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Die Erklarung von Turku uber humanitare Mindeststandards engl Turku Declaration of Minimum Humanitarian Standards ist ein Entwurf fur einen volkerrechtlichen Vertrag auf dem Gebiet des humanitaren Volkerrechts der von einer Kommission nichtstaatlicher Experten am Institut fur Menschenrechte der Abo Akademi im finnischen Turku erarbeitet und am 2 Dezember 1990 verabschiedet wurde Die Abo Akademi in der finnischen Stadt Turku nach der die Erklarung benannt ist Inhalt der Erklarung sind elementare Regeln zum Schutz von Menschenrechten sowie humanitare Mindeststandards die in allen Situationen uneingeschrankt gelten sollen unabhangig von der rechtlichen Einordnung der jeweiligen Situation Inhaltsverzeichnis 1 Hintergrund 2 Inhalt 2 1 Praambel 2 2 Zugedachter Anwendungsbereich 2 3 Rechte und Pflichten 2 4 Rechtliche Wechselwirkungen 3 Autoren 4 Rezeption 4 1 Internationale Nichtregierungsorganisationen 4 1 1 Amnesty International 4 1 2 Internationales Komitee vom Roten Kreuz 4 2 Zwischenstaatliche Organisationen 4 2 1 Organisation fur Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa 4 2 2 Vereinte Nationen 4 3 Wissenschaft 5 Literatur 6 Siehe auch 7 Weblinks 8 EinzelnachweiseHintergrund BearbeitenSiehe auch Humanitares Volkerrecht Probleme und Unzulanglichkeiten nbsp In den zunehmend auftretenden und immer gewaltsamer gefuhrten internen Konflikten ist das humanitare Volkerrecht nicht anwendbar wahrend gerade dort Menschenrechte und humanitare Grundsatze massiv verletzt werden Die Erklarung von Turku ist ein Losungsansatz fur den weithin als unbefriedigend empfundenen Zustand dass das humanitare Volkerrecht insbesondere die Genfer Konventionen und ihre Zusatzprotokolle allgemein nur in Situationen eines internationalen bzw nicht internationalen bewaffneten Konflikts anwendbar sind Dabei handelt es sich um feststehende Begriffe des humanitaren Volkerrechts die ihren Ursprung in den gemeinsamen Artikeln 2 und 3 der Genfer Konventionen haben In der jetzigen Fassung der Genfer Konventionen und ihrer Zusatzprotokolle 1 beruht der Begriff des bewaffneten Konflikts noch auf der Vorstellung vom Krieg zwischen Staaten als Regelfall Der Konflikt zwischen bewaffneten Gruppen und einem Staat auf dessen Territorium gilt dagegen nach den Konventionen weiter als Ausnahmefall Der zunehmenden Komplexitat moderner Konflikte und der Tatsache dass der offene Krieg zwischen Staaten heute praktisch die Ausnahme ist 2 wird das humanitare Volkerrecht dadurch nicht mehr gerecht Vielmehr sind in modernen Konflikten die Konventionen oft nicht anwendbar oder es ist zumindest hochst umstritten ob und inwieweit die Schutzrechte Gebote und Verbote des humanitaren Volkerrechts anwendbar sind Hierbei sind vor allem die folgenden Probleme wesentlich Zum einen fallt der sogenannte interne Konflikt nicht unter den Begriff des bewaffneten Konflikts im Sinne der Konventionen Dabei handelt es sich um Konstellationen in denen Feindseligkeiten zwischen bewaffneten Gruppen und einem Staat auf dessen Territorium oder zwischen verschiedenen nichtstaatlichen und oder staatlichen Fraktionen untereinander stattfinden Im Gegensatz zum bewaffneten Konflikt im Sinne der Konventionen haben aber im internen Konflikt die Feindseligkeiten noch nicht dazu gefuhrt dass einzelne Gruppen ein nennenswertes Mass an Organisation die feste Kontrolle uber einen gewissen Teil des Staatsgebiets o a erlangen konnten Die Genfer Konventionen sind deshalb noch nicht anwendbar trotzdem kommt es aber in solchen Situationen