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C 1618 W1 ist ein Komet der in den Jahren 1618 und 1619 mit dem blossen Auge gesehen werden konnte Er wird aufgrund seiner ausserordentlichen Helligkeit und seines bis zu 90 langen Schweifs zu den Grossen Kometen gezahlt KometC 1618 W1Der Komet von 1618 uber Augsburg 1 Eigenschaften des Orbits Animation Epoche 8 November 1618 JD 2 312 334 351 Orbittyp nicht periodischNumerische Exzentrizitat 1 0Perihel 0 390 AENeigung der Bahnebene 37 2 Periheldurchgang 8 November 1618Bahngeschwindigkeit im Perihel 67 km sGeschichteEntdeckerDatum der Entdeckung 25 November 1618Altere Bezeichnung 1618 IIQuelle Wenn nicht einzeln anders angegeben stammen die Daten von JPL Small Body Database Browser Bitte auch den Hinweis zu Kometenartikeln beachten Er war der erste Komet der ebenso wie zwei kleinere desselben Jahres mit Fernrohren beobachtet wurde Wahrend fuhrende Wissenschaftler exakte Beobachtungen anstellten diskutierten andere bei einem Kolloquium ob diese Kometen gottliche Zeichen wegen des gerade ausgebrochenen europaweiten Krieges seien oder rein naturliche Erscheinungen Inhaltsverzeichnis 1 Entdeckung und Beobachtung 2 Aberglaube 3 Wissenschaftliche Auswertung 4 Umlaufbahn 5 Rezeption in der Literatur 6 Siehe auch 7 Literatur 8 Weblinks 9 EinzelnachweiseEntdeckung und Beobachtung BearbeitenIm Jahr 1618 konnten drei Kometen mit blossem Auge gesehen werden Der hellste von ihnen war der wahrscheinlich am 25 November zum ersten Mal beobachtete Zwei chinesische Texte berichten dass ein Komet am Morgen des 26 November Ortszeit gesehen wurde Sein Schweif war uber 10 lang und nach Sudosten gerichtet Moglicherweise wurde der Komet aber bereits fruher in Persien entdeckt wo ihn der spanische Botschafter Garcia de Silva y Figueroa in Isfahan schon ein oder zwei Tage zuvor gesehen hatte Allerdings sind seine Berichte in dieser Hinsicht ungenau Er beschrieb ihn als diffus und von der Farbe und Helligkeit wie Venus am ostlichen Himmel stehend Auch in Korea und auf den Philippinen erfolgten Sichtungen In Europa wurde der Komet von vielen Astronomen ab Ende November beobachtet Johannes Kepler sah ihn in Linz am Morgen des 29 November und konnte seinen Bahnverlauf bis zum 7 Januar vermessen Der Schweizer Jesuit Johann Baptist Cysat beobachtete den Kometen von Ingolstadt aus ab dem 1 Dezember Am 9 Dezember berichtet er von einer Schweiflange von 70 In England beobachtete ihn der Astronom John Bainbridge vom 28 November bis zum 26 Dezember und zeichnete Karten mit der Position des Kometen am Himmel Aus seinen Beobachtungen schloss er dass der Komet zehnmal weiter entfernt von der Erde als der Mond war Der Dane Longomontanus ein Schuler Tycho Brahes beobachtete am 10 Dezember in Kopenhagen einen Schweif von 104 Lange wahrend der Jesuit Orazio Grassi am 12 Dezember in Rom eine Schweiflange von etwa 60 schatzte Weitere Beobachter waren Pierre Gassendi in Aix en Provence Wilhelm Schickard in Wurttemberg Snellius in Leiden und andere 2 In China konnte der Komet bis zum 4 Januar 1619 beobachtet werden Seine letzte Sichtung erfolgte durch Cysat am Morgen des 22 Januar mit einem Teleskop 3 4 5 Der Komet erreichte am 29 November eine Helligkeit von 0 1 mag 6 Aberglaube BearbeitenWie zur damaligen Zeit ublich wurde auch