 12 Mit der Freilassung ubernahm der Sklave den Praenomen und Gentilnamen seines bisherigen Herrn wahrend er den bisherigen Sklavennamen als cognomen weiterfuhrte So hiess Tiro der ehemalige Sklave von Marcus Tullius Cicero nach der Freilassung Marcus Tullius Tiro vergleiche insoweit auch Romischer Name Bei Inschriften tritt an die bei Freigeborenen ubliche Angabe des Vaters z B filius Marci Sohn des Marcus diejenige des bisherigen Herrn z B libertus Marci Freigelassener des Marcus ein von einem Kaiser freigelassener fruherer Staatssklave wird als libertus Augusti bezeichnet 13 Das wird als Pseudo Filiation bezeichnet 14 dem Freigelassenen versagt die romische Gesellschaftsordnung ebenso wie dem Sklaven eine offizielle Beziehung zu seinem biologischen Vater 15 Praxis Bearbeiten Freilassungen waren in Rom haufig nicht verlasslich bekannt ist aber wie haufig Uberliefert sind sie nur fur Sklaven die in der Stadt oder im Haushalt ihres Eigentumers lebten Uber Freilassungen bei der grossen Zahl der Sklaven in der Landwirtschaft oder in Bergwerken ist wenig bekannt es wird vermutet dass sie in der Regel nicht mit Freilassung rechnen konnten 16 Geschatzt wird dass in den grossen Stadten die Bevolkerung zu 30 oder mehr aus Freigelassenen bestanden haben konnte Fur Sklaven im Haushalt wurde geschatzt dass zwischen einem Viertel oder einem Drittel vor dem Tod freigelassen wurde die Mehrzahl also ihr Leben lang Sklave blieb 17 18 Eine grosse Mehrheit der erhaltenen romischen Grabinschriften erinnert an verstorbene Freigelassene mehr als an freigeborene Burger und unter denjenigen mit Angabe des Alters der Verstorbenen gibt es kaum solche uber 40 Manche Forscher haben daraus geschlossen die Bevolkerung der Stadte habe uberwiegend aus Freigelassenen bestanden und fast alle Sklaven seien bis zum Alter 40 freigelassen worden Neuere Forschung halt die Grabinschriften aus verschiedenen Grunden fur nicht reprasentativ und lehnt solche statistischen Schlussfolgerungen ab 19 20 Kaiser Augustus versuchte Freilassungen zunachst mittels der lex Fufia Caninia einzuschranken Begrenzt wurde der Anteil derjenigen die testamentarisch freigelassen werden konnten z B bei bis zu 10 Sklaven hochstens die Halfte bei mehr als 100 hochstens ein Funftel Mit der lex Aelia Sentia wurde im 4 Jahrhundert n Chr nach der zahlenmassigen Begrenzung zudem ein Mindestalter fur den freilassenden Herrn 20 Jahre und den freizulassenden Sklaven 30 Jahre festgesetzt Dazu gab es Ausnahmen uber deren Vorliegen eine Kommission entschied 21 Die Freilassung bot den Herren mehrere Vorteile Die Sklaven wurden durch die Aussicht auf eine mogliche Freilassung zum Gehorsam motiviert und die Gefahr von Widerstand und Revolte wurde vermindert Der Freigelassene vermehrte die treuen Anhanger des Herrn clientes die ihm Unterstutzung und unter Umstanden Dienste oder sogar Versorgung schuldeten die er aber nicht mehr ernahren musste oder sie blieben nutzbringende Mitglieder seines Haushalts In manchen Fallen musste der Sklave seine eigene Freiheit bezahlen und zwar aus Ansparungen peculium wahrend der Sklavenzeit die manchen Sklaven ermoglicht wurden ohne dass sie daran vollwirksames Eigentum erwarben Die Zahlungen konnten zum Kauf eines neuen Sklaven verwendet werden 22 Es ist allerdings unklar wie haufig solche Freikaufe im Romischen Reich vorkamen 23 Viele Grabinschriften belegen dass die Familien stadtischer Freigelassener und Sklaven eng zusammenblieben Der hauptsachliche Grund durfte sein dass Partner und Kinder des Freigelassenen oft weiterhin Sklaven des fruheren Herrn geblieben waren was ein starkes Motiv fur das Verbleiben des Freigelassenen im Haushalt des zum patronus gewordenen fruheren Herrn bildete 24 Soweit in Grabinschriften belegt erlangten die