die typisch fur den Ubergang zwischen Burgerkrieg und bewaffnetem Konflikt sind regelmassig bereits zu massiver Gewaltanwendung und schwersten Menschenrechtsverletzungen Die jungere Vergangenheit hat zudem gezeigt dass sich keineswegs zwangslaufig ein solcher Ubergang zu einem bewaffneten Konflikt vollzieht sondern der Zustand des internen Konflikts teils uber lange Zeit hinweg bestehen bleiben kann Typisches Beispiel hierfur ist der gescheiterte Staat bei dem die Staatsgewalt versagt hat und bewaffnete Milizen mit wechselndem Erfolg um die Vorherrschaft kampfen wie etwa uber verschiedene Zeitraume hinweg in Somalia seit dem Sturz Siad Barres Und selbst wenn sich der Ubergang vollzogen hat und die Situation dann objektiv als bewaffneter Konflikt qualifizierbar ware fuhrt die Unbestimmtheit der Formulierungen insbesondere zum nicht internationalen bewaffneten Konflikt zu einer weitreichenden Interpretierbarkeit der objektiven Tatsachenlage Dadurch wird die Anwendung des humanitaren Volkerrechts weitgehend von dem jeweiligen politischen Interesse der Konfliktparteien abhang ig 3 Inhalt BearbeitenDie Erklarung besteht aus einer Praambel und achtzehn Artikeln die nicht in Abschnitte unterteilt sind Dennoch lassen sie sich ihrem Inhalt nach grob in die Abschnitte Anwendungsbereich Artikel 1 und 2 Rechte und Pflichten Artikel 3 bis 16 und Rechtliche Wechselwirkungen Artikel 17 und 18 unterteilen Praambel Bearbeiten Die Praambel enthalt in zehn Absatzen die der Erklarung zugrundeliegendenen Erwagungsgrunde Ausdrucklich Bezug genommen wird neben dem oben beschriebenen Hintergrund insbesondere auf die Charta der Vereinten Nationen und die Allgemeine Erklarung der Menschenrechte Auch die Martens sche Klausel wird zitiert Zugedachter Anwendungsbereich Bearbeiten Vor dem oben beschriebenen Hintergrund liegt der Erklarung von Turku der Gedanke zugrunde eine situationsunabhangige und universale Gultigkeit gewisser humanitarer Mindeststandards zu etablieren Entsprechend fordert Artikel 1 einen umfassenden sachlichen Anwendungsbereich This Declaration affirms minimum humanitarian standards which are applicable in all situations including internal violence disturbances tensions and public emergency and which cannot be derogated from under any circumstances These standards must be respected whether or not a state of emergency has been proclaimed Auf Deutsch etwa Diese Erklarung bekraftigt humanitare Mindeststandards die in allen Situationen anwendbar sind einschliesslich interner Gewalttatigkeiten Unruhen Spannungen und offentlicher Notstande und von denen unter keinen Umstanden abgewichen werden darf Diese Standards mussen unabhangig davon respektiert werden ob der offentliche Notstand ausgerufen wurde Die in der Erklarung enthaltenen Standards sollen also in jeder denkbaren Situation uneingeschrankt gultig sein Die aufgezahlten Situationen sind als Beispiele zu verstehen in denen die geforderten Mindeststandards erfahrungsgemass besonders haufig missachtet werden Mit dem zweiten Satz wird dem Umstand Rechnung getragen dass die Ausrufung des nationalen Notstands in den meisten Rechtsordnungen von Gesetzes wegen zur Einschrankbarkeit von Menschenrechten fuhrt 4 Mit dem zweiten Satz wird gefordert dass die humanitaren Mindeststandards davon ausgenommen bleiben mussen Ebenso umfassend sollte nach Artikel 2 der Erklarung der personelle Anwendungsbereich bemessen sein These standards shall be respected by and applied to all persons groups and authorities irrespective of their legal status and without any adverse discrimination