dieser Komet in einer Flut von Schriften als unheilvoller Vorbote vielfaltiger Unglucke und als von Gott gesandte Mahnung und Zornrute angesehen siehe Kometenfurcht In einer Thuringer Chronik hiess es Den 3 November 1618 ist ein schrecklicher Compet am Himmel erschienen der etzliche Monath und gar bis in das folgende Jahr gesehen war denn darauf in aller Welt Krieg Aufruhr Blutvergiessen Pestilentz und theure Zeit und unaussprechlich Ungluck erfolget Kein schrecklichen Comet man spurt der nicht gross Ungluck mit sich fuhrt 7 Im Nachhinein aber spatestens ab ungefahr 1630 erfuhr der Komet von 1618 eine Deutung als Vorzeichen des Dreissigjahrigen Krieges 8 Auch die Tode von Erzherzog Maximilian Papst Paul V und Philipp III von Spanien sollen durch den Kometen angekundigt worden sein 9 Wissenschaftliche Auswertung Bearbeiten nbsp Der Komet von 1618 uber dem nachtlichen Heidelberg 10 Die Kometen von 1618 waren die ersten die nach der Erfindung des Fernrohrs mit solchen Instrumenten beobachtet wurden Ausser genauerer Beobachtung ihres Erscheinungsbildes ermoglichte dies auch wesentlich prazisere Vermessung ihrer Positionen am Himmel was spater die Berechnung der Bahnelemente erleichtern sollte Kepler schrieb uber die drei Kometen des Jahres 1618 in seinem De cometis libelli tres und knupfte darin an eine Erkenntnis von Brahe und Mastlin an Den beiden Professoren war es 1577 gelungen am Kometen C 1577 V1 die Parallaxe zu bestimmen Sie konnten damit belegen dass die Kometen keine Gebilde in der Erdatmosphare sondern echte Himmelskorper sind die sich auf Kreisbahnen bewegen Demgegenuber verteidigte aber Kepler seine Annahme einer geradlinigen Kometenbewegung Die Entstehung von Kometen fuhrte er wie seine Vorganger auf Verdichtungen im Ather zuruck 11 In Ulm entbrannte eine Auseinandersetzung zwischen dem Mathematiker und Ingenieur Johannes Faulhaber und dem Arzt und Philosophen Johann Remmelin einerseits und dem Direktor des Ulmer Gymnasiums Johann Baptist Hebenstreit dem Pfarrer Zimbertus Wehe und dem Mathematiker Johannes Krafft auf der anderen Seite Es ging dabei kurz nach Ausbruch des Dreissigjahrigen Krieges um die Frage ob die Kometen die im Jahr 1618 am Himmel erschienen wunderbare Zeichen waren die den Zorn Gottes und seine Strafe ankundigten oder ob es naturliche Erscheinungen ohne jeglichen Einfluss auf Krieg und Tod Hunger und Elend waren Am 18 Oktober 1619 fand zur Klarung der Streitfragen in Ulm ein Kolloquium einiger Wissenschaftler statt darunter auch der Mathematiker Rene Descartes Es heisst dieses Kolloquium das als Ulmer Kometenstreit in die Geschichte einging sei durchaus versohnlich ausgegangen mit dem Versprechen sich kunftig als christliche Bruder zu achten was wohl als ein Unentschieden gedeutet werden kann 12 Auch unter den Jesuiten hatten die astronomischen Entdeckungen der vergangenen Jahre ein Umdenken bewirkt Sie verteidigten die traditionelle Philosophie und das Weltbild von Aristoteles und Brahe vertraten aber nun die Meinung dass Kometen Himmelskorper seien die die Sonne umkreisen und weit von der Erde entfernt jenseits des Mondes zu finden seien Als der Komet von 1618 erschien wurde er am Collegio Romano mit grosser Sorgfalt beobachtet und studiert Es wurden auch Beobachtungen anderer Jesuiten aus ganz