Freigelassenen ihre Freiheit zwischen dem 30 und 40 Lebensjahr in vielen Fallen aber auch in erheblich jungerem Alter 25 Zu berucksichtigen ist dabei dass die allgemeine durchschnittliche Lebenserwartung fur jemanden der das 20 Lebensjahr erreicht hatte seinerzeit bei 45 Jahren lag 26 Zuvor geborene Kinder blieben unfrei spater geborene waren dagegen vollberechtigte romische Burger Enkel Freigelassener durften gar Senator werden was die Exklusivitat eines Burgerrechts inflationierte bis Caracalla es allen freien Reichsbewohnern verlieh Constitutio Antoniniana Auch uberliefert ist dass Freigelassene unter Trajan den Repressalien des senatus consultum Silanianum 27 ausgesetzt sein konnten Zuvor hatte dieses bereits Nero mit seinem beruchtigten senatus consultum Neronianum erreicht 28 Leben der Freigelassenen Bearbeiten Was die Berufswahl betrifft gab es im Prinzip keine Einschrankungen Es gab Arzte sowohl unter Freien als auch unter Freigelassenen und Sklaven Ublich war dass die Freigelassenen das Metier weiter betrieben das sie als Sklaven erlernt hatten Statistische Auswertungen der Berufsgruppen zeigen dass Freigelassene bestimmte Berufe eher betrieben als andere so waren viele der Freigelassenen Handwerker Dahingegen sind etwa freigelassene Begleiterinnen pedisequae selten belegt da es keinen Markt fur eine solche Tatigkeit gab Eine Freigelassene in diesem Bereich konnte nur auf eine Ehe hoffen oder musste eine mindere Arbeit ausfuhren Aufstiege in angesehenere Tatigkeitsfelder sind nicht nachgewiesen 29 Der soziale Status des Freigelassenen hing vom sozialen Status seines bisherigen Herrn ab Der Freigelassene eines armen Handwerkers war meist ebenfalls arm der Freigelassene eines kinderlosen Reichen konnte mit etwas Gluck noch betrachtliches Vermogen erben Einige Freigelassene brachten es zu geradezu sprichwortlichem Reichtum wie die fiktive Figur Trimalchio im Roman Satyricon von Titus Petronius Arbiter Narcissus Freigelassener des Kaisers Claudius stieg sogar zu einer Art Minister auf Insgesamt spielten im Prinzipat kaiserliche Freigelassene oft eine wichtige Rolle am Kaiserhof da sie dem Imperator zu besonderer Treue verpflichtet und zugleich aufgrund ihrer sozialen Stellung vollstandig von seiner Gunst abhangig waren nbsp Grabmal der Familie eines Freigelassenen der Sohn tragt die bulla das Amulett der freigeborenen KinderDie Graber der ehemaligen Sklaven zierten oft Abbildungen ihrer selbst in burgerlicher Kleidung der Toga uber der von allen getragenen Tunika Oft befanden sich auch Angehorige auf den Abbildungen Sohne Tochter und deren Ehepartner Die Familie wurde damit im Tode vereint Dargestellt wurden die Verstorbenen oft als scheinbare Busten die aber eigentlich Halbkorperdarstellungen waren Diese sahen aus einem Fenster hinaus von oben auf die Betrachter hinab Die Kleidung bestand aus Tunika und Toga als Zeichen des Standes des Freien Siehe auch BearbeitenFreigelassene im antiken Griechenland Mawali Haratin ehemaliger Sklave in Mauretanien FreedmenLiteratur BearbeitenJens Barschdorf Freigelassene in der Spatantike Quellen und Forschungen zur Antiken Welt Bd 58 Utz Munchen 2012 zugleich Univ Diss Munchen 2011 Rezension von Ulrich Lambrecht Plekos 14 2012 S 155 161 Josef Fischer Sklaverei in der Antike WBG Academic Darmstadt 2021 E Book ISBN 978 3 534 27141 2 Kap VI 9 Spate Republik und Kaiserzeit Freilassung S 133 136 Kyle Harper Slavery in the late Roman world AD 275 425 Cambridge University Press Cambridge 2011 E Book ISBN 978 0 511 97345 1 Kap 12 Rites of manumission rights of the freed S 463 493 Elisabeth Herrmann Otto Manumissio Freilassung In Reallexikon fur Antike und Christentum Band 24 Hiersemann Stuttgart 2012 ISBN 978 3 7772 1222 7 Sp 56 75 Susanne Heinemeyer Der Freikauf des Sklaven