Auf Deutsch etwa Diese Standards sollen von jeder Person Gruppe oder Autoritat geachtet und auf sie angewendet werden unabhangig von ihrer Rechtsstellung und ohne jede feindlich gesinnte Diskriminierung Wie in Artikel 1 wird mit dem ersten Teil die uneingeschrankte Gultigkeit postuliert wahrend der zweite Teil Umstande aufzahlt mit denen in Konfliktlagen besonders haufig begrundet wird warum bestimmte Menschenrechte oder humanitare Standards auf bestimmte vor allem die feindlichen Personen oder Gruppen nicht anwendbar sein sollen Nach Artikel 2 wurde es keine Rolle spielen ob staatliche oder nichtstaatliche Akteure handeln bzw behandelt werden Zum Beispiel ware ein diktatorisches Regime verpflichtet gefangenen Widerstandskampfern die nach nationalem Recht in der Regel als Terroristen oder Verbrecher gelten auch in der gegenwartigen Konfliktsituation und trotz ihrer Beteiligung daran nach den humanitaren Mindeststandards zu behandeln Umgekehrt musste auch die Widerstandsgruppe Anhanger dieses Regimes oder etwaiger konkurrierender Gruppen nach diesen Standards behandeln Denn durch das Ausserachtlassen der Rechtsstellung wurden auch nichtstaatliche bewaffnete Gruppen durch den hypothetischen auf der Erklarung basierenden volkerrechtlichen Vertrag gebunden Ein der Erklarung von Turku entsprechender volkerrechtlicher Vertrag wurde also jeder Person Gruppe oder Autoritat in jeder denkbaren Situation insbesondere den in Artikel 1 aufgezahlten zur Einhaltung der humanitaren Mindeststandards verpflichten und damit zumindest beschrankte Volkerrechtssubjektivitat verleihen Er hatte demnach einen gegenuber dem gegenwartigen humanitaren Volkerrecht erheblich erweiterten Anwendungsbereich Rechte und Pflichten Bearbeiten Als humanitare Mindeststandards bezeichnet die Erklarung von Turku diverse Rechte und Pflichten die verschiedenen Menschenrechtsabkommen und den Genfer Konventionen entnommen sind im Uberblick Artikel 3 Recht auf Anerkennung als Rechtspersonlichkeit Pflicht zum Respekt gegenuber Person Ehre Uberzeugungen Gedankenfreiheit Gewissen und religioser Praktiken Pflicht zur menschlichen Behandlung ohne feindlich gesinnte Diskriminierung Verbot diverser Handlungen gegen das Leben oder die korperliche und psychische Unversehrtheit insbesondere der Folter Verbot diverser anderer Menschenrechtsverletzungen sowie ihrer Androhung so z B Kollektivhaftung Verschwindenlassen Geiselnahme oder NahrungsentzugArtikel 4 Pflicht zur Unterbringung von Gefangenen in registrierten Gefangenenlagern Pflicht den Angehorigen und dem Rechtsbeistand exakte Informationen zu Inhaftierung Aufenthaltsort oder Verlegungen zur Verfugung zu stellen Recht der Gefangenen zur Kommunikation mit der Aussenwelt insbesondere mit dem Rechtsbeistand Recht auf effektiven Rechtsschutz und weitere Rechte in Gefangenschaft insbesondere Habeas Corpus Recht auf humane Behandlung und hinreichende VersorgungArtikel 5 Verbot des Angriffs auf Personen die nicht aktiv am Kampfgeschehen teilnehmen Verhaltnismassigkeit des Einsatzes von Gewalt Verbot der Verwendung von Waffen deren Verwendung im bewaffneten Konflikt verboten istArtikel 6 Verbot der Anwendung oder Androhung von Gewalt vornehmlich zum Zweck der Verbreitung von Angst und Schrecken Terrorismus Artikel 7 Verbot der Umsiedlung Vertreibung wenn dies nicht aus zwingenden Sicherheitsgrunden oder der Sicherheit der betroffenen Personen erforderlich ist Pflicht zur schonenden Umsiedlung Recht auf Freizugigkeit im ubrigen Territorium des Staates Recht auf Wiederkehr sobald es die Umstande zulassen Verbot