Europa zusammengetragen Die Untersuchungsergebnisse wurden vom Professor fur Mathematik Orazio Grassi in seinem Traktat Libra astronomica ac philosophica 1619 veroffentlicht das unter dem Pseudonym Lotario Sarsi Sigenzano erschien Grassi fuhrte zahlreiche Argumente basierend auf Messungen der Parallaxe dafur an dass der Komet nicht der Erdatmosphare entstammte und dass er sich auch nicht innerhalb der Umlaufbahn des Mondes befand Grassi unterstutzte die heliozentrische Theorie und akzeptierte die teleskopischen Entdeckungen Galileo Galileis aber seine Ideen wurden von Galilei als falsch und nutzlos zuruckgewiesen Es ergab sich daraus ein heftiger Disput in dem Galilei zwar den Standpunkt vertrat dass die traditionellen Ansichten die Wissenschaft behinderten aber dennoch die aristotelische Sichtweise annahm dass Kometen nicht wandernde Himmelskorper wie die Planeten seien sondern erdnahe optische Effekte Reflexionserscheinungen in der Atmosphare Er hatte den Kometen von 1618 aus gesundheitlichen Grunden nicht selbst beobachten konnen und konnte seine Theorie daher nicht auf eigene Messungen stutzen Als wenige Jahre spater sein Jugend und Studienfreund Maffeo Barberini als Papst Urban VIII das Pontifikat antrat widmete er ihm sogleich seine Schrift Il Saggiatore 1623 die massiv gegen Grassi polemisierte und das kopernikanische System verteidigte Er handelte sich damit die folgenreiche Feindschaft der Inquisition ein an der sich Grassi aber nicht beteiligte 13 Umlaufbahn BearbeitenFur den Kometen konnte aus 42 Beobachtungen uber 53 Tage durch Bessel eine unsichere parabolische Umlaufbahn bestimmt werden die um rund 37 gegen die Ekliptik geneigt ist 14 Seine Bahn steht damit schrag gestellt zu den Bahnebenen der Planeten Im sonnennachsten Punkt der Bahn Perihel den der Komet am 8 November 1618 durchlaufen hat befand er sich mit etwa 58 3 Mio km Sonnenabstand im Bereich zwischen den Umlaufbahnen von Merkur und Venus Bereits um den 19 Oktober war er der Venus bis auf etwa 61 Mio km nahegekommen und um den 30 Oktober erfolgte eine Annaherung an den Jupiter bis auf etwa 4 AE Am 6 Dezember passierte er die Erde in etwa 54 Mio km 0 36 AE Distanz Nennenswerte Annaherungen an die anderen Planeten fanden nicht statt 15 Aufgrund der unsicheren Ausgangsdaten kann keine Aussage daruber getroffen werden ob und gegebenenfalls wann der Komet in das innere Sonnensystem zuruckkehren konnte Rezeption in der Literatur BearbeitenDer Komet von 1618 hatte auch in England wilde Spekulationen uber seine mogliche unglucksverheissende Bedeutung ausgelost Einige sahen darin eine gottliche Missbilligung der Bemuhungen des Konigs Jakob I um eine Heiratsallianz mit Spanien Der englische Konig zeigte sich besorgt uber die politischen Implikationen dieser Spekulationen und verfasste daraufhin ein Gedicht mit Anspielungen auf die Leichtglaubigkeit des Volkes 16 You men of Britaine wherefore gaze yee so Uppon an Angry starr whenh as yee know The sun shall turne to darknesse the Moon to blood And then twill be to late for to turne good O be so happy then while time doth last As to remember Dooms day is not past And misinterpret not with vaine Conceit The Caracter you see on Heaven gate Which though it bring the world some news from fate The letters such as no man can translate