mit eigenem Geld Redemptio suis nummis Berlin Duncker amp Humblot 2013 Schriften zur Rechtsgeschichte 161 Diss Mainz 2012 Elisabeth Herrmann Otto Sklaverei und Freilassung in der griechisch romischen Welt 2 Auflage Georg Olms Verlag Hildesheim 2017 E Book ISBN 978 3 487 42193 3 Kap 3 6 Romisches Freilassungsmodell und gesellschaftliche Mobilitat S 222 234 Peter Hunt Ancient Greek and Roman Slavery Hoboken NJ 2017 E Book ISBN 978 1 119 42105 4 Kap 8 Manumission and Ex Slaves S 117 135 Henrik Mouritsen The Freedman in the Roman World Cambridge 2011 ISBN 978 0 521 85613 3 Weblinks BearbeitenRezension zu L Schumacher SklavereiEinzelnachweise Bearbeiten Heinrich Honsell Romisches Recht 7 Auflage Springer Zurich 2010 ISBN 978 3 642 05306 1 S 23 Wolfgang Waldstein Operae libertorum Untersuchungen zur Dienstpflicht freigelassener Sklaven Stuttgart 1986 Josef Fischer Sklaverei in der Antike Darmstadt 2021 ISBN 978 3 534 27322 5 S 135 Kyle Harper Slavery in the Late Roman World Cambridge 2011 S 486 489 Elisabeth Herrmann Otto Sklaverei und Freilassung in der griechisch romischen Welt 2 Auflage Hildesheim 2017 S 232 Kyle Harper Slavery in the late Roman world Cambridge 2011 S 471 476 f Kyle Harper Slavery in the late Roman world Cambridge 2011 S 468 471 Leonhard Schumacher Sklaverei in der Antike Munchen 2001 S 293 Henrik Mouritsen The Freedman in the Roman World Cambridge 2011 S 147 Elisabeth Herrmann Otto Sklaverei und Freilassung in der griechisch romischen Welt 2 Auflage Hildesheim 2017 S 233 234 Kyle Harper Slavery in the late Roman world Cambridge 2011 S 466 Josef Fischer Sklaverei in der Antike Darmstadt 2021 S 135 f Leonhard Schumacher Einfuhrung in die lateinische Epigraphik In Romische Inschriften Reclam Stuttgart 1998 ISBN 978 3 15 008512 7 S 24 Peter Hunt Ancient Greek and Roman Slavery Hoboken NJ 2017 S 129 Kyle Harper Slavery in the late Roman world Cambridge 2011 S 265 Henrik Mouritsen The Freedman in the Roman World Cambridge 2011 S 198 Peter Hunt Ancient Greek and Roman Slavery Hoboken NJ 2017 S 119 f Leonhard Schumacher Sklaverei in der Antike Munchen 2001 S 292 Henrik Mouritsen The Freedman in the Roman World Cambridge 2011 S 131 140 Peter Hunt Ancient Greek and Roman Slavery Hoboken NJ 2017 S 118 120 Josef Fischer Sklaverei in der Antike Darmstadt 2021 S 134 f Peter Hunt Ancient Greek and Roman Slavery Hoboken NJ 2017 S 120 122 Siehe auch Susanne Heinemeyer Der Freikauf des Sklaven mit eigenem Geld Redemptio suis nummis Berlin Duncker amp Humblot 2013 Schriften zur Rechtsgeschichte 161 Henrik Mouritsen The Freedman in the Roman World Cambridge 2011 S 163 180 Henrik Mouritsen The Freedman in the Roman World Cambridge 2011 S 152 Henrik Mouritsen The Freedman in the Roman World Cambridge 2011 S 50 f Peter Hunt Ancient Greek and Roman Slavery Hoboken NJ 2017 S 120 Hierzu Joseph Georg Wolf Das Senatusconsultum Silanianum und die Senatsrede des C Cassius Longinus aus dem Jahre 61 n Chr vorgetragen am 17 Jan 1987 Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften Philosophisch Historische Klasse 1988 2 ISBN 978 3 533 04023 1 S 48 f Max Kaser Romisches Privatrecht Kurzlehrbucher fur das juristische Studium Munchen 1960 Ab der 16 Auflage 1992 fortgefuhrt von Rolf Knutel 18 Auflage ISBN 3 406 53886 X I 67 I S 283 Anm 3 und 67 II 3 S 285 Anm 25 Digesten 19 5 3 18 ff Ulpian 50 ed 29 5 25 2 Gaius 17 ed prov Rosmarie Gunther Matrona vilica und ornatrix Frauenarbeit in Rom zwischen Topos und Alltagswirklichkeit In Thomas Spath Beate Wagner Hasel Herausgeber Frauenwelten in der Antike Geschlechterordnung und weibliche Lebenspraxis Metzler Stuttgart Weimar 2000 ISBN 3 476 01677 3 S 350 376 hier insbesondere S 359 360 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Freigelassener amp oldid 235604428