der Verbannung ausserhalb des Territoriums des StaatesArtikel 8 Recht auf Leben Verpflichtung zum rechtlichen Schutz Verbot der willkurlichen Totungzusatzlich zum Recht auf Leben und Verbot des Volkermords in Menschenrechtsabkommen und dem humanitaren Volkerrecht Pflicht die Todesstrafe nur fur schwerste Verbrechen zu verhangen Verbot der Vollstreckung der Todesstrafe an schwangeren Frauen Muttern junger Kinder und Kindern die zum Tatzeitpunkt noch nicht 18 Jahre alt warenArtikel 9 nulla poena sine lege Verbot der Verurteilung durch Sondergerichte Recht auf ein faires VerfahrenArtikel 10 Recht von Kindern auf angemessenen Schutz Verbot der Rekrutierung von Kindersoldaten unter 15 Jahren und der Gestattung der Teilnahme an Gewalttatigkeiten Pflicht die Teilnahme von Minderjahrigen an Gewalttatigkeiten bestmoglich zu unterbindenArtikel 11 Pflicht Hausarrest Internierung und Beugehaft nur auf gesetzlicher Grundlage und nach gesetzlich geregelten Verfahren zu vollziehen Recht auf regelmassige HaftprufungArtikel 12 Pflicht zum Schutz und zur angemessenen schnellstmoglichen und diskriminierungsfreien Behandlung der Verwundeten und KrankenArtikel 13 Pflicht zur Suche nach Verwundeten Kranken und Vermissten Pflicht zur Suche nach und zur respektvollen Bestattung von TotenArtikel 14 Pflicht zu Respekt Schutz und Unterstutzung zugunsten des Sanitats und Seelsorgepersonals Verbot der Verpflichtung zu Tatigkeiten die mit deren humanitaren Aufgaben unvereinbar sind Verbot der Bestrafung fur medizinische Tatigkeiten die die medizinische Ethik gebieten unabhangig von der Person die davon profitiertArtikel 15 Pflicht humanitaren Hilfsorganisationen Ausstattung zur Verfugung zu stellen sodass sie ihre humanitaren Aufgaben erfullen konnenArtikel 16 Pflicht zum Schutz der Rechte von Gruppen Minderheiten und VolkernRechtliche Wechselwirkungen Bearbeiten Die letzten beiden Artikel betreffen mogliche Wechselwirkungen bzw Konflikte mit anderen Rechtsvorschriften die bei der Anwendung der Erklarung auftreten konnten Artikel 17 stellt insoweit klar The observance of these standards shall not affect the legal status of any authorities groups or persons involved in situations of internal violence disturbances tensions or public emergency Auf deutsch etwa Die Beachtung dieser Standards beeintrachtigt nicht den rechtlichen Status von Behorden Gruppen oder Personen die in Situationen interner Gewalt Unruhen Spannungen oder offentlichen Notstands involviert sind Die Vorschrift ist dem letzten Absatz des gemeinsamen Artikels 3 der Genfer Konventionen nachempfunden Er ist also gleichermassen als Zugestandnis an das jeweilige de iure Regime im betroffenen Staat zu verstehen dasjenige also welches bei Entstehen der Situation staatstragend ist und sich als rechtmassige Autoritat des Staates betrachtet bei der Entstehung der Genfer Konventionen wurde von den verhandelnden Staaten befurchtet die Anwendung der im gemeinsamen Artikel 3 niedergelegten Mindeststandards konnte mit ihrem im nationalen Recht fussenden Recht zur Unterdruckung und Bekampfung gewaltsamer Aufstande auf ihrem Staatsgebiet kollidieren und dieses moglicherweise untergraben 5 Artikel 17 soll diese Sorge hinsichtlich der Erklarung von Turku von vornherein ausraumen um die Wahrscheinlichkeit einer Annahme der Erklarung zu erhohen Artikel 18 schliesslich enthalt Regelungen zu potenziellen Konflikten mit Rechten und Standards aus anderen Rechtsquellen 1 Nothing in the present standards shall be interpreted as restricting or impairing the provisions of any international humanitarian