And for to guesse at God Almightys minde Where such a thing might Cozen all mankinde Wherfore I wish the Curious man to keep His rash Imaginations till he sleepe Then let him dreame of Famine plague amp war And thinke the match with spaine hath causd this star Or let them thinke that if their Prince my Minion Will shortly chang or which is worse religion And that he may have nothing elce to feare Let him walke Pauls and meet the Devills there And if he be a Puritan and scapes Jesuites salute them in their proper shapes These Jealousys I would not have a Treason In him whose Fancy overrules his Reason Yet to be sure It did no harme Twere fit He would be bold to pray for no more witt But onely to Conceale his dreame for there Be those that will beleive what he dares feare Siehe auch BearbeitenListe von Kometen Grosser KometLiteratur BearbeitenA Bahr Der grausame Komet Himmelszeichen und Weltgeschehen im Dreissigjahrigen Krieg Reinbek 2017 ISBN 978 3 498 00679 2 Weblinks BearbeitenDeutschlandfunk Nova Himmelszeichen im Dreissigjahrigen Krieg Der grausame Komet Kulturhistorischer Vortrag uber den Kometen Podcast Einzelnachweise Bearbeiten E Ehinger Iudicium Astrologicum Von dem Newen Cometa Welcher den 1 Decemb 1618 am Morgen vor vnd nach 6 vhren zu Augspurg von vilen Perſonen geſehen worden J Schultes Augsburg ca 1622 online A G Pingre Cometographie ou Traite historique et theorique des cometes Bd II Imprimerie Royale Paris 1783 S 7 9 G W Kronk Cometography A Catalog of Comets Volume 1 Ancient 1799 Cambridge University Press Cambridge 1999 ISBN 978 0 521 58504 0 S 338 341 D Seargent The Greatest Comets in History Broom Stars and Celestial Scimitars Springer New York 2009 ISBN 978 0 387 09512 7 S 110 112 doi 10 1007 978 0 387 09513 4 P Grego Blazing a Ghostly Trail ISON and Great Comets of the Past and Future Springer Cham 2013 ISBN 978 3 319 01774 7 S 89 90 Donald K Yeomans NASA JPL Solar System Dynamics Great Comets in History Abgerufen am 17 Juni 2014 englisch V Happe Chronicon Thuringiae T I Bl 24v online K Bentley Her hilf uns Der Komet von 1618 Zeitgenossische Wahrnehmung und Deutungen anhand von Selbstzeugnissen aus dem Suden des deutschsprachigen Raumes Masterarbeit Basel 2006 https edoc unibas ch 59940 Abstract J J Wagner Herrn Ludwig Lavaters L G Hiſtoriſche Erzehlung vaſt aller der Kometen Welche von der Geburt des Rom Keiſers Auguſti und der Gnadenreichen Geburt unſers Herren und Heilands Jeſu Chriſti an bis auf das 1556 Jahr geſehen worden auss vilerley Geſchichtſchreibern zuſammen getragen Zurich 1681 S 91 95 doi 10 3931 e rara 324 PDF 26 85 MB M Merian Theatrum Europaeum 3 Aufl Bd 1 1662 S 101 M List Kepler Johannes In Neue Deutsche Biographie Bd 11 1977 S 494 508 I Schneider Wunderwerk Gottes oder ganz naturliche Erscheinung Der Kometenstreit des Jahres 1618 In Damals Heft 12 1994 S 32 39 P Grego Blazing a Ghostly Trail ISON and Great Comets of the Past and Future Springer Cham 2013 ISBN 978 3 319 01774 7 S 61 62 C 1618 W1 in der Small Body Database des Jet Propulsion Laboratory englisch A Vitagliano SOLEX 12 1 Abgerufen am 9 Juli 2020 englisch Early Stuart Libels Ni Prophecy and Portent c 1618 1623 Abgerufen am 25 Juni 2014 englisch Abgerufen von https de wikipedia org w index php title C 1618 W1 amp oldid 234922175