or human rights instrument 2 No restriction upon or derogation from any of the fundamental rights of human beings recognized or existing in any country by virtue of law treaties regulations custom or principles of humanity shall be admitted on the pretext that the present standards do not recognize such rights or that they recognize them to a lesser extent Auf deutsch etwa 1 Vorschriften des humanitaren Volkerrechts oder volkerrechtlicher Menschenrechtsabkommen werden durch die vorliegenden Standards nicht beschrankt oder beeintrachtigt 2 Beschrankungen oder Abweichungen von menschlichen Grundrechten die in einem Land aufgrund seines Rechts von Vertragen Verordnungen aus Gewohnheit oder Prinzipien der Menschlichkeit anerkannt werden oder bestehen sind unzulassig unter dem Vorwand die vorliegenden Standards wurden diese Rechte nicht oder nur in geringerem Masse anerkennen Die Klausel soll somit Konflikten mit anderen aus samtlichen denkbaren Rechtsquellen stammenden Standards vorbeugen indem sie deren Beeintrachtigung durch die Erklarung ausschliesst Absatz 1 bzw die Verwendung der Erklarung als Vorwand fur Beschrankungen hoherer Standards verbietet Absatz 2 Autoren BearbeitenBereits 1987 hatte eine Expertenkonferenz am Norwegischen Institut fur Menschenrechte das sog Oslo Statement on Norms and Procedures in Time of Public Emergency or Internal Violence beschlossen Der damalige Direktor des Instituts Asbjorn Eide lieferte anschliessend zusammen mit Theodor Meron und Allan Rosas die grundlegenden Vorarbeiten fur die Erklarung von Turku Neben diesen als Hauptautoren der Erklarung von Turku Bezeichneten werden vor allem die Menschenrechtsinstitute der nordischen Lander das Internationale Komitee vom Roten Kreuz IKRK und Amnesty International als Mitwirkende genannt 6 Rezeption BearbeitenInternationale Nichtregierungsorganisationen Bearbeiten Amnesty International Bearbeiten Experten von Amnesty International die in den Entstehungsprozess der Erklarung eingebunden waren ausserten Bedenken ein Abkommen im Sinne der Erklarung konnte zur Verwasserung bereits bestehender also auch hoherer Standards fuhren 7 Internationales Komitee vom Roten Kreuz Bearbeiten Das IKRK gab wahrend des Entstehungsprozesses der Erklarung kritische Einschatzungen vor allem dahingehend ab dass es zu Konflikten zwischen Mandaten auf Basis des humanitaren Volkerrechts und auf der der Menschenrechte kommen konnte 8 Ungeachtet dessen hat das IKRK massgeblich zur Verbreitung der Erklarung beigetragen so etwa im Rahmen von Konsultationen durch die Vereinten Nationen 9 und diverse Beitrage in Publikationen des IKRK die die Erklarung einbeziehen 10 Zwischenstaatliche Organisationen Bearbeiten Organisation fur Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa Bearbeiten Schon innerhalb der KSZE hatten die Regierungen der nordischen Lander auf den Beschluss eines internationalen Abkommens uber humanitare Mindeststandards gedrungen Konkrete Auswirkungen dessen lassen sich vor allem im Dokument des Moskauer Treffens der Konferenz uber die menschliche Dimension der KSZE von 1991 ablesen in dem die Staaten sich in teils wortlicher Ubereinstimmung mit der Praambel der Erklarung von Turku zu einem umfassenderen Schutz von Menschenrechten bei nationalem Notstand bekannten als dem von Menschenrechtsabkommen denen sie beigetreten waren geforderten 11 Auf dem KSZE Gipfeltreffen in Budapest 1994 der Geburtskonferenz der OSZE wurde schliesslich die Verabschiedung eines Abkommens uber humanitare Mindeststandards gefordert 12 Vereinte Nationen Bearbeiten Auch innerhalb der UN waren es vor allem OSZE Staaten die den Beschluss eines Abkommens uber humanitare Mindeststandards zu forcieren suchten 13 Auf die Erklarung von Turku wurde dabei seit 1994 in zahlreichen Konferenzen verschiedener UN Gremien wie auch in Studien des Generalsekretariats direkt oder indirekt Bezug genommen 14 Entscheidende Schritte hin zur Realisierung eines entsprechenden Abkommens konnten jedoch bislang nicht erzielt werden weshalb die Wahrscheinlichkeit dass ein der Erklarung entsprechender Vertrag im Rahmen der UN zustande kommen konnte uberwiegend skeptisch bewertet wird 15 In der Entscheidung uber einen Antrag der Verteidigung im Verfahren gegen den bosnisch serbischen Kriegsverbrecher Dusko Tadic hat der Internationale Strafgerichtshof fur das ehemalige Jugoslawien Bezug auf die Erklarung von Turku genommen 16 Der Mitautor der Erklarung und spatere Prasident des Gerichtshofs Theodor Meron war zu dieser Zeit noch nicht an den Gerichtshof berufen worden 17 Wissenschaft Bearbeiten In der Volkerrechtswissenschaft ist die Erklarung von Turku international sowohl auf Zuspruch als auch auf Kritik gestossen Aus Sicht der australischen Volkerrechtlerin Emily Crawford ist das Zustandekommen eines der Erklarung entsprechenden Abkommens im Rahmen der UN unwahrscheinlich da die Erklarung bereits seit mehr als zwanzig Jahren innerhalb der UN erortert wurde ohne dass dabei nennenswerte Fortschritte hin zu einem Entwurf fur ein Abkommen erzielt worden seien 18 Zwar sei es angesichts der heutzutage veranderten globalen Sicherheitslage und der damit einhergehenden Probleme notwendig auf letztere adaquate rechtliche Antworten zu finden und daher jeder Ansatz zur Verbesserung des Individualschutzes in internen Konflikten grundsatzlich unterstutzenswert Jedoch liege die rechtliche Lucke in die Situationen interner Gewaltanwendung fallen eher in der mangelnden Anwendbarkeit und Durchsetzbarkeit des humanitaren Volkerrechts und des volkerrechtlichen Menschenrechtsschutzes begrundet als in mangelnden humanitaren Standards weshalb Losungen eher in der Weiterentwicklung bereits bestehender Regelungen zu suchen seien 19 Der emeritierte Volkerrechtsprofessor Knut Ipsen aus Deutschland bezeichnet die Erklarung als wichtigen Schritt bei der Entstehung der Komplementaritatstheorie im humanitaren Volkerrecht 20 Danach konnen sich die Schutzregime der allgemein volkerrechtlich geschutzten Menschenrechte und des speziell auf bewaffnete Konflikte zugeschnittenen humanitaren Volkerrechts in nicht internationalen und internen Konfliktlagen gegenseitig erganzen obwohl es sich volkerrechtsdogmatisch um zwei voneinander zu trennende Schutzregime handelt 21 Insoweit kommt die deutsche Juristin Sigrid Mehring im Zusammenhang mit der Behandlung von Verwundeten in Konfliktsituationen zu dem Schluss dass Zustandekommen und Umsetzung eines der Erklarung entsprechenden Abkommens im humanitaren Volkerrecht die Basis fur ein Menschenrecht auf medizinische Behandlung fur Verwundete schaffen konnten wobei sie sich ebenfalls skeptisch zeigt ob ein solches Abkommen zustande kommen wird 22 Ahnlich wie Ipsen sehen die in der Schweiz tatige britische Professorin Louise Doswald Beck und der franzosische Jurist Sylvain Vite die Erklarung als Beispiel fur private Initiativen hin zu einer Konvergenz des volkerrechtlichen Menschenrechtsschutzes und des humanitaren Volkerrechts 23 Der iranische Volkerrechtsprofessor Djamchid Momtaz bezieht die Erklarung in Uberlegungen mit ein wie man die Rechte der Menschen in Situationen interner Gewaltanwendung schutzen konnte betont jedoch dass in solchen Situationen Gewalt und Verletzungen grundlegender Menschenrechte nicht nur von staatlichen sondern gerade auch von nichtstaatlichen Akteuren verubt wurden Eine Losung hierfur sei von der Tatigkeit des Internationalen Strafgerichtshofs zu erhoffen 24 Martin Scheinin finnischer Professor fur Volkerrecht sieht die Starke der Erklarung vor allem in ihrer Knappheit unabhangig vom Zustandekommen eines entsprechenden Abkommens auf zwischenstaatlicher Ebene sei die Erklarung ein padagogisches Werkzeug ein kurzer Leitfaden zu grundlegenden Standards der Humanitat die in knappem Format die Kernnormen des humanitaren Rechts und der Menschenrechte aufzeige 25 In dieser Funktion konne die Erklarung als Grundlage fur die Schulung und Verpflichtung bewaffneter Gruppen und anderer nichtstaatlicher Akteure herangezogen werden wobei zu klaren sei inwieweit die auf staatlicher Ebene erfolgende Ausarbeitung zu Akzeptanz seitens nichtstaatlicher Akteure fuhren konnte 26 Literatur BearbeitenEmily Crawford Road to Nowhere The Future for a Declaration on Fundamental Standards of Humanity online abrufbar bei SSRN letzter Abruf am 10 Dezember 2015 Louise Doswald Beck Sylvain Vite International Humanitarian Law and Human Rights Law in International Review of the Red Cross No 293 1993 online letzter Abruf am 16 Dezember 2015 Hans Joachim Heintze Theorien zum Verhaltnis von Menschenrechten und humanitarem Volkerrecht in Humanitares Volkerrecht Informationsschriften Band 1 2011 Berlin Bochum 2011 S 4 ff online letzter Abruf am 10 Dezember 2015 Knut Ipsen Anwendungsbereiche und Grundstruktur des Rechts des bewaffneten Konflikts in ders Volkerrecht 6 Auflage Munchen 2014 59 Theodor Meron Allan Rosas A Declaration of Minimum Humanitarian Standards in American Journal of International Law Band 85 1991 S 375 ff Djamchid Momtaz The minimum humanitarian rules applicable in periods of internal tension and strife in International Review of the Red Cross No 324 1998 online letzter Abruf am 16 Dezember 2015 Martin Scheinin Turku Abo Declaration of Minimum Humanitarian Standards in International Council on Human Rights Policy International Commission of Jurists Hrsg Standard setting Lessons learned for the future Workshop Genf 2005 S 2 online letzter Abruf am 10 Dezember 2015 Daruber hinaus halt das Institute for Human Rights der Abo Akademi eine Auswahl an Publikationen bereit die auf die Erklarung Bezug nehmen Siehe auch BearbeitenBewaffneter Konflikt Genfer Konventionen Humanitares Volkerrecht Martens sche KlauselWeblinks BearbeitenDie Erklarung von Turku im Wortlaut PDF 24 kB englisch Humanitare Mindeststandards Bericht des UN Generalsekretariats aufgrund von Resolution 1997 21 der UN Menschenrechtskommission auf den Seiten des IKRK englisch Website des Institute for Human Rights der Abo Akademi englisch finnisch schwedisch Einzelnachweise Bearbeiten Artikel 1 Absatz 4 des ersten bzw Artikel 1 Absatz 1 des zweiten Zusatzprotokolls konkretisieren und erweitern den Begriff des bewaffneten Konflikts C Frohlich M Johannsen B Schoch A Heinemann Gruder J Hippler in dies Friedensgutachten 2010 Munchen 2010 S 15 f K Ipsen in ders Volkerrecht 6 Auflage Munchen 2014 59 Rn 21 So in Deutschland z B im Spannungs oder im Verteidigungsfall vgl Artikel 12a Absatze 2 bis 6 und Artikel 115c Absatz 2 GG sowie die auf dieser Grundlage ergangenen Bundesgesetze ICRC Commentary of 1952 to the 1949 Geneva Conventions Art 3 online letzter Abruf am 18 Dezember 2015 M Scheinin in International Council on Human Rights Policy International Commission of Jurists Hrsg Standard setting Lessons learned for the future Workshop Genf 2005 S 2 online letzter Abruf am 10 Dezember 2015 M Scheinin in International Council on Human Rights Policy International Commission of Jurists Hrsg Standard setting Lessons learned for the future Workshop Genf 2005 S 3 online letzter Abruf am 10 Dezember 2015 M Scheinin in International Council on Human Rights Policy International Commission of Jurists Hrsg Standard setting Lessons learned for the future Workshop Genf 2005 S 3 online letzter Abruf am 10 Dezember 2015 UN Minimum humanitarian standards Analytical report of the Secretary General submitted pursuant to Commission on Human Rights resolution 1997 21 Randnummer 10 online letzter Abruf am 10 Dezember 2015 Vgl etwa D Momtaz The minimum humanitarian rules applicable in periods of internal tension and strife in International Review of the Red Cross No 324 1998 online letzter Abruf am 16 Dezember 2015 L Doswald Beck S Vite International Humanitarian Law and Human Rights Law in International Review of the Red Cross No 293 1993 online letzter Abruf am 16 Dezember 2015 KSZE Dokument des Moskauer Treffens der Konferenz uber die menschliche Dimension der KSZE Moskau 1991 Randnummer 28 7 online letzter Abruf am 17 Dezember 2015 Observations of Switzerland Report of the Sub Commission on prevention of discrimination and protection of minorities UN doc E CN 4 1997 77 Add 1 28 January 1997 S 2 online letzter Abruf am 17 Dezember 2015 D Momtaz The minimum humanitarian rules applicable in periods of internal tension and strife in International Review of the Red Cross No 324 1998 online letzter Abruf am 16 Dezember 2015 Vgl die Auflistung einschlagiger UN Dokumente auf den Seiten des Institute for Human Rights der Abo Akademi 1 S unten unter Wissenschaft ICTY The Prosecutor v Tadic Decision of 2 October 1995 Case No IT 94 1 AR 72 Randnummer 116 online letzter Abruf am 15 Dezember 2015 http its law nyu edu facultyprofiles index cfm fuseaction profile short biography amp personid 20122 E Crawford Road to Nowhere The Future for a Declaration on Fundamental Standards of Humanity S 23 ff 31 f online letzter Abruf am 10 Dezember 2015 E Crawford Road to Nowhere The Future for a Declaration on Fundamental Standards of Humanity S 28 ff online letzter Abruf am 10 Dezember 2015 K Ipsen in ders Volkerrecht 6 Auflage Munchen 2014 58 Rn 19 H J Heintze in Humanitares Volkerrecht Informationsschriften Band 1 2011 Berlin Bochum 2011 S 4 ff 7 S Mehring First Do No Harm Medical Ethics in International Humanitarian Law Leiden 2015 S 243 f L Doswald Beck S Vite International Humanitarian Law and Human Rights Law in International Review of the Red Cross No 293 1993 online letzter Abruf am 16 Dezember 2015 D Momtaz The minimum humanitarian rules applicable in periods of internal tension and strife in International Review of the Red Cross No 324 1998 online letzter Abruf am 16 Dezember 2015 M Scheinin in International Council on Human Rights Policy International Commission of Jurists Hrsg Standard setting Lessons learned for the future Workshop Genf 2005 S 4 online letzter Abruf am 10 Dezember 2015 M Scheinin in International Council on Human Rights Policy International Commission of Jurists Hrsg Standard setting Lessons learned for the future Workshop Genf 2005 S 5 online letzter Abruf am 10 Dezember 2015 Bitte den Hinweis zu Rechtsthemen beachten Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Erklarung von Turku uber humanitare Mindeststandards amp oldid 229524053